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  • · Nachricht · Prozesskosten

    Aufwendungen für Umgangsrechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig

    | Nach § 33 Abs. 2 S. 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Als Existenzgrundlage versteht der BFH (18.5.17, VI R 9/16, BStBl II 17, 988) bislang allein die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen. Seelische und soziale Bedürfnisse sollen nicht darunterfallen. Die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage soll nicht erfasst werden. Dem ist das FG München aktuell entgegengetreten und hat auch Prozesskosten für einen Umgangsrechtsstreit als außergewöhnliche Belastung anerkannt (FG München 7.5.18, 7 K 257/17; Rev. BFH VI R 27/18, Einspruchsmuster ). |

     

    Im Streitfall war die Klägerin eine alleinerziehende Mutter. Der Kindesvater, der zunächst keinen persönlichen Umgang mit seiner Tochter hatte, versuchte, einen solchen zunächst außergerichtlich, später gerichtlich durchzusetzen. Dadurch entstanden der Klägerin Prozesskosten. Neben diesen Aufwendungen machte auch Kosten für einen Zivilrechtsstreit wegen Kinderunterhalt und einen Arzthaftungsprozess (Behandlungsfehler eines Zahnarztes) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren angestrengte Klage hatte zum Teil Erfolg. Die Kosten in Zusammenhang mit dem Umgangsrechtsstreit ließ das FG zum Abzug zu. Der Begriff der Existenzgrundlage könne ebenso wie die Formulierung „lebensnotwendige Bedürfnisse“ in den Fällen, in denen der Kernbereich des menschlichen Lebens betroffen ist, auch die Gefahr des Verlustes psychischer oder ideeller Bedürfnisse erfassen (ähnlich FG Düsseldorf 13.3.18, 13 K 3024/17 E, EFG 18, 838; Rev. BFH VI R 15/18). Die Begriffe „Existenzgrundlage“ und „lebensnotwendige Bedürfnisse“ seien gesetzlich nicht definiert und könnten grundsätzlich auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden.

     

    Soweit der Klägerin im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit wegen zahnärztlicher Behandlungsfehler Aufwendungen entstanden sind, sind nach Auffassung des FG die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG nicht erfüllt. Ansprüche wegen immaterieller Schäden betreffen danach nicht den existenziellen Bereich i. S. des. § 33 EStG, auch wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet sind. Daher sind Prozesskosten für ein Schmerzensgeldbegehren ‒ auch bei erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung - nicht abzugsfähig.

     

    Auch die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Kindesunterhaltsverfahren sind ‒ so das FG ‒ nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Im Streitfall war für das Gericht ein drohender Verlust der Existenzgrundlage nicht erkennbar.

     

    PRAXISTIPP | Hinsichtlich der neuen Gesetzeslage ‒ § 33 Abs. 2 S. 4 EStG ‒ liegt derzeit nur eine BFH-Entscheidung zu Scheidungsprozesskosten vor. Nach Auffassung des BFH sind diese Prozesskosten durch § 33 Abs. 2 S. 4 EStG vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen (BFH 18.5.17, VI R 9/16, BStBl. II 17, 988). Bleibt abzuwarten, ob der BFH die anhängigen Revisionen zum Anlass nimmt, seine Rechtsprechung zu den Begriffen der „Existenzgrundlage“ und „lebensnotwendige Bedürfnisse“ zu präzisieren, ggf. einen weitergehenden Abzug zulässt. Bis zur Entscheidung durch den BFH sollten weiterhin auch vergleichbare Prozesskosten (insbesondere für Umgangsrechtstreitigkeiten) erklärt und bei Ablehnung betroffene Steuerbescheide offen gehalten werden.

     
    Quelle: ID 45601690