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  • 09.01.2017 · IWW-Abrufnummer 191063

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 31.08.2016 – 2 K 3950/14 G

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.
     
    1

    Tatbestand
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    Streitig ist, ob die Klägerin im Streitjahr (2011) als Rentenberaterin der Gewerbesteuer unterlag.
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    Die 1962 geborene Klägerin erwarb die mittlere Reife und absolvierte im Anschluss an die Schulzeit eine Ausbildung zum Bürokaufmann sowie die zweijährige höhere Handelsschule. Nach Abschluss der Ausbildung war sie 16 Jahre lang im Bereich der Altersversorgung in der Hauptverwaltung der A‑Krankenkasse tätig.
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    Ab dem Jahr 2000 war sie bei der B GmbH & Co KG bzw. der C GmbH in D als Referentin und Spezialistin in den Rechtsgebieten „gesetzliche Rentenversicherung“ und „Versorgungsausgleichsrecht“ beschäftigt. Sie berechnete Sozialversicherungsrenten nach dem Rechtsstand des Jahres 2003 bzw. nach älteren Rechtsständen sowie Anwartschaften nach dem Leistungsrecht der VBL oder der Zusatzversorgungskassen. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeiten war die Anwendung des Versorgungsausgleichs-Härteregelungsgesetzes (VAHRG).
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    2004 erteilte ihr der Präsident des Landgerichts E die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sachbereich eines Rentenberaters gem. Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG). 2005 ließ die Präsidentin des Landessozialgerichts F sie zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten und dem Landessozialgericht F gem. § 73 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) a.F., § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) a.F. und § 1 der Verordnung über die Zulassung von Prozessagenten bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit im Lande F zu. Die Klägerin ist mit der Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sachbereich eines Rentenberaters ohne Beschränkung auf den außergerichtlichen Bereich sowie mit der Zulassung zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten des Landes F und dem Landessozialgericht F im Rechtsdienstleistungsregister registriert.
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    Die Klägerin wurde 2008 als Sachverständige vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zu dem Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs angehört.
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    Seit 2009 ist die Klägerin hauptberuflich selbständig tätig. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt seither im Versorgungsausgleichsrecht. Wegen der Fortbildungsveranstaltungen, an  denen die Klägerin seit 2001 teilgenommen hat, wird auf die tabellarische Aufstellung Bl. 19 f. d.A. Bezug genommen.
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    Die Klägerin erklärte im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr – wie für die Vorjahre – Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), folgte dem nicht und setzte einen Gewerbesteuermessbetrag auf der Grundlage des erklärten Gewinns (39.424 EUR) in Höhe von 521 EUR fest. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Das FA wies diesen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin übe keine dem Beruf eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten ähnliche Tätigkeit aus. Es genüge insofern nicht, wenn das Wissen eines Steuerpflichtigen – wie im Streitfall – lediglich ein Teilgebiet eines Katalogberufs umfasse. Erforderlich seien vielmehr Erfahrungen und Kenntnisse in allen Kernbereichen eines Fachstudiums eines Rechtsanwalts. Es lägen auch keine Einkünfte aus sonstiger selbständiger Tätigkeit vor. Eine Ähnlichkeit zu den in § 18 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Regelbeispielen (Testamentsvollstrecker, Aufsichtsrat, Vermögensverwalter) sei nicht gegeben. Ein Rentenberater werde im Unterschied zu diesen Berufen nicht vermögensverwaltend tätig.
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    Dagegen richtet sich die Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Tätigkeit sei zumindest mit der eines Steuerberaters vergleichbar, weil das Rentenrecht ähnlich wie das Steuerrecht ein hochkomplizierter Teilbereich der Rechtswissenschaften sei. Beide Berufe seien kein ausschließlich akademischer Berufsstand. Mit beiden Berufen sei eine gewerbliche Tätigkeit unvereinbar. Würde man die Kriterien des FA auf den Steuerberater anlegen, käme man zu dem Ergebnis, dass ein Steuerberater keine freiberufliche Tätigkeit ausübte. Jedenfalls lägen aber Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit vor. Soweit das FA bei seiner rechtlichen Würdigung entscheidend auf die Tiefe und Breite der Ausbildung der Klägerin abstelle, finde sich dafür kein genügender Anhaltspunkt im Gesetz.
    10

