Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo

17.05.2022 · IWW-Abrufnummer 229244

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 20.04.2022 – 5 Sa 100/21

1. Ausgleichsklauseln in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich oder in einem Aufhebungsvertrag sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Durch eine Ausgleichsklausel im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie an diese dachten oder nicht.

2. Die Klausel "... dass mit der Erfüllung dieser Aufhebungsvereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, vollständig erledigt sind" schließt eine Aufrechnung wegen einer früheren Gehaltsüberzahlung aus, wenn dieser Anspruch der Arbeitgeberin neben den sonstigen Ansprüchen der Parteien nicht gesondert aufgeführt ist.

3. Die Aufrechnung ist auch nicht deshalb noch möglich, weil die Parteien vereinbart haben, dass das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß und entsprechend der arbeitsvertraglichen Regelungen abgerechnet wird und die sich ergebenden Nettobeträge ausgezahlt werden.


Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 08.04.2021 - 2 Ca 1574/20 - abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als weiteres Arbeitsentgelt für den Monat Oktober 2020 € 1.474,94 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2020 zu zahlen.


2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.


3. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über eine zur Aufrechnung gestellte Erstattungsforderung aus Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.



Die im August 1980 geborene Klägerin begründete zum 16.02.2009 mit der Beklagten ein Arbeitsverhältnis. Mit Änderungsvertrag vom 26.05.2017 vereinbarten die Parteien eine Beschäftigung als Assistentin der Herstellungsleitung mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden bei einem monatlichen Arbeitsentgelt von € 1.550,00 brutto. Nachdem es der Klägerin zunächst gestattet war, einen Teil ihrer Arbeitsleistung im Home-Office zu erbringen, widerrief die Beklagte mit Schreiben vom 27.04.2020 diese Vereinbarung.



Am 05.05.2020 erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig. Für den Zeitraum Dienstag, 05.05.2020, bis Freitag, 12.06.2020, stellte die allgemeinmedizinische Praxis Dr. K. in P. der Klägerin eine Erst- und später eine Folgebescheinigung mit den ICD-10-Diagnosen F32.0 G (Leichte depressive Episode), F45.9 G (Somatoforme Störung, nicht näher bezeichnet) und Z56 (Kontaktanlässe mit Bezug auf das Berufsleben) aus.



Die orthopädische Praxis Dr. I. & M. in H. erteilte der Klägerin eine Erstbescheinigung von Montag, 15.06.2020, bis Montag, 29.06.2020, mit den Diagnosen H82 G (Schwindelsyndrome bei anderenorts klassifizierten Krankheiten) und M47.22 G (Sonstige Spondylose mit Radikulopathie im Zervikalbereich). Die Folgebescheinigungen hierzu erstreckten sich bis zum 31.07.2020. Da die Klägerin am 16.06.2020 bereits mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig war, erkundigte sich die Beklagte bei der Krankenkasse nach den Krankheitsursachen. Die Krankenkasse sah die Beklagte wegen einer ab 15.06.2020 neu aufgetretenen Erkrankung in der Pflicht, weiterhin Entgeltfortzahlung zu leisten. Die Beklagte zahlte daraufhin das Gehalt der Klägerin über den 15.06.2020 hinaus für einen weiteren Zeitraum von sechs Wochen bis einschließlich 26.07.2020 fort.



Für den Zeitraum vom 03.08.2020 bis zum 28.08.2020 erhielt die Klägerin mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von zwei HNO-Praxen. Am 28.08.2020 stellte wiederum die allgemeinmedizinische Praxis Dr. K. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, und zwar als Folgebescheinigung bezogen auf den 05.05.2020. Die Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie M. in P. bezog sich in ihrer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 31.08.2020, die zunächst bis zum 29.09.2020 reichte und später auf den 31.10.2020 verlängert wurde, ebenfalls auf einen Krankheitsbeginn am 05.05.2020.



Die Beklagte korrigierte daraufhin die Lohnabrechnungen für die Monate Juni sowie Juli 2020 und errechnete mit den Lohnbescheinigungen vom 02.09.2020 eine Überzahlung im Juni von € 775,00 brutto (= € 534,79 netto) sowie im Juli 2020 von € 1.213,04 brutto (= € 940,15 netto), insgesamt also von € 1.474,94 netto.



