Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 13.03.2014 · IWW-Abrufnummer 140768

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 22.05.2013 – 8 K 3813/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Köln

    8 K 3813/11

    Tenor:

    Die Einspruchsentscheidung vom 11.11.2011 und die geänderten Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 vom 20.05.2011 werden gegenüber der Klägerin aufgehoben.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die gerichtlichen Kosten tragen der Kläger zu 2. und der Beklagte zur Hälfte.

    Von den außergerichtlichen Kosten trägt der Kläger zu 2. die eigenen in voller Höhe. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. in voller Höhe.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob betreffend die Einkommensteuerveranlagungszeiträume 1998 und 1999 bezüglich der geänderten Einkommensteuerbescheide vom 20.05.2011 Festsetzungsverjährung vorliegt.

    Mit Schreiben vom 02.05.2010, eingegangen beim Beklagten am 03.05.2010, erklärten die Kläger als Erben ihrer Mutter, Frau A, verstorben am 00.02.2008, Einkünfte aus Kapitalvermögen u.a. für die Streitjahre nach. Ihrem Schreiben fügten sie eine fünfseitige Aufstellung der Zinserträge 1998 bis 2002 bei. Der Kläger wurde in dem Schreiben zum Zustellungsbevollmächtigten für die wegen der Nacherklärung zu ändernden Einkommensteuerbescheide bestimmt.

    Mit Schreiben vom 19.04.2011 (Blatt 175 der Steufa-Akte) teilte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B – Steuerfahndungsstelle – (STA C) dem Beklagten mit:

    „Beiliegenden Vorgang übersende ich zur weitern Veranlassung.

    Mit Datum vom 03.05.2010 erklärte Herr A1 Kapital- und Renteneinkünfte seiner am 00.02.2008 verstorbenen Mutter nach.

    Die nacherklärten Kapitaleinkünfte wurden zwischenzeitlich überprüft. Lediglich bei den Werbungkosten haben sie geringfügige Abweichungen ergeben. Die Kosten der banklagernden Post sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Die geltend gemachten Werbungskosten sind wie folgt zu kürzen:

    1998 - 125,00 DM
    1999 - 200,00 DM
    2000 - 200,00 DM
    2001 - 200,00 DM
    2002 - 74,84 €

    Die Konten der Mutter wurden in 2002 aufgelöst. Das Kapital haben die Kinder A1 u.d. D übernommen.“

    In der Steufa-Akte befindet sich auf Blatt 177 – 183 die Nacherklärung der Kläger nebst Anlagen vom 02.05.2010. Es ist nicht erkennbar, zu welchem Datum die Steuerfahndung die Nacherklärung der Kläger nebst Anlagen vom 02.05.2010 vom Beklagten erhalten hat. Hierzu hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt, Mitarbeiter des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B hielten im Finanzamt B regelmäßig eine Art Sprechstunde für die dortigen Sachbearbeiter ab, bei der dann ggf. Steuerakten formlos an das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B abgegeben würden. So sei hier wohl auch verfahren worden.

    Unter dem Geschäftszeichen ... hatte die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B dem Kläger mit Datum vom 06.12.2010 unter dem Betreff: „Steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren, Selbstanzeige vom 06.03.2010“ mitgeteilt (Blatt 119 Steufa-Akte):

    „…die Steuerfahndungsstelle B wurde mit der Überprüfung Ihrer Selbstanzeige der Jahre 1999 – 2008 beauftragt.

    Zur abschließenden Prüfung der Selbstanzeige benötige ich noch folgende Unterlagen:…..- Überprüfbare Unterlagen über die nacherklärten Einkünfte Ihrer Mutter….“

    Die angeforderten „überprüfbaren Unterlagen“ über die nacherklärten Einkünfte seiner Mutter reichte der Kläger am 06.01.2011 unter Bezugnahme auf das Schreiben der Steuerfahndung vom 06.12.2010 zu dem Geschäftszeichen ... beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B vor (Schreiben vom 05.01.2011, Blatt 155 Steufa-Akte).

    Entsprechend den ihm von der Steuerfahndung mit Schreiben vom 19.04.2011 mitgeteilten Überprüfungsergebnis bezüglich der von den Klägern nacherklärten Kapitaleinkünfte ihrer Mutter erließ der Beklagte am 20.05.2011 u.a. geänderte Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999. Festgesetzt wurde Einkommensteuer 1998 in Höhe von 49.781,42 € und Einkommensteuer 1999 in Höhe von 47.121,17 €. Die Zinsen zur Einkommensteuer 1998 betrugen 5.985,-- €, zur Einkommensteuer 1999 5.838,-- €.

