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  • 02.04.2014 · IWW-Abrufnummer 140993

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 19.02.2014 – 9 K 217/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Az. 9 K 217/12
    Revision eingelegt – BFH-Az.: VI R 13/14

    Tatbestand
    Streitig ist, ob es sich bei fehlerhaft berechnetem Arbeitslohn eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers, der von dem Arbeitgeber (GmbH) zurückgefordert wird, um Arbeitslohn im Jahr des Zuflusses handelt bzw. ob und zu welchem Zeitpunkt ein Abfluss der überzahlten Beträge steuermindernd zu berücksichtigen ist.
    Der Kläger erzielt als Geschäftsführer der A-GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Er ist Alleingesellschafter der GmbH.
    Bei der GmbH führte der Beklagte in der Zeit vom 16. August 2011 bis 25. Oktober 2011 eine Betriebsprüfung durch. Dabei stellte der Betriebsprüfer unter anderem fest, dass Tantiemen für den Kläger als Geschäftsführer fehlerhaft berechnet worden waren. Abweichend vom Arbeitsvertrag wurden die Tantiemen des Vorjahres in die Berechnung einbezogen. Außerdem war das Urlaubsgeld für den Geschäftsführer falsch berechnet worden. Laut Arbeitsvertrag standen dem Kläger 25 % des Festgehaltes als Urlaubsgeld zu. Da die GmbH vom Arbeitnehmer die Rückzahlung der zu viel gezahlten Beträge (VZ 2008: Tantieme 6.978,52 EUR und Urlaubsgeld 1.275,75 EUR, VZ 2009: Tantieme 5.062,78 EUR und Urlaubsgeld 1.592,87 EUR; VZ 2010: Urlaubsgeld 1.592,87 EUR) forderte, wurden in dieser Höhe Forderungen der GmbH gegenüber seinem Gesellschafter bei der Betriebsprüfung angesetzt (vgl. Tz. 13.3 des BP-Berichts des FA Lüneburg vom 26. Oktober 2011).
    Mit Bescheiden vom 19. Dezember 2011 änderte das beklagte Finanzamt (FA) die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 2008 – 2010 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) entsprechend einer Kontrollmitteilung des Betriebsprüfers hinsichtlich des Sachbezugs für Pkw-Nutzung. Die Änderung des geldwerten Vorteils (Bruttowert) betrug in den Streitjahren jeweils 5.118,84 EUR (vgl. Anlage 3 des BP-Berichts vom 26. Oktober 2011).
    Gegen diese Bescheide legte der Kläger Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien zwingend um die zu viel gezahlte Tantieme und das zu viel gezahlte Urlaubsgeld zu kürzen. Außerdem käme eine Minderung des Vorwegabzugs gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht in Betracht. Die Betriebsprüfung habe festgestellt, dass der Arbeitslohn für den Kläger in der GmbH zu hoch angesetzt worden sei. Die abgerechneten Beträge entsprächen nicht den abgeschlossenen Arbeitsverträgen. Im Einvernehmen mit dem Betriebsprüfer seien diese Beträge nicht als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) behandelt worden, sondern als Forderung gegenüber dem Gesellschafter. Durch die Einbuchung einer Forderung der GmbH sei nicht Arbeitslohn zurückgefordert worden, der dann ggf. erst zum Zeitpunkt der Rückzahlung zu negativen Einkünften führen würde. Es sei vielmehr festgestellt worden, dass die Auszahlung an den Kläger niemals Arbeitslohn gewesen sei, sondern von vornherein zum Entstehen einer Forderung geführt habe. Die zwischenzeitliche Behandlung als Arbeitslohn sei schlichtweg fehlerhaft. Deshalb fehle jegliche Basis, diese Beträge überhaupt als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu behandeln und deshalb seien die Einkommensteuerbescheide zu berichtigen. Der Zeitpunkt der Rückzahlung sei für die Berichtigung der Einkommensteuerbescheide unerheblich, weil es an einem Zufluss als Arbeitslohn mangele. Der Zufluss sei nicht als Arbeitslohn, sondern als schlichte Auszahlung der GmbH erfolgt, die bei der GmbH unmittelbar zum Entstehen einer Forderung geführt habe.
    Die Einsprüche waren hinsichtlich der Minderung des Vorwegabzugs begründet. Im Übrigen hatten sie keinen Erfolg.
    Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der der Kläger sein Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor: Die Betriebsprüfung habe die fehlerhaft ausgezahlten Beträge als Forderungen auf dem Gesellschafter-Verrechnungskonto aktiviert. Dies sei einer Rückzahlung jeweils zum 31.12. des Jahres der Auszahlung an den Kläger gleichzusetzen, so dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zeitgleich zu reduzieren seien. Nichts anderes hätte sich ergeben, wenn es sich um vGA gehandelt habe. Wie bei der Umqualifizierung im Rahmen einer vGA seien die Feststellungen in der Betriebsprüfung im Einkommensteuerbescheid nachzuvollziehen und die als Forderung umgebuchten Beträge aus dem Bruttoarbeitslohn herauszunehmen. Es gehe im vorliegenden Fall nicht um die Rückgängigmachung einer vGA, sondern um die rechtlichen Folgen einer fehlerhaften Behandlung von Zahlungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer. Die streitbefangenen Zahlungen seien weder durch das Arbeitsverhältnis noch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst worden. Es handele sich lediglich um eine fehlerhafte Anwendung der geschlossenen Verträge. Eine vGA sei nicht anzunehmen, denn nach Korrektur der Bilanz ergebe sich durch diese Zahlungen keine Auswirkung auf das Einkommen mehr. Die Forderung gegenüber dem Kläger sei bei der GmbH nur irrtümlich zunächst nicht bilanziert worden. Die Betriebsprüfung habe diese Bilanzierung richtiggestellt. Bei normalen Arbeitnehmern könne eine Minderung der Einkünfte erst bei Abfluss erfolgen. Im vorliegenden Fall gehe es aber um einen Alleingesellschafter einer GmbH und die streitigen Beträge seien seinem Gesellschafter-Verrechnungskonto belastet worden. Die Beträge seien im Kontokorrentsaldo dieses Kontos untergegangen. Durch diese Verrechnung im Kontokorrentsaldo des Gesellschafter-Verrechnungskontos sei entweder der Abfluss erfolgt oder es habe sich von Anfang an nicht um eine Lohnzahlung, sondern um eine schlichte Überweisung an den Gesellschafter gehandelt.
    Der Kläger beantragt,
    die Einkommensteuerbescheide 2008, 2009 und 2010 zu ändern und das Einkommen 2008 um 1.273,75 EUR, das Einkommen 2009 um insgesamt 8.571,39 EUR und das Einkommen 2010 um 6.655,65 EUR herabzusetzen.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Der Beklagte verweist zur Begründung zunächst auf seinen Einspruchsbescheid vom 26. Juni 2012. Darüber hinaus begründet der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag wie folgt: Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung sei das Arbeitsverhältnis Ursache der fehlerhaften Zahlungen. Demzufolge seien die Zahlungen als Arbeitslohn zu beurteilen, für die das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG gelte. Eine später beabsichtigte Rückzahlung des zu Unrecht gezahlten Arbeitslohns sei demzufolge auch nur durch das Arbeitsverhältnis und nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Erst in dem Veranlagungszeitraum, in dem der Kläger die zu viel gezahlte Tantieme und das zu viel gezahlte Urlaubsgeld tatsächlich zurückzahle, sei dieses steuermindernd zu berücksichtigen. Allein die Aktivierung einer Forderung gegen den Kläger auf dem Gesellschafterkonto bei der GmbH sei nicht als Zurückzahlung der Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit anzusehen mit der Folge, dass die Einkünfte beim Gesellschafter zeitgleich zu reduzieren wären. Zum Arbeitslohn gehörten auch versehentliche Überweisungen des Arbeitgebers, die dieser zurückfordern könne, Zahlungen ohne Rechtsgrund und Zahlungen die sich keiner konkreten Leistung zuordnen ließen. Es bestehe ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen den Leistungen und dem Arbeitsverhältnis. Zwar ergäben sich aufgrund der Stellung des Klägers als beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH insoweit Besonderheiten, als die Rechtsprechung den Zufluss von Forderungen gegen seine GmbH bereits mit deren Fälligkeit fingiere. Von dieser Zuflussfiktion seien aber nur solche Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft dem beherrschenden Gesellschafter tatsächlich schulde und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt hätten. Ein Rückzahlungsvollzug sei aber aufgrund dessen nicht bereits dadurch bewirkt, dass in der Bilanz der Kapitalgesellschaft eine entsprechende Verbindlichkeit oder Forderung eingestellt werde. Eine Besserstellung des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers gegenüber dem normalen Arbeitnehmer sei nicht anzunehmen. In beiden Fällen sei eine tatsächliche Gehaltsrückzahlung maßgebend.
