05.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146320
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 16.10.2015 – 3 K 1087/14
Die als Sonderausgaben abzugsfähigen Krankenversicherungsbeiträge sind auch nach der Rechtsänderung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 um rückvergütete Krankenversicherungsbeiträge für Zeiträume bis 2009 zu kürzen.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urt. v. 16.10.2015
Az.: 3 K 1087/14
In dem Finanzrechtsstreit
XXX
gegen
XXX
wegen Einkommensteuer 2010 - 2011
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 3. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Oktober 2015 durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Amendt
die Richterin am Finanzgericht Weiß
die Richterin am Finanzgericht Jakobs
den ehrenamtlichen Richter Dipl.-Kfm. Gutknecht
den ehrenamtlichen Richter Regierungsdirektor a.D. Lukas
für Recht erkannt:
Tenor:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
III.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Strittig ist die Kürzung der als Sonderausgaben abziehbaren Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung um für die Vorjahre erhaltene Erstattungen von zu Unrecht gezahlten Krankenversicherungsbeiträgen.
Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren 2010 und 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Renteneinkünfte. Er war gesetzlich krankenversichert.
Im Jahr 2010 erstattete die Krankenkasse dem Kläger (vgl. Schreiben der Krankenkasse vom 23.04.2010, Bl.46f d. Prozessakte - PA -) für die Jahre 2008 und 2009 zu viel gezahlte Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.329,64 € nach § 231 SGB V (= Erstattung von Beiträgen des Versicherten, wenn aufgrund des Zusammentreffens mehrerer Einnahmearten insgesamt beitragspflichtige Einnahmen über die Beitragsbemessungsgrenze hinaus zu Beiträgen herangezogen worden sind).
Im Erstveranlagungsbescheid zur Einkommensteuer für das Streitjahr 2010 kürzte das beklagte Finanzamt die Aufwendungen des Klägers für die Krankenversicherung um den Erstattungsbetrag von 1.329 €, so dass im Rahmen des Sonderausgabenabzugs zu berücksichtigende Versicherungsbeiträge der Kläger (Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Haftpflichtversicherung) in Höhe von insgesamt 4.612 € verblieben. Die durchzuführende Günstigerprüfung gemäß § 10 Abs. 4a EStG a.F. ergab, dass die Ermittlung der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen nach der Rechtslage 2004 zu einem günstigeren Ergebnis führte. Dieser Bescheid wurde aus hier nicht streitigen Gründen geändert. Der Änderungsbescheid vom 14.11.2011 wurde bestandskräftig.
Im Jahr 2011 erstattete die Krankenkasse dem Kläger für die Jahre 2005 bis 2011 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 6.124,23 €. Dieser Erstattung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger hatte eine Rente aus einem privaten Vorsorgevertrag bezogen. Hierbei handelte es sich ursprünglich um eine Direktversicherung, die im Verlauf der Beitragszahlungsphase privat vom Kläger als Versicherungsnehmer fortgeführt worden war. Die Rentenzahlungen erfolgten ab dem Jahr 2005. Noch während des Jahres 2009 machte der Kläger von der Möglichkeit Gebrauch, sich die ursprüngliche Direktversicherung als einmalige Kapitalleistung auszahlen zu lassen. Daraufhin erfolgte die beitragsmäßige Erfassung der Kapitalleistung nach der sog. "1/120stel"-Methode gemäß § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V.
Mit Schreiben vom 09.05.2011 teilte die Kasse dem Kläger mit, dass nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Kapitalleistung einer Direktversicherung, die nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis privat vom Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer fortgeführt worden sei, nicht in vollem Umfang mit Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung belegt werden dürfe. Der Teil der Kapitalabfindung, der auf Beiträgen beruhe, die der Arbeitnehmer in seiner Stellung als Versicherungsnehmer privat geleistet habe, sei entsprechend der Regelung zu Leistungen aus privaten Lebensversicherungsverträgen frei von Beiträgen zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung (Bl.51f der PA). Dem Schreiben waren entsprechende korrigierte Beitragsberechnungen für die Jahre 2005 bis 2011 beigefügt, die folgende Erstattungen auswiesen:
Jahr Krankenversicherung Pflegeversicherung Summe
2005 995,40 € 119,16 € 1.114,56 €
2006 922,95 € 109,23 € 1.032,18 €
2007 1.121,55 € 119,16 € 1.240,71 €
2008 1.149,60 € 127,92 € 1.277,52 €
2009 1.065,48 € 136,68 € 1.202,16 €
2010 1.044,48 € 136,68 € 1.181,16 €
2011 271,62 € 34,17 € 305,79 €
Summe: 6.571,08 € 783,00 € 7.354,08 €
Aufgrund der Heranziehung geringerer beitragspflichtiger Einkünfte wurden die Beitragsbemessungsgrenzen (überwiegend) wieder unterschritten mit der Folge, dass sich nach Verrechnung der bereits an den Kläger für die Jahre 2008 und 2009 im Jahr 2010 rückvergüteten Beträge von 1.329,64 € ein Erstattungsanspruch der Krankenkasse in Höhe von 1.234,71 € ergab. Letztlich wurde dem Kläger ein Betrag in Höhe von 6.124,23 € im Jahr 2011 von der Krankenkasse erstattet (vgl. Schreiben der Krankenkasse vom 09.05.2011, Bl.51f der PA).
