· Nachricht · Abgabenordnung
Erlass von Nachzahlungszinsen im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen
| Mit Urteil vom 26.10.22 (13 K 1920/21; Rev. BFH XI R 28/22, Einspruchsmuster ) hat das FG Münster entschieden, dass Nachzahlungszinsen zu erlassen sind, soweit sie auf Steuernachzahlungen entfallen, für die nach einem BMF-Schreiben vom 19.3.20 (IV A 3-S 0336/19/10007 :002, BStBl. I 20, 262 betr. Auswirkungen des Corona-Virus) ein Anspruch auf zinsfreie Stundung bestanden hat. |
Das FG hat das FA verpflichtet, den beantragten Erlass der Nachzahlungszinsen zu gewähren, da das dem FA eingeräumte Ermessen insoweit auf Null reduziert sei. Die Erhebung der Nachzahlungszinsen sei im konkreten Fall sachlich unbillig, weil der Kläger durch die verspätete Steuerfestsetzung zweifelsfrei keinen Liquiditätsvorteil erlangt und das FA keinen Liquiditätsnachteil erlitten habe. Abstrakt sei die streitige Steuerfestsetzung zwar geeignet, den Liquiditätsvorteil auszulösen, den § 233a AO abschöpfen wolle. Da der Kläger allerdings nach dem BMF-Schreiben vom 19.3.20 unstreitig einen Anspruch auf zinsfreie Stundung der Steuernachzahlung habe, sei nicht erkennbar, inwieweit er durch die verzögerte Steuerfestsetzung einen zusätzlichen Liquiditätsvorteil erlangt haben könnte.
PRAXISTIPP | Da das FG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat und das FA diese auch eingelegt hat, kann der BFH nun diese Problematik höchstrichterlich klären. Bis dahin sollten steuerliche Berater in vergleichbaren Konstellationen unter Hinweis auf den Besprechungsfall einen Erlass der festgesetzten Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen beantragen, bei zu erwartendem Widerstand der FÄ Einspruch einlegen und im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren das Ruhen des Verfahrens beantragen. |
Für ggf. anschließende Klageverfahren ist in diesem Zusammenhang noch Folgendes zu beachten: Die Entscheidung über den Erlass ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde und unterliegt gemäß § 102 FGO lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Zu prüfen ist daher bei einer Erlassablehnung nur, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Im Einzelfall kann der Ermessensspielraum aber so eingeengt sein, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduktion auf Null). Ist nur der Erlass eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ermessensgerecht, kann das Gericht gemäß § 101 S. 1 FGO die Verpflichtung zum Erlass aussprechen (vgl. z. B. BFH 3.12.19, VIII R 25/17, BStBl. II 20, 214).