    Entscheidungsgründe
    1. Die Klage ist unbegründet.
    Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2008 bis 2010 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 26. Juni 2012 sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -).
    Zu Recht hat der Beklagte die überzahlten Tantiemen und Urlaubsgelder im Veranlagungszeitraum des tatsächlichen Zuflusses als Arbeitslohn erfasst und die Ansätze von Forderungen der GmbH gegenüber dem Kläger hinsichtlich der Rückzahlungen bzw. die entsprechenden Verbuchungen auf dem Gesellschafter-Verrechnungskonto des Klägers nicht schon in den Streitjahren steuermindernd berücksichtigt (§§ 9 Abs. 1 Satz 1, 11 Abs. 2 Satz 1, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).
    a. Die überzahlten Tantiemen und Urlaubsgelder stellen für den Kläger Arbeitslohn dar, den er auch in den Streitjahren bezogen und entsprechend zu Recht versteuert hat.
    aa. Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Leistung besteht oder nicht (BFH-Urteil vom 5. Juli 1996 VI R 10/96, BFHE 180, 441, BStBl II 1996, 545). Unerheblich ist auch, ob Zahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer bei diesem verbleiben können (BFH-Urteil vom 22. Mai 2002 VIII R 74/99, BFH/NV 2002, 1430). Zum Arbeitslohn gehören daher auch versehentliche Überweisungen des Arbeitgebers, die dieser zurückfordern kann (BFH-Urteil vom 13. November 2012 VI R 38/11, BFHE 239, 403, BStBl II 2013, 929).
    Etwas anderes gilt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann, wenn Überzahlungen nicht vom Arbeitgeber „gewährt“ werden, sondern der Arbeitnehmer sich die entsprechenden Beträge eigenmächtig unter Überschreitung seiner Befugnisse zugeteilt hat. Diese Beträge sind dann nicht als Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG anzusehen sind (BFH-Urteil vom 13. November 2012 VI R 38/11, BFHE 239, 403, BStBl II 2013, 929).
    Im Streitfall hat der Senat keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger sich die streitbefangenen Beträge eigenmächtig überwiesen und damit Gelder der GmbH veruntreut hat. Es handelt sich nach Überzeugung des Senats vielmehr um schlichte versehentlich falsch berechnete Urlaubs- und Tantiemeansprüche des Klägers, die zu entsprechenden Überzahlungen und damit im Ergebnis in den Streitjahren zu Arbeitslohn geführt haben. Der Senat hat keine Zweifel, dass diese Überzahlungen allein durch das Arbeitsverhältnis veranlasst worden sind, denn es handelt sich bei den falsch berechneten Beträgen um im Übrigen arbeitsvertraglich geregelte Lohnbestandteile. Die steuerliche Behandlung der Rückforderung im Rahmen der GmbH als sonstige Forderung gegenüber dem Kläger als Alleingesellschafter steht dem nicht entgegen.
    bb. Der Kläger hat den Arbeitslohn auch in Höhe des vom Arbeitgeber versehentlich zu viel gezahlten und zurückgeforderten Lohns bezogen. Denn auch im rückforderungsbehafteten Umfang war die zugeflossene Zahlung tatsächlich durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst. Das Behaltendürfen ist kein Merkmal einer Einnahme. Ein Zufluss liegt daher auch dann vor, wenn der Empfänger den Betrag später wieder zurückzahlen muss (vgl. BFH-Urteil vom 22. Mai 2002 VIII R 74/99, BFH/NV 2002, 1430).
    b. Eine einkünftemindernde Berücksichtigung der Rückzahlungsbeträge – als Werbungskosten oder negative Einnahme - bereits in den Streitjahren kommt nicht in Betracht.