Das beklagte Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 06.02.2013 Arbeitnehmerbeiträge des Klägers zu Krankenversicherungen in Höhe von 2.086 € und zu Pflegversicherungen in Höhe von 258 €, Aufwendungen des Klägers für die gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von 1.990 € und zur Pflegeversicherung in Höhe von 333 €, mithin insgesamt Beiträge in Höhe von 4.667 € als dem Grunde nach abziehbare Sonderausgaben. Von diesen Beträgen zog es jedoch die Rückerstattung in Höhe von 6.119 € (5,23 € Rundungsdifferenzen der Beträge der einzelnen Jahre) ab, so dass letztlich keine zu berücksichtigenden Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 verblieben. Aufgrund des sich hiernach ergebenden Erstattungsüberhangs in Höhe von 1.452 € änderte der Beklagte gleichzeitig den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und kürzte die dem Grunde nach als Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 5.456 € um Beitragsrückerstattungen in Höhe von 2.864 €. Da dem Finanzamt hierbei ein Additionsfehler unterlaufen war - die im Einkommensteuerbescheid 2010 bereits berücksichtigten Erstattungen von 1.329 € und der Erstattungsüberhang von 1.452 € ergeben in der Summe lediglich ein Betrag von 2.781 € -, änderte es erneut die Einkommensteuerfestsetzung für 2010 mit Bescheid vom 20.06.2013 und berücksichtigte nunmehr lediglich einen Erstattungsbetrag von insgesamt 2.781 €.
Gegen den Einkommensteuerbescheid für 2011 sowie gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2010 legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, die rückerstatteten Beträge müssten nicht im Jahr ihres Zuflusses, sondern im jeweiligen Beitragsjahr ber ücksichtigt werden. Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO müssten die jeweiligen Steuerfestsetzungen, soweit keine Verjährung eingetreten sei, geändert werden und eine entsprechende Neuberechnung der Vorsorgeaufwendungen durchgeführt werden. Da die tatsächlich in den Jahren 2005 bis 2009 geleisteten Vorsorgeaufwendungen deutlich die in diesen Jahren geltenden Höchstbeträge überschritten hätten, ergäbe sich für diese Veranlagungszeiträume keine Auswirkung. In den Streitjahren dürften die Krankenversicherungsbeiträge lediglich um 1.181,16 € (2010) und 305,79 € (2011) gekürzt werden. Ansonsten würden die Kläger ein weiteres Mal wirtschaftlich belastet. Denn neben der Einschränkung des Vorsorgeausgabenabzugs in den Veranlagungsjahren 2005 bis 2009 würde die vollständige Berücksichtigung der Beitragserstattung im Jahr 2011 sowie der Rücktrag in das Jahr 2010 dazu führen, dass die über der Höchstbetragsberechnung liegenden Überhänge der Veranlagungszeiträume 2005 bis 2009 nun eine wesentliche wirtschaftliche Wirkung in den Streitjahren entfalteten. Dies habe zur Folge, dass die bei veranlagungskonformer Berücksichtigung steuerlich unwirksamen Erstattungen nunmehr zu einer steuerlichen Belastung führten. Die Vorgehensweise des Finanzamts verstoße gegen Art. 3 GG.
Das Finanzamt regte das Ruhen des Verfahrens in Anbetracht zahlreicher bei den Finanzgerichten anhängiger Verfahren zu der Streitfrage an, ob auch noch nach dem Systemwechsel im Jahr 2010 Erstattungen zur Krankenversicherung im Jahr des Zuflusses die abziehbaren Beträge mindern. Die Kläger lehnten eine Verfahrensruhe mit der Begründung ab, dass es sich bei den streitgegenständlichen Erstattungsbeträgen nicht um Beitragsrückerstattungen, mithin um die Rückzahlung von Vorsorgeaufwendungen, sondern lediglich um die Erstattung von sonstigen Zahlungen handle, die in keinem Zusammenhang mit der rechtlichen Begriffsdefinition von Versicherungsbeiträgen stünden. Die streitgegenständlichen Erstattungsbeträge setzten sich aus zwei Positionen zusammen, nämlich aus der Erstattung von Beträgen, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze von krankenversicherungspflichtigen Einnahmen einbehalten worden seien, und aus der Erstattung von Beträgen, die rechtsunwirksam auf Leistungen erhoben worden seien, die einer Verbeitragung im Rahmen der Krankenversicherung nicht unterlägen. In beiden Fällen handle es sich somit nicht um die Erstattung von Versicherungsbeiträgen, sondern lediglich um die Erstattung von sonstigen Zahlungen.
