· Nachricht · Einkommensteuer
Rückzahlung überzahlter Einspeisevergütung
| Das FG Niedersachsen (11.12.24, 9 K 83/24 ; Rev. BFH X R 2/25; Einspruchsmuster) hat entschieden, dass für eine im VZ 2022 zurückbezahlte Einspeisevergütung trotz der Steuerbefreiung (§ 3 Nr. 72 S. 1 EStG) und der Anordnung in § 3 Nr. 72 S. 2 EStG kein Gewinn zu ermitteln ist und ein Betriebsausgabenabzug in Betracht kommt. |
Im Streitfall hatten die Kläger in den Vorjahren zu hohe Einspeisevergütungen erhalten und mussten die überzahlten Beträge in 2022 zurückzahlen. In einem solchen Fall hindert nach Ansicht des FG § 3c Abs. 1 EStG ‒ anders als die Finanzverwaltung meint (BMF 17.7.23, IV C 6-S 2121/23/10001:001, BStBl. I 23 1494, Rn. 21) ‒ nicht den Betriebsausgabenabzug, da diese Vorschrift auch periodenübergreifend anzuwenden sei. Entscheidend sei nicht der zeitliche Zusammenhang, sondern der wirtschaftliche.
Die Regelung des § 3 Nr. 72 S. 2 EStG enthalte im Übrigen auch kein Gewinnermittlungsverbot und schränke einen gegebenen Betriebsausgabenabzug nicht ein (ebenso FG Münster 6.11.24, 7 K 105/24 E; Rev. BFH: X R 30/24; anders FG Nürnberg 19.9.24, 4 K 1440/23; Rev. BFH III R 35/24).
Im Unterschied dazu meint das FG zur Einnahmenseite: Es finde sich weder in § 3 Nr. 72 EStG noch in § 52 Abs. 4 S. 28 EStG eine Rechtsgrundlage, wonach die Betriebseinnahmen ‒ außerhalb der Pflicht zur Bilanzierung (im Streitfall handelte es sich um eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG) ‒ nach dem Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Verursachung periodengerecht abzugrenzen seien.
PRAXISTIPP | Diese streitentscheidende Rechtsfrage der steuerlichen Berücksichtigung sog. nachlaufender Betriebsausgaben ist sehr umstritten und zudem aufgrund der Breitenwirkung äußerst praxisrelevant. So kommt ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einnahmen aus den Vorjahren nicht nur bei einer Konstellation des Streitfalls (Rückzahlung überzahlter Einspeisevergütung als quasi actus contrarius) in Betracht, sondern auch etwa im Bereich der Nachzahlung von die Vorjahre betreffende Umsatzsteuern oder die Zahlung von mit den Vorjahren in Zusammenhang stehenden Steuerberatungskosten. Der Regelungsgehalt des § 3 Nr. 72 S. 2 EStG ist auch in der steuerrechtlichen Literatur umstritten. Nach einer Auffassung im Schrifttum stellt die Regelung lediglich klar, dass der Steuerpflichtige keine Gewinnermittlung mehr zu erstellen habe (vgl. Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 3 Nr. 72 Anm. 7; Seifert, NWB 24, 3052, 3053). Die Regelung in S. 2 bestätige das Abzugsverbot nach § 3c Abs. 1 EStG (vgl. von Beckerath, in: Kirchhof/Seer, EStG, § 3 Rn. 215). Nach anderer Auffassung folgt aus S. 2 für alle ab dem VZ 2022 abfließenden Betriebsausgaben abweichend von § 3c Abs. 1 EStG ein vollständiges Abzugsverbot (vgl. Levedag, in: Schmidt, EStG, § 3 Rn. 239). |
Aus alledem folgt für die steuerliche Praxis zum einem, dass nachlaufende Betriebsausgaben zunächst weiterhin geltend gemachten werden sollten. Bei zu erwartendem Widerstand der FÄ sollten die Verfahren mit dem Einspruch angefochten und unter Hinweis auf die anhängigen Revisionsverfahren zum Ruhen gebracht werden.
Der Besprechungsfall hat aber zum anderen für die Praxis auch die Erkenntnis gebracht, dass es im Zusammenhang mit der gegenständlichen Rechtsänderung möglich ist, für 2021 Betriebsausgaben geltend zu machen, während eine damit zusammenhängende Betriebseinnahme in 2022 unversteuert bleiben kann (z. B.: Vorsteuerabzug in 2021; Vorsteuererstattung in 2022; siehe hierzu: Gragert, NWB 24, 2479, 2485). Dies hat das FG ausdrücklich bestätigt.