01.12.2016 · IWW-Abrufnummer 190262
Bundesfinanzhof: Urteil vom 09.08.2016 – VIII R 27/14
1. Dem Feststellungsbescheid über Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG nach der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Rechtslage (sog. Altverluste) kommt als Grundlagenbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bei einer Verlustverrechnung im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG sowohl hinsichtlich des Bestehens als auch der Höhe der Altverluste Bindungswirkung zu.
2. Durch das Nichtbeachten eines Grundlagenbescheids bei der erstmaligen Festsetzung der Steuer oder einer Folgeänderung wird der Grundlagenbescheid nicht "verbraucht". Er ist nach wie vor geeignet, eine spätere nochmalige Änderung des Folgebescheids zu rechtfertigen.
3. Die Verrechnung von Altverlusten aus der Veräußerung von Wertpapieren mit nach der Verrechnung i.S. des § 43a Abs. 3 EStG verbleibenden positiven Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG ist zwingend, wenn gemäß § 32d Abs. 4 EStG die Einbeziehung der Kapitaleinkünfte in die Steuerfestsetzung beantragt wurde und keine Ausgleichsmöglichkeit der Altverluste mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG besteht.
Tenor:
Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Mai 2014 7 K 7337/11 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 26. September 2011 sowie der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 28. Februar 2011 aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 25. August 2014 mit der Maßgabe abzuändern, dass die Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von jeweils 25.271 € mit dem im Bescheid vom 23. September 2009 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2008 festgestellten verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 des Einkommensteuergesetzes in der bis zum 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung verrechnet werden.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe
I.
1
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
2
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erließ am 23. September 2009 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2008, in dem es den Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der bis zum 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung —a.F.— (sog. Altverluste) für den Kläger auf 99.082 € und für die Klägerin auf 97.377 € feststellte. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2009) stellten die Kläger sowohl einen Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG 2009 als auch einen Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG 2009. Das FA setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr mit Bescheid vom 1. Dezember 2010 unter Einbeziehung der nach § 32d Abs. 1 EStG 2009 zu besteuernden Kapitaleinkünfte bestandskräftig fest. Eine Verrechnung des Verlustvortrags aus privaten Veräußerungsgeschäften zum 31. Dezember 2008 mit den im Streitjahr erzielten Kapitalerträgen i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 nahm es dabei nicht vor.
3
Mit Schreiben vom 23. Februar 2011 beantragte der Steuerberater der Kläger eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr, da die Kläger "von ihrem Veranlagungswahlrecht gemäß § 32d EStG hinsichtlich der Verlustvorträge aus Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften Gebrauch machen wollten".
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Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. Februar 2011 ab, da die Einkommensteuerfestsetzung für 2009 bereits bestandskräftig geworden sei und die Voraussetzungen für eine Änderung des Bescheids nach den Korrekturvorschriften der Abgabenordnung (AO) nicht vorlägen. Der von den Klägern hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit Urteil vom 14. Mai 2014 7 K 7337/11 (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2014, 1680) als unbegründet abgewiesen.
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Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
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Während des Revisionsverfahrens erließ das FA einen auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützten Einkommensteueränderungsbescheid für 2009 vom 25. August 2014, in dem es die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung ( § 21 EStG 2009) um 349,72 € erhöhte. In gleicher Höhe verrechnete es unter Anwendung des § 177 AO die Altverluste der Kläger aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2009 mit Kapitaleinkünften der Klägerin i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009. Die Höhe der zuvor festgesetzten Steuer änderte sich aufgrund der Saldierung nicht.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA vom 26. September 2011 sowie den Ablehnungsbescheid des FA vom 28. Februar 2011 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerfestsetzung für 2009 vom 25. August 2014 dahingehend zu ändern, dass die Kapitaleinkünfte der Kläger i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 in Höhe von jeweils 25.271 € mit den Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG a.F. vollumfänglich verrechnet werden.
8
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
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Die Revision ist begründet und der Klage stattzugeben ( § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung und des Ablehnungsbescheids des FA. Die Ablehnung des Änderungsantrags der Kläger ist rechtswidrig und verletzt diese in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO ). Die Sache ist spruchreif.
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Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben (s. unter II.1. der Gründe dieser Entscheidung). Die Revision hat aber auch in der Sache Erfolg. Die Einkommensteuerfestsetzung für 2009 ist gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO aufgrund der Bindungswirkung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2008 vom 23. September 2009 zu ändern (s. unter II.2. der Gründe dieser Entscheidung). Die gemäß § 32d Abs. 4 EStG 2009 in die Veranlagung einzubeziehenden positiven Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 (s. unter II.3. der Gründe dieser Entscheidung) waren gemäß §§ 20 Abs. 6 Satz 1 , 23 Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG 2009 mit den Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG a.F. zwingend zu verrechnen (s. unter II.4. der Gründe dieser Entscheidung).
