17.08.2016 · IWW-Abrufnummer 188066
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 22.06.2016 – V R 42/15
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist ein pharmazeutischer Unternehmer, der Arzneimittel liefert, auf Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil Elida Gibbs vom 24. Oktober 1996 C–317/94, EU:C:1996:400, Slg. 1996, I–5339, Rz 28, 31) und unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage nach Art. 90 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwSystRL) berechtigt, wenn
- er diese Arzneimittel über Großhändler an Apotheken liefert,
- die Apotheken steuerpflichtig an privat Krankenversicherte liefern,
- der Versicherer der Krankheitskostenversicherung (das Unternehmen der privaten Krankenversicherung) seinen Versicherten die Kosten für den Bezug der Arzneimittel erstattet und
- der pharmazeutische Unternehmer aufgrund einer gesetzlichen Regelung zur Zahlung eines "Abschlags" an das Unternehmen der privaten Krankenversicherung verpflichtet ist?
Tenor:
I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist ein pharmazeutischer Unternehmer, der Arzneimittel liefert, auf Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil Elida Gibbs vom 24. Oktober 1996 C–317/94, EU:C:1996:400, Slg. 1996, I-5339, Rz 28, 31) und unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage nach Art. 90 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG berechtigt, wenn
-
er diese Arzneimittel über Großhändler an Apotheken liefert,
-
die Apotheken steuerpflichtig an privat Krankenversicherte liefern,
-
der Versicherer der Krankheitskostenversicherung (das Unternehmen der privaten Krankenversicherung) seinen Versicherten die Kosten für den Bezug der Arzneimittel erstattet und
-
der pharmazeutische Unternehmer aufgrund einer gesetzlichen Regelung zur Zahlung eines "Abschlags" an das Unternehmen der privaten Krankenversicherung verpflichtet ist?
II. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt.
Gründe
1
I. Zum Sachverhalt
2
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das Arzneimittel herstellt und sie (auch im Jahr 2011, dem Streitjahr) steuerpflichtig über Großhändler an Apotheken liefert.
3
Diese geben die Arzneimittel an gesetzlich Krankenversicherte aufgrund eines Rahmenvertrages mit dem Spitzenverband der Krankenkassen ab. Die Arzneimittel werden an die Krankenkassen geliefert und von diesen ihren Versicherten zur Verfügung gestellt. Die Apotheken gewähren den Krankenkassen einen Abschlag auf den Arzneimittelpreis. Die Klägerin als pharmazeutisches Unternehmen muss den Apotheken oder —bei Einschaltung von Großhändlern— den Großhändlern diesen Abschlag erstatten. Die Finanzverwaltung behandelt den Abschlag umsatzsteuerrechtlich als Entgeltminderung (vgl. Erlass des Bundesministeriums der Finanzen —BMF— vom 14. November 2012, BStBl I 2012, 1170, unter I.1.).
4
Arzneimittel für privat Krankenversicherte geben die Apotheken aufgrund von Einzelverträgen mit diesen Personen ab. Das Unternehmen der privaten Krankenversicherung ist nicht selbst Abnehmer der Arzneimittel, sondern erstattet lediglich die ihren Versicherten entstandenen Kosten. In diesem Fall muss die Klägerin dem Unternehmen der privaten Krankenversicherung einen Abschlag auf den Arzneimittelpreis gewähren. Die Finanzverwaltung erkennt diesen Abschlag umsatzsteuerrechtlich nicht als Entgeltminderung an (vgl. BMF-Erlass in BStBl I 2012, 1170, unter I.2.).
5
Im Ausgangsverfahren ist ausschließlich die Behandlung von Abschlägen an Unternehmen der privaten Krankenversicherung streitig. Die Klägerin gewährte im Streitjahr solche Abschläge und berücksichtigte sie in ihrer Umsatzsteuererklärung als Änderung der Bemessungsgrundlage für die von ihr an Arzneimittelhändler ausgeführten Arzneimittellieferungen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) erließ aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung einen geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem die Abschläge nicht mehr entgeltmindernd berücksichtigt waren. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
6
Die daraufhin erhobene Klage hatte vor dem Finanzgericht (FG) Erfolg. Das FG änderte mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 2243 abgedruckten Urteil den Umsatzsteuerbescheid dahingehend, dass die Umsätze gemäß der Umsatzsteuer-Jahreserklärung angesetzt wurden. Gegen dieses Urteil wendet sich das FA mit der Revision.
7
II. Entscheidungsgründe
8
1. Rechtlicher Rahmen
9
a) Unionsrecht
10
Die Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Art. 74 bis 77 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) fallen, umfasst alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen (Art. 73 MwStSystRL).
11
Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Besteuerungsgrundlage (Steuerbemessungsgrundlage) unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert (Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL).
12
b) Nationales Recht
13
aa) Umsatzsteuerrecht
14
Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes —UStG—).
15
Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der den Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG).
16
bb) Krankenversicherungsrecht
17
Die Krankenkassen stellen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) ihren Versicherten die gesetzlich vorgesehenen Leistungen zur Verfügung. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach § 2 Abs. 2 Satz 3 SGB V Verträge mit den Leistungserbringern. Nach § 129 SGB V besteht zwischen dem Spitzenverband der Krankenkassen und dem Spitzenverband der Apotheken ein Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung.
18
Die Krankenkassen erhalten nach § 130a Abs. 1 Sätze 1 bis 4 SGB V von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von grundsätzlich 7 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Pharmazeutische Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten. Soweit pharmazeutische Großhändler bestimmt sind, sind pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, den Abschlag den pharmazeutischen Großhändlern zu erstatten.
19
Weitere Vorschriften des § 130a SGB V regeln die Zahlungsfrist sowie die Höhe des Abschlags in Sonderfällen.
20
Private Krankenversicherte und Personen mit beamtenrechtlichem Kostenerstattungsanspruch schließen hingegen selbst privatrechtliche Verträge mit den Leistungserbringern ab. Sie bezahlen die in Anspruch genommenen Leistungen selbst, können aber die Erstattung ihrer Kosten durch Unternehmen der privaten Krankenversicherung (vgl. § 192 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes in der Fassung des Streitjahrs —VVG—) und den beamtenrechtlichen Kostenträger (vgl. § 80 des Bundesbeamtengesetzes in Verbindung mit der Bundesbeihilfeverordnung und entsprechendes Landesrecht) verlangen.
21
Nach § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel vom 22. Dezember 2010 (AMRabG) haben die pharmazeutischen Unternehmer den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend § 130a Abs. 1, 1a, 2, 3, 3a und 3b SGB V zu gewähren. Dies gilt auch für sonstige Träger von Kosten in Krankheitsfällen, die diese im Rahmen einer Absicherung im Krankheitsfall tragen, durch die eine Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG und nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ausgeschlossen wird.
22
2. Zur Vorlagefrage
23
a) Bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
24
Wenn ein Hersteller eines Erzeugnisses, der zwar nicht vertraglich mit dem Endverbraucher verbunden ist, aber das erste Glied einer zu diesem führenden Kette von Umsätzen bildet, dem Endverbraucher einen Preisnachlass gewährt, muss nach der Rechtsprechung des EuGH die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer um diesen Nachlass vermindert werden (EuGH-Urteile Elida Gibbs vom 24. Oktober 1996 C-317/94, EU:C:1996:400, Slg. 1996, I–5339, Rz 28, 31; Ibero Tours vom 16. Januar 2014 C–300/12, EU:C:2014:8, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2014, 274, Rz 29). Der EuGH hat aber eine Minderung abgelehnt, wenn ein Reisebüro als Vermittler dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten einen Nachlass auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird (EuGH-Urteil Ibero Tours, EU:C:2014:8, HFR 2014, 274, Rz 33). Dies beruht darauf, dass das Reisebüro außerhalb einer Leistungskette vom Reiseveranstalter zum Endverbraucher steht.
25
b) Bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats
26
Bei der Bemessungsgrundlage, deren Änderung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zur Berichtigung führt, handelt es sich um das Entgelt i.S. von § 10 Abs. 1 UStG (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 28. Mai 2009 V R 2/08, BFHE 226, 166, BStBl II 2009, 870, unter II.3.a; vom 17. Dezember 2009 V R 1/09, BFH/NV 2010, 1869, unter II.1., und vom 11. Februar 2010 V R 2/09, BFHE 228, 467, BStBl II 2010, 765, unter II.1.).
27
Rabatte im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung mindern die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage. Für die Ermittlung der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG und ggf. deren nachträglicher Erhöhung oder Minderung sind allein umsatzsteuerrechtliche Grundsätze maßgeblich. § 130a SGB V enthält keine Regelung zu den umsatzsteuerrechtlichen Auswirkungen, die sich aus dem aufgrund dieser Vorschrift tatsächlich zurückgezahlten "Abschlag" ergeben (Senatsurteil in BFHE 226, 166, BStBl II 2009, 870, unter II.4.a).
28
Die Bemessungsgrundlage ändert sich aber nicht, wenn sich ein pharmazeutisches Unternehmen an einer freiwilligen Zahlung an die gesetzlichen Krankenkassen beteiligt, die die sonstige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zur Abwendung einer Preisreglementierung zum Zweck hat und allein für die Zukunft wirken soll (Senatsurteil vom 30. Januar 2014 V R 1/13, BFH/NV 2014, 911).
29
c) Beurteilung im Streitfall
30
Der Senat versteht die bisherige Rechtsprechung des EuGH dahingehend, dass Nachlässe, die ein Unternehmer einem Dritten gewährt, der nicht vertraglich mit ihm verbunden ist, die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer auf die von dem Unternehmer ausgeführte Leistung nur dann mindern, wenn eine Kette von Umsätzen von dem Unternehmen zu dem abschlagsberechtigten Dritten führt. Danach würden im Streitfall die Abschläge an Unternehmen der privaten Krankenversicherung die Bemessungsgrundlage für die von der Klägerin erbrachten Lieferungen nicht mindern, da die abschlagsberechtigten Unternehmen der privaten Krankenversicherung außerhalb der Leistungskette von der Klägerin zum Endverbraucher stehen.
31
d) Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz
32
Der Senat hält es für unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union —EUGrdRCh—), wenn Abschläge an Unternehmen der privaten Krankenversicherung anders als Abschläge im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung die Besteuerungsgrundlage nicht mindern, obwohl der pharmazeutische Unternehmer durch beide Abschläge in gleicher Weise belastet wird. Bei den Abschlägen handelt es sich um vergleichbare Sachverhalte; eine objektive Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung ist nicht erkennbar.
33
aa) Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz
34
Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich (Art. 20 EUGrdRCh).
35
Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gehört zu den Grundprinzipien des Unionsrechts. Er verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (EuGH-Urteile Ruckdeschel und Hansa-Lagerhaus Ströh vom 19. Oktober 1977 117/76 und 16/77, EU:C:1977:160, Slg. 1977, 1753, Rz 7; Jetair und BTWE Travel4you vom 13. März 2014 C–599/12, EU:C:2014:144, HFR 2014, 466, Rz 53; bpost vom 11. Februar 2015 C–340/13, EU:C:2015:77, Rz 27). Allein die unterschiedliche Rechtsform mehrerer Unternehmen rechtfertigt nicht deren Ungleichbehandlung (EuGH-Urteil Serrantoni Srl und Consorzio stabile edili Scrl vom 23. Dezember 2009 C–376/08, EU:C:2009:808, Rz 37, Slg. 2009, I–12169, Rz 37).
36
Im Mehrwertsteuerrecht kommt der Grundsatz der Gleichbehandlung auch im Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck (EuGH-Urteile Zimmermann vom 15. November 2012 C–174/11, EU:C:2012:716, HFR 2013, 84, Rz 46 ff.; Jetair und BTWE Travel4you, EU:C:2014:144, HFR 2014, 466, Rz 53). Dieser Grundsatz kann es erfordern, das Mehrwertsteuerrecht unabhängig davon anzuwenden, welche Rechtsform die Beteiligten gewählt haben (vgl. EuGH-Urteile BBL vom 21. Oktober 2004 C–8/03, EU:C:2004:650, Slg. 2004, I–10157, Rz 36; HE vom 21. April 2005 C–25/03, EU:C:2005:241, Slg 2005, I–3123, Rz 39; Linneweber und Akritidis vom 17. Februar 2005 C–453/02 und C–462/02, EU:C:2005:92, Slg. 2005, I–1131, Rz 25, 29; The Rank Group vom 10. November 2011 C–259/10 und C–260/10, EU:C:2011:719, Slg. 2011, I–10947, Rz 46). Er lässt es nicht zu, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Umsatzsteuer unterschiedlich behandelt werden (EuGH-Urteile JP Morgan u. a. vom 28. Juni 2007 C–363/05, EU:C:2007:391, Slg. 2007, I–5517, Rz 29; A vom 19. Juli 2012 C–33/11, EU:C:2012:482, HFR 2012, 1016, Rz 32, m.w.N.).
