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  • · Fachbeitrag · Einkommensteuer

    Aktuelle Rechtsentwicklung zum häuslichen Arbeitszimmer

    von StB Janine Peine, Wolfenbüttel, www.schmidt-kosanke.de

    | Sind die Kosten für ein Arbeitszimmer voll abziehbar oder nicht? Oder nur zum Teil? Zu kaum einem steuerlichen Problem gibt es so viel Rechtsprechung wie zum häuslichen Arbeitszimmer. Und ein Ende ist nicht in Sicht, wie ein Blick in einschlägige Datenbanken zu anhängigen Verfahren zeigt. Mit diesem Beitrag sollen die wichtigsten Tendenzen in der Rechtsprechung aufgegriffen und eingeordnet werden.|

    1. Einkommensteuerliche Grundsätze

    Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung gelten folgende Grundsätze:

     

    • Die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer sind nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

     

    • Ist das Arbeitszimmer der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung, können die Aufwendungen hingegen unbegrenzt angesetzt werden.

     

    • Ist das Arbeitszimmer zwar nicht der Mittelpunkt, steht aber für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, sind Kosten bis 1.250 EUR abziehbar.

     

    Liegt kein häusliches Arbeitszimmer, sondern eine (häusliche) Betriebsstätte vor, sind die Kosten dafür in voller Höhe Betriebsausgaben. Auf den Tätigkeitsmittelpunkt oder einen weiteren Arbeitsplatz kommt es nicht an. Allerdings muss eine nahezu ausschließliche betriebliche/berufliche Nutzung vorliegen.

     

    • Abgrenzung: Arbeitszimmer vs. Betriebsstätte

    Das häusliche Arbeitszimmer ist ein Raum, der in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist. Hier werden vorwiegend gedankliche oder schriftliche Arbeiten erledigt, weshalb ein Schreibtisch regelmäßig vorhanden, aber nicht zwingend erforderlich ist. Es kann ein separater Raum im Privathaus oder der Wohnung sein. Typischerweise ist dieser von den Privaträumen zu begehen oder von dem gemeinsam genutzten Flur. Eine unmittelbare Verbindung ist aber nicht erforderlich.

     

    Räume, die nach ihrer Ausstattung nicht einem typischen Büro entsprechen, können eine Betriebsstätte sein. Werden regelmäßig Kunden und Geschäftspartner empfangen oder arbeiten sogar familienfremde Angestellte in dem Raum, ist eine Betriebsstätte sehr wahrscheinlich. Als Beispiele sind Lagerräume, Werkstätten oder Praxen von Ärzten, Anwälten oder Steuerberatern zu nennen, die offen erkennbar dem Publikumsverkehr dienen. Eine direkte Verbindung zu den Wohnräumen des Steuerpflichtigen ist unschädlich (BFH 26.3.09, VI R 15/07).

     

     

     

     

     

     

     

     

    2. Mittelpunkt der betrieblichen/beruflichen Tätigkeit

    Eine selbstständige Klavierlehrerin begehrte einen unbegrenzten Betriebsausgabenabzug für ihr Klavierstudio, das sich im Privathaus in einem separat zugänglichen Teil befindet. Sie erzielte ihre Honorare aus Klavierunterricht und Konzerten. Das Studio ist ausgestattet mit einem Klavier, Stühlen und Schränken. Sie bereitete dort die Konzerte vor und erteilte Privatschülern Klavierunterricht. Weiteren Klavierunterricht gab sie in den Räumlichkeiten der Kreismusikschule.

     

    Der BFH (9.6.15, VIII R 8/13) stellte fest, dass der Publikumsverkehr nicht dauerhaft und intensiv genug ist, um hier eine Betriebsstätte anzunehmen. Es handelt sich somit um ein häusliches Arbeitszimmer. Die Kosten waren auch nur bis 1.250 EUR abziehbar, da sich dort nicht der Tätigkeitsmittelpunkt befindet. Ihre Haupttätigkeit ist nicht der Klavierunterricht in den eigenen Räumen, da sie auch außerhalb Klavierunterricht gibt und zusätzlich Honorare als Konzertpianistin erzielt werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Mehr Glück hatte ein Dirigent und Orchestermanager (FG Baden-Württemberg 4.3.15, 6 K 610/14). Er durfte die Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer insgesamt als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit abziehen. Denn er konnte darlegen, dass ihm als Manager der Orchester umfangreiche Verwaltungsaufgaben übertragen worden waren, die er nur von zuhause aus erledigen konnte.