Mit Schreiben vom 28.08.2013 teilte das Finanzamt den Klägern mit, dass der Erstattungsüberhang in Höhe von 1.452 €, der bisher in voller Höhe im Jahr 2010 berücksichtigt worden sei, den Sonderausgabenabzug des Jahres der Verausgabung kürze und somit anteilig auf die Jahre 2005 bis 2010 wie folgt zu verteilen sei:
Jahr Erstattungsbetrag Erstattungsüberhang
2005 1.114,56 € 278,32 €
2006 1.032,18 € 257,79 €
2007 1.240,71 € 309,88 €
2008 815,13 € 203,59 €
2009 429,84 € 107,37 €
2010 1.181,16 € 295,01 €
Summe: 5.813,58 € 1.451,96 €
Dementsprechend änderte das beklagte Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2010 mit Bescheid vom 17.12.2013 und kürzte die dem Grunde nach als Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen zur Kranken- und Pflegeversicherung um Beitragsrückerstattungen in Höhe von 1.624 € (= die im Einkommensteuerbescheid 2010 bereits berücksichtigten Erstattungen von 1.329 € und der Erstattungsüberhang von 295 €), so dass im Rahmen des Sonderausgabenabzugs insgesamt zu berücksichtigende Versicherungsbeiträge der Kläger in Höhe von insgesamt 4.317 € verblieben. Die Günstigerprüfung gemäß § 10 Abs. 4a EStG a.F. ergab, dass die Ermittlung der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen nach der Rechtslage 2004 zu einem günstigeren Ergebnis führte. Dieser Änderungsbescheid wurde zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens.
Mit Einspruchsentscheidung vom 20.12.2013 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Entscheidungen vom 26.06.1996 X R 73/94, BStBl II 1996, 646; vom 28.06.2006 XI B 163/05, BFH/NV 2006, 1836; vom 02.09.2008 X R 46/07, BStBl II 2009, 229; vom 16.09.2008 X B 267/07, BFH/NV 2009, 5) seien aus Gründen der Praktikabilität erstattete Sonderausgaben im Jahr der Erstattung vorrangig mit den in diesem Jahr gezahlten Sonderausgaben zu verrechnen und minderten den Sonderausgabenabzug im Erstattungsjahr. Nur wenn die Erstattung die gezahlten Sonderausgaben im Erstattungsjahr überstiegen, mindere der Erstattungsüberhang - und nur dieser - über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO den Sonderausgabenabzug im Zahlungsjahr. An dieser Rechtsprechung habe der BFH in Kenntnis der systematischen Bedenken und der Kritik im Schrifttum noch in jüngster Zeit festgehalten (vgl. Entscheidungen vom 26.11.2008 X R 24/08, BFH/NV 2009, 568; vom 03.03.2009 X B 145/08, in [...]). Die Verrechnung im Erstattungsjahr finde mithin stets statt, wenn und soweit sie möglich sei. Sie hänge nicht davon ab, ob sie auch im Zahlungsjahr möglich gewesen wäre oder wie oder ob sich der Sonderausgabenabzug im Zahlungsjahr ausgewirkt hätte (BFH, Beschluss vom 19.01.2010 X B 32/09, BFH/NV 2010, 1250). Die Gleichartigkeit der Aufwendungen sei nach den Grundsätzen der Rechtsprechung im Streitfall zu bejahen (vgl. FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.07.2007 5 K 358/04, EFG 2007, 1590 bestätigt durch BFH, Urteil vom 21.07.2009 X R 32/07, BStBl II 2010, 38). Schließlich habe der BFH in seiner Entscheidung vom 28.05.1998 - X R 7/96 - (BStBl II 1999, 95) geklärt, dass im Fall der sp äteren Erstattung von rechtsgrundlos gezahlten Versicherungsbeiträgen nur dann der Sonderausgabenabzug des Jahres der Verausgabung zu mindern sei, soweit im Jahr der Erstattung eine Kompensation mit gleichartigen Aufwendungen nicht möglich sei. So sei es vorliegend geschehen.
Mit ihrer Klage wenden sich die Kläger weiterhin gegen die Verrechnung der rückerstatteten Versicherungsbeiträge im Erstattungsjahr. Ergänzend und vertiefend tragen sie im Wesentlichen vor: Bereits in früheren Jahren sei die Rechtsprechung zu dem Ergebnis gekommen, dass erstattete Sonderausgaben, worum es sich im Fall von Beitragsrückgewährungen handle, aus Praktikabilitätsgründen im Jahr der Erstattung steuerlich berücksichtigt werden sollten. Die Finanzverwaltung habe sich diese Rechtsprechung zu eigen gemacht und in den Hinweisen der Einkommensteuerrichtlinien unter Punkt H 10.1 festgehalten. Diese Verwaltungsanweisung, die lediglich die Verwaltung binde, sei besonders kritisch vor dem Hintergrund der systematischen Umstellung der Berücksichtigungsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen zu sehen. Beitragsrückerstattungen, die für Jahre vor dem Systemwechsel (bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2009), in denen Vorsorgeaufwendungen nur begrenzt steuerlich abzugsfähig gewesen seien, geleistet worden seien, entfalteten nunmehr volle steuerliche Auswirkung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen, indem sie die nach dem Systemwechsel unbeschränkt abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen kürzten.
Die Anwendung der Praktikabilitätsregelung für Beitragsrückerstattungen verbiete sich im Streitfall jedoch schon dem Grunde nach, weil vorliegend schon gar keine Vorsorgeaufwendungen und Beitragsrückerstattungen vorlägen und somit die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 3a EStG gar nicht erfüllt seien. Zwar unterscheide das SGB V nicht zwischen echten Krankenversicherungsbeiträgen und sonstigen Zahlungen, so dass jede Art von Rück- oder Auszahlung im Rahmen der Erhebung und Berechnung zu einer Beitragserstattung führe, welche entsprechend bescheinigt werde. Es bedürfe jedoch einer Differenzierung zwischen echten Beitragszahlungen im Rahmen der Beitragserhebung nach SGB V und sonstigen darüber hinaus gehenden Zahlungen, die rein vom Verständnis und der Definition keine Beiträge sein könnten. Vorsorgeaufwendungen seien eine reine Begrifflichkeit aus dem Steuerrecht. Um von Vorsorgeaufwendungen im Sinne des EStG sprechen zu können, bedürfe es der Zahlungen von Beiträgen an eine Versicherung. Beiträge definierten dabei einen Aufwandsersatz für eine mögliche Inanspruchnahme von Leistungen der betreffenden Einrichtung. Eine Definition der Begrifflichkeit "Versicherung" sei weder im Zivilrecht noch im Aufsichtsrecht gesetzlich verortet und lasse sich lediglich aus der Rechtsprechung ableiten. Hiernach verstehe das Bundesverwaltungsgericht unter dem Begriff der Versicherung das Versprechen auf bestimmte Leistungen infolge des Eintritts ungewisser Ereignisse gegen Entgelt, wobei das übernommene Risiko auf eine Vielzahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen verteilt werde und der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zahl beruhende Kalkulation zugrunde liege. Im Rahmen der Verbeitragung von Einkünften bei der Krankenversicherung habe der Gesetzgeber eine Beitragsbemessungsgrenze eingeführt. Einkünfte sollten lediglich bis zum Betrag der Beitragsbemessungsgrenze einer Verbeitragung der Krankenversicherung unterliegen. Wenn der Gesetzgeber hier von einer Grenze spreche, k önnten Zahlungen oberhalb dieser Grenze keine Beiträge darstellen und müssten als sonstige Zahlungen im Rahmen des Beitragserhebungsverfahrens betrachtet werden. Durch diese Überzahlungen ergäben sich keine Ansprüche des Zahlenden. Diese habe er bereits vollständig mit seinen Beitragsleistungen im Rahmen der Verbeitragung innerhalb der Beitragsbemessung erworben. Auch bestehe seitens der Krankenversicherung kein Rechtsanspruch auf diese Überzahlungen, da der Rechtsanspruch mit der Erfüllung der Beitragsbemessungsgrenze betragsmäßig gekappt werde. Ferner ändere sich nichts an den kalkulatorischen Risikoüberlegungen für die Gesamtheit aller Versicherten. Gleiches müsse für die Zahlungen an die Krankenversicherung gelten, die wie im Streitfall unrechtmäßig auf den Teil der Kapitalleistungen einer Direktversicherung erhoben worden seien, der auf Beiträgen beruhe, die der Kläger in seiner Stellung als Versicherungsnehmer privat geleistet habe. Es könne daher im Streitfall nicht von Beiträgen gesprochen werden. Die Bescheinigung von Beitragsrückerstattungen sei somit irreführend und nicht definitionskonform. Es handle sich vielmehr um die Rückerstattung von Zahlungen, die von der Krankenversicherung in den Jahren 2005 bis 2010 unrechtm äßig erhoben worden seien.
Die Vorgehensweise des Finanzamts führe zu einer indirekten Besteuerung und zu einer doppelten Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 GG. Einerseits finde eine Besteuerung statt, die sich im Rahmen der Berücksichtigung der tatsächlich geleisteten Vorsorgeaufwendungen völlig individuell darstelle, andererseits würden Zahlungsbeträge einer Besteuerung unterworfen, die keine steuerpflichtigen Einnahmen seien (vgl. BFH, Urteil vom 28.05.1998 X R 7/96, BStBl II 1999, 95). Die Kläger würden im Ergebnis doppelt wirtschaftlich belastet. Denn in den entsprechenden Veranlagungsjahren hätten die Zahlungen keine steuerliche Berücksichtigung gefunden, weil die Abzugsbegrenzung im Rahmen der Höchstbetragsregelung den darüber hinausgehenden Abzug nicht zugelassen habe. Im Erstattungsjahr würden voll berücksichtigungsfähige Vorsorgeaufwendungen steuerwirksam gekürzt. Die zusätzliche Versteuerung führe zu einer unangemessenen wirtschaftlichen Belastung, die nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung trage, sondern in einer fehlerhaften Rechtsanwendung ihren Ursprung finde.
Es sei zweifelhaft, ob die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung, die insgesamt in einem Zeitraum vor dem systematischen Wechsel der Berücksichtigungsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen ab dem 01.01.2010 ergangen sei, danach noch Bestand habe.
Die Steuerbescheide der einzelnen Veranlagungsjahre wären nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern, weil in der Vergangenheit Zahlungen an die AOK als Vorsorgeaufwendungen deklariert worden seien, die - wie im Nachhinein bekannt geworden sei - nicht alle als solche zu qualifizieren gewesen seien. Die rein verwaltungstechnische Praktikabilitätsregelung, die auf den Erstattungszeitpunkt abstelle, dürfe gar nicht herangezogen werden, weil sie nicht einschlägig sei.
