22.08.2022 · IWW-Abrufnummer 230861
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 21.06.2022 – 5 Sa 245/21
Hat ein Arbeitgeber in der Vergangenheit die kurzzeitige Nutzung von Firmenfahrzeugen zu privaten Zwecken nach Rücksprache mit dem Vorgesetzten gestattet und nutzt sodann ein Arbeitnehmer das Fahrzeug ohne Erlaubnis mangels Möglichkeit einer Kontaktaufnahme zum Vorgesetzten, kann es vor Ausspruch einer Kündigung erforderlich sein, diese Pflichtverletzung abzumahnen.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 11.10.2021 - 12 Ca 57/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen des Vorwurfs einer unerlaubten Privatnutzung eines Betriebsfahrzeugs.
Der im März 1965 geborene Kläger, der zuvor langjährig als Kfz-Schlosser tätig war, nahm am 25.07.2013 bei der Beklagten eine Beschäftigung im Hol- und Bringdienst auf. Die Beklagte erbringt für konzernangehörige Gesellschaften Dienstleistungen, wie Reinigungstätigkeiten, Transportdienste, Personenbeförderung etc. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Der Kläger bezog zuletzt eine monatliche Vergütung von € 2.100,00 brutto.
Im Hol- und Bringdienst war der Kläger dem Fuhrparkleiter, Herrn A., unterstellt. Dieser hatte dem Kläger vor einigen Jahren die private Nutzung eines Transporters für den Umzug der Schwiegermutter des Klägers gestattet.
Am 16.12.2020 fand bei der Beklagten eine Betriebsversammlung statt, an der auch der Kläger teilnahm. Im Anschluss an die Betriebsversammlung kam es zu einem anonymen Protestschreiben von Mitarbeitern. Zudem lehnten mehrere Arbeitnehmer, u. a. auch der Kläger, die Unterzeichnung eines Änderungsvertrages ab. Zum 01.02.2021 setzte die Beklagte den Kläger in den Bereich Außenanlagen um.
Am Samstag, 22.05.2021, gegen 16:30 Uhr nutzte der Kläger den Betriebstransporter Mercedes Sprinter, Baujahr 2002, mit dem amtlichen Kennzeichen xxxx-xx xx zu privaten Zwecken für den Transport eines Balkens. Er fuhr mit dem Fahrzeug eine Strecke von 10 km. Die Schlüssel zu dem Fahrzeug holte der Kläger aus einer Halle, die er mit seinem Schlüssel öffnen konnte. Die Kfz-Zulassung befand sich hinter der Sonnenblende. Ein Fahrtenbuch für den Transporter gibt es nicht. Der Kläger stellte den Transporter nach der Fahrt wieder auf dem Betriebsgelände ab, ohne ihn zu betanken.
Am Dienstag, 25.05.2021, ließ sich der Transporter nicht starten und wurde später in einer Werkstatt repariert.
Mit Schreiben vom 03.06.2021, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 31.08.2021 bzw. zum nächstzulässigen Termin. Der Kläger ist seit dem 03.06.2021 ununterbrochen krankheitsbedingt arbeitsunfähig.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam sei. Bis zum 22.05.2021 sei es gängige Praxis gewesen, Firmenfahrzeuge zu privaten Zwecken für einen kurzen Zeitraum nutzen zu dürfen. Der Fuhrparkleiter habe regelmäßig sein Einverständnis hierzu erteilt. Am Samstag, 22.05.2021, habe der Kläger jedoch den Fuhrparkleiter nicht fragen können, da dieser nicht im Dienst gewesen sei. Der Kläger habe den Transporter kurzfristig benötigt, um einen Stützbalken zu transportieren. Angesichts der bisherigen Praxis sei er davon ausgegangen, dass der Fuhrparkleiter keine Einwände gegen eine kurzzeitige private Nutzung erheben werde.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 03.06.2021 weder außerordentlich fristlos noch ordentlich zum 31.08.2021 beendet wird.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die außerordentliche Kündigung sei gerechtfertigt. Der Kläger habe eine Straftat nach § 248b StGB zulasten der Beklagten begangen, wodurch das Vertrauensverhältnis zu ihm unwiederbringlich erschüttert sei. Zudem habe er den verbrauchten Kraftstoff nicht ersetzt. Der Kläger habe die Beklagte vorsätzlich geschädigt. Die Nutzung von Betriebsfahrzeugen zu privaten Zwecken sei untersagt. Als Fahrzeughalterin trage die Beklagte das Haftungsrisiko bei eventuellen Unfällen während der privaten Nutzung. Aufgrund des Vertrauensbruchs sei eine Abmahnung entbehrlich.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die außerordentliche Kündigung sei ebenso wie die ordentliche unwirksam. Der Kläger habe zwar seine Vertragspflichten verletzt, indem er am 22.05.2021 den Firmentransporter ohne vorherige Erlaubnis eines Vorgesetzten privat genutzt habe. Die Pflichtverletzung sei jedoch nicht so schwerwiegend, dass ihr nicht mehr mit einer Abmahnung begegnet werden könne. Eine Abmahnung hätte ausgereicht, um zukünftig ein vertragsgemäßes Verhalten zu erreichen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es zunächst einer Abmahnung bedurft hätte. Eine Abmahnung sei vielmehr entbehrlich gewesen, da das Vertrauensverhältnis durch die Verletzung der Vermögensinteressen unwiederbringlich zerstört sei. Zwar sei es in der Vergangenheit in Einzelfällen möglich gewesen, nach Rücksprache mit den Vorgesetzten Fahrzeuge für kurze Strecken privat zu nutzen. Auf der Betriebsversammlung am 16.12.2020 sei den Beschäftigten jedoch mit sofortiger Wirkung ausdrücklich untersagt worden, geschäftliche Fahrzeuge privat zu nutzen. Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Der Kläger habe die Vermögensinteressen der Beklagten ignoriert und sich skrupellos an deren Wirtschaftsgütern bedient, ohne ein Unrechtsbewusstsein zu haben und einen Ausgleich für den Vermögensschaden anzubieten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 11.10.2021 - 12 Ca 57/21 - abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mit Ablauf des 31.08.2021 aufzulösen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Eine Abmahnung hätte als Reaktion auf das Fehlverhalten ausgereicht, um zukünftige Störungen im Arbeitsverhältnis zu vermeiden. Der Kläger habe keinesfalls die Vermögensinteressen der Beklagten ignoriert. Vielmehr habe er die von ihm genutzten Fahrzeuge stets sorgsam behandelt und vorbildlich gepflegt sowie aus Gründen der Kostenersparnis selbst repariert. Das Arbeitsverhältnis sei keineswegs derart zerrüttet, dass ein gedeihliches Zusammenarbeiten in Zukunft nicht mehr erwartet werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit der zutreffenden Begründung abgewiesen. Das Berufungsgericht macht sich die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu eigen. Zudem ist das Arbeitsverhältnis nicht gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.
1.
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 27. Juni 2019 - 2 AZR 50/19 - Rn. 12, juris = NZA 2019, 1345; BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 15, juris = NZA 2019, 445; BAG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 2 AZR 382/17 - Rn. 26, juris = NZA 2018, 845).
Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der - fiktiven - Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 28, juris = NZA 2019, 445). Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein "schonenderes" Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen. Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Je höher er ist, desto größer ist diese (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 29, juris = NZA 2019, 445).
Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 30, juris = NZA 2019, 445).
Der Arbeitnehmer ist nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Die private Nutzung eines Dienstfahrzeugs ohne Erlaubnis des Arbeitgebers kann sowohl eine außerordentliche als auch eine ordentliche Kündigung rechtfertigen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Januar 2019 - 5 Sa 291/18 - Rn. 29 f., juris = EzTöD 100 § 34 Abs. 1 TVöD-AT Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 31; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 29. Juni 2017 - 5 Sa 5/17 - Rn. 44, juris = NZA-RR 2017, 591). Wenn auch für die kündigungsrechtliche Beurteilung einer Pflichtverletzung deren strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend ist, so erfüllt der unbefugte Gebrauch eines Kraftfahrzeugs dennoch den Straftatbestand des § 248b StGB. Das Vermögen des Arbeitgebers wird durch den Verbrauch von Treibstoff und die Abnutzung des Fahrzeugs verletzt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Januar 2019 - 5 Sa 291/18 - Rn. 29 f., juris = EzTöD 100 § 34 Abs. 1 TVöD-AT Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 31). Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen unerlaubter Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs setzt eine vorherige Abmahnung voraus, wenn der Arbeitgeber zuvor eine solche Privatnutzung in Einzelfällen unbeanstandet geduldet hat (LAG Köln, Urteil vom 2. November 2009 - 5 Sa 625/09 - Rn. 42, juris = ArbuR 2010, 131).
Die Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist anhand der zum Zeitpunkt des Zugangs gegebenen objektiven Verhältnisse zu beurteilen (BAG, Urteil vom 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 26, juris = ZTR 2016, 418; BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, juris = NJW 2015, 1403). Ausschlaggebend ist, wie sich die Situation in dem betroffenen Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bei objektiver Betrachtung darstellt.
Der Kläger hat zwar seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte der Beklagten verletzt, indem er den Transporter für private Zwecke kurzzeitig genutzt hat, ohne zuvor die Zustimmung eines Vorgesetzten einzuholen. Diese Pflichtverletzung belastet das Arbeitsverhältnis aber nicht so schwer, dass selbst eine einmalige Hinnahme durch die Beklagte nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen ist. Eine Abmahnung war nicht entbehrlich.