     

    3. Umbaukosten am Gesamtgebäude

    Ein Steuerberater hatte unstrittig in seinem Arbeitszimmer den Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit und konnte dessen Kosten unbegrenzt als Betriebsausgaben ansetzen. Entstandene Umbaukosten für Flur und Badezimmer hatte er anteilig dem Arbeitszimmer zugeordnet, was das FG genauso sah. Die Finanzverwaltung hat Revision eingelegt (FG Münster 18.3.15, 11 K 829/14, Rev. BFH VIII R 16/15, Einspruchsmuster).

    Die entstandenen Kosten werden in drei Kategorien unterteilt, und zwar in Kosten,

     

    • die direkt dem Arbeitszimmer zuzuordnen sind: Sie sind in voller Höhe zu berücksichtigen.
    • die ausschließlich den privaten Wohnbereich betreffen: Sie dürfen nicht angesetzt werden.
    • die das gesamte Gebäude betreffen: Sie sind auf Arbeitszimmer und privatem Wohnbereich anhand dessen Größenverhältnis aufzuteilen.

     

    Nach Ansicht des FG betreffen die Umbaukosten für Bad und Flur das gesamte Gebäude, weil die durchgeführten Renovierungen weit über übliche Schönheitsreparaturen hinausgehen. Sie führen nachhaltig zu einer Werterhöhung des gesamten Hauses, wie es auch bei Dach- oder Fassadenarbeiten der Fall ist. Wären die Räume angemietet worden, würden vergleichbare Modernisierungsarbeiten zu einen Anstieg der Gesamtmiete führen und damit auch zu einem höheren Mietanteil für das Arbeitszimmer.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei Beendigung der beruflichen Tätigkeit ist das Arbeitszimmer dem Betriebsvermögen zu entnehmen. Die Aufdeckung der stillen Reserven fließt dann in den Veräußerungs- oder Aufgabegewinn ein.

     

    4. Aufwendungen für zwei parallel genutzte Arbeitszimmer

    Ein sowohl selbstständig als auch angestellt tätiger Dozent hat zwei Wohnsitze in verschiedenen Städten mit jeweils einem Arbeitszimmer. Die Städte sind über 400 km voneinander entfernt. Für beide Arbeitszimmer wurden die Kosten mit jeweils 1.250 EUR angesetzt. Das FG akzeptierte nur für ein Arbeitszimmer den Abzug (FG Rheinland-Pfalz 25.2.15, 2 K 1595/13, Rev. VIII R 15/15, Einspruchsmuster).

     

    Der Höchstbetrag von 1.250 EUR ist personen- und objektbezogen. Das FG orientiert sich dabei an der bestehenden Rechtsprechung, wonach bei mehreren funktionsgleichen Arbeitszimmern in einem Haushalt der Höchstbetrag von 1.250 EUR auch nur für ein Arbeitszimmer zu berücksichtigen ist. Das gleiche gilt auch bei Umzug in einem Veranlagungsjahr, wenn das Arbeitszimmer gewechselt wird oder ein weiterer Raum für die zukünftige Nutzung als Arbeitszimmer hergerichtet wird. Auch dann wird der Höchstbetrag von 1.250 EUR insgesamt nur einmal gewährt.

     

    Das FG ließ dennoch die Revision zu, weil höchstrichterlich bisher nicht geklärt ist, ob der Höchstbetrag (1.250 EUR) bei einem Steuerpflichtigen mit zwei Haushalten nicht doch zweimal angesetzt werden kann.

    5. Arbeitszimmer wird von zwei Steuerpflichtigen genutzt

    Jeder Nutzer darf die Aufwendungen abziehen, die er getragen hat, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 oder 3 EStG in seiner Person vorliegen. Steht den Nutzern jeweils nur ein beschränkter Abzug zu, ist der Höchstbetrag nach dem Nutzungsanteil aufzuteilen. Er ist nicht mehrfach zu gewähren (BFH 20.11.03, IV R 30/03). Gleiches gilt auch, wenn nur einem Nutzenden ein beschränkter Abzug zusteht (BFH 23.9.09, IV R 21/08).

