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  • 26.11.2013

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Gerichtsbescheid vom 10.06.2013 – 8 K 8043/12

    Ein Einspruch gegen einen auf 0 Euro lautenden Körperschaftsteuerbescheid ist ausnahmsweise nicht mangels Beschwer unzulässig,
    wenn die Nullfestsetzung auf einen Verlustrücktrag aus dem Folgejahr zurückzuführen ist, sich bei einem Erfolg des Einspruchs
    der Gewinn des laufenden Jahres verringern und sich dann infolge des geringeren benötigten Verlustrücktrags aus dem Folgejahr
    die Feststellung eines höheren verbleibenden Verlustvortrags zum Ende des Folgejahres ergeben würde.


    IM NAMEN DES VOLKES

    GERICHTSBESCHEID

    In dem Rechtsstreit


    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 8. Senat – am 10. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …,
    den Richter am Finanzgericht … und die Richterin am Finanzgericht …


    für Recht erkannt:


    Die Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2012 wird aufgehoben.

    Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand:

    Der Beklagte führte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. Im Anschluss daran erließ er für 2008 am 29. November 2010 einen
    nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid und setzte ausgehend von einem durch die Betriebsprüfung erhöhten
    Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. 158.979 EUR und unter Berücksichtigung eines zurück zu tragenden Verlustabzuges aus 2009
    in dieser Höhe sowie eines versteuernden Einkommens von null Euro die Körperschaftsteuer auf 0,00 EUR fest. Den Vorbehalt
    der Nachprüfung hob der Beklagte auf. Die Erklärung zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2009
    hatte die Klägerin am 15. Juli 2010 beim Beklagten eingereicht.


    Die Klägerin legte gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom 29. November 2010 Einspruch ein. Sie verwies auf den bisherigen
    Schriftwechsel und hielt an ihrer Rechtsauffassung fest, dass die bezahlte Bearbeitungsgebühr für die Bearbeitung eines Darlehens
    i.H.v. 37.500 EUR als Betriebsausgabe anzuerkennen sei (Punkt zwei des Schreibens vom 7. Dezember 2010).


    Der Beklagte erließ am 29. Dezember 2010 u.a. einen nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid
    für 2008, setzte die Körperschaftsteuer erneut auf 0,00 EUR fest und wies darauf hin, dass hinsichtlich Punkt zwei des Rechtsbehelfs
    dieser offen bleibe.


    Mit Schreiben vom 23. Januar 2012 vertrat der Beklagte die Auffassung, dass unter Berücksichtigung der festgesetzten Körperschaftsteuer
    auf 0,00 EUR eine Beschwer nicht zu erkennen sei. Die Klägerin teilte daraufhin mit, sie fühle sich dadurch beschwert, dass
    ein erhöhter körperschaftssteuerlicher Verlustrücktrag erforderlich sei, um für den Veranlagungszeitraum 2008 ein zu versteuerndes
    Einkommen von null zu erzielen. Die in 2009 erwirtschafteten Verluste seien teilweise in das Jahr 2008 zurückgetragen worden
    und somit als endgültig verbraucht anzusehen. Ihr gehe künftiges Verlustvortragspotenzial verloren. Die darauf entfallende
    Steuerersparnis betrage ca. 16 %. Dennoch sei der Beklagte der Auffassung, dass sie nicht beschwert sei.


    Der Beklagte verwarf den Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2008 mit Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2012
    als unzulässig. Der Einwand der Klägerin hinsichtlich des höheren Verlustrücktrags sei zwar zutreffend, ändere jedoch nichts
    daran, dass die Höhe der festgesetzten Körperschaftsteuer 0,00 EUR betrage und zwar unabhängig davon, ob man den Feststellungen
    der Betriebsprüfung folge oder nicht. Es ändere sich dann nur die Höhe des Verlustrücktrags, welcher jedoch zu den Besteuerungsgrundlagen
    gehöre und nur einen unselbstständigen Teil des Steuerbescheides darstelle, der nicht selbständig angefochten werden könne
    157 Abs. 2 AO).