Die Parteien schlossen am 15.10./27.10.2020 die folgende Aufhebungsvereinbarung:



"...



§ 1 Beendigung, Vertragserfüllung



Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.10.2020 (das "Beendigungsdatum") sein Ende finden wird. Bis zum Beendigungsdatum wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß und entsprechend der arbeitsvertraglichen Regelungen abgerechnet und die sich ergebenden Nettobeträge an die Arbeitnehmerin ausgezahlt.



§ 3 Urlaub, Urlaubsabgeltung und Überstunden



(1) Die Arbeitnehmerin hat zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Vereinbarung noch einen Urlaubsanspruch in Höhe von 27 Tagen. Der Arbeitgeber gewährt der Arbeitnehmerin den ihr zustehenden Urlaub vom Tag der Unterzeichnung dieser Vereinbarung an. Der zum Beendigungstermin ggf. noch bestehende Resturlaub wird mit der Abrechnung für den Monat Oktober abgegolten.



(2) Die 43 Überstunden werden mit der Abrechnung für den Monat Oktober 2020 abgerechnet und mit der Vergütung für den Monat Oktober 2020 zum 02.11.2020 ausgezahlt.



§ 4 Ausgleichsklausel



Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit der Erfüllung dieser Aufhebungsvereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, vollständig erledigt sind.



§ 5 Herausgabe



Die Arbeitnehmerin gibt unverzüglich, spätestens am letzten Arbeitstag, am Sitz des Arbeitgebers alle in ihrem Besitz befindlichen, vom Arbeitgeber überlassenen Arbeitsmittel, wie Schlüssel, Transponder (für den Zutritt zu den Arbeitsräumen) usw.



Gleichzeitig werden die noch im Büro verbliebenen Privatsachen der Arbeitnehmerin nach vorheriger Vereinbarung eines Übergabetermins mit Frau Ahrens abgeholt.



..."



Mit der Lohnabrechnung vom 03.11.2020 für Oktober 2020 rechnete die Beklagte eine Urlaubsabgeltung in Höhe von € 1.931,04 brutto sowie eine Überstundengrundvergütung von € 512,56 brutto ab. Den sich ergebenden Nettoverdienst in Höhe von € 2.056,42 kürzte die Beklagte um die Nettoüberzahlung aus den Nachberechnungen für die Monate Juni und Juli 2020, also um € 1.474,94. Den restlichen Nettobetrag zahlte sie an die Klägerin aus.



Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass ihr auch im Zeitraum 15.06.2020 bis 26.07.2020 Entgeltfortzahlung zu gewähren sei, da es sich um eine neue Erkrankung gehandelt habe. Am 14.06.2020 gegen 14:00 Uhr sei der Klägerin plötzlich schwindelig geworden und sie habe starke Kopf- und Nackenschmerzen verspürt. Weshalb sie Ende August 2020 überraschend Folgebescheinigungen erhalten habe, wisse sie nicht. Das sei jedenfalls aufgrund der unterschiedlichen Diagnosen nicht richtig. Im Übrigen verweise sie auf das Zeugnis ihrer behandelnden Ärzte, die sie von der Schweigepflicht entbinde.



Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,



die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.988,04 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2020 sowie einen Betrag von € 40,00 als vermögenswirksame Leistungen zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei den Erkrankungen der Klägerin um einen einheitlichen Verhinderungsfall gehandelt habe. Angesichts der Krankengeschichte sei es wenig glaubhaft, wenn die Klägerin behaupte, am Samstag, 13.06.2020, und am Sonntag, 14.06.2020, bis etwa 14:00 Uhr gesund und arbeitsfähig gewesen zu sein. Den Beweisangeboten der Klägerin sei nicht nachzugehen, da es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handele.



Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Entgeltansprüche der Klägerin für den Monat Oktober 2020 in Höhe des aufgerechneten Betrags erloschen seien. Die Beklagte könne von der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung die Rückzahlung des ohne Rechtsgrund für den Zeitraum 16.06. bis 26.07.2020 gezahlten Entgelts fordern. Die Klägerin habe zwar behauptet, am 13.06. und am Vormittag des 14.06.2020 gesund gewesen zu sein, dies jedoch nicht durch konkrete Tatsachen belegt. Mangels ausreichendem Tatsachenvortrag habe sich eine Beweisaufnahme erübrigt.



Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer Einheit des Verhinderungsfalls ausgegangen. Die Klägerin habe sich in der Woche vom 08.06. bis 12.06.2020 wieder so weit erholt, dass sie fest von einer Arbeitsaufnahme am Montag, 15.06.2020, ausgegangen sei. Das habe sie auch ihrem Lebensgefährten und einer Bekannten so mitgeteilt. Im Übrigen habe die Klägerin Beweis durch Vernehmung des Arztes Dr. K. angeboten. Das Arbeitsgericht habe dieses Beweisangebot zu Unrecht übergangen. Unabhängig davon sei ein evtl. Rückforderungsanspruch aufgrund der Ausgleichsklausel in der Aufhebungsvereinbarung ausgeschlossen. Danach seien mit Erfüllung der Aufhebungsvereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, vollständig erledigt.



Die Klägerin beantragt,



unter Abänderung des am 08.04.2021 verkündeten und am 28.04.2021 zugestellten Urteils des Arbeitsgerichts Schwerin, Az. 2 Ca 1574/20, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.474,94 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 15.11.2020 zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,



die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.



Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsgericht habe zu Recht von einer Vernehmung des behandelnden Arztes abgesehen, da es schon an einem hinreichenden Tatsachenvortrag fehle. Auch habe die Klägerin der Beklagten nicht mitgeteilt, dass sie ab Montag, 15.06.2020, wieder arbeitsfähig sei und die Arbeit wieder aufnehmen wolle. Angesichts der langen Abwesenheit wäre eine solche Information zu erwarten gewesen. Die Ausgleichsklausel in der Aufhebungsvereinbarung stehe dem bereicherungsrechtlichen Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der zu Unrecht gewährten Entgeltfortzahlung nicht entgegen. Die Aufhebungsvereinbarung sehe nämlich auch vor, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungstermin ordnungsgemäß und entsprechend der arbeitsvertraglichen Regelungen abgerechnet werde. Von einer ungekürzten Auszahlung der Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung sei in der Aufhebungsvereinbarung nicht die Rede.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.



Die Klägerin hat aus § 611a Abs. 2 BGB einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des abgerechneten Arbeitsentgelts für den Monat Oktober 2020 in voller Höhe. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1 und 2, § 288 Abs. 1 BGB.



Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB). Es fehlt an einem Anspruch der Beklagten, der demjenigen der Klägerin entgegengestellt werden kann. Die Beklagte kann nicht die Rückzahlung der im Zeitraum 16.06. bis 26.07.2020 geleisteten Entgeltfortzahlung verlangen.



Wer durch die Leistung eines anderen auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zu Herausgabe verpflichtet (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob ein solcher Anspruch entstanden ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist er mit Abschluss der Aufhebungsvereinbarung vom 15./27.10.2020 erloschen. Unter § 4 der Aufhebungsvereinbarung haben die Parteien vereinbart, dass mit der Erfüllung der Aufhebungsvereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, vollständig erledigt sind. Diese Regelung erfasst auch einen evtl. Bereicherungsanspruch wegen einer Gehaltsüberzahlung im Juni/Juli 2020.



Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt (BAG, Beschluss vom 26. September 2018 - 7 ABR 18/16 - Rn. 39, juris = NZA 2019, 181; BAG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 21, juris = NZA 2015, 483).



Als rechtstechnische Mittel für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehungen abschließend zu bereinigen, kommen insbesondere der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) ist anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend nicht mehr erfüllt werden soll. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB) liegt vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen. Ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis ist anzunehmen, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen (BAG, Urteil vom 28. Oktober 2021 - 8 AZR 371/20 - Rn. 32, juris = NZA 2022, 341).



Eine Formulierung wie "Mit vollständiger Erfüllung dieses Aufhebungsvertrages sind sämtliche wechselseitige Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrunde, gleich ob bekannt oder unbekannt, abgegolten und erledigt" ist regelmäßig als konstitutives negatives Schuldanerkenntnis zu verstehen. Diese Bestimmung erfasst alle wechselseitigen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben (BAG, Urteil vom 28. Oktober 2021 - 8 AZR 371/20 - Rn. 8 und 33, juris = NZA 2022, 341).