    Mit ihrem Einspruch gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 trugen die Kläger vor, für die Einkommensteuerveranlagungen 1998 und 1999 sei Verjährung eingetreten. Wegen der Nacherklärung vom 02.05.2010 sei eine Abweichung von der Regelverjährung (Fristablauf 10 Jahre: 31.12.2010) bis maximal zum 03.05.2011 eingetreten, die allerdings vor Ergehen der angefochtenen Bescheide abgelaufen gewesen sei.

    Der Sachgebietsleiter des Beklagten vermerkte daraufhin in der Rechtsbehelfsakte:

    „Da gegen alle Erben kein Strafverfahren eingeleitet wurde (bzw. werden konnte) und die Steufa zur Klärung des Sachverhalts auch keine eigenen Ermittlungen vorgenommen hat, sind die Steuerbescheide 1998 und 1999 wieder aufzuheben.“

    Der mit der Überprüfung der nacherklärten Kapitaleinkünfte befasste Steuerfahnder C teilte dem Beklagten am 29.06.2011 per Email mit:

    „.... Herr A1 hat mit Schreiben vom 02.05.2010 (Eingang FA 03.05.2010) Einkünfte der Mutter nacherklärt. Die Taten für sich waren zu diesem Zeitpunkt bereits strafrechtlich verjährt.

    Mit Schreiben vom 06.12.2010 habe ich Herrn A1 mitgeteilt, dass ich seine Selbstanzeige überprüfe und ihn gleichzeitig aufgefordert, prüfungsfähige Unterlagen über die Einkünfte seiner verstorbenen Mutter einzureichen. M.E. greift hier die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 AO. Die Einleitung des Strafverfahrens ist hierfür nicht erforderlich...“

    Mit Einspruchsentscheidung vom 11.11.2011 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück.

    Hierzu führte er an, vor Ablauf der Verjährungsfrist zum 31.12.2010 sei diese gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO durch Ermittlungen der Steuerfahndung gehemmt worden. Die Ermittlungen würden in dem Schreiben vom 06.12.2010 dokumentiert. Das Schreiben sei an den Kläger auch als Zustellungsbevollmächtigter der Klägerin ergangen.

    Mit der vorliegenden Klage tragen die Kläger vor, § 171 Abs. 5 Satz 1 AO könne als die Festsetzungsverjährung hemmende Vorschrift nicht angeführt werden, da gegenüber den Klägern zu keinem Zeitpunkt die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens oder einer Steuerfahndung bekannt gegeben worden sei. Selbst wenn die Steuerfahndung mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Mai 2010 im Anschluss an die Nacherklärung der Kapitaleinkünfte ihrer Mutter begonnen habe, sei diese für eine Dauer von mehr als sechs Monaten unterbrochen worden. Das Schreiben der Steuerfahndungsstelle vom 06.12.2010 sei nicht einschlägig, denn es beziehe sich auf eine Selbstanzeige des Klägers in eigener Sache vom 06.03.2010, nicht aber auf die Nacherklärung der Kläger vom 02.05.2010. Dies belege schon das Geschäftszeichen des Schreibens der Steuerfahndung vom 06.12.2010, das erteilt worden sei im Zusammenhang mit der Selbstanzeige des Klägers in eigener Sache. Auch könne das Schreiben vom 06.12.2010 nur als Ermittlungsmaßnahme im Besteuerungsverfahren und nicht in einem Steuerstrafverfahren verstanden werden. Demnach sei spätestens am 03.05.2011, also vor Erlass der geänderten Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 vom 20.05.2011, Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen. Auf die Anweisung für die Straf- und Bußgeldverfahren 2013 vom 30.10.2011, BStBl. I 2012, 1018 ff. sowie den Aufsatz von Buse in BB 2013, 11 ff und die dort zitierte BFH-Rechtsprechung werde Bezug genommen.

    Die Kläger beantragen

    die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11.11.2011 und der geänderten Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 nebst Zinsbescheid vom 20.05.2011.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    In Ergänzung zu den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung trägt er vor, während des Zeitraums 06.12.2010 bis 19.04.2011 seien die Unterlagen der Kläger von der Steuerfahndung laufend bearbeitet worden. Die Klägerin sei nicht in die Ermittlungen einbezogen worden.

    Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist teilweise begründet.

    1.

    Die Klage des Klägers betreffend die Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 vom 20.05.2011 ist unbegründet.

    Die angefochtenen Steuerbescheide sind dem Kläger gegenüber zu Recht in nicht festsetzungsverjährter Zeit ergangen.

    Zwischen den Beteiligten ist in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des erkennenden Senats unstreitig, dass die im Streitfall einschlägige 10jährige Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO mit Ablauf des 31.12.2010 endete.