    Mit ihrer am 27. Februar 2012 erhobenen Klage mach die Klägerin geltend, es fehle zwar grundsätzlich an einer Beschwer, wenn
    die Steuerfestsetzung 0,00 EUR betrage und lediglich eine geringere Feststellung von Besteuerungsgrundlagen begehrt werde.
    Eine Beschwer liege jedoch auch dann vor, wenn sie sich erst in späteren Veranlagungszeiträumen oder auch bei anderen Steuern
    nachteilig auswirke. Dies sei vorliegend der Fall. Durch den geringeren Betriebsausgabenabzug im Jahr 2008 werde ein höheres
    Verlustausgleichsvolumen aus dem Jahr 2009 für den Verlustrücktrag nach 2008 verwandt und stehe so für zukünftige Verlustvorträge
    nicht mehr zur Verfügung. Der Hinweis des Beklagten, dass die Höhe des zutreffenden Gewinns 2008 im Rahmen des Verlustfeststellungsbescheides
    zum 31. Dezember 2009 geklärt werden solle, sei technisch nicht umsetzbar. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Schriftsatz
    vom 27. März 2012 Bezug genommen.


    Den Antrag der Klägerin mit Schreiben vom 3. September 2012 auf Änderung bzw. Begrenzung des Verlustrücktrags hat der Beklagte
    am 12. September 2012 mit der Begründung abgelehnt, dass der Körperschaftsteuerbescheid für 2008 bereits bestandskräftig bzw.
    unanfechtbar sei. Die Unzulässigkeit des Rechtsmittels habe zur Folge, dass der Körperschaftsteuerbescheid für 2008 formell
    bestandskräftig bzw. unanfechtbar geworden sei.


    Die Klägerin beantragt sinngemäß,

    die Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2012 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er habe die Klägerin bereits mit Schreiben vom 26. Januar 2012 darauf hingewiesen, dass die mit der materiell-rechtlichen
    Streitfrage verbundene Einschränkung des Verlustvortrags im Rahmen des Verlustfeststellungsbescheides zum 31. Dezember 2009
    geklärt werden müsse. Hinsichtlich des Arguments, dass die Anfechtung des Körperschaftsteuerbescheides wegen der Auswirkung
    bei der Gewerbesteuer zulässig sei, verweise er auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – BFH – (vom 22. Mai 1974, I
    R 169/72, Bundessteuerblatt II 1975, 37). Danach gelte die Einschränkung, dass auch steuerliche Nachteile bei einer anderen
    Steuerart unter Umständen als ausreichende Rechtsverletzung angesehen werden könnten, nicht für das Verhältnis Einkommensteuer
    bzw. Körperschaftsteuer zur Gewerbesteuer. Eine Beschwer durch Auswirkungen bei anderen Steuern könne sich nur dann ergeben,
    wenn eine Bindungswirkung zwischen den beiden Steuerarten bestehe. Eine derartige Bindungswirkung bestehe zwischen der Körperschaftsteuer
    und der Gewerbesteuer nicht. Wie die Klägerin zu der Ansicht komme, dass der Rechtsschutz durch Anfechtung des Verlustfeststellungsbescheides
    für 2009 nicht möglich sei, könne nicht nachvollzogen werden. Im vorliegenden Streitfall sei der Verlustfeststellungsbescheid
    für 2009 der erste Bescheid, der von dem Streit auch tatsächlich betroffen sei, so dass die eigentlich materiell-rechtliche
    Streitfrage in diesem Bescheid geklärt werden müsse und auch noch geklärt werden könne. Das Finanzamt habe unter Hinweis auf
    die Ablehnung des Antrages betreffend Änderung Verlustrücktrag kein Interesse noch ein weiteres Klageverfahren wegen der rein
    verfahrensrechtlichen Frage in derselben Angelegenheit anhängig zu machen.


    Entscheidungsgründe:

    Das Gericht hielt es für angezeigt, gemäß § 90 a Finanzgerichtsordnung – FGO – durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, da eine
    mündliche Verhandlung zur Klärung der Rechtslage hinsichtlich der streitigen Beschwer nicht weiter beitragen kann.


    Die isolierte Anfechtung der Einspruchsentscheidung ist zulässig. Es entspricht dem berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen,
    nicht infolge eines Verfahrensfehlers eine außergerichtliche Tatsacheninstanz zu verlieren (Braun in: Hübschmann/Hepp/Spitaler:
    AO/FGO, § 40 FGO Rdnr 94 mwN).


    Der Beklagte hat zu Unrecht den Einspruch der Klägerin mangels Beschwer als unzulässig verworfen.