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1. Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, ohne dass es einer Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO bedarf.
12
a) Das FG hat über den Antrag der Kläger auf Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 1. Dezember 2010 entschieden. Das FA hat im Anschluss an das Urteil aufgrund nachträglich bekanntgewordener Tatsachen betreffend die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung ( § 21 EStG 2009) gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 25. August 2014 erlassen. Damit ist Gegenstand des FG-Urteils ein Verpflichtungsantrag auf Änderung eines nicht mehr existierenden Bescheids, so dass es keinen Bestand haben kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 20. November 2003 IV R 31/02 , BFHE 204, 166, BStBl II 2006, 7, [BFH 20.11.2003 - IV R 31/02] m.w.N.).
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b) Der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 25. August 2014 ist nach § 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. § 68 FGO gilt auch, soweit mit der Verpflichtungsklage die Änderung eines Verwaltungsakts begehrt wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Dezember 2009 V B 23/08 , BFH/NV 2010, 1866; vom 18. Dezember 2003 II B 31/00 , BFHE 204, 35, BStBl II 2004, 237 [BFH 18.12.2003 - II B 31/00] ). Da durch den geänderten Bescheid keine Verböserung eingetreten ist, sich hinsichtlich der vorliegend streitigen Punkte keine Änderungen ergeben haben und die Kläger auch keinen weitergehenden Antrag gestellt haben, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO . Das finanzgerichtliche Verfahren leidet auch nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht entfallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats ( BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00 , BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43 [BFH 23.01.2003 - IV R 71/00] ).
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2. Die Kläger haben trotz des Eintritts der formellen Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 1. Dezember 2010 einen Anspruch auf Korrektur des Änderungsbescheids vom 25. August 2014 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO .
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a) Gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO darf ein formell bestandskräftiger Steuerbescheid, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, geändert werden, soweit dies gesetzlich zugelassen ist. Dies ist nach der Korrekturvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO der Fall, soweit ein Grundlagenbescheid ( § 171 Abs. 10 AO ), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Bei dem Bescheid vom 23. September 2009 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2008 über Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG a.F. handelt es sich um einen solchen Grundlagenbescheid. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 10 EStG 2009 mindern diese Verluste nach Maßgabe des § 10d EStG 2009 auch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus § 20 Abs. 2 EStG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) erzielt. Dem Verlustfeststellungsbescheid über die Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften kommt danach sowohl hinsichtlich des Bestehens als auch der Höhe der Altverluste Bindungswirkung bei der Verrechnung mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 zu (vgl. Blümich/Schlenker, § 10d EStG Rz 136; Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach —HHR—, § 10d EStG Rz 109, 122; Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rz D 86; BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 18/02 , BFHE 204, 273, BStBl II 2004, 468 [BFH 22.10.2003 - I R 18/02] ).
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b) Der Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 25. August 2014 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO steht nicht entgegen, dass dem FA der Bescheid vom 23. September 2009 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2008 als Grundlagenbescheid bereits bekannt war, als es den Einkommensteuerbescheid für 2009 am 1. Dezember 2010 erlassen und mit Bescheid vom 25. August 2014 aus anderen Gründen geändert hat. Durch das Nichtbeachten eines Grundlagenbescheids bei der erstmaligen Festsetzung der Steuer oder einer Folgeänderung wird der Grundlagenbescheid nicht "verbraucht". Er ist nach wie vor geeignet, eine spätere nochmalige Änderung des Folgebescheids zu rechtfertigen. Das FA ist nicht verpflichtet, alle Korrekturmöglichkeiten in ein und demselben Einkommensteueränderungsbescheid auszuschöpfen ( BFH-Urteile vom 4. Juli 1989 VIII R 217/84 , BFHE 157, 427, BStBl II 1989, 792 [BFH 04.07.1989 - VIII R 217/84] ; vom 14. Juni 1991 III R 64/89 , BFHE 165, 438, BStBl II 1992, 52 [BFH 14.06.1991 - III R 64/89] ).