    Ebenfalls besteht Einigkeit darüber, dass der verjährungshemmende Tatbestand des § 171 Abs. 9 AO in Verbindung mit § 153 AO nicht zum Tragen kommt, weil die dort vorgesehene Jahresfrist vor Erlass der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 vom 20.05.2011 bereits am 03.05.2011 geendet hatte (vgl. zur Unzulässigkeit der Kombination der Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 5 Satz 1 AO mit derjenigen gem. § 171 Abs. 9 AO: BFH, Urteil vom 08.07.2009 – VIII R 5/07-, BStBl II 2010, 583).

    Eine Hemmung des Eintritts der Festsetzungsverjährung ist jedoch nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO erfolgt.

    Die Anwendung des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO wird durch die Regelung des § 171 Abs. 9 AO nicht ausgeschlossen. Zwar regelt § 171 Abs. 9 AO speziell die Hemmung der Festsetzungsverjährung bei einer Erstattung einer Erklärung gem. § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 171 Abs. 9 AO verdrängt jedoch nicht andere verjährungshemmende Vorschriften, deren Voraussetzungen vor dem Ablauf der regulären Festsetzungsfristen gem. § 169 AO verwirklicht worden sind (BFH, Beschluss vom 25.07.2007- V B 39/07-, BFH/NV 2007, 2071).

    Die Voraussetzung der verjährungshemmenden Vorschrift des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO sind im Streifall gegeben.

    Beginnen die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Beginn der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 5 Satz 1 AO soweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Maßgebender Zeitpunkt für die Ablaufhemmung ist damit der notwendig vor Ablauf der Festsetzungsfrist liegende Beginn der Ermittlungshandlungen beim Steuerpflichtigen. Einer förmlichen Anordnung der Ermittlungen bedarf es nicht. Die Ablaufhemmung wird ausgelöst, ohne dass die Ermittlungshandlungen den Anforderungen an eine Außenprüfung entsprechen müssten (FG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2006, - 15 K 4744/05 E-, Juris, PStR 2007, 255). Es darf sich nicht um Scheinhandlungen handeln.

    Die Anforderung von Unterlagen stellt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine hinreichend gewichtige Ermittlungshandlung dar (BFH, Urteil vom 08.07.2009 - VIII R 5/07-, BStBl II 2010, 583).

    Allerdings muss für den Steuerpflichtigen erkennbar sein, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird (BFH, Beschluss vom 12.01.2010- VIII B 159/08-, BFH/NV 2010, 598 m.w.N.).

    Höchstrichterlich ist zudem geklärt, dass die Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen durch die Steuerfahndung im Sinne von § 171 Abs. 5 Satz 1 AO entweder im Steuerstrafverfahren oder im Besteuerungsverfahren durchgeführt werden können (BFH, Urteil vom 16.04.1997- XI R 61/94 -, BStBl II 1997, 595). Die Zuständigkeit der Steuerfahndung zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 208 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 AO hängt dabei nicht davon ab, dass tatsächlich gleichzeitig auch ein Steuerstrafverfahren durchgeführt wird; die Steuerfahndung ist auch dann zuständig, wenn wegen der Steuerstraftat bereits Verfolgungsverjährung eingetreten, die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO aber noch nicht abgelaufen ist (BFH, Beschluss vom 16.12.1997 -VII B 45/97-, BStBl II 1998, 231).

    Die Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe auf den Streitfall betreffend den Kläger ergibt, dass die mit der Steuerfahndung befasste Dienststelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B (hier in Person des Steueramtmannes C) vor Ablauf der regulären Verjährungsfrist gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO am 31.12.2010 mit dem Schreiben vom 06.12.2010, dessen Zugang vor dem 31.12.2010 der Kläger mit seinem bei dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B am 27.12.2010 eingegangenen Schreiben vom 22.12.2010 bestätigt hat, mit Ermittlungen u.a. der Besteuerungsgrundlagen für die Einkünfte aus Kapitalvermögen der verstorbenen Mutter des Klägers in den Jahren 1998 bis 2002 begonnen hat.

    Entsprechend dem Briefkopf ist mit Schreiben vom 06.12.2010 eine Dienststelle der Steuerfahndung beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B und nicht etwa eine Strabu-Stelle dieser Behörde tätig geworden.

    Die von der Dienststelle der Steuerfahndung in Gestalt des Schreibens vom 06.12.2010 erfolgte Anforderung von Unterlagen stellt nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung eine gewichtige Ermittlungshandlung dar.

