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  • · Fachbeitrag · Korrektur von Verwaltungsakten

    Grobes Verschulden und Rechenfehler: Neues aus Rechtsprechung und Gesetzgebung

    von Dipl.-Finw. (FH) Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg

    | In der Sache Recht zu haben, verfahrensrechtlich aber zu scheitern, ist ärgerlich. Daher sollte sich der steuerliche Berater stets auch mit den neuen Entwicklungen bei den Korrekturvorschriften der AO beschäftigen. Aktuell hat der BFH (10.2.15, IX R 18/14, Abruf-Nr. 177674) das grobe Verschulden nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO präzisiert. Ferner ist mit § 173a AO eine neue Korrekturvorschrift in der Pipeline, wodurch Schreib- und Rechenfehler erfasst werden sollen. |

    1. Grobes Verschulden nach § 173 AO

    Der BFH (10.2.15, IX R 18/14) musste aktuell darüber entscheiden, ob es als grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu werten ist, wenn der Eintrag in ein elektronisches Steuerformular schlicht vergessen wurde.

     

    • Sachverhalt

    Ein Steuerpflichtiger hatte aus der Auflösung seiner GmbH einen berücksichtigungsfähigen Verlust i.S. des § 17 Abs. 4 EStG erzielt, über den er seinen Steuerberater zutreffend informiert hatte. Dieser war bei der Erstellung der Steuererklärung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Auflösungsverlust im Streitjahr (2007) zu erfassen war. Nach der Berechnung hatte er es allerdings schlicht vergessen, den Verlust in das elektronische DATEV-Formular zu übertragen. Das FA (und ihm folgend das FG) lehnten die nachträgliche Änderung der Verlustfeststellung zum 31.12.07 mit der Begründung ab, dass ein grobes Verschulden nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vorliege. Der BFH wertete die Nachlässigkeit jedoch nicht als grobe Fahrlässigkeit.

     

    Zunächst stellte der BFH heraus, dass der Begriff des Verschuldens i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei elektronisch gefertigten Steuererklärungen in gleicher Weise auszulegen ist wie bei schriftlich erstellten Erklärungen. Bei der Beurteilung des individuellen Verschuldens ist allerdings zu berücksichtigen, dass am Computerbildschirm ein Überblick über die ausfüllbaren Felder der elektronischen Steuererklärung mitunter schwieriger zu erlangen ist als bei einer Steuererklärung in Papierform.

     

    Das Versäumnis des Beraters stellt einen unbewussten - rein mechanischen - Fehler dar, der bei der Verwendung eines Steuerprogramms jederzeit unterlaufen kann. Solche bloßen Übertragungs- oder Eingabefehler zählen zu den Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss. Sie sind nicht als grob fahrlässig zu werten, wenn sie selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind.

     

    In einem solchen Zusammenhang ist nur dann von einer groben Fahrlässigkeit auszugehen, wenn der Steuerpflichtige bzw. sein Berater in Steuerformularen gestellte Fragen - bewusst - nicht beantwortet oder klare und ausreichend verständliche Hinweise und Angaben - bewusst - unbeachtet lässt. Ein derartiges Fehlverhalten hat das FG jedoch nicht festgestellt.

     

    Gleichwohl hat der BFH den Streitfall an das FG zurückverwiesen, weil er mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst beurteilen konnte, ob den steuerlichen Berater des Steuerpflichtigen ein anderweitiges grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Auflösungsverlusts trifft.

    2. Schreib- oder Rechenfehler (§ 173a AO-E)

    Am 27.8.15 hat das BMF einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens veröffentlicht. Darin enthalten ist eine neue Korrekturvorschrift, die erstmals auf Verwaltungsakte anzuwenden sein soll, die nach dem 31.12.16 erlassen werden.

     

    • Wortlaut des § 173a AO-E

    Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen sind und er deshalb der Finanzbehörde bestimmte, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat.

     

     

    Bei Schreib- oder Rechenfehlern denkt man unweigerlich an die Korrekturnorm des § 129 AO. Eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO liegt u.a. vor, wenn das FA eine in der Steuererklärung oder dieser beigefügten Anlagen enthaltene offenbare, d.h. für das FA erkennbare Unrichtigkeit als eigene übernimmt. Eine Korrektur scheitert somit bei Schreib- oder Rechenfehlern des Steuerpflichtigen, die das FA nicht erkennen und sich demzufolge auch nicht zu eigen machen konnte. Diese Situation kommt insbesondere bei elektronisch übermittelten Steuererklärungen vor, wenn dem FA daneben keine ergänzenden Unterlagen übersandt werden.

     

    § 173a AO soll in diesen Fällen künftig eine Änderung der Steuerfestsetzung ermöglichen, soweit der Steuerpflichtige dem FA aufgrund eines (bei Erstellung der Steuererklärung aufgetretenen) Schreib- oder Rechenfehlers bestimmte Tatsachen fehlerhaft mitgeteilt hat und diese Tatsachen nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserheblich waren.

     

    Die Gesetzesbegründung verweist auch auf das Urteil des BFH vom 10.2.15. Danach ist das schlichte Vergessen eines Übertrags selbst ermittelter Besteuerungsgrundlagen in die Steuererklärung kein Schreib- oder Rechenfehler i.S. des § 173a AO. Hier liegt regelmäßig eine nachträglich bekanntgewordene Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO vor.

     

    Beachten Sie | Durch die Ergänzung des § 171 Abs. 2 AO wird eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist für den Fall des § 173a AO geschaffen. Die Festsetzungsfrist endet insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des wegen der fehlerhaften Steuererklärung ergangenen Steuerbescheids.

    Quelle: ID 43659478