    Die Klägerin beantragt,
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    den Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2011 vom 12.08.2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.11.2014 aufzuheben;
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    hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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    Der Beklagte beantragt,
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    die Klage abzuweisen.
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    Das FA wiederholt und vertieft seine Rechtsauffassung.
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    Entscheidungsgründe
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    Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid ist rechtmäßig.
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    1. Die Klägerin betrieb im Streitjahr einen Gewerbebetrieb, der der Gewerbesteuer unterlag. Der Gewerbesteuer unterliegen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) (inländische) gewerbliche Unternehmen im Sinn des Einkommensteuergesetzes. Nicht gewerblich sind danach gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG Betriebe, deren Betätigung als Ausübung eines freien Berufs oder als eine selbstständige Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG) anzusehen ist.
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    Die Klägerin erzielte keine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, da sie keinen Beruf ausübt, der einem in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufe ähnlich ist (ebenso für den Beruf des Rentenberaters: Finanzgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 26.11.2015 15 K 1183/13 bei juris, Stuhrmann in Kirchhof/ Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 18 Rn. B 270 Stichwort „Rentenberater“, Korn, EStG, § 18 Rn. 87; a.A. Brandt in Hermann/ Heuer/ Raupach, EStG/ KStG, § 18 EStG Rn. E 310 Stichwort „Rentenberater“ und Güroff in Littmann/ Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 18 Rn. 172 a.E.). Eine sonstige selbständige Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG lag ebenfalls nicht vor.
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    a) Bei der Qualifikation eines Berufs als ähnlich im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte auf die Ähnlichkeit mit einzelnen Katalogberufen und nicht mit den Katalogberufen als Gruppe an (sog. „Gruppenähnlichkeit“, vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 35.A. 2016, § 18 Rn. 125 m.w.N.). In Betracht kommt im Streitfall nur eine Ähnlichkeit mit den Katalogberufen des Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten. Eine solche Ähnlichkeit ist nicht gegeben.
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    Der fragliche Beruf – hier also der des Rentenberaters – muss mit dem Katalogberuf in wesentlichen Punkten, d.h. hinsichtlich der Ausbildung und der beruflichen Tätigkeit, vergleichbar sein. Nach ständiger Rechtsprechung muss, wenn der Katalogberuf eine qualifizierte Ausbildung voraussetzt, auch die Ausbildung desjenigen, der den ähnlichen Beruf innehat, mit der für den Katalogberuf erforderlichen Ausbildung vergleichbar sein (vgl. z.B. Wacker a.a.O. Rn. 126 f. m.w.N.). Es genügt demnach in solchen Fällen nicht, wenn der Steuerpflichtige eine Tätigkeit ausübt, die auch von den Angehörigen der genannten Katalogberufe ausgeübt wird. Wer die für den Katalogberuf vorgeschriebene Ausbildung nicht besitzt, kann zwar die für den Katalogberuf erforderlichen Kenntnisse auf andere Weise, insbesondere auch anhand von Arbeiten in seiner praktischen Berufstätigkeit nachweisen. Auch für diesen Fall ist allerdings nach ständiger Rechtsprechung Voraussetzung, dass der Tiefe und der Breite nach das Wissen des Kernbereichs der für den Katalogberuf vorgesehenen Ausbildung, insb. eines Fachstudiums, nachgewiesen wird (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14.06.2007 XI R 11/06, BFH/NV 2007, 2091). Nur derjenige, der entsprechend umfangreiche Kenntnisse bereits nachgewiesen hat, kann sich – wie auch manche Angehörige eines Katalogberufes – auf einen Teilbereich spezialisieren (BFH-Urteil vom 16.10.1997 IV R 19/97, BStBl. II 1998, 139 für den Beruf des Versicherungsberaters). Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin keine überzeugenden Gründe vorgetragen, die es rechtfertigten, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen.
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    aa) Der Beruf des Rentenberaters ist mit dem Beruf des Rechtsanwalts im Hinblick auf die Ausbildung nicht vergleichbar (ebenso Finanzgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 26.11.2015 a.a.O.). Gem. § 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) kann zur Anwaltschaft nur zugelassen werden, wer die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz (DRiG) erlangt hat oder die Eingliederungsvoraussetzungen nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland erfüllt oder die Eignungsprüfung nach diesem Gesetz bestanden hat. Die Befähigung zum Richteramt erwirbt, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt (§ 5 Abs. 1 DRiG). Gem. § 5a Abs. 2 DRiG sind Pflichtfächer des Studiums die Kernbereiche des Bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, des Öffentlichen Rechts und des Verfahrensrechts einschließlich der europarechtlichen Bezüge, der rechtswissenschaftlichen Methoden und der philosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen. Die Ausbildung der Klägerin ist mit einem rechtswissenschaftlichen Studium nicht, was die Tiefe und Breite der Kernbereiche anbelangt, vergleichbar, da sie durch eine hochgradige Spezialisierung innerhalb des Rechts gekennzeichnet ist. Dass die Klägerin, was nach Aktenlage offenkundig ist, in ihrem speziellen Aufgabengebiet eine anerkannte Expertin ist, kann diesen Umstand nicht kompensieren.