    Zahlt ein Arbeitnehmer Arbeitslohn zurück, der dem Lohnsteuerabzug unterlegen hat, so bleibt der früher gezahlte Arbeitslohn zugeflossen (§ 11 Abs. 1 EStG; BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 2/05, BFHE 215, 481, BStBl II 2007, 315, m.w.N.). Die zurückgezahlten Beträge sind vielmehr im Zeitpunkt der Rückzahlung als negative Einnahmen oder Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 4. Mai 2006 VI R 33/03, BFHE 214, 92, BStBl II 2006, 911; vom 4. Mai 2006 VI R 17/03, BFHE 213, 383, BStBl II 2006, 830 und vom 13. November 2012 VI R 38/11, BStBl II 2013, 929).
    aa. Sind Einnahmen nach § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 bis 7 EStG zufließen, so erfordert umgekehrt die Annahme negativer Einnahmen, dass entsprechende Güter beim Steuerpflichtigen abfließen. Werbungskosten setzen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG u.a. Aufwendungen des Steuerpflichtigen voraus. Des Weiteren sind Arbeitslohnrückzahlungen nur anzunehmen, wenn es sich um Rückflüsse an den Arbeitgeber handelt, sich der Vorgang also als "actus contrarius" zur Lohnzahlung darstellt. Denn nur dann setzt sich der Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bei den zurückgezahlten Beträgen fort (BFH-Urteil vom 7. Mai 2009 VI R 37/08, BFHE 225, 106, BStBl II 2010, 135).
    Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet, d.h. abgeflossen, sind (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG). Für den Abfluss kommt es darauf an, wann der Steuerpflichtige seine Leistungshandlung vornimmt und die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Gegenstand der Leistung verliert (BFH-Urteil vom 24. August 2004 IX R 28/02, BFH/NV 2005, 49).
    bb. Für den Streitfall ist zunächst festzustellen, dass sich die Verbuchungen der überzahlten Beträge auf dem Gesellschafter-Verrechnungskonto des Klägers als "actus contrarius" zur Lohnzahlung bzw. Lohnversteuerung dieser Beträge darstellt und damit der Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bei den zurückgezahlten Beträgen fortbesteht.
    Ein Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an den überzahlten Tantiemen und Urlaubsgeldern ist für den Senat in den Streitjahren durch diesen Vorgang jedoch nicht festzustellen. Bis zum Ende der jeweiligen Streitjahre hat der Kläger vielmehr gar nichts von der Falschberechnung und der Rückforderung der zu Unrecht erhaltenen Beträge gewusst. Tatsächlich erfolgt die diesbezügliche Belastung des Klägers erst in dem Kalenderjahr, in dem die Rückforderung der GmbH auf seinem Verrechnungskonto gebucht wird. Da die Vornahme dieser Buchungen auf dem Verrechnungskonto bzw. die entsprechenden Anpassungen der Handelsbilanzen erst im Anschluss an die im Jahr 2011 abgeschlossene Betriebsprüfung erfolgte, kann eine steuermindernde Berücksichtigung der Rückzahlungen in den Streitjahren nicht erfolgen.
    (1) Entgegen der Auffassung des Klägers ergeben sich aus seiner Stellung als beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH keine Besonderheiten hinsichtlich des Abflusses.
    Der BFH geht zwar in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift bereits früher vorliegen kann. Danach fließt dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen "seine" Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu, denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist (BFH-Urteile vom 3. Februar 2011 VI R 66/09, BFH/NV 2011, 1057; vom 8. Mai 2007 VIII 13/06, BFH/NV 2007, 2249, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 15. Juni 2004 VI B 220/00, BFH/NV 2004, 1419). Grundsätzlich kann das Zufließen i.S.d. § 11 EStG zwar nicht fingiert werden, da sich die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht nach den tatsächlichen Verhältnissen richtet. Bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft wird jedoch angenommen, dass sie über eine von der Gesellschaft geschuldete Vergütung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit verfügen können und ihnen damit entsprechende Einnahmen zugeflossen sind (vgl. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 23/2011 Anm. 3).
    (2) Diese Grundsätze können jedoch nach der Überzeugung des Senats nicht auf die Bestimmung des Abflusszeitpunktes übertragen werden.