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c) Da mit § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine eigene Korrekturvorschrift gegeben ist, ist die Steuerfestsetzung vom 25. August 2014 über den Korrekturrahmen der §§ 173 Abs. 1 Nr. 1 , 177 , 351 Abs. 1 AO hinaus zu ändern, wenn die weiteren Voraussetzungen für eine Verlustverrechnung nach §§ 20 Abs. 6 Satz 1 , 23 Abs. 3 Satz 10 EStG 2009 vorliegen. Dies ist vorliegend der Fall (s. unten).
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3. Anders als das FG und die Beteiligten meinen, haben die Kläger im Streitfall rechtzeitig einen Antrag auf Einbeziehung der Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuerfestsetzung nach § 32d Abs. 4 EStG 2009 gestellt.
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a) Die Verrechnung von Altverlusten mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 gemäß §§ 20 Abs. 6 Satz 1 , 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2009 kann —auch bei einer Korrektur gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO— nur erfolgen, wenn die Kapitaleinkünfte aufgrund einer Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG 2009 in die Einkommensteuerfestsetzung miteinbezogen werden (vgl. Jachmann/Lindenberg in Lademann, EStG, § 20 EStG Rz 856; Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 242; HHR/Buge, § 20 EStG Rz 616; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rz H 24 —214. Ergänzungslieferung, November 2010—; Jäck/ Modler, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 2011, 106, 108). Gemäß dem Senatsurteil vom 28. Juli 2015 VIII R 50/14 (BFHE 250, 413, BStBl II 2015, 894 [BFH 28.07.2015 - VIII R 50/14] ) handelt es sich bei dem Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG 2009 um ein unbefristetes Veranlagungswahlrecht. Allerdings ergibt sich eine zeitliche Begrenzung der Wahlrechtsausübung aus dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Institut der Bestandskraft (vgl. Senatsurteil vom 12. Mai 2015 VIII R 14/13 , BFHE 250, 64, BStBl II 2015, 806 [BFH 12.05.2015 - VIII R 14/13] ).
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b) Die Annahme des FG, die Kläger hätten erst nach dem Eintritt der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 1. Dezember 2010 den Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG 2009 gestellt, beruht auf widersprüchlichen Feststellungen.
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aa) Das FG hat in seinem Urteil auf die Einkommensteuererklärung der Kläger für 2009 vom 23. September 2010 Bezug genommen. Diese war auch Bestandteil der Akten, die Grundlage für das finanzgerichtliche Urteil waren, so dass deren Inhalt als festgestellt i.S. des § 118 Abs. 2 FGO gilt (z.B. BFH-Urteile vom 20. August 1986 I R 87/83 , BFHE 147, 521, BStBl II 1987, 75 [BFH 20.08.1986 - I R 87/83] ; vom 27. Mai 1981 I R 123/77 , BFHE 133, 412, BStBl II 1982, 211 [BFH 27.05.1981 - I R 123/77] ; vom 13. Oktober 1983 VII R 146/82 , BFHE 139, 491, BStBl II 1984, 183 [BFH 13.10.1983 - VII R 146/82] ). Die Kläger haben in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr im Feld der Zeile 5 des Erklärungsvordrucks der Anlage KAP eine 1 (= Ja) eingetragen. Sie haben damit die Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge beantragt und bereits vor dem Erlass der erstmaligen Einkommensteuerfestsetzung den Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG 2009 gestellt. Dementsprechend hat das FA die von den Klägern erklärten Kapitaleinkünfte der Festsetzung der Einkommensteuer in den Bescheiden vom 1. Dezember 2010 und vom 25. August 2014 zugrunde gelegt.
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bb) Die Kläger haben diese widersprüchliche Feststellung des FG zwar nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen, sondern selbst die Auffassung vertreten, dass sie den Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG 2009 nicht rechtzeitig gestellt hätten. Jedoch ist die unzureichende und widersprüchliche Sachverhaltsdarstellung in einem angefochtenen Urteil ein materiell-rechtlicher Fehler, der auch ohne diesbezügliche Rüge vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten ist und zum Wegfall der Bindungswirkung der Feststellungen des FG nach § 118 Abs. 2 FGO führt ( BFH-Urteil vom 25. Juni 2003 X R 72/98 , BFHE 202, 514, BStBl II 2004, 403, [BFH 25.06.2003 - X R 72/98] m.w.N.).
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4. Entgegen der Auffassung des FG steht einer Verrechnung der Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 nicht entgegen, dass die Kläger in das Feld der Zeile 59 des Erklärungsvordrucks der Anlage KAP keine 1 (= Ja) bezüglich des Antrags auf Verrechnung von Verlusten nach § 23 EStG a.F. eingetragen haben. Die Verrechnung der Altverluste mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 war nach §§ 20 Abs. 6 Satz 1 , 23 Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG 2009 im vorliegenden Fall zwingend, so dass sie nicht von der Ausübung eines Wahlrechts abhängig war.
