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  • 22.07.2015 · IWW-Abrufnummer 144965

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 27.11.2014 – 2 K 108/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tatbestand

    Der Kläger begehrt die Aufhebung einer Einspruchsentscheidung.

    Der Kläger wurde mit Bescheid vom 25. Oktober 2013 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer 2012 veranlagt. Die Einkommensteuer wurde auf 2.596 € festgesetzt. Die Eheleute legten am 1. November 2013 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid ein und beantragten die zusätzliche steuermindernde Berücksichtigung von mehreren Positionen in Form von Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit, von Sonderausgaben, von außergewöhnlichen Belastungen und eines Pflegepauschbetrags nach § 33b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

    Mit Schreiben vom 5. Februar 2014 kündigte der Beklagte an, Teile der geltend gemachten Posten in Form des Pflegepauschbetrags nach § 33b Abs. 6 EStG in Höhe von 924 €, weiterer außergewöhnlicher Belastungen in Höhe von 2.846,63 €, Werbungskosten in Form von Abschreibungen für einen Computer in Höhe von 370,66 € und eines Behinderten-Pauschbetrags von 310 € berücksichtigen zu wollen. Gleichzeitig wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass die Finanzbehörde gemäß § 367 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) im Falle eines Einspruchs die Sache voll überprüfen müsse und der Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert werden könne. Die als außergewöhnliche Belastungen bislang berücksichtigten behinderungsbedingten Fahrtkosten in Höhe von 4.480 € seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Deshalb könnten diese nur noch mit einem Pauschbetrag von 900 € angesetzt werden. Dies würde zu einer Verböserung führen, die durch Rücknahme des Einspruchs verhindert werden könne. Der Kläger wurde gebeten, bis zum 28. Februar 2014 mitzuteilen, ob der Einspruch aufrechterhalten bleibe und diesen gegebenenfalls weiter zu begründen.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2012 abweichend (höher) auf 3.030 € fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

    Mit einem auf den 14. März 2014 datierten Schreiben, beim Beklagen eingegangen am 20. März 2014, wies der Kläger darauf hin, dass er mit seiner Frau erst am 14. März 2014 nach einem längeren Auslandsaufenthalt zurückgekommen sei und deshalb erst jetzt antworten könne. Er beantragte "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand", um die Stellungnahme adäquat vorbereiten zu können. Inhaltlich werde bis zum 28. März 2014 zum Schreiben vom 5. Februar 2014 Stellung genommen werden.

    Der Kläger hat am 10. April 2014 Klage erhoben. Ihm gehe es darum, die eingetretene Verböserung durch Rücknahme des Einspruchs zu beseitigen. Er sei zusammen mit seiner Ehefrau vom 3. Februar bis zum 14. März 2014 in ... gewesen. Zum Nachweis werde auf eine eingereichte Rechnung des Reisebüros und die Bordkarten nebst Flugplänen Bezug genommen. Als sie am 14. März 2014 (einem Freitag) zurückgekehrt seien, hätten sie das Schreiben des Beklagten vom 5. Februar 2014 vorgefunden und bereits am 17. März 2014 geantwortet und um Fristverlängerung gebeten. Am 18. März 2014 sei dann die Einspruchsentscheidung zugegangen. Es liege ein Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO vor. Das rechtliche Gehör sei nicht gewährt worden. Er, der Kläger, sei bei seiner nur vorübergehenden Urlaubsabwesenheit von 39 Tagen nicht verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass ihn Postsendungen erreichten. Bei der Versäumung von gesetzlichen Fristen sei in solchen Fällen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die vorliegende Fallgestaltung sei im Ergebnis gleich zu behandeln. Jedenfalls nach dem Grundsatz von Treu und Glauben müsse ihm Gelegenheit gegeben werden, seinen Einspruch zurückzunehmen.

    Der Kläger beantragt nach dem Inhalt seines schriftsätzlichen Vorbringens sinngemäß,

    die Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es liege kein wesentlicher Verfahrensfehler vor. Der Kläger sei mit dem Schreiben vom 5. Februar 2014 unter ausreichender Fristsetzung auf die Möglichkeit einer Verböserung hingewiesen worden. Die nachträglich am 17. März 2014 ausgestellte Rechnung des Reisebüros über die Flugreise sei wenig beweiskräftig. Im Übrigen sei die Reise - wenn sie denn stattgefunden habe - bereits am ... 2013 gebucht worden. Ein Hinweis sei ihm, dem Beklagten, jedoch nicht erteilt worden.

    Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) einverstanden erklärt.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Akten des Beklagten (Einkommensteuerakte, Rechtsbehelfsakte) Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe

    Über die Klage konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 90 Abs. 2 FGO).

    Die Klage ist zulässig (I) und begründet (II).

    I.

    Es ist zulässig, lediglich die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 zu beantragen. Gegenstand einer Anfechtungsklage ist gemäß § 44 Abs. 2 FGO zwar grundsätzlich der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat. Eine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung ist aber ausnahmsweise dann zulässig und kann dementsprechend beantragt werden, wenn diese Entscheidung eine selbständige Beschwer enthält. Dies ist etwa dann der Fall, wenn - wie hier - geltend gemacht wird, dass ein erheblicher Verfahrensmangel vorliegt, weil die Finanzbehörde einen Steuerbescheid zum Nachteil des Einspruchsführers geändert hat, ohne diesen nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO auf die Möglichkeit der Verböserung hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juli 2004 IX B 102/03, BFH/NV 2004, 1514; vom 3. Juli 2012 IX B 37/12, BFH/NV 2012, 1630; BFH-Urteil vom 15. März 2013 VIII R 18/10, BStBl. II 2013, 206; v. Beckerath in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 44 FGO Rn. 191). Dem Einspruchsführer wird damit die Möglichkeit genommen, durch Rücknahme seines Einspruchs die Verböserung zu vermeiden. Durch eine Aufhebung der Einspruchsentscheidung wird das Einspruchsverfahren wieder eröffnet und eine Rücknahme des Einspruchs (§ 362 Abs. 1 AO) ermöglicht.

    II.

    Die Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Durch sie ist die Einkommensteuer 2012 höher als im Ausgangsbescheid mit 3.030 € festgesetzt worden, ohne dass die Einspruchsführer vor Erlass der Entscheidung gemäß § 367 Abs. 2 Satz 2 AO auf die Möglichkeit einer Verböserung unter Gelegenheit zur Stellungnahme hingewiesen worden sind. Mit dem Schreiben des Beklagten vom 5. Februar 2014 ist zwar ein dementsprechender Hinweis erteilt worden. Dieser Hinweis ist aber fehlgeschlagen, weil die Einspruchsführer ihn erst nach Erlass der Einspruchsentscheidung zur Kenntnis nehmen konnten.

    1)

    Nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO kann ein Verwaltungsakt im Einspruchsverfahren auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Zweck des Hinweises als Ausprägung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs ist es, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Rücknahme des Einspruchs zu geben. Damit wird unter Umständen zwar eine materiell unrichtige Entscheidung bestandskräftig. Das Gesetz räumt aber der Gewährung rechtlichen Gehörs und dem Verfahrensrecht in dieser Situation ausnahmsweise den Vorrang ein vor der materiellen Richtigkeit der Entscheidung. Unterbleibt die in § 367 Abs. 2 Satz 2 AO vorgesehene Anhörung, führt dies zur isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels. Dem steht § 127 AO nicht entgegen, wonach die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein wegen eines Verfahrensmangels beansprucht werden kann, wenn keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden könnte. Die Wertung des § 127 AO, die einen Vorrang der materiellen Richtigkeit vor dem Verfahrensrecht postuliert, greift nicht durch in Fällen der Verböserung im Einspruchsverfahren (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Juli 2012 IX B 37/12, BFH/NV 2012, 1630; BFH-Urteil vom 15. März 2013 VIII R 18/10, BStBl. II 2013, 206).

    2)

    Der im Schreiben des Beklagten vom 5. Februar 2014 erteilte Hinweis auf die Möglichkeit der Verböserung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 28. Februar 2014 genügt zwar den Voraussetzungen für eine Verböserung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO. Die Gründe für eine Verböserung wurden mit dem Hinweis auf den fehlenden Nachweis der behinderungsbedingten Fahrten mitgeteilt und die Frist von 23 Tagen zur Stellungnahme war angemessen lang. Allerdings ist der Hinweis erst nach Erlass der Einspruchsentscheidung erteilt worden und damit fehlgeschlagen, weil die Einspruchsführer (der Kläger und seine Ehefrau) ihn erst nach Rückkehr aus ihrem Urlaub zur Kenntnis nehmen konnten.

    a)

    Der Hinweis nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO ist kein Verwaltungsakt, sondern eine unselbständige Verfahrenshandlung. Er entfaltet erst dann die Wirkung, rechtliches Gehör zu gewährleisten, wenn er vom Einspruchsführer tatsächlich derart zur Kenntnis genommen werden kann, dass eine Stellungnahme möglich ist, die von der Finanzbehörde vor Erlass der Einspruchsentscheidung berücksichtigt werden kann.

    Die Vorschriften über die Bekanntgabe von schriftlichen Verwaltungsakten und insbesondere die Bekanntgabefiktionen des § 122 Abs. 2 AO greifen für den Hinweis nicht. Es reicht deshalb nicht - wie für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten - aus, dass der Hinweis, etwa durch Einwerfen in den Briefkasten, derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann und die Kenntnisnahme nach den von ihm selbst getroffenen Vorkehrungen und nach allgemeinen Gepflogenheiten auch erwartet werden kann, ohne dass es auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme ankommt und deshalb auch bei Urlaubsabwesenheit von einer Bekanntgabe derart in den Machtbereich des Empfängers gelangter schriftlicher Verwaltungsakte auszugehen ist (st. Rspr. vgl. etwa BFH-Urteile vom 13. Oktober 1994 IV R 100/93, BStBl II 1995, 484; vom 9. Dezember 1999 III R 37/97, BStBl II 2000, 175; vom 28. Mai 2005 III R 84/06 BStBl II 2009, 949; BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2008 VII B 14/08, BFH/NV 2009, 115; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 122 AO Rn. 11 m. w. N.). Vielmehr sind auch nicht normale Umstände - wie etwa Urlaubsabwesenheiten oder Krankenhausaufenthalte - zu berücksichtigen, so dass es auf die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme des Hinweises ankommt und nicht auf eine (hypothetische) unter normalen Umständen. Andernfalls würde der Hinweis seine Funktion nicht erfüllen können, weil eine Rücknahme des Einspruchs nur bis zur Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung möglich ist (§ 362 Abs. 1 Satz 1 AO) und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) mangels Versäumung einer gesetzlichen Frist nicht in Betracht kommt.

    b)

    Vorliegend konnte der Hinweis vom 5. Februar 2014 vom Kläger und seiner Ehefrau als Einspruchsführer erst nach Erlass der Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 zur Kenntnis genommen werden und deshalb seine Funktion nicht erfüllen. Die Einspruchsentscheidung ist am 14. März 2014 (einem Freitag) zur Post gegeben worden. Nach Auskunft des Beklagten im Erörterungstermin am 25. August 2014 erfolgt der Postversand mittags. Der Kläger und seine Ehefrau sind aber erst am 14. März 2014 um etwa 14.00 Uhr auf dem Flughafen A nach einer am 3. Februar 2014 begonnenen Auslandsreise in ... gelandet. Sie konnten deshalb unter Berücksichtigung der üblichen Gepäckabfertigungs- und Fahrzeiten frühestens ab 14.45 Uhr - und damit nach dem Postversand der Einspruchsentscheidung - in ihrer Wohnung sein und das Hinweisschreiben zur Kenntnis nehmen. Der Kläger hat seine Auslandsreise vom 3. Februar bis zum 14. März 2014 zur Überzeugung des Gerichts durch Vorlage der Bordkarten für sich und seine Frau für die Flüge am 3. Februar 2014 von A über B nach C, die ... Flüge am ... von D über E nach F sowie für die Rückflüge am ... 2014 von G nach B und von dort am 14. März 2014 nach A (Boarding Time 12.30 Uhr) nachgewiesen. Dies wird durch die eingereichte Rechnung der H GmbH vom 17. März 2014 und die Flugpläne unterstützt, aus denen sich die Reisedaten ergeben. Aus den Flugplänen ergibt sich auch die voraussichtliche Ankunftszeit am Flughafen A um 14.05 Uhr. Der Beklagte hat die Flugreise und deren Daten nach Übermittlung der Bordkarten und Reisepläne auch nicht mehr substantiiert bestritten.

    c)

    Der Hinweis war auch nicht überflüssig. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Finanzbehörde den mit dem Einspruch angefochtenen Bescheid unabhängig von der Rücknahme des Rechtsbehelfs zu Lasten des Einspruchsführers ändern könnte, weil der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO steht (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1998 IX R 45/96 BFH/NV 1998, 816 [BFH 17.02.1998 - IX R 45/96]) oder ein Vorläufigkeitsvermerk (§ 165 Abs. 1 AO) die Änderung deckt (vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 367 AO Rn. 457). Beides ist hier in Bezug auf den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 25. Oktober 2013 nicht der Fall.

    d)

    Dem Kläger ist es auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Verspätung des Hinweises zu berufen.

    Der im Steuerrechtsverhältnis, einschließlich des Verfahrensrechts uneingeschränkt zu beachtende Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es unter anderem, auf die schutzwürdigen Belange des jeweils anderen Teils Rücksicht zu nehmen und sich insbesondere nicht zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch zu setzen (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 2011 XI R 30/09, BStBl II 2011, 613, m. w. N.). Schutzwürdig ist der andere Teil, wenn er im berechtigten Vertrauen disponiert oder Dispositionen unterlassen hat (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1989 I R 181/85, BStBl II 1989, 990; vom 15. Mai 2013 VIII R 18/10, BStBl II 2013, 669). Der Kläger verhielte sich durch die Berufung auf den verspäteten Erhalt des Hinweises etwa dann treuwidrig, wenn er dem Beklagten vor Erlass der Einspruchsentscheidung eindeutig zu erkennen gegeben hätte, dass er in jedem Fall - somit auch bei einer Verböserung - an seinem Einspruch festhalten würde. Dies ist vorliegend allerdings nicht der Fall. Der Kläger hat sein Anliegen im Einspruchsverfahren zwar engagiert verfolgt, allerdings nicht zu Ausdruck gebracht "um jeden Preis" an dem Einspruch festhalten zu wollen.

    Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt auch nicht deshalb vor, weil der Kläger den Beklagten nicht auf seinen mehrwöchigen Urlaub hingewiesen hat, damit dieser beim Ablauf des Einspruchsverfahrens darauf Rücksicht nehmen konnte. Ein solcher Hinweis war nicht notwendig. Der Beklagte hätte den Einspruchsführern die Einspruchsentscheidung trotz der Urlaubsabwesenheit nach den obigen Darlegungen bekannt geben und damit das Einspruchsverfahren wirksam abschließen können. Es hätte dem Kläger in einem solchen Fall oblegen, bei einer Versäumung der Klagefrist um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachzusuchen (§ 56 FGO). Mangels vorheriger Anhaltspunkte brauchte der Kläger auch nicht mit einem Verböserungshinweis nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO zu rechnen, was gegebenenfalls eine Pflicht zum Hinweis auf die Urlaubsabwesenheit oder zur Gewährleistung der Möglichkeit der Kenntnisnahme von Schriftstücken des Beklagten ausgelöst hätte. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung konnte der Beklagte vielmehr mit urlaubsbedingten Abwesenheiten der Einspruchsführer rechnen. Dabei liegt die Reisedauer vom 3. Februar bis zum 14. März 2014, und damit von knapp 6 Wochen, nicht so erheblich über dem Üblichen, dass sie eine Hinweispflicht des Klägers gegenüber dem Beklagten oder eine Pflicht zur Gewährleistung der Möglichkeit der Kenntnisnahme von Schriftstücken des Beklagten ausgelöst hätte.

    Dies wird durch die Grundsätze gestützt, die zum Verschulden bei urlaubsbedingten Abwesenheiten im Rahmen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entwickelt worden sind (§ 110 AO, § 56 FGO). Dabei wird häufig davon ausgegangen, dass der übliche Jahresurlaub von bis zu 6 Wochen noch als kurzfristige Abwesenheit anzusehen ist, ohne grundsätzlich eine Verpflichtung zu besonderen Vorkehrungen zu begründen, um die Kenntnisnahme von Bescheiden sicherzustellen (vgl. Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 110 AO Rn. 14; Kuczynski in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 110 AO Rn. 34, jeweils m. w. N.). Vorliegend ist der Kläger mit seiner Urlaubsreise knapp unter der Grenze von 6 Wochen geblieben, so dass der Grundsatz von Treu und Glauben es ihm - erst Recht - nicht verwehrt, sich auf die Verspätung des Hinweises nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO zu berufen. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ab welcher Abwesenheitsdauer eine Hinweis- oder Vorkehrungspflicht ausgelöst wird.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO, § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

    Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO).

    Vorschriften§ 367 Abs. 2 AO § 33b Abs. 6 EStG