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  • 10.01.2017 · IWW-Abrufnummer 191107

    Finanzgericht München: Urteil vom 31.08.2016 – 3 K 874/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FG München

    31.08.2016 - 3 K 874/14

    In der Streitsache
    Klägerin
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    Beklagter

    wegen Ablehnung des Antrags auf Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2005 nach § 164 Abs. 2 AO
    Umsatzsteuerbescheide 2006 und 2007

    hat der 3. Senat des Finanzgerichts München durch
    auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2016 für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
    3. Die Revision wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    Streitig ist, ob von der Klägerin vereinnahmte sog. Gebühren für die Vorfinanzierung von ärztlichen Honorarforderungen als Entgelt für steuerfreie Leistungen zu behandeln sind.

    Gegenstand des Unternehmens der mit Gesellschaftsvertrag vom als gegründeten Klägerin sind Abrechnung und Factoring von ärztlichen Privatliquidationen.

    Die Klägerin bot in den Streitjahren ihre Leistungen in zwei verschiedenen Vertragsgestaltungen, nämlich der sog. Inkassotätigkeit sowie der sog. Vorfinanzierung, an. Bei der sog. Inkassotätigkeit übernahm die Klägerin lediglich den Einzug der Forderungen im Namen und für Rechnung der beauftragenden Ärzte. Die Besteuerung dieser Leistungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

    Bei dem Vertragsmodell der sog. Vorfinanzierung ließ sich die Klägerin gem. Tz. 4 Satz 1 des Vorfinanzierungsvertrags Honorarforderungen ihres Auftraggebers (Arzt) gegen dessen Patienten abtreten und schrieb ihm dafür gem. Tz. 2 Satz 1 des Vorfinanzierungsvertrags unverzüglich nach Eingang der Belege den Rechnungsbetrag abzüglich einer Bearbeitungsgebühr gut. Für jede Belegeinreichung erstellte die Klägerin gem. Tz. 8 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen - Teil A eine fortlaufende Übersicht, aus der die einzelnen abgerechneten Privatliquidationen, die darauf entfallenden Bearbeitungsgebühren sowie die gegebenenfalls anfallenden Sachkosten hervorgingen (fortlaufendes Rechnungsausgangsjournal). Die abgetretenen Honorarforderungen machte die Klägerin gem. Tz. 4 Satz 2 des Vorfinanzierungsvertrags gegenüber den Patienten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend. Bei Forderungsausfall bzw. Nichterfüllung durch die Patienten innerhalb von höchstens 90 Tagen stand der Klägerin gem. Tz. 25 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen -Teil B ein Anspruch auf Rückabwicklung des Forderungskaufs zu. Die Bearbeitungsgebühr wurde dabei mit den einzelnen Auftraggebern individuell ausgehandelt und setzte sich ausweislich des beispielhaft vorgelegten sog. Stammdatenblatts zusammen aus einer prozentualen Abrechnungsgebühr sowie einer Vorfinanzierungsgebühr (Kreditgebühr) in Höhe von 1,2% des jeweiligen Rechnungsbetrages.

    In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre, die nicht zustimmungsbedürftig waren (2005) bzw. denen der Beklagte (das Finanzamt -FA-) im Wege einer allgemein erteilten Zustimmung zustimmte (2006 und 2007), errechnete die Klägerin ihre Umsatzsteuer mit den Beträgen von € (2005), (2006) sowie € (2007). Hierbei erklärte sie die Bearbeitungsgebühren einschließlich der Kreditgebühren als Umsätze zum Regelsteuersatz.

    Mit Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre 2006 und 2007 vom 4. Juni 2009 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Schreiben vom 21. Mai 2010 beantragte die Klägerin eine Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2005. Zur Begründung ihrer Einsprüche und ihres Änderungsantrags machte die Klägerin geltend, dass die Vorfinanzierungsgebühren als Entgelt für steuerfreie Umsätze anzusehen seien. Sie finanziere die von ihr einzuziehenden Forderungen vor, wobei der Umfang dieser Vorfinanzierung durchschnittlich etwa 40% der Bearbeitungsgebühren betrage. Da diese Vorfinanzierung im Hinblick auf ihren Umfang somit keine untergeordnete Bedeutung habe, stelle sie eine eigenständige und gem. § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreie Leistung dar.