     

    Auch im Fall des FG Niedersachsen (25.3.13, 3 K 406/12, Rev. VI R 86/13, Einspruchsmuster) nutzten der - angestellte - Kläger und seine Lebensgefährtin abwechselnd das einzige Arbeitszimmer im gemeinsamen Haus. Das FG teilte den Höchstbetrag zunächst auf beide auf, wobei 25 % (312,50 EUR) auf den Kläger entfielen. Der Kläger nutzte das Arbeitszimmer für zusätzliche Bereitschaftsdienste (fünf Wochen im Jahr), weswegen nur 10% (= 5/52) von 312,50 EUR, also 31,25 EUR laut FG als Werbungskosten abziehbar waren. Die zeitanteilige Kürzung des Höchstbetrags sah das FG als erforderlich an, weil der Kläger eine Nutzung für den Bereitschaftsdienst nur für fünf Wochen im Streitjahr dargetan hatte.

     

    PRAXISHINWEIS | Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von der Entscheidung des BFH 7.8.03 (VI R 41/98, BStBl II 2004, 80), da der Kläger dort ganzjährig Bereitschaftsdienst zu leisten hatte.

     

    Auf die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB VI B 60/13) ist die Revision vom BFH zugelassen worden (Rev. BFH VI R 86/13).

     

    6. Erforderlichkeit und Mittelpunkt bei Vermietungseinkünften

    Ein Ruheständler erzielte neben seinen Versorgungsbezügen Beteiligungseinkünfte, Vermietungseinkünfte und Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Kosten seines Arbeitszimmers i. H. von rd. 3.500 EUR machte er als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften geltend. Nach Ansicht des FG ist das Arbeitszimmer für seine Tätigkeit (Vermietung von drei Wohnungen, von denen eine auch noch von einer Hausverwaltung betreut wird) nicht notwendig und es erkannte die Werbungskosten nicht an (FG Nürnberg 12.2.14, 5 K 1251/12 (Rev. BFH VIII R 34/14).

     

    Außerdem liegt der Mittelpunkt der Vermietungstätigkeit nicht im Arbeitszimmer. Wesentliche, die Vermietungstätigkeit prägende Betätigungen erfolgen außerhalb des Arbeitszimmers. Dazu gehörten z. B. die Besichtigungen der Mieträume bei der Mietersuche, die Wohnungsabnahmen bei Beendigung von Mietverhältnissen sowie Vor-Ort-Termine zur Koordination von Reparaturmaßnahmen.

     

    PRAXISHINWEIS | Das FG Nürnberg will Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur berücksichtigen, wenn sie für die Tätigkeit erforderlich sind. Dieses Kriterium ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift. Um einen Missbrauch durch Verlagerung von Kosten der privaten Lebensführung in den beruflichen bzw. betrieblichen Bereich zu verhindern, sei es abweichend vom sonstigen Betriebsausgaben- und Werbungskostenbegriff sachgerecht, insoweit auf die Erforderlichkeit des Aufwandes abzustellen.

     

    Zum Mittelpunkt bei Vermietungstätigkeit siehe auch die Entscheidung des FG München 9.12.14, 15 K 2153/12.

     

    7. Rechtsfragen an den Großen Senat (GrS 1/14)

    Dem Großen Senat des BFH (21.9.09, GrS 1/06) wurden zwei Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt, da die einzelnen Senate unterschiedliche Rechtsauffassungen dazu haben:

     

    • Setzt der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich für berufliche/betriebliche Zwecke genutzt wird?

     

    • Sind die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer entsprechend den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des BFH aufzuteilen?

     

    In dem strittigen Fall wird ein Arbeitszimmer nach Überzeugung des Senats nicht in voller Höhe zur Einkünfteerzielung verwendet. Eine Nutzung von 60% gilt als nachgewiesen. Die verbleibenden 40% dienen privaten Zwecken. Es stellt sich nun die Frage, ob das Arbeitszimmer nahezu ausschließlich betrieblich/beruflich genutzt werden muss, um einen Abzug der Kosten zu erlangen. Sollte eine private Mitnutzung unschädlich sein, ist als nächstes zu klären, ob und wie die Aufteilung der Kosten zu erfolgen hat.

     

    PRAXISHINWEIS | Nach Klarstellung durch den Großen Senat sind die Verfahren III R 62/11, X R 32/11 und IX R 23/12 zu entscheiden, die sich mit diesen Rechtsfragen beschäftigen.

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Arbeitszimmer - BMF-Schreiben zu den Anwendungsfragen der rückwirkenden Neuregelung (Kratzsch PFB 11, 128)
    Quelle: ID 43774425