    Die Aufforderung erfolgte auch für die Streitjahre 1998 und 1999, da in dem Schreiben angegeben wurde, dass der Kläger „überprüfbare Unterlagen über die nacherklärten Einkünfte“ seiner verstorbenen Mutter zu übersenden habe. Für den Kläger war hieraus erkennbar, dass sich die Ermittlungshandlungen der Steuerfahndung auf sämtliche nacherklärten Einkünfte seiner Mutter aus Kapitalvermögen für die Jahre 1998 bis 2002 bezogen. Dass der Kläger die Aufforderung der Steuerfahndung in diesem Sinne verstanden hat, zeigt die von ihm unter Bezugnahme auf das Schreiben der Steuerfahndung vom 06.12.2010 vorgenommene Übersendung überprüfbarer Unterlagen zu den von ihm und der Klägerin unter dem 02.05.2010 nacherklärten Einkünften der Mutter mit Schreiben vom 05.01.2011 an das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung B. Für den erkennenden Senat ist schlicht undenkbar, dass der Kläger wegen des Betreffs „Steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren, Selbstanzeige vom 06.03.2010“ in dem Schreiben vom 06.12.2010, wie von ihm vorgetragen, zu dem Schluss gekommen sein könnte, die Anforderung von – zusätzlichen - überprüfbaren Unterlagen über die nacherklärten Einkünfte seiner Mutter beträfe lediglich seine eigene Besteuerung. Jedem verständigen Erben ist klar, dass eine Nachforderung von Unterlagen über nacherklärte Kapitaleinkünfte des Erblassers durch die Steuerfahndung zwingend die aufgrund der Nacherklärung zu überprüfenden Besteuerungsgrundlagen des Erblassers betrifft, erst Recht wenn – wie im Streitfall - noch hinzukommt, dass auch der Erbe selbst Steuern hinterzogen hat. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass für eine Inkenntnissetzung über Ermittlungshandlungen der Steuerfahndung im Sinne des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO bereits ein bloßer mündlicher Hinweis der Steuerfahndung genügt hätte (BFH, Urteil vom 09.03.1999 -VIII R 19/97-, BFH/NV 1999, 1186).

    Dass die Nachforderung von Unterlagen keine Scheinhandlung war, verdeutlicht das Schreiben der Steuerfahndung vom 19.04.2011 an den Beklagten, in dem die Ergebnisse der Überprüfung durch die Steuerfahndung auch für die Streitjahre mitgeteilt wurden.

    2.

    Die Klage der Klägerin betreffend die Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 ist begründet.

    Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 vom 20.05.2011 sind rechtswidrig, soweit sie gegenüber der Klägerin ergangen sind. Sie verletzen die Klägerin in ihren Rechten, da sie in festsetzungsverjährter Zeit ergangen sind.

    Die Kläger haften als Miterben ihrer Mutter aufgrund Gesamtrechtsnachfolge zwar gesamtschuldnerisch für deren Einkommensteuerschulden (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 44 AO, Tz. 11; § 45 Tz. 18).

    Die Frage der Festsetzungsverjährung ist für jeden Gesamtschuldner allerdings eigenständig zu beurteilen (BFH, Urteil vom 25.04.2006 – X R 42/05, BStBl. II 2007, 220).

    Danach ist die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 S.1 AO gegenüber der Klägerin entsprechend den unter Tz. 1 des vorliegenden Urteils dargestellten rechtlichen Maßstäben nicht eingetreten.

    Denn während der Kläger durch das an ihn gerichtete Anschreiben der Steuerfahndung vom 06.12.2010 - wie dargelegt - von den Ermittlungen der Steuerfahndung wegen der nacherklärten Kapitaleinkünfte seiner Mutter erfahren hat, war diese Kenntnis bei der Klägerin nach Aktenlage nicht gegeben.

    Der Beklagte hat selbst mit Klageerwiderung vom 02.08.2012 (Blatt 89 am Ende, Prozessakte) mitgeteilt, die Klägerin sei nicht in die Ermittlungen der Steuerfahndung einbezogen worden.

    Zwar war der Kläger zustellungsbevollmächtigt für die geänderten Einkommensteuerbescheide aufgrund der ausdrücklichen Bevollmächtigung in der Nacherklärung vom 02.05.2010. Aus dieser begrenzten Zustellungsvollmacht kann aber nicht abgeleitet werden, dass das nur an den Kläger gerichtete Schreiben der Steuerfahndung vom 06.12.2010 auch der Klägerin bekannt geworden ist.

    3.

    Gegen die mit den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 1998 und 1999 verbundenen, nicht mit Einspruch, aber im Rahmen der vorliegenden Klage angegriffenen Zinsbescheide haben die Kläger keine gesonderten Einwendungen erhoben.

    Die Zinsbescheide gegenüber der Klägerin werden als Folgebescheide der durch das vorliegende Urteil gegenüber der Klägerin aufgehobenen Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 hinfällig.

    Die Zinsbescheide gegenüber dem Kläger haben als Folgebescheide der durch das vorliegende Urteil gegenüber dem Kläger für rechtmäßig erkannten Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 Bestand.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO analog (Baumbach’sche Formel, vgl. BFH, Beschluss vom 13.12.1999 - III B 15/99 -, BFH/NV 2000, 827).