Die Finanzverwaltung habe an anderer Stelle ebenfalls aus Praktikabilitätsgründen eine Verfahrensweise in Form einer Richtlinie erlassen, die analog auf den vorliegenden Fall angewandt werden könnte. So könnte eine Nachsteuerversteuerung sinngemäß R. 10.6 der Einkommensteuerrichtlinien 2011 durchgeführt werden.
Die Kläger beantragen,
1.
den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 17.12.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 20.12.2013 dahin gehend zu ändern, dass die als Sonderausgaben abzugsfähigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge lediglich um den Erstattungsbetrag in Höhe von 1.181 € gemindert werden und dass bei der Berechnung der als Sonderausgaben abzugsfähigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung die für die Jahre 2008 und 2009 rückerstatteten Beträge in Höhe von 1.329 € unberücksichtigt bleiben;
2.
den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 06.02.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 20.12.2013 dahin gehend zu ändern, dass die als Sonderausgaben abzugsfähigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge lediglich um den Erstattungsbetrag in H öhe von 305 € gemindert werden;
3.
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, entgegen der Ansicht der Kläger handle es sich bei den erstatteten Beiträgen um Vorsorgeaufwendungen. In den Jahren 2005 bis 2010 sei eine Zahlung als Kranken- bzw. Pflegeversicherungsbeitrag erfolgt. Der BFH habe sich in seiner Entscheidung vom 28.05.1998 - X R 7/96 - (BStBl II 1999, 95) mit der Frage beschäftigt, wie die Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen bei einer Rückabwicklung eines irrtümlich angenommenen Sozialversicherungsverhältnisses zu behandeln sei. Er vertrete die Ansicht, dass im Fall der späteren Erstattung von rechtsgrundlos gezahlten Versicherungsbeiträgen nur dann der Sonderausgabenabzug des Jahres der Verausgabung zu mindern sei, soweit im Jahr der Erstattung eine Kompensation mit gleichartigen Aufwendungen nicht möglich sei.
Insoweit könne es hier nur auf die Frage der Gleichartigkeit ankommen. Mit Urteil vom 19.11.2013 - 13 K 3456/12 E - (EFG 2014, 260) habe das FG Düsseldorf bestätigt, dass die Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung in 2009 und 2010 als gleichartig zu qualifizieren seien. Die Gleichartigkeit sei nicht dadurch entfallen, dass der Gesetzgeber die Regelung zum Abzug der Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 umgestaltet habe. Maßgeblich bleibe in erster Linie weiterhin das versicherte Risiko. Erstattungen von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung müssten daher im Jahr des Zuflusses die abziehbaren Beiträge mindern. Konträr hierzu habe das FG Niedersachsen am 18.12.2013 - 4 K 139/13 - (EFG 2014, 832) entschieden, dass Beitragsrückerstattungen die als Sonderausgaben abziehbaren Beiträge zur Basiskrankenversicherung nur insoweit minderten, als sie auf die unbeschränkt abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge entfielen.
Die Nachversteuerung nach § 30 EStDV habe ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 5 EStG a. F.. In dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorschrift im Detail festgelegt. Eine sinngemäße Anwendung auf den Streitfall könne nicht erfolgen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist unbegründet.
Die Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011 vom 17.12.2013 und 06.02.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.12.2013 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
Das beklagte Finanzamt durfte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 a und b EStG im Jahr 2011 um die rückerstatteten Beträge für die Jahre 2005 bis 2010 und im Jahr 2010 um den anteiligen Erstattungsüberhang sowie die im Jahr 2010 erstatteten Beträge für die Jahre 2008 und 2009 kürzen (nachfolgend Ziffer 1). Der begehrten Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für 2010 steht ferner teilweise die Vorschrift des § 351 AO entgegen (nachfolgend Ziffer 2).
1.
Das beklagte Finanzamt hat zu Recht die Beitragsrückerstattungen für die Jahre 2005 bis 2011 im Jahr 2011 mit den abzugsfähigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen verrechnet und den anteiligen Erstattungsüberhang sowie die im Jahr 2010 erstatteten Beiträge für die Jahre 2008 und 2009 im Jahr 2010 berücksichtigt.
a) Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b EStG in der f ür die Streitjahre geltenden Fassung sind Beiträge zu Krankenversicherungen, soweit diese zur Erlangung eines durch das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind, und Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung als Sonderausgaben abziehbar.
Abziehbar sind die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge jedoch nur dann, wenn es sich um "Aufwendungen" im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG handelt. Aus der Verwendung des Begriffs "Aufwendungen" im Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG und dem Sinn und Zweck des § 10 EStG, bestimmte, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Privatausgaben vom Abzugsverbot des § 12 EStG auszunehmen, folgt, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürfen, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet wird (st. Rspr.; vgl. BFH, Urteile vom 20.02.1970 VI R 11/68, BStBl II 1970, 314: zur Erstattung von Beiträgen zur Lebensversicherung; vom 26.06.1996 X R 73/94, BStBl II 1996, 646: zur Erstattung von Kirchensteuern; vom 21.07.2009 X R 32/07, BStBl II 2010, 38). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung als verfassungsgemäß bestätigt (BVerfG, Beschluss vom 18.02.1988 1 BvR 930/86, HFR 1989, 271).
Aufwendungen des Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum werden somit mangels wirtschaftlicher Belastung nicht als Sonderausgaben berücksichtigt, soweit sich bereits im Zeitpunkt der Zahlung absehen lässt, dass die Aufwendungen rückzuerstatten sind. Unerheblich ist, ob die Erstattung in den Veranlagungszeitraum der Aufwendungen oder in einen späteren Zeitraum fällt (BFH, Urteile vom 26.06.1996 X R 73/94, BStBl II 1996, 646 und vom 28.05.1998 X R 7/96, BStBl II 1999, 95).
Bei den in der Regel jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben wie Kirchensteuern und Versicherungsbeiträgen steht häufig die endgültige Belastung im Zahlungsjahr noch nicht fest, weil dem Steuerpflichtigen nach Ablauf des Veranlagungszeitraums ein Teil der Versicherungsbeiträge rückerstattet wird oder sich die - von der Höhe der festgesetzten Einkommensteuer abhängige - Kirchensteuer mindert. In diesen Fällen sind nach ständiger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis die erstatteten Beträge mit den im Jahr der Erstattung gezahlten gleichartigen Sonderausgaben zu verrechnen, so dass nur der Saldo zum Abzug als Sonderausgaben verbleibt (vgl. z.B.: BFH, Urteile vom 27.09.1963 VI 123/62 U, BStBl III 1963, 536; vom 20.02.1970 VI R 11/68, BStBl II 1970, 314; vom 27.02.1970 VI R 314/67, BStBl II 1970, 422; vom 26.06.1996 X R 73/94, BStBl II 1996, 646; vom 21.07.2009 X R 32/07, BStBl II 2010, 38).
Dem liegt der Gedanke der Verwaltungspraktikabilität und der Rechtskontinuität zugrunde (vgl. z.B.: BFH, Urteile vom 26.06.1996 X R 73/94, BStBl II 1996, 646; vom 07.07.2004 XI R 10/04, BStBl II 2004, 1058), denn andernfalls wären zahllose Veranlagungen (wegen des Kaskadeneffekts wiederholt) bei zum Teil nur geringfügigen Erstattungen im Jahr der (Zuviel-)Zahlung zu ändern. Dies wäre weder den Steuerpflichtigen noch den Finanzbehörden zuzumuten. Sind die Erstattungsbeträge geringer als die im Erstattungsjahr gezahlten gleichartigen Sonderausgaben, ist eine Änderung der ursprünglichen Veranlagung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht angezeigt (BFH, Urteil vom 02.09.2008 X R 46/07, BStBl II 2009, 229).
Sind im Jahr der Erstattung keine gleichartigen Sonderausgaben angefallen oder übersteigen die erstatteten die gezahlten (gleichartigen) Sonderausgaben (sog. Erstattungsüberhang), fehlt es insoweit an einer endgültigen wirtschaftlichen Belastung des Steuerpflichtigen mit den zuvor von ihm gezahlten Sonderausgaben. Der Sonderausgabenabzug ist dann im Zahlungsjahr über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO wegen Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses zu korrigieren (vgl. z.B.: BFH, Urteile vom 07.07.2004 XI R 10/04, BStBl II 2004, 1058; vom 08.09.2004 XI R 28/04, BFH/NV 2005, 321; vom 23.02.2005 XI R 68/03, BFH/NV 2005, 1304; vom 26.11.2008 X R 24/08, BFH/NV 2009, 568; BFH, Beschluss vom 21.02.2013 X B 110/11, BFH/NV 2013, 1060).
b) Gemessen hieran durfte der Beklagte im Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 06.02.2013 die Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 4.667 € nicht nur um die Beitragsrückerstattung für 2011 in Höhe von 305 € kürzen, sondern diese vollständig auch mit den rückerstatteten Beiträgen für die Vorjahre 2005 bis 2010 in Höhe von 5.813,58 € kompensieren. Lediglich um den auf das Streitjahr 2010 entfallenden Erstattungsüberhang in Höhe von 295 € war der Sonderausgabenabzug des Zahlungsjahrs 2010 zu reduzieren und der bereits bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für 2010 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Ferner hat das beklagte Finanzamt zu Recht die für die Jahre 2008 und 2009 rückerstatteten Beiträge der Krankenkasse im Erstattungsjahr 2010 berücksichtigt.
c) Mit ihrem Einwand, die o. a. Rechtsprechungsgrundsätze und die von der Verwaltung übernommene Vereinfachungsregelung seien im Streitfall nicht anwendbar, weil begrifflich bereits keine Vorsorgeaufwendungen und somit auch keine Erstattung von Vorsorgeaufwendungen, mithin Beitragsrückerstattungen vorlägen, können die Kläger nicht durchdringen.
Der Kläger hat insoweit tatsächlich Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung geleistet. Er verfolgte mit der Zahlung das Ziel, seine Beitragspflicht zu erfüllen. Dass diese Beitragsleistung (teilweise) ohne Rechtsgrund erfolgt ist, ist dabei unerheblich. Ebenso ist für die Rechtsfrage, ob "Aufwendungen" im Sinne des § 10 EStG vorliegen, der Rechtsgrund für die Erstattung ohne Bedeutung.
