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  • · Nachricht · Gerichtsverfassungsgesetz

    BFH stellt Leitlinien zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer auf

    | Der BFH 7.11.13, X K 13/12 ) hat erstmals allgemeine Leitlinien für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer finanzgerichtlicher Verfahren aufgestellt. Konkrete Fristen nennt er jedoch nicht. Bei finanzgerichtlichen Klageverfahren, die im Vergleich zu dem bei derartigen Verfahren typischen Ablauf keine wesentlichen Besonderheiten aufweisen, spricht eine Vermutung für die Angemessenheit der Verfahrensdauer, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, und die damit begonnene „aktive“ Phase des gerichtlichen Handelns nicht durch nennenswerte Zeiträume unterbrochen wird, in denen das Gericht die Akte unbearbeitet lässt |

     

    Danach ist der Anspruch auf eine zügige Erledigung des Rechtsstreits stets abzuwägen mit

    • dem Anspruch auf eine möglichst weitgehende inhaltliche Richtigkeit und
    • eine möglichst hohe Qualität gerichtlicher Entscheidungen,
    • dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Richter und
    • dem Anspruch auf den gesetzlichen Richter.

     

    Dem Ausgangsgericht soll ein erheblicher Spielraum für die Gestaltung seines Verfahrens zustehen. Mit zunehmender Verfahrensdauer verdichtet sich allerdings die Pflicht, sich nachhaltig um eine Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen. Da die gesetzliche Regelung (§ 198 Gerichtsverfassungsgesetzes) den konkreten Einzelfall in den Vordergrund stellt, können keine festen Fristen bezeichnet werden, in denen ein Verfahren im Regelfall abschließend erledigt sein muss. Angesichts der im Vergleich zu anderen Gerichtsbarkeiten relativ homogenen Fallstruktur in der Finanzgerichtsbarkeit können jedoch für bestimmte Abschnitte des Verfahrens in zeitlicher Hinsicht Angemessenheitsvermutungen aufgestellt werden.

     

    Im konkreten Fall war ein Klageverfahren, mit dem ein höherer Kindergeldanspruch geltend gemacht wurde, insgesamt acht Jahre und neun Monate beim FG anhängig. Da der Fall in rechtlicher Hinsicht schwierig war und Sachverhaltsermittlungen im Ausland erforderte, war dem FG hier ein überdurchschnittlich langer Zeitraum zur Bearbeitung des Verfahrens einzuräumen. Gleichwohl hat der BFH bei einer Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls eine Verzögerung um insgesamt drei Jahren 7 Monaten und angenommen, weil das Verfahren, auch wegen mehrfachen Wechsels des zuständigen Berichterstatters, immer wieder über längere Zeiträume unbearbeitet geblieben ist. Der BFH hat hier zunächst durch Zwischenurteil nur über den Entschädigungsanspruch dem Grunde nach entschieden und diesen bejaht. Die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung ist dem noch ausstehenden Endurteil vorbehalten.

     

    PRAXISHINWEIS | DBereits schon einmal hatte der BFH (17.4.13, X K 3/12) festgestellt, dass die Dauer eines FG-Verfahrens unangemessen lang war. Das - eher einfach gelagerte - Ausgangsverfahren war mehr als sechs Jahre beim FG anhängig. Während eines Zeitraums von fünfeinhalb Jahren war das FG weitestgehend untätig geblieben. Nähere Festlegungen zu der im Regelfall noch als angemessen anzusehenden Dauer finanzgerichtlicher Verfahren traf der BFH nicht, da er von der Festsetzung einer Geldentschädigung abgesehen und die Entschädigungsklage insoweit abgewiesen hat. Dies beruhte darauf, dass der Kläger vor dem FG in seiner eigenen, zu Beginn des dortigen Verfahrens eingereichten Klagebegründung Tatsachen vorgetragen hatte, aus denen sich zweifelsfrei ergab, dass seine Klage unbegründet war. Steht die Erfolglosigkeit eines Verfahrens für jeden Rechtskundigen von vornherein fest, ist dessen Verzögerung für den Beteiligten objektiv nicht von besonderer Bedeutung. Dies rechtfertigt es, statt der begehrten Geldentschädigung Wiedergutmachung im Wege einer entsprechenden feststellenden Entscheidung zu leisten.

     

     

    Quelle: ID 42454352