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  • · Nachricht · Umsatzsteuer

    Leistungen eines „Gesundheitszentrums“ sind umsatzsteuerpflichtig

    von StB Jürgen Derlath, Münster

    Ohne einen Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V als Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung sind die Leistungen einer Einrichtung umsatzsteuerpflichtig, in der die Besucher ‒ nach ärztlicher Eingangsuntersuchung ‒ selbst über Aufenthalt, Dauer und Umfang der in Anspruch genommenen Leistungen entscheiden (FG Hessen 28.6.17, 1 K 19/16, Rev. BFH XI R 29/17, Einspruchsmuster).

     

    Sachverhalt

    Die Gäste der Einrichtung können selbst über ihren Aufenthalt, dessen Dauer sowie den Umfang der Leistungen entscheiden. Der Aufenthalt ist nicht von einem ärztlichen Befund abhängig, sondern der Gast bucht das Gesamtangebot zu einem Festpreis. Bei Beginn des Aufenthalts erfolgt eine ärztliche Untersuchung. Im Anschluss daran wird der Terminplan für Anwendungen erstellt. Auch können Paare oder Freunde einen Aufenthalt in einem Zweibettzimmer zu einem Festpreis buchen. In einer Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. dd UStG neuer Fassung sowie Art. 132 Abs. 1 Buchst b MwSystRL seien für die Streitjahre zu versagen, da insbesondere kein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V vorläge.

     

    Anmerkungen

    Das FG hält die Klage für unbegründet. Die von der Klägerin erzielten Umsätze sind weder nach § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 UStG steuerfrei noch liegen die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach Unionsrecht vor.

     

    § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 1 UStG befreit Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Nach § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. aa UStG sind diese Leistungen auch steuerfrei, wenn sie von zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 SGB V erbracht werden und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch jeweils beziehen. Die Einrichtung erfüllt diese Voraussetzungen nicht. So fehlt es an der Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes ebenso wie an einem Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen. Es wurde lediglich die Konzession zum Betrieb einer Privatkrankenanstalt vorgelegt. Der Antrag auf Aufnahme in den Krankenhausplan wurde in einem Schreiben des Hessischen Sozialministeriums abgelehnt.

     

    Die Einrichtung erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL. Sie setzt voraus, dass der Unternehmer eine ordnungsgemäß anerkannte, einer Einrichtung des öffentlichen Rechts, die Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen erbringt, gleichartige Einrichtung sein muss, die zudem ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen erbracht haben muss wie die Einrichtungen des öffentlichen Rechts. Zwar betrug der Anteil der gesetzlich versicherten Patienten nach den von der Klägerin vorgelegten Zahlen ca. 40 %, doch kann allein daraus keine soziale Vergleichbarkeit mit anderen Rehabilitationskliniken folgen. Gegen eine solche Vergleichbarkeit sprechen drei Gründe:

     

    • Die Deutsche Rentenversicherung legt für Reha-​Einrichtungen fest, dass auf 100 Rehabilitanden 6 Ärzte, 1,25 Psychologen, 7 Pflegekräfte sowie 12 Physiotherapeuten, Sportlehrer, Masseure, medizinische Bademeister vorhanden sein müssen (für Orthopädie) bzw. 6 (für Kardiologie, Onkologie, Gastroenterologie, indikationsübergreifend) (vgl. „Strukturqualität von Reha-​Einrichtungen ‒ Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung, Stand Juli 2014 bzw. Entwurf März 2009“ legt. Dem entsprach die Ausstattung der Einrichtung nicht.

     

    • Das Leistungsangebot bestand unter anderem aus Wellnessreisen (z. B. inklusive Quizabend, geführten Wanderungen, Willkommensdrink, Obstteller zur Begrüßung, Vollpension). Es konnte von den Gästen individuell gebucht werden.

     

    • Schließlich spricht auch die tatsächliche Durchführung der Aufenthalte gegen eine Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht mit Rehaeinrichtungen. Mit dem Aufnahmegespräch wird lediglich überprüft, ob gesundheitliche Einschränkungen gegen die Durchführung einzelner Maßnahmen sprechen, ansonsten wird das Programm für den Aufenthalt der Gästen entsprechend deren individuellen Wünschen und Buchungen festgelegt. Auch ein Abschlussgespräch mit der Empfehlung von Anschlussbehandlungen findet nicht statt. Auch stellen die Ärzte keine Kassenrezepte aus, da es hierfür an der erforderlichen Kassenarztzulassung fehlt.

     

    Praxishinweis

    Im Zusammenhang mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystR ließ der BFH zwei Fragen offen:

     

    • Ergibt sich eine Anerkennung einer Privatklinik allein aus der Konzessionierung nach § 30 GewO (siehe dazu z.B. FG Köln 13.4.16, 9 K 3310/11, E)?

     

    • Auch ob bzw. in welchem Umfang gesetzliche oder private Krankenkassen diese Kosten erstattet haben, war entscheidungsunerheblich. Zwar stellen auch die privaten Krankenversicherungen sowie die Beihilfestellen Einrichtungen der sozialen Sicherheit dar, sodass auch die Kostenübernahme dieser Stellen als Gesichtspunkt bei der Prüfung, ob eine Anerkennung vorliegt, zu berücksichtigen ist (FG Köln 13.4.16, 9 K 3310/11). Dass es sich hier indes nicht im Einzelnen ermitteln ließ, ob und in welchem Umfang diese Stellen Kosten übernommen haben, war unschädlich, da es jedenfalls an der sozialen Vergleichbarkeit des Leistungsangebots fehlte.
    Quelle: Seite 294 | ID 44894113