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a) Gemäß § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG 2009 sind verbleibende positive Einkünfte aus Kapitalvermögen nach der Verrechnung i.S. des § 43a Abs. 3 EStG 2009 zunächst mit Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Maßgabe des § 23 Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG 2009 zu verrechnen. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG 2009 können Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 a.F. auch mit Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 EStG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) ausgeglichen werden. Danach ist die Verrechnung von Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG a.F. mit nach der Verrechnung i.S. des § 43a Abs. 3 EStG 2009 verbleibenden positiven Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 jedenfalls dann zwingend, wenn keine Ausgleichsmöglichkeit der Altverluste mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG 2009 besteht. Eine Verrechnung der Altverluste im Veranlagungsverfahren geht dabei einer Verrechnung mit "neuen" Verlusten aus § 20 Abs. 2 EStG 2009 vor (vgl. Jachmann/Lindenberg in Lademann, a.a.O., § 20 EStG Rz 856, 865 ff.; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rz H 21 —214. Ergänzungslieferung, November 2010—; HHR/Buge, § 20 EStG Rz 611, 614 f.; Blümich/Ratschow, § 20 EStG Rz 465; Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 242; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 32. Aufl., § 20 Rz 187; Seitz, Der Steuerberater 2009, 426; Lappas, Die Steuerberatung 2009, 446, 451; Strauch, Deutsches Steuerrecht 2010, 254 f.; Jäck/Modler,DStZ 2011, 106, 108; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18. Januar 2016, BStBl I 2016, 85, Rz 118).
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b) Diese Voraussetzungen für eine zwingende Verrechnung der zum 31. Dezember 2008 festgestellten Altverluste der Kläger aus privaten Veräußerungsgeschäften mit den im Streitjahr erzielten positiven Einkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 sind vorliegend erfüllt, da die Kläger im Streitjahr keine positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt haben. Einer Antragstellung, wie in Zeile 59 der Anlage KAP zur Einkommensteuererklärung 2009 vorgesehen, bedurfte es folglich nicht.
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c) Der Senat hat mangels positiver Einkünfte der Kläger i.S. des § 23 EStG 2009 im Streitjahr nicht über die Frage zu entscheiden, ob die Altverluste vor der Verrechnung mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 zunächst mit den nach § 23 EStG 2009 zu besteuernden Einkünften innerhalb der Einkunftsart zu verrechnen sind oder ob bezüglich der Verrechnung mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 ein Wahlrecht besteht.
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5. Die Kläger haben danach einen Anspruch auf Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2009 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO . Das FA wird verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 25. August 2014 mit der Maßgabe abzuändern, dass die Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 in Höhe von jeweils 25.271 € mit dem im Bescheid vom 23. September 2009 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2008 festgestellten verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG a.F. vollumfänglich verrechnet werden. Eine Festsetzung durch den Senat (§ 100 Abs. 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO ) kommt nicht in Betracht, da die Vorschrift auf Verpflichtungsklagen —wie die erhobene Klage auf Änderung der formell bestandskräftigen Steuerfestsetzung— keine Anwendung findet ( BFH-Urteil vom 28. Oktober 2009 I R 27/08 , BFHE 227, 73, BStBl II 2011, 229, [BFH 28.10.2009 - I R 27/08] m.w.N.).
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6. Bei der Verlustverrechnung hat das FA zu berücksichtigen, dass Verluste aus der Veräußerung von Wertpapieren, die vor dem 1. Januar 2009 angeschafft wurden, auch nach dem Inkrafttreten der Abgeltungsteuer dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen ( Senatsurteil vom 3. November 2015 VIII R 37/13 , BFHE 252, 274, BStBl II 2016, 273 [BFH 03.11.2015 - VIII R 37/13] ). Der verbleibende Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften zum 31. Dezember 2008 ist danach in Höhe der festgestellten Nominalbeträge mit den Kapitaleinkünften der Kläger i.S. des § 20 Abs. 2 EStG 2009 zu verrechnen. Der Senat weist zudem darauf hin, dass der durch die Saldierung im Einkommensteuerbescheid vom 25. August 2014 verbrauchte Verlust in Höhe von 349,72 € im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009 vom 25. August 2014 mit jeweils 25.271 € für jeden der beiden Kläger zu hoch angesetzt wurde.
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7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .