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  • 17.03.2015 · IWW-Abrufnummer 144044

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 15.05.2014 – 3 K 2923/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Köln

    3 K 2923/11

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

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    Der Kläger betrieb von November 2004 bis November 2010 (Streitzeitraum) in A den Sauna- und Erotik-Club „B“. Dieser verfügte über eine Bar und 14 Zimmer, in denen weibliche Prostituierte auf Honorarbasis ihre Dienste anboten. Die Damen waren nicht in den Betrieb des Clubs eingegliedert, sondern arbeiteten selbständig. Sie entschieden insbesondere, ob, an welchem Tag und wie viele Stunden sie im Club arbeiten wollten. Die Honorare mussten sofort mit Bargeld bezahlt werden. Zu diesem Zweck sowie zur Bezahlung der Getränkerechnungen ließen sich viele Kunden beim Betreten des Clubs vom Kläger gegen Vorlage ihrer Kreditkarten Bargeld auszahlen. Die Honorare wurden später zwischen den Damen und dem Kläger aufgeteilt. Die Empfangs- und Bardamen, die Reinigungskräfte und der Hausmeister des Clubs waren beim Kläger fest angestellt.

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    Am 02.11.2004 führte der Beklagte im Club eine Umsatzsteuer-Nachschau durch. Der Kläger wurde seinerzeit durch die C Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH aus A und diese durch die Geschäftsführerin, die Steuerberaterin D, vertreten. Der Prüfer machte ihr dabei den Vorschlag, der Kläger solle am Düsseldorfer Verfahren teilnehmen. Er übergab ihr ein an die “Damen“ adressiertes Merkblatt, einen Flyer des Finanzministeriums des Landes NRW und einen Erklärungsvordruck. Durch das an die Steuerberaterin adressierte Schreiben vom 17.11.2004 fasste der Prüfer die Modalitäten für die Teilnahme zusammen. Danach sollte der Kläger bei jeder Dame pro Anwesenheitstag einen Betrag von 15 € einbehalten, ihren Namen, ihre Anschrift sowie das Datum der Anwesenheit notieren und nach Ablauf eines Monats den Gesamtbetrag unter Beifügung des ausgefüllten Vordrucks an den Beklagten abführen. Dieser hatte die Beträge unter einer gesonderten Steuernummer (1) für den Betrieb des Klägers als Vorauszahlungen auf die Einkommen- und Umsatzsteuern der Damen zu vereinnahmen und bei Erteilung etwaiger Jahressteuerbescheide anteilig auf die festgesetzten Steuern anzurechnen. Der Kläger hatte die Beträge als durchlaufende Posten zu erfassen. Der Beklagte erklärte, er wolle bei den Teilnehmern am Düsseldorfer Verfahren auf die sonst gebotenen und für alle Beteiligten besonders aufwendigen Außenprüfungen verzichten, da die spätere Steuererhebung durch die Vorab-Pauschale hinreichend gesichert sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Aktenvermerk über die Umsatzsteuer-Nachschau, den Flyer „Grundlegende Informationen zur Besteuerung für ein verschwiegenes Gewerbe. Januar 2005“, das Merkblatt für die Damen und das Schreiben des Beklagten an die Steuerberaterin vom 17.11.2004 verwiesen.

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    Erstmals unter dem 14.12.2004 übersandte die Steuerberaterin dem Beklagten die erbetene Aufstellung für den Monat November 2004, die mit einem Betrag in Höhe von 3.555 € abschloss, den der Kläger am selben Tag an den Beklagten überwies. Der Kläger nahm bis Ablauf des Monats November 2010 durchgehend am Düsseldorfer Verfahren teil. Er zahlte im Streitzeitraum insgesamt 113.047,50 € an den Beklagten. Die Zusammensetzung ergibt sich aus dem Schreiben des Beklagten vom 22.07.2011.

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    Beim Kläger wurde für die Jahre 2004 bis 2006 und 2007 bis 2009 jeweils eine Steuerfahndungsprüfung durchgeführt. In beiden Fällen kam es wegen nicht ordnungsmäßiger Kassenführung zu Hinzuschätzungen. Wegen des letztgenannten Zeitraums wird auf den Prüfungsbericht vom 11.03.2011 Bezug genommen.

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    Danach übernahm der Prozessbevollmächtigte die steuerliche Beratung des Klägers. Er stellte sich auf den Standpunkt, für das Düsseldorfer Verfahren bestehe keine Rechtsgrundlage, und beantragte unter dem 28.03.2011 beim Beklagten die Erstattung der gezahlten Beträge. Durch Schreiben vom 29.04.2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Der Kläger habe nach vorheriger Aufklärung auf freiwilliger Basis an dem Düsseldorfer Verfahren teilgenommen. Bei den Zahlungen handele es sich um Vorauszahlungen auf die Einkommen- und Umsatzsteuer der bei ihm tätigen Prostituierten. Eine Rückerstattung an den Kläger sei daher nicht möglich. Dem Schreiben war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.

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    Am 04.07.2011 legte der Kläger gegen die Ablehnung Einspruch ein und führte aus, dass Steueransprüche nur kraft Gesetzes und nicht durch Rechtsgeschäft begründet werden könnten. Deshalb seien Steuervereinbarungen nichtig. Das gelte auch für seine, des Klägers, Teilnahme am Düsseldorfer Verfahren. Außerdem verstoße der Beklagte damit gegen den Gleichheitssatz. Die teilnehmenden Unternehmer würden durch den Verzicht auf häufige Außenprüfungen begünstigt und die nicht teilnehmenden Unternehmer durch die Drohung mit häufigen Außenprüfungen benachteiligt. Diese Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt, wenn die Teilnahme an dem Verfahren freiwillig sei.

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    Am 13.07.2011 führte der Beklagte unter Beteiligung von Beamten der Steuerfahndung beim Kläger eine Umsatzsteuer-Nachschau durch. Der Kläger nahm anschließend - unter dem Vorbehalt einer Klärung durch das Finanzgericht A - wieder am Düsseldorfer Verfahren teil. Er rügte, dass er sich durch die letzte Umsatzsteuer-Nachschau und die Möglichkeit von Wiederholungen zur Teilnahme gezwungen fühle.

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    Am 11.08.2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er hielt an der Begründung aus dem Ablehnungsbescheid fest und stützte das Düsseldorfer Verfahren auf § 48 Abs. 2 AO. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liege nicht vor, da es in seinem – des Beklagten – Ermessen liege, ob und wann eine Außenprüfung stattfinde. Ihr unterlägen die am Düsseldorfer Verfahren teilnehmenden und nicht teilnehmenden Bordellbesitzer gleichermaßen. Eine Ungleichbehandlung sei gerechtfertigt, da das Verfahren durch die Zahlung der Vorab-Pauschale die Steuererhebung sichere.

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    Mit der am 14.09.2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger den Erstattungsanspruch mit den bereits angeführten Gründen weiter. Ergänzend trägt er vor, dass er die Zahlungen an den Beklagten aus eigenen Mitteln habe bestreiten müssen, weil die Damen einer Einbehaltung aus ihren Honoraren widersprochen hätten. Es existiere, wie unstreitig ist, keine schriftliche Vereinbarung mit dem Beklagten, in der er, der Kläger, persönlich der Teilnahme am Düsseldorfer Verfahren zugestimmt habe. Der Beklagte habe auch sonst nicht begründet, aus welchen Tatsachen er ableite, dass auf Steuern Dritter bzw. für Rechnung der Prostituierten gezahlt worden sei. Jedenfalls müsse der Beklagte nachweisen, dass die Zahlungen wirklich den Prostituierten gutgeschrieben worden seien. § 48 AO sei für den Streitfall nicht einschlägig.

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    Der Kläger hat ursprünglich „Leistungsklage“ erhoben und lediglich die Verurteilung des Beklagten zur Rückzahlung der gezahlten Beträge beantragt. Nach Erörterung der korrekten Fassung des Antrags in der mündlichen Verhandlung beantragt der Kläger,

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    1. den Bescheid vom 29.04.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 11.08.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Ansprüche auf Erstattung des von ihm im Rahmen des Düsseldorfer Verfahrens im Zeitraum von November 2004 bis Dezember 2010 gezahlten Gesamtbetrags von 113.047,50 € festzustellen,

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    2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 113.047,50 € zu zahlen,

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    3. im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.

    16

    Der Beklagte beantragt,

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    die Klage abzuweisen.

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    Er bezieht sich im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung.

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    Entscheidungsgründe

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    Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

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    1. Die Änderung der ursprünglich erhobenen Leistungsklage (§ 40 Abs. 1 Fall 3 FGO) in eine Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 Fall 2 FGO) mit Leistungsantrag (§ 100 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 FGO) ist nach § 67 Abs. 1 FGO zulässig. Der Beklagte hat in die Änderung der Klage eingewilligt, in dem er sich, ohne ihr zu widersprechen, in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat (§ 67 Abs. 2 FGO). Außerdem hält das Gericht die Änderung der Klage im Sinne des § 67 Abs. 1 FGO aus prozessökonomischen Gründen für sachdienlich. Die isolierte Leistungsklage auf Verurteilung des Beklagten zur Erstattung der gezahlten Beträge war ohne vorherige Entscheidung durch Verwaltungsakt gemäß § 218 Abs. 2 Satz 2 AO offensichtlich nicht begründet. Die Voraussetzungen für die rechtsschutzintensivere Verpflichtungsklage sind erfüllt. Das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ist erfolglos geblieben (§ 44 Abs. 1 FGO) und die Klagefrist (§ 47 Abs. 1 Satz 2 FGO) gewahrt
    .
    22

    2. Für den Rechtsstreit eröffnet § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO den Finanzrechtsweg. Dass die Rückzahlung von Einkommen- und Umsatzsteuer eine Angelegenheit über Abgaben ist, die der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden, steht außer Frage. Die Streitigkeit über diese Abgabenangelegenheit ist öffentlich-rechtlich im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO.

    23

    Die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichen und bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, die nach § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte gehören, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Es kommt darauf an, ob das Klagebegehren bei objektiver Würdigung der vorgetragenen Tatsachen nach öffentlichem Recht oder nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist. Ist mindestens einer der Beteiligten ein Träger hoheitlicher Gewalt und wird dieser für den relevanten Sachverhalt durch besondere, nur für ihn geltende Rechtssätze berechtigt oder verpflichtet, ist die Streitigkeit öffentlich-rechtlich. Unterstellt sich der Träger hoheitlicher Gewalt der für jedermann geltenden Regelungen, ist die Streitigkeit bürgerlich-rechtlich (GmS OBG, Beschlüsse vom 04.06.1974 GmS-OGB 2/73, NJW 1974, 2087, vom 10.04.1986 GmS-OGB 1/85, NJW 1986, 2359 und vom 29.10.1987 GmS-OBG 1/86, NJW 1988, 2295). Für die hier relevanten Fragen geht es um öffentliches Recht.

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    a) Der prozessuale Anspruch des Klägers, das Gericht möge den Ablehnungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung aufheben und den Beklagten zur Feststellung von Ansprüchen verpflichten, gehört schon deshalb zum öffentlichen Recht, weil es sich dabei um Verwaltungsakte der Finanzbehörden (§ 118 Satz 1 AO) handelt und nur die Finanzgerichte befugt sind, solche Verwaltungsakte aufzuheben bzw. die Finanzbehörden zu deren Erlass zu verpflichten (§§ 100 Abs. 1 Satz 1, 101 Satz 1 FGO). Der Finanzrechtsweg ist in derartigen Fällen bereits aus formellen Gründen eröffnet (BFH, Urteil vom 21.10.1970 I R 81, 82, 92, 94/68, BStBl II 1971, 30).

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    b) Der vom Kläger in der Sache geltend gemachte Erstattungsanspruch ist ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur.

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    aa) Der Anspruch kann sich nur auf § 37 Abs. 2 Satz 1 AO gründen. Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat nach dieser Norm derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags. Die Zugehörigkeit dieser Regelung zum öffentlichen Recht steht außer Frage, da Streitigkeiten über den Erstattungsanspruch von der Finanzbehörde gemäß § 218 Abs. 2 Satz 1 AO durch Verwaltungsakt entschieden werden.

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    Wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zwar auch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zur Herausgabe verpflichtet. Diese Norm kommt aber bei der gebotenen objektiven Würdigung des Sachverhalts als Grundlage für das Klagebegehren nicht in Betracht.

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    Wenn sich die Frage, ob jemand etwas „ohne rechtlichen Grund“ erlangt hat, sowohl im öffentlichen wie im bürgerlichen Recht stellt, kann sie nur nach demjenigen Recht entschieden werden, das Grundlage für die Vermögensverschiebung gewesen ist (BFH, Urteil vom 20.11.1979 VII R 38/77, BStBl II 1980, 249). Die während des Streitzeitraums geleisteten und mit der Klage zurückgeforderten Zahlungen beruhen auf der durchgehenden Teilnahme des Klägers am Düsseldorfer Verfahren, so wie es der Beklagte der Steuerberaterin des Klägers im November 2004 vorgestellt hat. Es ist ‑ soweit hier relevant ‑ dem öffentlichen und nicht dem bürgerlichen Recht zuzuordnen.

    29

    bb) Ziel des Düsseldorfer Verfahrens ist die vereinfachte Erhebung von Steuervorauszahlungen bei selbständig tätigen Prostituierten. Diese unterliegen der Umsatzsteuer, da sie gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG als Unternehmerinnen sonstige Leistungen gegen Entgelt ausführen (BFH, Beschlüsse vom 25.11.2009 V B 31/09, BFH/NV 2010, 959 und vom 16.06.2011 XI B 120/10 BFH/NV 2011, 1740). Nach der neueren Rechtsprechung (BFH, Beschluss vom 20.02.2013 GrS 1/12, BStBl II 2013, 441; Urteil vom 13.06.2013 III R 30/10, BFH/NV 2013, 1577 und zuletzt Beschluss vom 13.12.2013 X B 46/13, BFH/NV 2014, 488) erfüllt die selbständig ausgeübte Prostitution ferner die Voraussetzungen aus § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG und begründet Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die der Einkommensteuer unterliegen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Je nach Umfang der Tätigkeit haben Prostituierte Vorauszahlungen auf ihre voraussichtliche Umsatz- und Einkommensteuer zu leisten (§ 18 Abs. 1 und 2 UStG, § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG). Deren Festsetzung stößt jedoch generell auf kaum zu überwindende praktische Schwierigkeiten, da die Prostitution naturgemäß ein „verschwiegenes Gewerbe“ darstellt. Beim Düsseldorfer Verfahren werden die Betreiber der Bordelle, in denen Prostituierte selbständig tätig sind, von den Finanzbehörden gebeten, auf freiwilliger Basis und in Absprache mit den Prostituierten von deren Einnahmen bestimmte Tagessätze einzubehalten. Diese werden ‑ ausgehend von einer grob vereinfachenden Schätzung der Einkünfte ‑ als pauschale Vorauszahlung auf die Einkommen- und Umsatzsteuer der Prostituierten angesehen und sollen von den Bordellbetreibern mit entsprechender Aufschlüsselung in regelmäßigen Abständen an die Finanzbehörde abgeführt werden.

    30

    Eine eigenständige gesetzliche Regelung für das Düsseldorfer Verfahren gibt es bisher nicht, es ist in der Praxis jedoch weit verbreitet. Es wurde bereits im Jahr 1966 von den Finanzämtern im Bezirk der damaligen OFD Düsseldorf praktiziert. Die grundsätzliche Zulässigkeit des Düsseldorfer Verfahrens ist nicht strittig (BFH, Beschlüsse vom 22.12.2006 VII B 121/06, BStBl II 2009, 839, vom 16.06.2011 XI B 120/10, BFH/NV 2011, 1740 und vom 14.05.2013 X B 123-125/12, BFH/NV 2013, 1253; LG Kleve, Urteil vom 07.05.2013 190 KLs 6/12, bei juris, vgl. auch den Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes, BT-Drucks 16/4146, S. 40). Das BVerfG hat Verfassungsbeschwerden dagegen bisher nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 02.07.2008 1 BvR 724/07, bei juris).

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    Die Voraussetzungen für das Düsseldorfer Verfahren lagen im Streitzeitraum vor. Die Prostituierten arbeiteten selbständig. Sie waren nicht in den Betrieb des Clubs eingegliedert und entschieden selbst, ob, an welchem Tag und wie viele Stunden sie arbeiten wollten. Die Beteiligung des Klägers an den Honoraren ändert an der Selbständigkeit der Damen nichts. Es liegt auf der Hand, dass sie ihrer Tätigkeit im Club des Klägers nicht unentgeltlich nachgehen konnten. Die Beteiligung des Klägers an den Einnahmen ist nur eine Alternative zu der sonst üblichen Zimmermiete, die die Prostituierten an den Betreiber des Bordells zu zahlen haben.

    32

    Der Kläger hat an dem Düsseldorfer Verfahren teilgenommen. Einer schriftlichen Vereinbarung darüber bedurfte es nicht. Die Modalitäten sind der früheren Steuerberaterin bereits im November 2004 vom Beklagten im Einzelnen mündlich und schriftlich mitgeteilt worden. Diese hat während des Streitzeitraums durchgehend für den Kläger die monatlich erforderlichen Aufstellungen gefertigt und veranlasst, dass der Kläger die Tagessätze an den Beklagten abführt. Dies alles wäre nicht denkbar, wenn der Kläger mit der Durchführung des Verfahrens nicht einverstanden gewesen wäre.

    33

    cc) Nach dieser Ausgestaltung des Düsseldorfer Verfahrens können die Zahlungen des Klägers – entgegen der Ansicht des Beklagten – nicht auf bürgerlichem Recht und insbesondere nicht auf § 48 Abs. 2 AO beruhen.

    34

    Nach § 48 Abs. 2 AO können sich Dritte vertraglich verpflichten, für Leistungen im Sinne des § 48 Abs. 1 AO, nämlich für Leistungen aus dem Steuerschuldverhältnis gegenüber der Finanzbehörde, einzustehen. Wer sich auf Grund eines Vertrags verpflichtet hat, für die Steuer eines anderen einzustehen, kann gemäß § 192 AO nur nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts in Anspruch genommen werden. Der Kläger hat sich nicht verpflichtet, für die Steuern der in seinem Club tätigen Damen einzustehen. Einstehen bedeutet nämlich, dass durch die vertragliche Verpflichtung eine eigene Schuld des Dritten – zum Beispiel aus einer Bürgschaft (§ 765 BGB) oder einem abstrakten Schuldversprechen (§ 780 BGB) – entsteht, die neben die Verpflichtung des Steuerschuldners tritt (Boeker in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur AO und FGO, § 48 AO Rn. 14; Ratschow in Klein, AO, 11. Auflage, § 48 Rn. 2). Eine solche Verpflichtung ist der Kläger nicht eingegangen und hat der Beklagte zu keiner Zeit angestrebt.

    35

    Für eine entsprechende Anwendung von § 48 Abs. 2 AO ist kein Raum. Nach den Unterlagen des Beklagten sollte der Kläger mit dem Düsseldorfer Verfahren von den Honoraren, welche die in seinem Club anwesenden Damen täglich in bar eingenommen hatten, jeweils 15 € als Tagessatz einbehalten und am Monatsende in einer Summe an den Beklagten – als Vorauszahlung der Damen auf ihre Einkommen- und Umsatzsteuer – abführen. Gegenstand des Düsseldorfer Verfahrens war sonach nur, dass der Kläger die Steuern für die Damen „entrichtete“. Er sollte insoweit die gleiche Aufgabe wie ein Arbeitgeber nach § 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG bei der Lohnsteuer und der Schuldner der Kapitalerträge nach §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 44 EStG bei der Kapitalertragsteuer erfüllen. Selbst zu dieser „Steuerentrichtung“ hat sich der Kläger nicht – analog zu § 48 Abs. 2 AO – vertraglich verpflichtet. Nach der Ausgestaltung des Düsseldorfer Verfahrens durch den Beklagten war die Teilnahme in jeder Hinsicht freiwillig. Deshalb konnte der Kläger die Entrichtung der Steuern der Damen – wie ab Dezember 2010 geschehen – von einem Monat auf den anderen kommentarlos einstellen. Eine Haftung des Klägers für die Tagessätze, die er nicht einbehalten bzw. nicht abgeführt hatte, war im Düsseldorfer Verfahren nicht vorgesehen.

    36

    dd) Durch die Teilnahme des Klägers am Düsseldorfer Verfahren ist ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet worden.

    37

    Gemäß § 54 Satz 1 VwVfG NRW kann ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Vertrag begründet werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insbesondere kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde (§ 54 Satz 2 VwVfG NRW). Das VwVfG NRW gilt zwar nach seinem § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG nicht für Verwaltungsverfahren, in denen – wie hier – Rechtsvorschriften der Abgabenordnung anzuwenden sind, die öffentlich-rechtliche Verträge nicht kennt. Gleichwohl sind öffentlich-rechtliche Übereinkünfte zwischen Finanzbehörden und Steuerpflichtigen im Steuerrecht nicht generell unzulässig und jedenfalls im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verbindlich. Das zeigt unter anderem die seit langem anerkannte tatsächliche Verständigung (grundlegend BFH, Urteile vom 11.12.1984 VIII R 131/76, BStBl II 1985, 354, vom 08.10.2008 I R 63/07, BStBl II 2009, 121 und vom 01.09.2009 VIII R 78/06 BFH/NV 2010, 593; zuletzt Beschluss vom 20.02.2014 XI B 85/13, BFH/NV 2014, 828 m.w.N.). Aber auch darüber hinaus sind die Finanzbehörden jedenfalls nicht grundsätzlich gehindert, ihre hoheitliche Aufgabe, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (§ 85 Satz 1 AO), durch öffentlich-rechtliche Vereinbarungen zu erfüllen (BFH, Urteil vom 27.03.1975 VII R 106/75 BStBl II 1979, 442 und Beschluss vom 18.11.2003 VII B 277/03, BFHE 203, 544).

    38

    Das hat der Beklagte getan. Durch die von ihm veranlasste Teilnahme des Klägers am Düsseldorfer Verfahren sind Ansprüche aus den Steuerschuldverhältnissen gegen die beim Kläger tätigen Damen durch Zahlung getilgt worden. Die Zahlung durch Überweisung auf das Konto der Finanzbehörde gemäß § 224 Abs. 2 Nr. 2 AO ist eine Leistung aus dem Schuldverhältnis gegenüber der Finanzbehörde, die nach § 48 Abs. 1 AO auch durch Dritte bewirkt werden kann. Dritte sind diejenigen Personen, die nicht zu den Steuerpflichtigen im Sinne des § 33 Abs. 1 AO gehören (BFH, Urteil vom 25.07.1995 VII R 71/94, BFH/NV 1996, 92 und Beschluss vom 15.11.1999 VII B 155/99, BFH/NV 2000, 547). Wie bereits ausgeführt ist das beim Kläger der Fall, weil er gegenüber dem Beklagten keine Verpflichtung – auch nicht zur Entrichtung der Steuern der Damen – eingegangen ist.

    39

    3. Das Gericht kann die beantragte Verpflichtung des Beklagten nicht aussprechen, weil die dafür nach § 101 Satz 1 FGO erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Bescheid vom 28.03.2011, durch den der Beklagten es abgelehnt hat, dem Kläger die im Streitzeitraum gezahlten Beträge zu erstatten, und die den Bescheid bestätigende Einspruchsentscheidung vom 11.08.2011 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Erstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 Satz 1 AO steht jedenfalls dem Kläger nicht zu. Aus demselben Grund können die Verwaltungsentscheidungen nicht aufgehoben (§ 100 Abs. 1 Satz 2 FGO) und der Beklagte nicht zur Rückzahlung verurteilt werden (§ 100 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 FGO).

    40

    a) Den Anspruch auf Erstattung einer ohne rechtlichen Grund gezahlten Steuer hat nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Für die Frage, ob der Leistende im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO für eigene oder fremde Rechnung gezahlt hat, ist nicht entscheidend, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt wurde, sondern wessen Schuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Zahlungsempfänger gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (BFH-Urteile vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BStBl II 1990, 41 und vom 25.07.1995 VII R 71/94, BFH/NV 1996, 92, ferner die BFH-Beschlüsse vom 26.11.1995 VII S 15/95, BFH/NV 1996, 238 und vom 15.11.1999 VII B 155/99, BFH/NV 2000, 547). Den Finanzbehörden soll nämlich bei der Entscheidung über einen steuerlichen Erstattungsanspruch nicht zugemutet werden, im Einzelfall die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten daraufhin zu überprüfen, wer von ihnen auf die zu erstattenden Beträge im Innenverhältnis einen Anspruch hat.

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    b) Davon ausgehend kann dem Kläger der Anspruch schon deshalb nicht zustehen, weil er selbst aus den Einnahmen der Prostituierten keine Steuer zu zahlen hatte und die Zahlung deshalb jedenfalls nicht auf eigene Rechnung bewirkt worden ist. Nach den Umständen des Streitfalls steht – wie bereits ausgeführt – außer Frage, dass die Einnahmen der Prostituierten nicht dem Kläger zuzurechnen waren, sondern von den Damen selbst versteuert werden mussten. Insofern hat der Kläger völlig zu Recht vorgetragen, dass er selbst nicht Steuerschuldner sei. Steuern dürfen nach § 85 Satz 1 AO nur nach Maßgabe der Gesetze festgesetzt und erhoben werden. Ohne Verwirklichung des Tatbestands, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht (§ 38 AO).

    42

    Gegen einen Erstattungsanspruch des Klägers spricht schließlich, dass der Kläger das überwiesene Geld aus der hier maßgeblichen Sicht des Beklagten von den Damen einbehalten hat und diese dadurch einen Anspruch gegen den Beklagten erworben haben, dass die Vorauszahlungen auf ihre etwaigen Jahressteuern angerechnet werden (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG und § 18 Abs. 4 UStG). Dass die Damen mit der Einbehaltung nicht einverstanden waren und der Kläger deshalb dem Beklagten eigene Mittel überweisen würde, war im Rahmen des Düsseldorfer Verfahrens weder vorgesehen noch für den Beklagten erkennbar. Der Umstand kann nachträglich nicht mehr berücksichtigt werden.

    43

    c) Auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen des Beklagten, die den Kläger zur Teilnahme am Düsseldorfer Verfahren bestimmt haben, kommt es hier nicht an. Der BFH hält es für zulässig, dass von der Steuerfahndung zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) durchgeführte Kontrollbesuche bei Prostituierten auch dazu genutzt werden, diese zur Teilnahme am Düsseldorfer Verfahren zu veranlassen (Beschluss vom 22.12.2006 VII B 121/06, BStBl II 2009, 839 und BVerfG, Beschluss vom 02.07.2008 1 BvR 724/07 bei juris). Aber selbst wenn die Teilnahme durch rechtswidrige Mittel herbeigeführt worden sein sollte, wird davon der Erstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 Satz 1 AO nicht berührt. Denn die Wirkung der Leistung eines Dritten tritt nach § 48 Abs. 1 AO unabhängig davon ein, was den Dritten veranlasst hat, die Leistung zu bewirken.

    44

    d) Der Anspruch aus § 37 Abs. 2 Satz 1 AO kann allenfalls – anteilig – den im Club tätigen Damen zustehen. Der Sinn des Düsseldorfer Verfahrens war gerade, dass der Kläger im Sinne des § 48 Abs. 1 AO als Dritter die von den Damen zu zahlenden Vorauszahlungen auf deren Rechnung bewirken sollte. Über den Anspruch der Damen hat das Gericht indessen hier nicht zu befinden. Der Kläger kann hierüber vom Beklagten keine Auskunft verlangen.

    45

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    46

    Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zu. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen derjenige, der im Rahmen des Düsseldorfer Verfahrens Beiträge an das Finanzamt abgeführt hat, einen Anspruch auf Rückzahlung hat, ist bisher ‑ soweit ersichtlich - nicht Gegenstand eines Verfahrens vor dem BFH gewesen.

    RechtsgebieteAO, EStG, UStGVorschriften§ 48 Abs. 2 AO; § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG; § 18 Abs. 1 UStG; § 18 Abs. 2 UStG