    Im Falle des Zuflusses erlangt der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer bereits bei Verbuchung einer fälligen Forderung die tatsächliche Möglichkeit der Verfügung über den Forderungsbetrag. In den Streitjahren sind jedoch für den Senat keine tatsächlichen Umstände ersichtlich, aus denen auf den Verlust der Verfügungsmacht über die überzahlten Beträge geschlossen werden könnte. Erst mit der buchungstechnischen Abwicklung über sein Verrechnungskonto im Jahr 2011 stellt sich eine tatsächliche Belastung des Klägers ein, die einkünftemindernd berücksichtigt werden muss. Bis zur Aufdeckung der Überzahlung durch die Betriebsprüfung hatte der Kläger dagegen keine Kenntnis von den zu viel gezahlten Urlaubsgeldern und Tantiemen mit der Folge, dass der Senat mangels eines solchen Bewusstseins auch die Möglichkeit der Bewirkung einer Rückzahlung nicht annehmen und damit einen Verlust der Verfügungsmacht hinsichtlich dieser Beträge nicht fingieren kann.
    Zudem ist berücksichtigen, dass die von der BP vorgenommene erfolgswirksame Buchung über das Konto „Forderung gegen Gesellschafter“ allein dazu diente, die vorhergehende, in den jeweiligen Streitjahren ertragsmindernden Buchungen der Auszahlungen (Urlaubsgelder) bzw. Rückstellungsbildungen (Tantieme) nachträglich wieder zu neutralisieren. Eine unmittelbare Belastung des Klägers ergibt sich allein dadurch in den Streitjahren jedoch mangels Belastung nicht. Alles andere würde im Übrigen hinsichtlich der Tantiemezahlungen wegen der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung bei der GmbH (Rückstellung) und ihrem Geschäftsführer (§ 38a Abs. 1 Satz 3 EStG) zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, dass ein durch die Zurückbuchung erfolgter Abfluss bereits zu einem Zeitpunkt erfolgen würde, in dem die Tantieme dem Kläger tatsächlich als Arbeitslohn noch gar nicht zugeflossen ist.
    c. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt auch eine steuerliche Rückbeziehung der tatsächlichen Belastung auf die jeweiligen Streitjahre nicht in Betracht, denn die Rückzahlungen bzw. Rückbelastungen stellen keine rückwirkenden Ereignisse i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar mit der Folge, dass diesbezügliche Änderungen der angefochtenen Steueränderungsbescheide vom 19. Dezember 2011 ausscheiden.
    Die Tatbestandsvoraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind vielmehr nicht gegeben. Die Rückzahlung bzw. Rückbelastung des vom Arbeitgeber irrtümlich in den Streitjahren gezahlten Arbeitslohns kann nicht als rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gewertet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BStBl II 1993, 897, 901; Loose in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 175 AO Tz. 27, m.w.N.) richtet sich die Beantwortung der Frage, wann einem bestimmten Ereignis Rückwirkung i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zukommt, nach den materiell-rechtlichen Bestimmungen des jeweils einschlägigen (Einzel-)Steuergesetzes, im vorliegenden Fall also nach § 19 EStG i.V.m. § 11 EStG. Diese Bestimmungen messen aber einer späteren Rückzahlung einer Einnahme gerade keine Rückwirkung zu; vielmehr ist dem Umstand der Rückzahlung durch eine ex-nunc-Korrektur im Rückzahlungs- bzw. Rückbelastungsjahr Rechnung zu tragen (so zu Recht: Dötsch, jurisPR-SteuerR 38/2006 Anm. 4).
    d. Folge des unter c. hergeleiteten Ergebnisses – keine eigenständige Änderungsvorschrift gegeben - ist im Übrigen, dass die Klage ungeachtet der vorstehenden materiell-rechtlichen Bewertung auch der Höhe nach aus verfahrensrechtlichen Gründen insoweit keinen Erfolg haben kann, als die mit der Klage begehrten Ansätze der steuermindernde Beträge die durch die angefochtenen Berichtigungsbescheide vom 19. Dezember 2011 herbeigeführten Änderungen übersteigen (§ 351 Abs. 1 AO).
    Aus diesem Grund könnte für die Streitjahre 2009 und 2010 eine Änderung ohnehin nur in der Höhe erfolgen, in der sich die Einkommensteuer durch den Ansatz des erhöhten geldwerten Vorteils durch die private Kfz-Nutzung (jeweils 5.118,84 EUR; vgl. Anlage 3 des BP-Berichts vom 26. Oktober 2011) erhöht. Aus den vorgenannten materiell-rechtlichen Gründen kommt aber schon dem Grunde nach eine Steuerminderung in den beiden Streitjahren nicht in Betracht.
    Nach alledem konnte die Klage insgesamt keinen Erfolg haben.
    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    3. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO).