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  • 19.03.2015 · IWW-Abrufnummer 144060

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 18.04.2013 – 3 K 2356/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Baden-Württemberg

    Urt. v. 18.04.2013

    Az.: 3 K 2356/12

    In dem Finanzrechtsstreit
    1.-
    -
    2.-
    -
    -- Kläger -
    -prozessbevollmächtigt:
    -
    -
    -
    -- zu 1, 2 -
    -
    gegen
    Finanzamt
    vertreten durch den Vorsteher
    - Beklagter -
    wegen Einkommensteuer 2010
    hat der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 18. April 2013 durch
    Vorsitzenden Richter am Finanzgericht-
    Richterin am Finanzgericht-
    Richter am Finanzgericht-
    Ehrenamtliche Richterin-
    Ehrenamtlicher Richter-
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    1.

    Unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids vom 7. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2012 wird die Einkommensteuer auf ---- festgesetzt.
    2.

    Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
    3.

    Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
    4.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung von mehr als 1.500 €, darf die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.
    5.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Kläger sind Eheleute, die für den Veranlagungszeitraum 2010 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war im Streitjahr bei der in der Schweiz in T/Kanton A ansässigen T-AG (im Folgenden: T-AG bzw. Arbeitgeberin) nichtselbständig tätig. Im Jahr 2007 wurde der Kläger zum Prokuristen mit dem Zeichnungsrecht: Kollektiv zu zweien ernannt. Er erzielte aus seiner Tätigkeit für die T-AG einen "Bruttolohn total" in Höhe von --- CHF.

    Dem Kläger war am 15. September 2000 vom Migrationsamt A/CH die Grenzgängerbewilligung EU/EFTA G für die ganze Schweiz erteilt worden, die auch im Streitjahr gültig war (Hinweis auf Art. 4 der Verordnung über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation vom 22. Mai 2002 [Systematische Sammlung des Bundesrechts --SR-- 142.203, www.admin.ch > direkt zu Bundesblatt bzw. Gesetzgebung] i.V.m. Art. 6, 7 und 28 ff. Anhang I des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, unterzeichnet in Luxemburg vom 21. Juni 1999, das am 2. September 2001 vom Bundestag als Gesetz beschlossen worden [BGBl II 2001, 810] und am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist [FZA bzw. auch: Abkommen-EG-Schweiz]).

    Der Kläger unterlag mit seinen Einkünften aus nicht/unselbständiger Arbeit als Grenzgänger gemäß Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) in der Fassung des Protokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888; BStBl I 1993, 928) --DBA-Schweiz 1992-- im Inland der Besteuerung.

    Die Arbeitgeberin des Klägers behielt vom Bruttolohn total von --- CHF gemäß Art. 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Schweiz 1992 4,5 % (= ---- CHF, s. Tz. 12 des Lohnausweises und Art. 3 Abs. 4 des Gesetzes zu dem Protokoll vom 21. Dezember 1992 zum DBA-Schweiz 1971 vom 30. September 1993, BGBI II 1993, 1886, BStBl I 1993, 927 --Zustimmungsgesetz--) Quellensteuer(n) ein und führte diese an die Eidgenössische Steuerverwaltung --ESTV-- des Kantons B ab. Die Abführung erfolgte monatlich (Hinweis auf die monatlichen Lohnabrechnungen für das Streitjahr).

    Welche (Schweizerischen) Steuerarten (Bundes-, Kanton- und Gemeindesteuern) von der abgeführten Quellensteuer betroffen sind, ist den Angaben im Lohnausweis nicht zu entnehmen (wegen weiterer Einzelheiten zum Quellensteuerabzug in der Schweiz [aus Schweizerischer Sicht]: Brand/Bechthold in: Weigell/Brand/Safarik, Investitions- und Steuerstandort Schweiz, 3. Aufl., 2012, A. II. 2.3.1 [Seite 15], bzw. im Kanton Thurgau: Merkblatt der kantonalen Steuerverwaltung Thurgau, Grenzgänger über die Besteuerung an der Quelle von Grenzgängern in Deutschland/Österreich und Arbeitsort im Kanton Thurgau; insgesamt zur [Schweizerischen] Quellensteuer: Steuerinformation, herausgegeben von der Schweizerischen Steuerkonferenz --SSK--, Die Besteuerung an der Quelle; Eidgenössische Steuerverwaltung, Schweizerisch-deutsches Doppelbesteuerungsabkommen, Merkblatt für deutsche Grenzgänger in der Schweiz, Locher/Maier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland --im Folgenden: Locher u.a.--, Band 1, A 3.3.9 Anhänge 1-3).

    Zuvor war dem Kläger vom Beklagten (dem Finanzamt --FA--) am 21. Oktober 2009 die für das Streitjahr wirksame Bescheinigung zur Vorlage bei seiner Arbeitgeberin und zur Ermäßigung der Abzugssteuern (auf 4,5 %) nach Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA-Schweiz 1992 erteilt worden, nach der er im Streitjahr im Inland (in Konstanz) ansässig gewesen sei (Bl. 5 der ESt-Akten; vgl. im Übrigen: Nrn. I und III. des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 --Verhandlungsprotokoll-- BGBI II 1993, 1889, BStBl I 1993, 929; Tzn. 21-22, 28-31 und 33 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 19. September 1994 IV C 6 - S 1301 Schz - 80/94, BStBl I 1994, 683). Das BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 gibt den Inhalt einer mit der Schweiz abgeschlossenen Verständigungsvereinbarung wieder (Locher u.a., a.a.O., Band 1, A.3.3.10 und dieselben, a.a.O., Band 8 B 15 a.4).

    Die Klägerin erzielte aus ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als Ärztin bei der Spitalstiftung K (im Folgenden: Arbeitgeberin) insgesamt einen Bruttoarbeitslohn von --- €. Von diesen Einnahmen wurde Lohnsteuer von insgesamt --- € einbehalten und an das zuständige Betriebsstättenfinanzamt (das FA) abgeführt. Im Übrigen erzielte die Klägerin noch Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 243 €.

    Des Weiteren erzielten die Kläger gemeinsam zu je 1/2 Anteil Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt 1.816,23 €. Diese Kapitalerträge unterlagen dem inländischen Steuerabzug. Es wurde jeweils Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag einbehalten. Die Kläger beantragten zusammen mit der Einkommensteuererklärung in den beigefügten Anlagen KAP die Günstigerprüfung, eine Überprüfung des Steuereinbehalts für die Kapitalerträge und erklärten im Übrigen, dass sie kirchensteuerpflichtig seien und von den Kapitalerträgen zwar Kapitalertragsteuer aber keine Kirchsteuer einbehalten wurde.

    Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 16. April 2012 berücksichtigte das FA die erklärten Kapitalerträge nicht. Zusammen mit der Einkommensteuerfestsetzung wurde die (bis dahin nicht erhobene) Kirchensteuer für die zuvor dargelegten Kapitalerträge festgesetzt (insgesamt: 4,06 €). In den Erläuterungen wird ausgeführt, dass die beantragte Günstigerprüfung ergeben habe, dass die Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif nicht günstiger sei. Bei einer Änderung des Steuerbescheids werde die Prüfung von Amts wegen erneut durchgeführt werden; ein erneuter Antrag sei nicht erforderlich.

    Im Rahmen der dem Einkommensteuerbescheid beigefügten Anrechnungsverfügung rechnete das FA gemäß Art. 15a Abs. 3 Buchstabe a DBA-Schweiz 1992 i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 der im Streitjahr geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes --EStG 2010-- die "Abzugteuer Schweiz" [richtig wohl: Abzugssteuer] in Höhe von ---- € (= --- CHF x 72 v.H. [= amtlicher Umrechnungskurs für das Streitjahr --Fach B Teil 4 Nummer 1 des Grenzgängerhandbuchs bzw. die Verfügung des Landesfinanzamts für Steuern Bayern vom 10. Januar 2013 S 1301.2.1-39/10 St 32, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2013, 384; a.A.: Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Dezember 2009 VI R 4/08, BStBl II 2010, 698]) auf die (festgesetzte) Einkommensteuer an. Im Übrigen wurden Einkommensteuervorauszahlungen (s. § 37 EStG 2010) in Höhe von 9.632 € geleistet.

    Der Einkommensteuerbescheid vom 16. April 2012 (einem Montag) wurde aufgrund eines sog. (mündlich im Rahmen eines Telefonats gestellten) Antrages auf schlichte Änderung i.S. v.§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) durch den Einkommensteuerbescheid vom 7. Mai 2012 zugunsten der Kläger außerhalb des Streitpunkts des vorliegenden Verfahrens geändert. Im ursprünglichen Bescheid war der Arbeitnehmeranteil des Klägers zur Schweizerischen Altersvorsorge in Höhe von 11.724,59 € versehentlich nicht als Sonderausgaben berücksichtigt worden.

    Mit ihrem am 16. Mai 2012 (einem Mittwoch) eingelegten Einspruch machten die Kläger geltend, dass das FA zu Unrecht den erweiterten Härteausgleich gemäß § 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 der im Streitjahr geltenden Fassung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 2000 (EStDV 2000) nicht durchgeführt habe. Bei Anwendung des (erweiterten) Härteausgleichs vermindere sich das zu versteuernde Einkommen um 363 € (= 820 € ./. 243 € [Einkünfte aus selbständiger Arbeit] ./. 214 € [Einkünfte aus Kapitalvermögen unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags von 1.602 € --§ 20 Abs. 9 Satz 2 ff. EStG 2010--]). Damit belaufe sich der Abzugsbetrag nach § 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000 auf den Betrag, um den die nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte der Kläger geringer seien als 820 € (§ 70 EStDV 2000). Im Übrigen ergäbe sich unter Berücksichtigung des (erweiterten) Härteausgleichs bei der Günstigerprüfung, dass eine Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif günstiger sei (Hinweis auf § 32d Abs. 6 Sätze 1 und 3 EStG 2010; vgl. hierzu: Treiber in: Blümich, Einkommensteuer Körperschaftsteuer Gewerbesteuer, Kommentar, --im Folgenden: Blümich/Bearbeiter-- § 32d Anm. 160 ff.). Der Klägerin den Härteausgleich zu versagen, nur weil der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Sinne des Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1992 beziehe, sei unbillig.

    Das FA lehnte es anschließend im Schreiben vom 22. Mai 2012 ab, dem Einspruch abzuhelfen. Es verwies insoweit auf die einer Abhilfe entgegenstehenden Anweisungen im Grenzgängerhandbuch zu Fach B Teil 3 Nummer 1 Tz. 2 und das dort im Bezug genommene Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg (FG) vom 28. April 2003 2 K 426/01 n.v. Dieses Urteil wurde den Beteiligten im Klageverfahren vom FG übersandt.

    Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2012 erklärten die Kläger, dass sie für die Klägerin den Härteausgleich beantragen. Diese habe neben ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die dem Lohnsteuerabzug unterlegen hätten, Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt.

    Das FA wies den Einspruch unter Hinweis auf das im Grenzgängerhandbuch zu Fach B Teil 3 Nummer 1 Tz. 2 zitierte, rechtskräftig gewordene FG-Urteil 2 K 426/01 mit Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2012 als unbegründet zurück. Auf die dargelegten Erwägungen, die den im genannten FG-Urteil dargelegten Rechtsgrundsätzen folgen, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

    Mit ihrer form- und fristgerecht erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren zur Berücksichtigung des erweiterten Härteausgleichs in Höhe von 363 € nach § 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000 weiter.

    Die Kläger beantragen (sinngemäß),

    den Einkommensteueränderungsbescheid vom 7. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2012 unter Berücksichtigung des Härteausgleichs in Höhe von 363 € zu ändern und demzufolge die Einkommensteuer auf 51.388 € festzusetzen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

    Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. Die Sache wurde vom Berichterstatter mit den Beteiligten mehrfach telefonisch erörtert. Dabei wurden die Beteiligten auch auf die Vorschrift des § 94a der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen.

    Dem Senat lagen folgende Akten vor:

    1 Band Einkommensteuerakten Band II angelegt 2004 - geschlossen 2009

    1 Band Einkommensteuerakten Band III von Veranlagungszeitraum 2010

    1 Band Rechtsbehelfsakten Band I angelegt 2010
    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig

    A.

    I. Bei der vorliegenden Klage handelt es sich um eine Anfechtungsklage i.S.v. § 40 Abs. 1 Alternative 1 FGO i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO.

    1.a) Gegenstand der vorliegenden Klage ist der Einkommensteueränderungsbescheid vom 7. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2012 (§ 40 Abs. 2 FGO). Im Rahmen des gegen den vorgenannten Einkommensteueränderungsbescheid von den Klägern eingeleiteten Einspruchsverfahrens war die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO) und nicht nur eingeschränkt. Dem hat das FA Rechnung getragen und im Einspruchsverfahren in materiell-rechtlicher Hinsicht geprüft, ob von den Klägern der erweiterte Härteausgleich i.S.v. § 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000 in Anspruch genommen werden kann.

    b) Einer erneuten Überprüfung der Sache in vollem Umfang im Einspruchsverfahren (und im vorliegenden Klageverfahren) stand (steht) nicht entgegen, dass die Kläger zuvor --nach Bekanntgabe des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids vom 16. April 2012-- dessen sog. schlichte Änderung i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO begehrt hatten und diesem Antrag dadurch entsprochen wurde, dass im --im vorliegenden Klageverfahren angegriffenen-- Einkommensteueränderungsbescheid vom 7. Mai 2012 weitere Vorsorgeaufwendungen des Klägers in Höhe von 11.274 € als Sonderausgaben angesetzt wurden. Zwar ist in einem Einspruchsverfahren gegen einen --im Rahmen einer sog. schlichten Änderung bekanntgegebenen-- Einkommensteueränderungsbescheid nur eine lediglich punktuelle, beschränkt auf das konkrete Änderungsbegehren Überprüfung zulässig (hier: höherer Sonderausgabenabzug; vgl. hierzu: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, Kommentar, 2. Aufl., § 172 Rz. 21 mit Nachweisen zur steuergerichtlichen Rechtsprechung). Im Streitfall war jedoch eine umfassende Überprüfung der Sache im Hinblick auf den erweiterten Härteausgleich i.S.v. § 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000 noch zulässig, weil die Kläger dieses Begehren am 16. Mai 2012 gegenüber dem FA als Einwendung gegen den Einkommensteueränderungsbescheid vom 7. Mai 2012 dargelegt haben. Sie haben damit innerhalb der noch offenen Rechtsbehelfsfrist gegen den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid vom 16. April 2012 ihr Wahlrecht zwischen einer schlichten Änderung i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO und einer umfassenden Änderung der Steuerfestsetzung in einem Einspruchsverfahren i.S.v. § 348 ff. AO (Loose in: Tipke/Kruse, AbgabenordnungFinanzgerichtsordnung, Kommentar, § 172 AO Tz. 29 ff. mit umfangreichen Nachweisen) im letztgenannten Sinn zulässigerweise (nachträglich) ausgeübt (vgl. hierzu etwa: BFH-Beschluss vom 10. Mai 2010 IX B 220/09, BFH/NV 2010, 1415; BFH-Urteil vom 21. Oktober 1999 I R 25/99, BStBl II 2000, 283).

    II. Auch wenn --entgegen den zuvor dargelegten Erwägungen-- davon ausgegangen würde, dass die Kläger mit der Geltendmachung des erweiterten Härteausgleichs i.S.v. § 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000 am 16. Mai 2012 nach der schlichten Änderung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids vom 16. April 2012 durch den Einkommensteueränderungsbescheid vom 7. Mai 2012 nicht in zulässiger Weise Einspruch gegen diesen Bescheid eingelegt haben, der eine umfassende --über die schlichte Änderung hinausgehende-- Überprüfung ermöglichte, müsste zugunsten der Kläger unterstellt werden, dass sie eine weitere und zulässige --weil innerhalb der noch offenen Einspruchsfrist gegen den ursprünglichen Bescheid vorgebrachte (vgl. in diesem Zusammenhang: BFH-Urteil vom 20. Dezember 2006 X R 30/05, BStBl II 2007, 503; BFH-Beschluss vom 28. Februar 2007 II B 33/06, BFH/NV 2007, 1265)-- schlichte Änderung durch Gewährung des erweiterten Härteausgleichs i.S.v. § 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000 geltend gemacht haben. Gegen die Ablehnung der schlichten Änderung mit Verfügung vom 22. Mai 2012 haben die Kläger mit Schreiben vom 30. Mai 2012 Einspruch eingelegt, der mit Einspruchsentscheidung vom 20. August 2012 zurückgewiesen wurde. Das form- und fristgerecht erhobene Klagebegehren der Kläger wäre dann i.S. einer Verpflichtungsklage auszulegen, das FA zu verurteilen (§ 40 Abs. 1 Alternative 2 FGO i.V.m. § 101 Satz 1 FGO), eine schlichte Änderung durch Gewährung des erweiterten Härteausgleichs i.S.v. § 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000 vorzunehmen.

    B.

    Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat das FA den (erweiterten) Härteausgleich i.S.v. § 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000 von --der Höhe nach insoweit zu Recht unstreitig zwischen den Beteiligten-- 363 € nicht gewährt.

    I.1. Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 können (ungeachtet des Art. 15 DBA-Schweiz) Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger in diesem Sinne ist jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1992). Diese Voraussetzungen für eine Besteuerung der Einkünfte des Klägers aus unselbständiger Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland sind im Streitfall gegeben. Der Kläger hatte im Streitjahr in K seinen Wohnsitz (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 2010) und war damit i.S.v. Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz im Inland ansässig. Der Kläger übte seine nichtselbständige Arbeit in der Schweiz für die in der Schweiz ansässige T-AG aus. Damit waren die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit nur in der Bundesrepublik Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat des Klägers steuerpflichtig, weil er im Übrigen regelmäßig von seinem Arbeitsort bei der T-AG an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1992).

    2. Nach §§ 38 ff. EStG 2010 wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer) erhoben. Gemäß dem insoweit allein in Betracht kommenden § 38 Abs.1 Satz 1 Nr.1 EStG 2010 gilt dies jedoch nur, soweit der Arbeitslohn von einem Arbeitgeber gezahlt wird, der im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO), einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO), seine Geschäftsleitung (§ 10 AO), seinen Sitz (§ 11 AO), eine Betriebsstätte (§ 12 AO) oder einen ständigen Vertreter (§ 13 AO) hat (Blümich/Thürmer, a.a.O., § 38 EStG Anm. 70 ff.). Der Kläger hatte keinen inländischen Arbeitgeber i.S. des § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 EStG, weil seine Arbeitgeberin im Streitjahr ihren ausschließlichen Sitz in der Schweiz in T hatte und im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass sie die Tatbestandsmerkmale der §§ 8-13 AO im Inland erfüllt haben könnte. Deshalb war im Streitfall die Einkommensteuer nicht durch den Abzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer) abgegolten (§ 46 Abs. 4 Satz 1 EStG 2010), sondern durch Veranlagung gemäß § 25 Abs. 1 EStG zu erheben (BFH-Urteile vom 10. Januar 1992 VI R 117/90, BStBl II 1992, 720; vom 7. August 1959 VI 299/57 U, BStBl III 159, 462; vgl. hierzu auch: II. der Entscheidungsgründe) unter --der außerhalb der Einkommensteuerfestsetzung erfolgten-- Anrechnung der an das FA abgeführten Einkommensteuervorauszahlungen (§ 37 EStG 2010) und der von der Arbeitgeberin des Klägers einbehaltenen und an die ESTV abgeführten (Schweizerischen) Quellensteuer (Art. 15a Abs. 3 Buchstabe a DBA-Schweiz 1992 i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG 2010, vgl. hierzu: BFH-Urteile vom 17. November 2010 I R 76/09, BStBI II 2012, 276; vom 2. März 2010 I R 75/08, BFH/NV 2010, 1820; Brandis in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15a Schweiz, Anm. 60-63 mit umfangreichen Nachweisen; Gosch in: Kirchhof, EStG, Kommentar, 12. Aufl., § 36 Anm. 7; zur Durchführung der Schweizerischen Quellenbesteuerung: Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts --Bger-- vom 16. Januar 2010 i.S. X. contre Steuerverwaltung des Kantons Genf und Verwaltungsrekurskommission des Kantons Genf 2C_319/2009, 2C_321/2009, Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts --BGE-- 136 II 241; vgl. im Übrigen: Seite 5 Abs. 2 ff. des Tatbestandes).

    3. Die Veranlagung gemäß § 25 Abs. 1 EStG 2010 konnte im Streitfall nicht aus Gründen des § 46 Abs. 2 EStG 2010 unterbleiben, weil das Einkommen des Klägers nicht ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bestand, von denen ein Steuerabzug vorgenommen wurde (allgemein zum Verhältnis des § 25 EStG 2010 zu § 46 EStG 2010: Blümich/Heuermann, a.a.O., § 46 EStG Anm. 17). Entsprechend entfällt nach dem gerade wiedergegebenen Gesetzeswortlaut --und ausgehend von den vom Kläger verwirklichten Einkünften (s. hierzu auch zu 4.c)-- die Anwendung des § 46 Abs. 2 EStG 2010 auf den Streitfall. Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs. 3 EStG 2010 setzt die Anwendung des Härteausgleichs allerdings die Verwirklichung eines der § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 8 EStG 2010 genannten Tatbestände voraus. Des Weiteren findet der --hier in Rede stehende-- erweiterte Härteausgleich nach § 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000 (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 EStG 2010) nur auf Fälle des § 46 Abs. 2 Nrn.1 bis 7 EStG 2010 Anwendung (vgl. Tillmann in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 46 EStG Anm. 78 und 87 mit umfangreichen Nachweisen zur BFH-Rechtsprechung; Schmidt/Kulosa, EStG, Kommentar, 32. Aufl., § 46 Anm. 44; Blümich/Heuermann, a.a.O., § 46 Anm. 160).

    4.a) Nach diesen Rechtsgrundsätzen könnte ein erweiterter Härteausgleich (§ 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000) jedenfalls insoweit nicht gewährt werden, weil das Einkommen des Klägers weder ganz noch teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bestand, von denen ein Steuerabzug (zugunsten des deutschen Steuerfiskus) vorgenommen wurde, und deshalb eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 EStG 2010 zulässigerweise nicht durchgeführt werden darf. Der BFH hat jedoch entschieden, dass die Vorschrift des § 46 Abs. 5 EStG 2010 (erweiterte Härteausgleich) aus Gleichbehandlungsgründen analog anzuwenden ist, wenn ein Arbeitnehmer --wie im Streitfall der Kläger-- bei einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber beschäftigt und daher keine Lohnsteuer (kein Steuerabzug) einzubehalten ist (BFH-Urteile in BStBl II 1992, 720 [BFH 10.01.1992 - VI R 117/90]; in BStBl III 1959, 462). Diese Auffassung wird auch im Schrifttum (ausschließlich) vertreten (Blümich/Heuermann, a.a.O., EStG § 46 Anm. 153; Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 46 Anm. 41; Kirchhof/Seiler, a.a.O., § 46 Anm. 33; Tillmann in: Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 46 Anm. 80; Kempermann in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15a Anm. 20). Ihr schließt sich auch der erkennende Senat an.

    b) Danach steht den Klägern im Streitfall der erweiterte Härteausgleich i.S.v. § 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000 wegen der von Ihnen erzielten Nebeneinkünfte (aus selbständiger Arbeit und Kapitalvermögen) zu, weil kein sachlicher Grund dafür zu ersehen ist, dass dem Kläger --anders als in den Fällen des § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 EStG 2010-- der Härteausgleich versagt wird, der ihm zugestanden hätte, wenn er bei einem Arbeitgeber im Inland (z.B. in K) beschäftigt gewesen wäre (BFH-Urteil in BStBl II 1992, 720 [BFH 10.01.1992 - VI R 117/90]).

    c) Ob im Übrigen im Hinblick darauf, dass die Klägerin als Ärztin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei einer im Inland ansässigen Arbeitgeberin (der Spitalstiftung in Konstanz) erzielt hat, von denen ganz ein Steuerabzug (Lohnsteuer) vorgenommen wurde und demzufolge wegen der hier in Rede stehenden Nebeneinkünfte über 410 € (aus Kapitalvermögen und aus selbständiger Arbeit) eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG 2010 in Betracht kommen könnte, der erweiterte Härteausgleich (§ 46 Abs. 5 EStG 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000) auch aus diesem Grunde zu gewähren sein könnte, braucht der erkennende Senat nicht zu entscheiden. Denn der erweiterte Härteausgleich i.S.v. § 46 Abs. 5 EStDV 2010 i.V.m. § 70 EStDV 2000 ist in jedem Falle --unberührt von der Entscheidung über diese Rechtsfrage-- nach den oben zu I. dargelegten Rechtsgrundsätzen zu gewähren.

    II. Unberührt von den zuvor zu I.3. und I.4.c) dargelegten Rechtsgrundsätzen weist der erkennende Senat daraufhin, dass im Streitfall eine Veranlagung auch deshalb durchzuführen war, weil die Kläger hinsichtlich ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG 2010 die Veranlagung nach den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen zur Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer gewählt haben (vgl. hierzu eingehend: Blümich/Treiber, a.a.O., EStG § 32d Anm. 160 ff.; Blümich/Heuermann, a.a.O., EStG § 25 Anm. 21, jeweils mit weiteren Nachweisen).

    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

    IV. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären. Die Kläger konnten die Hilfe eines sachkundigen Bevollmächtigten zu ihrer Vertretung für unentbehrlich halten (BFH-Beschluss vom 21. September 1967 VI B 2/67, BStBl II 1968, 181).

    V. Die Revision war zuzulassen. Der Sache kommt grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Im Übrigen dient die Revisionszulassung im Hinblick auf das von der vorliegenden Entscheidung abweichende Urteil des 2. Senats des FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg vom 28. April 2003 2 K 426/01 n.v. der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Schließlich weicht die Anweisung zu Fach B Teil 3 Nummer 1 Tz. 2 im Grenzgängerhandbuch der baden-württembergischen Finanzverwaltung von der zuvor dargelegten Rechtsauffassung ab. Schließlich weist der erkennende Senat daraufhin, dass die BFH-Urteile in BStBl II 1992, 720 [BFH 10.01.1992 - VI R 117/90] und in BStBl III 1959, 462 Grenzgängerregelungen betrafen (Hinweis z.B. auf die bis zum 31. Dezember 1993 wirksame Vorschrift des Art.15 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 [BGBl II 1972, 1021, BStBl I 1972, 518]), die inzwischen außer Kraft getreten sind.

    RechtsgebieteEStG, EStDV, AO, DBA-SchweizVorschriften§ 46 Abs. 5 EStG; § 70 EStDV 2000; § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO; Art. 15a Abs. 1 S. 1 DBA-Schweiz