Nachdem die Beklagte in der Vergangenheit die kurzzeitige Nutzung von Firmenfahrzeugen zu privaten Zwecken nach Rücksprache mit dem Vorgesetzten gestattet hatte, war es für den Kläger nicht eindeutig und klar erkennbar, dass sie nunmehr eine private Nutzung keinesfalls mehr erlauben wird und jede Zuwiderhandlung den Bestand des Arbeitsverhältnisses unmittelbar gefährden kann. Eine entsprechende schriftliche Dienstanweisung gibt es nicht. Eine hinreichend klare und eindeutige mündliche Dienstanweisung liegt ebenfalls nicht vor. Soweit die private Nutzung von Firmenfahrzeugen auf der Betriebsversammlung am 16.12.2020 Thema gewesen sein sollte, fehlt es an im Wortlaut nachvollziehbaren Äußerungen, die aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers einen eindeutigen und unmissverständlichen Inhalt bezogen auf die Privatnutzung von Fahrzeugen haben. Das ändert zwar nichts an dem Fehlverhalten des Klägers, das darin besteht, die vorherige Zustimmung des Vorgesetzten nicht eingeholt zu haben. Allerdings durfte der Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch davon ausgehen, dass er diese Zustimmung erhalten hätte, wenn der Vorgesetzte im Dienst gewesen wäre. Der Kläger hat das Firmenfahrzeug außerhalb seiner Arbeitszeit genutzt, also auch nicht gegen seine Pflicht zur Arbeitsleistung verstoßen. Des Weiteren ist er mit dem Transporter nur eine kurze Strecke gefahren. Die Arbeitsabläufe im Betrieb hat er dadurch nicht behindert. Der Kläger hat auch nicht versucht, sein Fehlverhalten zu vertuschen, sondern hat auf Nachfrage der Beklagten die Privatnutzung des Transporters sogleich eingeräumt. Eine Abmahnung genügt aller Voraussicht nach, um eine derartige Pflichtverletzung zukünftig auszuschließen. Der Kläger hat sich nicht unbelehrbar gezeigt. Er hat nicht zu erkennen gegeben, dass er keinesfalls bereit ist, die Verfügungsbefugnis der Beklagten über ihre Fahrzeuge und die von ihr diesbezüglich erteilten Dienstanweisungen zu respektieren.
2.
Eine ordentliche Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen. Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 2 AZR 356/21 - Rn. 12, juris = NZA 2022, 407; BAG, Urteil vom 5. Dezember 2019 - 2 AZR 240/19 - Rn. 75, juris = NZA 2020, 647).
Die ordentliche Kündigung der Beklagten ist unverhältnismäßig und damit unwirksam, weil eine Abmahnung als milderes Mittel genügt hätte, um eine künftige Vertragstreue des Klägers zu bewirken. Die obigen Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung gelten entsprechend.
3.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Als Auflösungsgründe kommen Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, Leistung oder Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei gefährdet (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 2 AZR 356/21 - Rn. 21, juris = NZA 2022, 407).
Als Auflösungsgrund geeignet sind Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Überdies können bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen - insbesondere wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen - die Rechte eines Arbeitgebers in gravierender Weise verletzen und eine gedeihliche künftige Zusammenarbeit infrage stellen. Auch das Verhalten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Parteien zur Verteidigung ihrer Rechte schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Der Arbeitgeber kann sich zur Begründung seines Auflösungsantrags auf Gründe berufen, auf die er zuvor - erfolglos - die ausgesprochene Kündigung gestützt hat. In diesen Fällen muss er indes im Einzelnen vortragen, weshalb die unzureichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen (BAG, Urteil vom 24. Mai 2018 - 2 AZR 73/18 - Rn. 17-19, juris = NZA 2018, 1131).
Der Kläger hat weder vor noch nach Ausspruch der Kündigung ein Verhalten gezeigt, das eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lässt. Es gibt weder persönliche Angriffe gegen die Beklagte oder ihre Mitarbeiter noch unsachliche Vorwürfe im Laufe des Kündigungsschutzprozesses. Soweit die Beklagte dem Kläger zur Begründung des Auflösungsantrags vorwirft, sich skrupellos für private Zwecke an ihren Wirtschaftsgütern bedient zu haben, ist diese Einschätzung nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat sich nicht rücksichtslos und beharrlich über die Interessen der Beklagten hinweggesetzt und damit gezeigt, dass ihm an einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit nicht gelegen ist. Er hat sich vielmehr von der fehlerhaften Annahme leiten lassen, nicht den Interessen der Beklagten zuwider zu handeln, da er aufgrund der bisherigen Praxis von einem Einverständnis ausgegangen ist. Diese Fehleinschätzung hat der Kläger eingeräumt. Mit einem nochmaligen Vorfall dieser Art ist nicht zu rechnen. Die Beklagte kann dem Kläger weiterhin ein Fahrzeug anvertrauen, ohne zugleich eine Zweckentfremdung befürchten zu müssen. Soweit der Kläger der Beklagten gegenüber nicht eine Übernahme der durch die Privatfahrt entstandenen Kosten angeboten hat, steht auch dies einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit nicht entgegen, da nach der bisherigen Praxis Kosten nicht zu entrichten waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.