    Gemäß § 350 AO ist ein Einspruch nur zulässig, wenn der Steuerpflichtige geltend macht, durch den angegriffenen Verwaltungsakt
    oder durch die Unterlassung eines Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Beschwer durch einen Steuerbescheid
    ergibt sich dabei grundsätzlich aus der Steuerfestsetzung und gemäß § 157 Abs. 2 AO nicht aus den einzelnen Besteuerungsgrundlagen,
    die lediglich einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheides bilden. Die Anfechtung eines
    Steuerbescheides ist daher grundsätzlich unzulässig (BFH vom 15. Februar 2001, III R 10/99, Sammlung der Entscheidungen des
    BFH – BFH/NV – 2001, 1125). Eine auf 0,00 EUR festgesetzte Steuer verletzt nämlich den Steuerpflichtigen in der Regel nicht
    subjektiv in seinen Rechten. Dies gilt auch dann, wenn geltend gemacht wird, der Steuerfestsetzung liege kein oder ein zu
    niedriger Verlust zu Grunde, weil über die Höhe des Verlustabzugs nicht im Verlustenstehungsjahr sondern im Verlustabzugsjahr
    entschieden wird (BFH-Urteil vom 17. März 2008, IX B 102/07, BFH/NV 2008, 1179 ). Denn über die Höhe eines im Verlustentstehungsjahr
    nicht ausgeglichenen Verlusts wird im Steuerfestsetzungsverfahren für das Verlustrücktragsjahr und hinsichtlich des verbleibenden
    Verlustabzugs für die dem Verlustentstehungsjahr folgenden Veranlagungszeiträume im Feststellungsjahr bindend entschieden
    (BFH aaO).


    Ein Steuerpflichtiger kann allerdings auch durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung in seinen Rechten verletzt sein; dies
    ist dann der Fall, wenn die Festsetzung sich in späteren Veranlagungszeiträumen zu seinen Ungunsten auswirken kann (vgl. Urteile
    des BFH vom 12.Dezember 1972 VIII R 39/67, BFHE 108, 278, BStBl II 1973, 323; vom 7.August 1974 I R 108/73, BFHE 113, 405,
    BStBl II 1975, 304, und vom 7.August 1979 VIII R 153/77, BFHE 129, 325, BStBl II 1980, 181) oder wenn die Festsetzung sich
    in bindender Weise auf einem anderen rechtlichen Gebiet ungünstig auswirkt, weil der Regelungsgehalt des Steuerbescheids ausnahmsweise
    über die bloße Steuerfestsetzung hinausreicht (BFH, Urteil vom 17.06.2009 VI R 46/07, BStBl II 2010, 72).


    Eine entsprechende Ausnahme ist auch im Streitfall gegeben. Im Streitfall ist nicht die Höhe des im Jahr 2009 entstandenen
    Verlustes sondern der Gewinn des Jahres 2008 im Streit. Die Höhe des Gewinns im Jahr 2008 hat Auswirkungen auf die Höhe des
    Verlustrücktrags aus 2009 und damit auch Auswirkungen auf die Höhe des festzustellenden verbleibenden Verlustvortrags auf
    den 31.12.2009. Dem kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, bei dem Gewinn des Jahres 2008 handele es sich um eine
    nichtselbständige Besteuerungsgrundlage, über dessen Höhe im Verlustfestellungsbescheid zum 31.12.2009 entschieden werden
    müsse. Zum einem hat die Höhe des dem Körperschaftssteuerbescheid für 2008 zugrunde liegenden Gewinns wegen § 35b Abs. 1 GewStG
    auch Auswirkungen auf den Gewerbesteuermessbescheid 2008. Zum anderen würde man das Antragsrecht der Klägerin aus § 10d Abs.
    1 Satz 5 EStG, von einem Verlustrücktrag ganz oder teilweise abzusehen, beschneiden, wenn man eine Beschwer durch den Körperschaftssteuerbescheid
    2008 verneinte.


    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen,
    weil die hier streitige Rechtsfrage, soweit ersichtlich, bislang nicht höchstrichterlich entschieden ist.

    VorschriftenAO § 350, AO § 157 Abs. 2, EStG § 10d Abs. 1 S. 5, EStG § 10d Abs. 3, KStG § 8 Abs. 1, FGO § 40 Abs. 2