37
Während aber ein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität nur zwischen konkurrierenden Wirtschaftsteilnehmern in Betracht gezogen werden kann, kann ein Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung im Steuerbereich durch andere Arten der Diskriminierung gekennzeichnet sein, die Wirtschaftsteilnehmer betreffen, die nicht zwangsläufig miteinander konkurrieren, aber sich trotzdem in einer in anderer Beziehung vergleichbaren Situation befinden (EuGH-Urteile Marks und Spencer vom 10. April 2008 C–309/06, EU:C:2008:211, HFR 2008, 775, Rz 49; Kommission/Schweden vom 25. April 2013 C–480/10, EU:C:2013:263, HFR 2013, 545, Rz 17). Daraus folgt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Steuern nicht mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität deckungsgleich ist (EuGH-Urteil Kommission/Schweden, EU:C:2013:263, HFR 2013, 545, Rz 17 f.).
38
bb) Vergleichbarkeit der Sachverhalte
39
Die Abschläge an Unternehmen der privaten Krankenversicherung und die Abschläge im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung dienen dem gleichen Zweck. Die Zahlungen an die Unternehmen der privaten Krankenversicherung sollen die Regelung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wirkungsgleich in die übrigen Bereiche der Absicherung im Krankheitsfall übertragen. Die Arzneimittelhersteller sollen in beiden Fällen in gleichem Umfang zur Entlastung derjenigen Stellen herangezogen werden, die im Ergebnis die Kosten der Arzneimittelversorgung tragen. Der nationale Gesetzgeber erachtete es für sachlich nicht gerechtfertigt, für den Gesundheitsschutz außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung abweichende Abschläge vorzusehen (BTDrucks 17/3698, S. 60).
40
cc) Keine objektive Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung
41
Der objektive Unterschied zwischen beiden Abschlägen rechtfertigt keine unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung.
42
(1) Der Unterschied betrifft nur die technische Ausgestaltung der Abschläge. Er geht zurück auf die sozialrechtlich andersgeartete Grundordnung der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits sowie der privaten Krankenversicherung und der beamtenrechtlichen Kostenerstattung andererseits.
43
(2) Angesichts der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zu rechtsformabhängigen Ungleichbehandlungen erlaubt diese Differenz keine ungleiche mehrwertsteuerrechtliche Behandlung.
44
Diese Rechtsprechung betrifft zwar teilweise den Grundsatz der Neutralität, ist aber auch bei der Auslegung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu berücksichtigen. Im Grundsatz der Neutralität kommt im Mehrwertsteuerrecht der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz zum Ausdruck. Daher konkretisieren die zum Grundsatz der Neutralität entwickelten Maßstäbe zugleich die Bedeutung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes für das Mehrwertsteuerrecht.
45
Der Anwendung dieser Rechtsprechung steht auch nicht entgegen, dass der EuGH bisher nur die Ungleichbehandlung unterschiedlicher Leistender zu beurteilen hatte. Ungleichbehandlungen können sowohl an die Person des Leistenden als auch an die Person des Leistungsempfängers anknüpfen und sich in beiden Fällen ähnlich auswirken.
46
3. Zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage
47
Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich für die Frage, ob sich die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer der Klägerin wegen der an Unternehmen der privaten Krankenversicherung gewährten Abschläge mindert. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hat diese Abschläge nicht einem Endverbraucher gewährt, zu dem von ihr aus eine Kette von Umsätzen führte, sondern Versicherern und anderen Kostenträgern, die dem Endverbraucher den Kaufpreis für die Produkte der Klägerin erstattet haben. Die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer der Klägerin mindert sich daher nur dann, wenn die Vorlagefrage zu bejahen ist.
48
4. Zum Rechtsgrund der Vorlage
49
Die Vorlage beruht auf Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
50
5. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.