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  • · Nachricht · Abgabenordnung

    Anwendung von Korrekturnormen bei Veranlagungen unter Verwendung eines Risikomanagementsystems

    | Bekanntlich hat der Gesetzgeber das Besteuerungsverfahren zunehmend digitalisiert. Häufig kommt es daher zu einem vollständig automationsgestützten Erlass von Steuerbescheiden. Teilweise werden aber auch im Rahmen des Risikomanagementsystems (§ 88 Abs. 5 AO) als prüfungsbedürftig angesehene Sachverhalt ausgesteuert und den jeweiligen Sachbearbeitern eine entsprechende Prüfung aufgegeben. Auch in diesem neuen Verfahren stellt sich die Frage, ob und ggf. nach welcher Vorschrift Fehler in den bestandskräftigen Steuerbescheiden noch korrigiert werden können. Das FG Niedersachsen hatte hierzu in seiner Entscheidung vom 16.5.23 (9 K 90/22; Rev. zugelassen, Einspruchsmuster ) umfassend Stellung genommen. |

     

    Im Streitfall hatten die Kläger ‒ wohl aufgrund von mehrfach geänderten Umsatzsteuerbescheiden ‒ versehentlich einen zu niedrigen Vorsteuererstattungsbetrag in ihrer Einkommensteuererklärung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angegeben. Da die ausgesteuerten Prüfhinweise diesen Sachverhalt nicht abdeckten, unterblieb eine entsprechend Überprüfung mit der Folge, dass nur der erklärungsgemäß zu niedrige Erstattungsbetrag als Einnahme erfasst wurde.

     

    Aus Sicht des FG schied eine Änderung nach § 173 AO aus, da das FA den zutreffenden Erstattungsbetrag aus den aktenkundigen Umsatzsteuerbescheiden kannte. Das Merkmal der Kenntnis i. S. d. § 173 Abs. 1 AO könne nicht auf solche Tatsachen und Beweismittel beschränkt werden, die Bestandteil eines im Rahmen des Risikomanagementsystems (§ 88 Abs. 5 AO) als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalts seien. Fehlerhafte Übertragungen von Besteuerungsgrundlagen in die Steuererklärungsformulare stellen nach Auffassung des FG keinen Schreibfehler i. S. d. § 173a AO dar, sodass auch diese spezielle Änderungsvorschrift nicht angewendet werden konnte. Auch die Vorschrift des § 129 AO konnte die Änderung nicht rechtfertigen. In den Fällen des teilautomatisierten Erlasses von Steuerbescheiden, in denen die Bearbeiter des FA unter Anwendung des Risikomanagementsystems nur die als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte überprüfen, könne die Finanzbehörde vom Steuerpflichtigen bei der Steuererklärungserstellung verursachte Schreib- und Rechenfehler sowie sonstige offenbare Unrichtigkeiten nach § 129 AO nur berichtigen, soweit sie sich die Unrichtigkeit zu Eigen mach. Dies sei ausgeschlossen, soweit der Besteuerungssachverhalt, dem die Unrichtigkeit anhaftet, nicht ausgesteuert und überprüft werde.

     

    PRAXISTIPP | Das Urteil hat weitreichende Folgen für die Besteuerungspraxis. Wird ein Sachverhalt, dem der Fehler des Steuerpflichtigen anhaftet, mangels Aussteuerung nicht überprüft, obwohl der Fehler bei Überprüfung ohne Weiteres aus den Akten des FA erkennbar gewesen wäre (etwa aus gespeicherten Steuerbescheiden), kommt nach dem aktuellen Verfahrensrecht eine spätere Berichtigung nicht in Betracht. Da das FA ‒ wohl aus „Angst“ vor einer weitreichenden Entscheidung des BFH ‒ die zugelassene Revision nicht eingelegt hat, kann sich die steuerliche Praxis erstmal auf das Besprechungsurteil berufen. Soweit mangels höchstrichterlicher Klärung und entsprechender Weisung die FÄ weiterhin entsprechende Änderungsbescheide bei vergleichbaren Konstellationen erlassen, bleiben nur der Einspruch und ggf. die Klage.

     
    Quelle: ID 49692650