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    Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass die Tätigkeit von Rechtskonsulenten bzw. Prozessagenten (§ 157 Abs. 3 ZPO a.F., vgl. H 15.6 EStH 2012 und RFH-Beschluss vom 07.12.1938 VI 718/38, RStBl. 1939, 215) und von Rechtsbeiständen in der Vergangenheit im Einzelfall als freiberuflich qualifiziert worden ist. Denn auch insoweit wurde die Ähnlichkeit mit dem Katalogberuf des Rechtsanwalts verneint, wenn der Steuerpflichtige nur in einem einzigen Aufgabengebiet tätig sein durfte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16.10.1997 IV R 19/97, BStBl. II 1998, 139; Finanzgericht Nürnberg Urteil vom 10.04.1984 II 79/79, Rbeistand 1984, 222). Die Klägerin darf nur in einem solchen eng begrenzten Aufgabengebiet tätig werden. Dem steht nicht entgegen, dass sie gem. § 3 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz als registrierte Erlaubnisinhaberin nach bestimmten Vorschriften der Verfahrensordnungen einem Rechtsanwalt gleichsteht, soweit ihr die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung nach dem früheren Recht gestattet war. Es verbleibt demnach auch unter der Geltung des Rechtsdienstleistungsgesetzes bei der Beschränkung auf ein bestimmtes Aufgabengebiet, nämlich die Rentenberatung.
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    bb) Der Beruf des Rentenberaters ist auch nicht dem des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten ähnlich, schon weil eine nennenswerte fachliche Überschneidung bzw. Nähe zu den Aufgaben der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten fehlt (so auch Finanzgericht Berlin-Brandenburg a.a.O; Finanzministerium Schleswig-Holstein Erlass vom 17.02.2012, DStR 2012, 1448; a.A. Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.10.1984 V 93/83, Rbeistand 1984, 223). Dass insb. die früheren Zulassungsvoraussetzungen für die Steuerbevollmächtigten-Prüfung (Zeugnis der mittleren Reife, eine Ausbildung in einem steuerberatenden, wirtschaftsberatenden oder kaufmännischen Beruf und eine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens) mit der Qualifikation der Klägerin vergleichbar waren, ist demgegenüber unerheblich.
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    Wenn man, wie die Klägerin, die steuerberatenden Katalogberufe als Spezialisierungen innerhalb der Gruppe der rechtsberatenden Berufe ansieht, folgt daraus noch nicht, dass gänzlich andere spezialisierte Rechtsdienstleistungen ebenfalls als freiberuflich anzuerkennen wären. Es handelt sich bei der Rentenberatung nicht um eine der Steuerberatung ähnliche Spezialisierung, sondern um eine andere Spezialisierung innerhalb der rechtsberatenden Berufe, mithin um ein eigenständiges verselbständigtes Berufsbild, das nicht den Katalogberufen zuzurechnen oder als ihnen ähnlicher Beruf anzusehen ist (vgl. für Berufsbetreuer: BFH-Urteil vom 15.06.2010 VIII R 10/09, BStBl. II 2010, 906).
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    b) Die Tätigkeit des Rentenberaters ist schließlich auch nicht als eine sonstige selbständige Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG anzusehen. Nach ständiger Rechtsprechung enthält diese Vorschrift keinen abschließenden Katalog der in Betracht kommenden Einkünfte, sondern lediglich eine Auflistung von Regelbeispielen (Testamentsvollstreckung, Vermögensverwaltung und Aufsichtsratstätigkeit). Weitere Tätigkeiten fallen in den Anwendungsbereich der Regelung, wenn sie ihrer Art nach den Regelbeispielen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ähnlich sind (Grundsatz der Gruppenähnlichkeit). Das ist z.B. der Fall, wenn die Tätigkeit die Betreuung fremder Vermögensinteressen umfasst, aber darüber hinaus auch dann, wenn es sich um eine selbstständig ausgeübte fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis handelt (BFH-Urteil vom 15.06.2010 a.a.O.).
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    Der Beruf des Rentenberaters ist den in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG genannten Regelbeispielen nicht ähnlich. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass Vergütungen, die die sog. Versicherungsältesten beziehen, als sonstige selbstständige Einkünfte behandelt werden (vgl. Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 14.12.1989 II K 440/86, EFG 1990, 309; Sächsisches Finanzgericht Urteil vom 25.06.2003 2 K 1945/01 bei juris), ergibt sich daraus kein anderes Ergebnis. Denn beim Versicherungsältesten handelt es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit bei einem Sozialversicherungsträger. Die Tätigkeit des Rentenberaters ist jedoch nicht mit ehrenamtlichen bzw. vermögensverwaltenden Tätigkeiten vergleichbar.
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    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.