Der BFH hat sich auch in seiner Entscheidung vom 28.05.1998 - X R 7/96 - (BStBl II 1999, 95) mit der Rechtsfrage befasst, wie die Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen bei der Rückabwicklung eines irrtümlich angenommenen Sozialversicherungsverhältnisses steuerlich zu behandeln sei. Er ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass im Jahr der Erstattung der rechtsgrundlos gezahlten Versicherungsbeiträge eine Kompensation mit gleichartigen Versicherungsbeiträgen vorzunehmen ist. Erst wenn im Jahr der Erstattung eine solche Verrechnung nicht möglich ist, ist der Sonderausgabenabzug des Zahlungsjahrs um die - ggf. zeitanteilig anzusetzende - nachträgliche Erstattung zu mindern und ein bereits bestandskräftiger Steuerbescheid des Zahlungsjahrs nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Diese Entscheidung des BFH zeigt deutlich, dass der BFH auch bei rechtsgrundlos erbrachten Zahlungen an Versicherungen begrifflich von Versicherungsbeiträgen und somit von "Aufwendungen" im Sinne des § 10 EStG ausgeht.
d) Im Streitfall sieht der Senat auch eine Gleichartigkeit zwischen den in den Streitjahren 2010 und 2011 geleisteten und erstatteten Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Ob erstattete oder geleistete Sonderausgaben gleichartig sind, richtet sich bei Versicherungsbeiträgen nach der Funktion der Versicherung und nach dem abgesicherten Risiko (BFH-Urteil vom 21.07.2009 X R 32/07, BStBl II 2010, 38).
Bei den im Streitfall erstatteten und gezahlten Sonderausgaben handelt es sich jeweils um - wenn auch rechtsgrundlos geleistete - Beiträge zur Krankenversicherung und damit um eine funktionell gleiche Versicherung mit gleicher Risikoabsicherung, die bloß unterschiedliche Veranlagungszeiträume betreffen. Gemessen an der Funktion und des abgesicherten Risikos sind daher gleichartige Versicherungsbeiträge gegeben. Demgemäß mindern die im Streitjahr 2011 erstatteten Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge vollständig die im Streitjahr 2011 geleisteten und nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und b EStG abziehbaren Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (so auch: FG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013 13 K 3456/12 E, EFG 2014, 260; a. A.: Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 18.12.2013 4 K 139/13, EFG 2014, 832, anhängiges Revisionsverfahren unter dem Az. X R 6/14; FG Köln, Urteil vom 06.02.2014 10 K 2042/12, in [...], anhängiges Revisionsverfahren unter dem Az. X R 22/14).
e) Die Gleichartigkeit ist im Streitfall auch nicht durch das Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16.07.2009, BGBl I 2009, 1959), mit dem der Gesetzgeber den Vorgaben des BVerfG in seinem Beschluss vom 13.02.2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125) nachgekommen ist, entfallen. Danach sind mit Wirkung ab dem 01.01.2010 die vom Steuerpflichtigen tatsächlich geleisteten Beiträge zur privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung für eine Absicherung auf sozialhilfegleichem Versorgungsniveau (Basisabsicherung) und die Beiträge zur Pflegeversicherung in vollem Umfang als Sonderausgaben abziehbar (§ 10 Abs. 4 Satz 4 EStG).
Die gesetzliche Neuregelung hat im Ergebnis zu einer Verbesserung der steuerlichen Abzugsmöglichkeiten von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen gegenüber der zuvor geltenden Rechtslage geführt. Eine grundlegende Änderung in der Systematik des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen, die zu einer Neubewertung des Kriteriums der Gleichartigkeit führen könnte, liegt hierin jedoch nicht (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013 13 K 3456/12 E, EFG 2014, 260; a. A. FG Köln, Urteil vom 06.02.2014 10 K 2042/12, in [...]). Allein der Umstand, dass den Klägern nach ihrem Vortrag durch diese Umgestaltung der gesetzlichen Regelung zum Abzug von Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 ein steuerlicher Nachteil entsteht, weil die Verrechnung der Erstattungsbeträge mit den Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen im Streitjahr 2011 und 2010 zu einer Kürzung des Sonderausgabenabzuges und damit zu einer höheren steuerlichen Belastung führt, während eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für 2005 bis 2009 wegen der Ausschöpfung der damals geltenden Höchstbeträge der abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen ohne steuerliche Auswirkung bleiben würde, kann die Gleichartigkeit der Aufwendungen nicht beseitigen. Denn hierauf kommt es nicht maßgeblich an (so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013 13 K 3456/12 E, EFG 2014, 260; a. A. FG Köln, Urteil vom 06.02.2014 10 K 2042/12, in [...]). Wie der BFH in seinem Beschluss vom 19.01.2010 - X B 32/09 - (BFH/NV 2010, 1250) ausgeführt hat, hängt die Verrechnung im Erstattungsjahr nicht davon ab, ob sie auch im Zahlungsjahr möglich gewesen wäre oder wie sich der Sonderausgabenabzug im Zahlungsjahr ausgewirkt hatte. Die Verrechnung hat vielmehr stets im Erstattungsjahr stattzufinden, wenn und soweit sie möglich ist. Dementsprechend wurde im Streitfall verfahren.
Wie der 2. Senat des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 02.04.2014 - 2 K 2553/12 - (nicht veröffentlicht -nv-) ausgeführt hat, zwingt die gesetzliche Neuregelung auch nicht dazu, bei Erstattungen von Sonderausgaben den Gedanken der Verwaltungspraktikabilität und der Rechtskontinuität allein deshalb aufzugeben, weil durch die Verrechnung im Erstattungsjahr der krankenversicherungsmäßige Basisschutz geschmälert wird. Denn hierdurch wird das einkommensteuerrechtlich zu verschonende Existenzminimum, zu dem die Beiträge zur Krankenversicherung gehören (Beschluss des BVerfG vom 13.02.2008 2 BvL 1/06, aaO), nicht in verfassungswidriger Weise verkürzt. Das Existenzminimum bestimmt sich am tatsächlichen Bedarf (vgl. z.B.: BVerfG, Urteile vom 09.02.2010 1 BvL 1,3,4/09, BVerfGE 125, 175; vom 18.07.2012 1 BvL 10/10, BVerfGE 132, 134). Da die Beitragserstattung die Belastung der Kläger mit Beiträgen zur Krankenversicherung in den Streitjahren gemindert bzw. vollständig beseitigt hat, fehlt es insoweit an einer wirtschaftlichen Belastung mit existenzsichernden Krankenversicherungsbeiträgen in geltend gemachter Höhe und daher an einem entsprechenden tatsächlichen Bedarf. Deshalb teilt der erkennende Senat - wie auch schon der 2. Senat in seiner Entscheidung vom 02.04.2014 (2 K 2553/12, nv) - nicht die im Urteil des Niedersächsischen FG vom 18.12.2013 - 4 K 139/13 - (EFG 2014, 832) geäußerte Ansicht, eine Verrechnung würde dem sich aus dem Beschluss des BVerfG vom 13.02.2008 ergebenden Verfassungsgebot widersprechen, Aufwendungen zur Erlangung eines dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherungen entsprechenden Krankenversicherungsschutzes jedenfalls nach Ablauf der dem Gesetzgeber eingeräumten Anpassungsfrist zum 31.12.2009 in unbeschränkter Höhe als Sonderausgaben zu berücksichtigen.
Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes -GG- vermag der erkennende Senat nicht zu erkennen.
2.
Der von den Klägern begehrten Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für 2010 steht zudem auch teilweise die Vorschrift des § 351 Abs. 1 AO entgegen.
Nach § 351 Abs. 1 AO können Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt.
Der von den Klägern angegriffene Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 06.02.2013 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 17.12.2013, mit dem letztlich die als Sonderausgaben abziehbaren Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge um erstattete Beträge in Höhe von insgesamt 1.624 € (= Erstattung für die Jahre 2008 und 2009 von 1.329 € und der auf das Jahr 2010 entfallende Erstattungsüberhang 295 €) gekürzt wurden, änderte den bestandskräftigen Bescheid vom 14.11.2011, mit dem bereits der Sonderausgabenabzug um die von der Krankenkasse für die Jahre 2008 und 2009 rückvergüteten Beträge in Höhe von 1.329 € gemindert worden war. Damit ist die Anfechtbarkeit und Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheides vom 06.02.2013 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 17.12.2013 nach § 351 Abs. 1 1. Halbsatz AO hinsichtlich des Steuerbetrags beschränkt, der aus der Erhöhung des Erstattungsbetrags um 295 € (= Erstattungsüberhang) resultiert.
Die von den Klägern über diesen Änderungsrahmen hinausgehende begehrte Änderung des angefochtenen Bescheides - Berücksichtigung eines Erstattungsbetrags in Höhe von 1.181 € anstatt wie bisher in Höhe von 1.624 € - setzt nach § 351 Abs. 1 2. Halbsatz AO voraus, dass die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt sind. Daran fehlt es jedoch hier.
3.
Die von den Klägern begehrte Nachversteuerung der rechtsgrundlos gezahlten und in den Streitjahren erstatteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen nach § 30 EStDV und R 10.6 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 2011 kommt nicht in Betracht.
Die Durchführung einer solchen Nachversteuerung sieht § 10 Abs. 5 EStG a.F., § 30 EStDV nur für die steuerschädliche Verwendung von bestimmten Versicherungen und nicht für Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vor. Nach Auffassung des Senats kommt auch mangels einer planwidrigen Regelungslücke eine analoge Anwendung von § 10 Abs. 5 EStG a.F., § 30 EStDV nicht in Betracht. Der Fall, dass Krankenversicherungsbeiträge in einem anderen Jahr als dem Zahlungsjahr erstattet werden, kommt in der Praxis regelmäßig vor. Es kann daher nicht angenommen werden, dass dieser Umstand im Gesetzgebungsverfahren außer Acht geblieben ist.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wurde gemäß § 115 Abs. 2 FGO zugelassen, weil höchstrichterlich bisher nicht geklärt ist, ob auch nach dem Systemwechsel ab dem Veranlagungszeitraum 2010 die als Sonderausgaben abzugsfähigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge um rückerstattete Beiträge für in den Jahren vor 2010 gezahlte Versicherungsbeiträge zu kürzen sind.