Ausgleichsklauseln in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich oder in einem Aufhebungsvertrag sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Durch eine Ausgleichsklausel im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie an diese dachten oder nicht (BAG, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 10 AZR 617/07 - Rn. 30, juris = NZA 2009, 139; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09. Juni 2021 - 3 Sa 82/21 - Rn. 34, juris = AE 2022, 59).



Nach § 4 der Aufhebungsvereinbarung vom 15./27.10.2020 sind sich die Parteien darüber einig, dass mit der Erfüllung dieser Aufhebungsvereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, vollständig erledigt sind.



Bereits nach dem Wortlaut erfasst diese Klausel auch einen Bereicherungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin wegen einer Gehaltsüberzahlung. Dieser Anspruch ist ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Ob die Parteien bei Abschluss des Aufhebungsvertrages an diesen Anspruch gedacht haben, ist unerheblich. Bekannt war er der Beklagten jedenfalls zu diesem Zeitpunkt einschließlich der Höhe des überzahlten Betrages.



Ausgenommen von der Ausgleichsklausel sind lediglich die vor und nach dieser Klausel im Einzelnen geregelten Ansprüche, nämlich zum einen die Ansprüche der Klägerin auf Urlaub bzw. Urlaubsabgeltung und auf Überstundenvergütung sowie auf Herausgabe von Privatsachen und zum anderen die Ansprüche der Arbeitgeberin auf Rückgabe der Arbeitsmittel, wie Schlüssel, Transponder usw. Diese Ansprüche waren noch wechselseitig zu erfüllen. Alle anderen - bekannten oder unbekannten - Ansprüche werden von der Ausgleichsklausel erfasst. Das entspricht dem Sinn und Zweck der Aufhebungsvereinbarung, das Arbeitsverhältnis abschließend zu regeln und zu bereinigen. Die Ausgleichsklausel soll für Rechtssicherheit sorgen und Streitigkeiten im Nachhinein vermeiden.



Aus der Klausel unter § 1 Satz 2 der Aufhebungsvereinbarung "Bis zum Beendigungsdatum wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß und entsprechend der arbeitsvertraglichen Regelung abgerechnet und die sich ergebenden Nettobeträge an die Arbeitnehmerin ausgezahlt" ergibt sich nicht, dass ein evtl. bereicherungsrechtlicher Anspruch der Beklagten von der Ausgleichsklausel ausgenommen sein soll. Ebenso wenig lassen sich darauf evtl. weitere finanzielle Ansprüche der Klägerin, z. B. auf eine Sonderzahlung, stützen. Diese Bestimmung bezieht sich lediglich auf die Verpflichtungen der Arbeitgeberin aus dem Steuer- und dem Sozialversicherungsrecht, die jeweiligen Abzüge aus der Bruttovergütung zu berechnen und an die zuständigen Stellen abzuführen. Welche wechselseitigen Ansprüche noch abzurechnen sind, lässt sich daraus nicht entnehmen. Das wiederum ergibt sich allein aus den Regelungen unter § 3 und § 5 der Aufhebungsvereinbarung. Dort sind die noch zu erfüllenden wechselseitigen Ansprüche ihrem Rechtsgrund nach abschließend aufgezählt. Ein Anspruch auf Rückzahlung von Gehalt aus Juni/Juli 2020 ist nicht darunter. Es handelt sich dabei um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, auch wenn dieser ggf. im Wege einer Aufrechnung durchgesetzt werden kann. Im Sinne der durch die Ausgleichsklausel angestrebten Rechtssicherheit und Streitvermeidung kann dieser Anspruch nur dann weiterhin geltend gemacht werden, wenn er als noch zu erfüllender Anspruch genannt ist. Andernfalls wird er von der Ausgleichsklausel erfasst und gilt als erledigt. Ein Rechtsstreit wie der vorliegende sollte durch die Ausgleichsklausel in der Aufhebungsvereinbarung gerade vermieden werden.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Vorschriften§ 611a Abs. 2 BGB, § 286 Abs. 1, 2, § 288 Abs. 1 BGB, § 389 BGB, § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, §§ 133, 157 BGB, § 397 Abs. 1 BGB, § 397 Abs. 2 BGB, § 91 Abs. 1 ZPO