01.07.2014 · IWW-Abrufnummer 141956
Bundesfinanzhof: Urteil vom 14.04.1988 – IV R 225/85
Die für die steuerrechtliche Beurteilung von Verträgen zwischen Eheleuten geltenden Grundsätze können nicht auf Verträge zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft übertragen werden.
Tatbestand:
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber eines Elektroinstallations- und -handelsgeschäfts. In den Jahren 1977 bis 1981 stiegen die Umsätze von rd. 600 000 DM auf rd. 1,2 Mio. DM und die erklärten und durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelten Gewinne von rd. 40 000 DM auf rd. 90 000 DM an. Seit der Trennung von seiner Familie im November 1977 lebt der Kläger mit Frau J zusammen. Frau J ist seitdem ganztägig im Geschäft des Klägers tätig. Sie hilft beim Verkauf im Laden und bereitet die Buchführung vor. Zunächst bezog sie dafür einen Monatslohn von 100 DM. Durch schriftlichen Vertrag wurde am 28. Februar 1980 ein Monatsgehalt von 800 DM vereinbart, das 1982 auf 1 800 DM erhöht wurde. 1977 und 1978 zahlte Frau J auf ein betriebliches Bankkonto 4 563,50 DM bzw. 6 000 DM als zinslose Darlehen ein. Mit Vertrag vom 15. Dezember 1978 wurde vereinbart, daß Frau J sich mit dem Gesamtbetrag von 10 563,50 DM ab 1. Januar 1979 am Unternehmen des Klägers als stille Gesellschafterin beteiligte. Der Anteil am Gewinn des Unternehmens sollte 25 v. H. betragen; eine Beteiligung am Verlust wurde ausgeschlossen. Danach ergaben sich für Frau J Gewinnanteile in Höhe von 7 021 DM für 1979 und 20 360 DM für 1980, die Frau J sich nur zum Teil auszahlen ließ. Die nicht ausgezahlten Beträge wurden auf Grund von zusätzlichen Vereinbarungen der Einlage zugeschrieben. Durch eine weitere Vereinbarung im Jahre 1982 wurde der Gewinnanteil auf 10 v. H. herabgesetzt. Bei den Gewinnermittlungen wurden die Arbeitslöhne und die Gewinnanteile der Frau J als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abgezogen.
Bei einer Betriebsprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sich auf den Standpunkt, die Gewinnverteilungsvereinbarung sei rechtsmißbräuchlich, da nach den Gewinnen der Jahre 1974 bis 1978 eine Kapitalrendite von 88 v. H. zu erwarten gewesen sei. Angemessen sei nur eine Verzinsung von 25 v. H. der Einlage bzw. 7 v. H. des Gewinns. In den nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheiden ließ das FA Gewinnanteile von 4 891 DM in 1979 und 14 434 DM in 1980 nicht mehr zum Abzug als Betriebsausgaben zu.
Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies das FA an, die Einkommensteuer 1979 und 1980 unter Abzug der bisher nicht anerkannten Gewinnanteile als Betriebsausgaben neu festzusetzen.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Dazu wird vorgetragen, die Möglichkeit, privat veranlaßte Zuwendungen dadurch der Allgemeinheit aufzubürden, daß sie steuerlich in den betrieblichen Bereich verlagert werden, sei gleichermaßen bei Familiengesellschaften, bei sonstigen nahen Angehörigen und insbesondere einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gegeben. Würde man die Gewinne aus den letzten drei Jahren vor Vertragsschluß zugrunde legen, errechne sich ein durchschnittlicher Jahresgewinn in Höhe von 43 000 DM. Bei einem Gewinnanteil von 25 v. H. habe demzufolge im Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung die zu erwartende Verzinsung des eingelegten Kapitals rd. 10 700 DM, also 100 v. H. betragen. Ein krasses Mißverhältnis sei hier offenbar. Diesen Maßstab mit der Begründung, nichteheliche Lebenspartner seien schließlich keine Familienangehörigen, nicht gelten zu lassen, sei bedenklich. Nach Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) stünden Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dazu gehöre auch das Steuerrecht. Daher müsse die Auslegung von Steuergesetzen an diesem Gebot sich ausrichten. Eheähnliche Gemeinschaften dürften sonach steuerrechtlich keineswegs günstiger gestellt sein als rechtsbeständige Ehen. Das wären sie aber, wenn man die vertragliche Gestaltungsfreiheit bei ihnen steuerrechtlich unbeschränkt anerkennen würde. Das FA ist ferner der Auffassung, daß die Vergütungen an Frau J auf Grund des Arbeitsvertrags und die Gewinnanteile auf Grund des Vertrags über die stille Gesellschaft nicht zusammengefaßt werden dürften. Dies ergebe sich auch daraus, daß im Arbeitsvertrag vereinbart worden sei, daß dieser von dem Vertrag über die stille Gesellschaft unberührt bleibe.
Das FA beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger bestreitet, daß zwischen ihm und Frau J kein Interessengegensatz bestanden habe und daß die vereinbarte Gewinnbeteiligung eine Verzinsung der Einlage von 100 v. H. ergebe. Art. 6 Abs. 1 GG werde nicht verletzt, denn er könne nicht dazu zwingen, wirtschaftlich vernünftige Vereinbarungen, wie sie hier vorlägen, zwischen nicht in rechtsgültiger Ehe lebenden Partnern zu diskriminieren.
Entscheidungsgründe
I. 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist bei einer typischen stillen Gesellschaft zwischen nachen Angehörigen, bei der der stille Gesellschafter nicht am Verlust beteiligt ist und seine Einlage aus eigenen, nicht vom Inhaber des Betriebs geschenkten Mitteln erbracht hat, eine Gewinnverteilungsabrede angemessen, die im Zeitpunkt der Vereinbarung bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung eine durchschnittliche Rendite von bis zu 25 v. H. der Einlage erwarten läßt (Urteil vom 14. Februar 1973 I R 131/70, BFHE 108, 527, BStBl II 1973, 395). Diese Rechtsprechung findet nach dem Beschluß des Großen Senats vom 29. Mai 1972 GrS 4/71 (BFHE 106, 504, BStBl II 1973, 5) ihre Rechtfertigung darin, daß es bei Personengesellschaften zwischen nahen Angehörigen häufig an einem natürlichen Interessengegensatz wie zwischen Fremden fehlt. Neben am Gesellschaftszweck ausgerichteten und seiner Erreichung dienenden Erwägungen spielten hier Gesichtspunkte privater Art, wie solche der familien- und erbrechtlich begründeten Versorgung, Abfindung und Auseinandersetzung, häufig eine wesentliche Rolle. Bei Gesellschaften dieser Art seien deshalb die Vereinbarungen der Beteiligten über die Gewinnverteilung für sich allein häufig nicht geeignet, die Frage zu beantworten, welche Bezüge auf der Gesellschafterstellung beruhen und welche Bezüge als dem Privatbereich zuzurechnende, nicht auf der Gesellschafterstellung beruhende Zuwendungen des einen Gesellschafters an den anderen Gesellschafter anzusehen seien. Diese Gegebenheiten rechtfertigten es, Gewinnverteilungsvereinbarungen zwischen nahen Angehörigen nur anzuerkennen, soweit sie wie unter Fremden üblich ausgestaltet und abgewickelt werden, mögen zwischen Fremden auch unübliche Gestaltungen hingenommen werden (vgl. Urteile des BFH vom 20. Oktober 1983 IV R 116/83, BFHE 140, 190, BStBl II 1984, 298; vom 17. Januar 1985 IV R 149/84, BFH/NV 1986, 148, und vom 24. Juli 1986 IV R 103/83, BFHE 147, 495, BStBl II 1987, 54).
2. Der Senat hat in dem Urteil in BFH/NV 1986, 148 ausgeführt, daß diese Überlegungen nicht für Verträge zwischen Verlobten gelten. Der Senat hält daran fest und ist, wie er schon - wenn auch nicht entscheidungserheblich - in seinem Urteil vom 5. Dezember 1985 IV R 182/84 (BFH/NV 1986, 452) bemerkt hat, der Auffassung, daß sie auch nicht auf Verträge zwischen Personen angewendet werden können, die in einer nichtehelichen Gemeinschaft leben. Die nichteheliche Gemeinschaft begründet weder in persönlicher noch in wirtschaftlicher Hinsicht eine Rechtsgemeinschaft (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 24. März 1980 II ZR 191/79, BGHZ 77, 55, Betriebs-Berater - BB - 1980, 858) und gewährt auch keine Rechtsgrundlage für Dienstleistungen im Betrieb des Partners. Die Partner haben untereinander keine gesetzlichen Unterhaltsansprüche und sind im Verhältnis zueinander auch nicht gesetzliche Erben, da nach § 1931 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nur der Ehegatte, nicht der nichteheliche Lebensgefährte zu den gesetzlichen Erben des Erblassers gehört. Zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann es auch nicht, wie bei Ehegatten, zu einer vertragsmäßigen Gütergemeinschaft i. S. der §§ 1408 ff. BGB kommen. Sie bilden, anders als im gesetzlichen Güterrecht lebende Ehegatten, auch keine Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff. BGB), so daß es bei Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht zum Zugewinnausgleich kommt. Zur Bildung gemeinschaftlichen Vermögens kann es allerdings im Rahmen einer auf gemeinschaftlichen Erwerb und gemeinschaftliche Nutzung von Vermögensgegenständen gerichteten Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch in Form einer Innengesellschaft kommen; dazu bedarf es aber des, mindestens durch schlüssige Handlungen belegten, Abschlusses eines Gesellschaftsvertrags (BGH-Urteil II ZR 191/79, a. a. O., und BFH-Urteil vom 15. Januar 1986 II R 14/84, BFH/NV 1987, 302), jedenfalls aber des Nachweises, daß gemeinschaftliche Vermögenswerte unabhängig vom Bestand der Lebensgemeinschaft geschaffen werden sollten (BGH-Urteil vom 24. Juni 1985 II ZR 255/84, BB 1986, 1530). Unentgeltliche Zuwendungen an den Partner der Lebensgemeinschaft haben danach beim Zuwendenden grundsätzlich eine Vermögenseinbuße zur Folge, die nicht in einer rechtlich gesicherten Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft ausgeglichen wird. Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, daß zwischen Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft im allgemeinen keine gegensätzlichen wirtschaftlichen Interessen bestehen und daß es sich deswegen bei Zahlungen auf Grund eines Gesellschafts- oder eines Arbeitsvertrags ohne weiteres auch um private Zuwendungen handeln könne. Solche Zuwendungen sind möglich; für sie besteht auf Grund der unterschiedlichen Interessenlage jedoch kein Erfahrungssatz. Vielmehr müssen besondere Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß Arbeits- oder sonstige Leistungen tatsächlich nicht erbracht wurden oder daß bewußt ein überhöhtes Entgelt gewährt wurde.
3. Das FA kann sich zur Stützung seiner Rechtsauffassung nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 1 GG berufen. Es verletzt nicht verfassungsrechtliche Grundsätze, daß nach der Rechtsprechung des BFH an den Nachweis über den Abschluß und die Durchführung sowie die inhaltliche Gestaltung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen gestellt werden (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 20. November 1984 1 BvR 1406/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1985, 283). Die rechtlichen Voraussetzungen, auf denen diese Rechtsprechung beruht, sind aber, wie dargelegt, bei den Partnern einer nichtehelichen Gemeinschaft nicht gegeben. Wenn in Teilbereichen des Sozialrechts, so in § 137 Abs. 2a des Arbeitsförderungsgesetzes und in § 122 des Bundessozialhilfegesetzes die eheähnliche Gemeinschaft für Zwecke der Gewährung von Sozialleistungen der Ehe gleichgestellt wird, so beruht dies auf Erwägungen sozialrechtlicher Art, insbesondere der, daß im gemeinsamen Hausstand "aus einem Topf" gewirtschaftet werde (vgl. BVerfG-Beschluß vom 16. Dezember 1958 1 BvL 3,4/57, 8/58, BVerfGE 9, 20, 30, 32). Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft fehle es an einem Interessengegensatz beim Aushandeln von Arbeits- und Gesellschaftsverträgen.
II. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze im Streitfall erweist sich die Revision des FA als unbegründet. Nach den Ausführungen unter I. kann der Betriebsausgabenabzug nicht allein deswegen versagt werden, weil die vereinbarte Gewinnbeteiligung zu einer 25 v. H. übersteigenden Verzinsung der von Frau J geleisteten Vermögenseinlage geführt habe. Es hätte vielmehr des Nachweises bedurft, daß der Kläger Frau J bewußt überhöhte und durch deren Leistungen nicht gerechtfertigte Zuwendungen aus außerbetrieblichen Gründen gemacht hätte. Das FG hat dies geprüft und dabei zu Recht den gesamten Leistungen der Frau J (Dienstleistungen und Kapitalüberlassung) die Summe der Gegenleistungen des Klägers gegenübergestellt. Wenn das FG dabei zu dem Ergebnis gelangt ist, da ß die Höhe der Gegenleistungen in den Streitjahren insgesamt nicht überhöht war, so handelt es sich dabei um eine vornehmlich auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellung, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - gebunden ist, da das FA in bezug auf diese Feststellung zulässige und begründete Verfahrensrügen nicht erhoben hat.