    Nach einer für die Streitjahre durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Bericht vom 27. Oktober 2011) vertrat das FA die Auffassung, dass die Kreditgebühren in vollem Umfang Entgelt für steuerpflichtige Leistungen darstellten. Mit Bescheid vom 22. November 2011 lehnte das FA daher den Antrag auf Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2005 ab. Hiergegen legte die Klägerin ebenfalls Einspruch ein.

    Infolge der mit Schreiben der Klägerin vom 18. November 2013 geänderten Einspruchsanträge besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen darüber, dass sich die streitgegenständlichen Kreditgebühren auf die Nettobeträge von € (2005), € (2006) sowie € (2007) belaufen und die - im Falle der Bejahung einer steuerfreien Kreditgewährung - nichtabzugsfähigen Vorsteuerbeträge € (2005), € (2006) sowie € (2007) betragen.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2014 wies das FA die eingelegten Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das FA an, dass die Klägerin mit den streitgegenständlichen Vorfinanzierungsverträgen sog. unechte Factoring-Leistungen erbringe, die keine eigenständigen steuerfreien Umsätze aus Kreditgewährung gem. § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG darstellten. Zwar seien die Umsätze im Geschäft mit Forderungen nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG umsatzsteuerfrei, hiervon ausgenommen sei jedoch die im Streitfall vorliegende Einziehung von Forderungen (§ 4 Nr. 8 Buchst. c Halbsatz 2 UStG). Dies entspreche auch unionsrechtlichen Vorgaben. Mit Urteil vom 26. Juni 2003 (Az. C-305/01) habe der EuGH ausdrücklich ausgeführt, dass eine Ungleichbehandlung des echten und unechten Factorings nicht gerechtfertigt sei und sowohl die Umsätze des echten wie des unechten Factorings der Umsatzsteuer unterlägen. Mit Urteil vom 15. Mai 2012 (Az. XI R 28/10) habe der BFH für den Fall des echten Factorings entschieden, dass keine nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreie Kreditgewährung an die Ärzte vorliege. Aber selbst wenn man eine Kreditgewährung annehmen würde, so käme ihr umsatzsteuerrechtlich kein eigenständiges Gewicht zu. Denn die unechte Factoring-Leistung stelle den prägenden wesentlichen Bestandteil der erbrachten einheitlichen Leistung dar; eine daneben in der Verschaffung von Liquiditätsvorteilen liegende Kreditgewährung ginge darin auf. Zudem spreche auch der Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung für das Vorliegen eines einheitlichen Geschäfts. Denn der Vertrag werde zwar als Vorfinanzierung bezeichnet, Vertragsgegenstand sei jedoch der Forderungskauf; eine separate Kreditgewährung sei dort nicht vereinbart. Lediglich aus den individuell mit den Ärzten vereinbarten Bearbeitungsgebühren sei die pauschale Vorfinanzierungsgebühr ersichtlich, eine getrennte Leistungsabrechnung finde jedoch nicht statt. Da im Übrigen weder die Voraussetzungen des Satzes 6 in Abschnitt 2.4 Abs. 4 des UmsatzsteuerAnwendungserlasses (UStAE) erfüllt seien noch ein mit Abschnitt 3.11 Abs. 2 UStAE vergleichbarer Fall vorliege, scheide auch nach Verwaltungsauffassung eine steuerfreie Kreditgewährung aus.

    Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben.

    Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die mit der Factoring-Leistung verbundene Vorfinanzierung als eigenständige Hauptleistung gem. § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfrei sei. Die Gutschrift des Gegenwerts der einzuziehenden Forderung stelle beim unechten Factoring zivilrechtlich ein kontokorrentähnliches Darlehensverhältnis und damit ein Kreditgeschäft dar. Für das Vorliegen eines Darlehensgeschäfts spreche zudem, dass das Factoring der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliege und dass die Klägerin eine Bonitätsprüfung ihrer Auftraggeber durchführe. Im Hinblick auf das Kreditrisiko bei einem kumulierten Ankaufsvolumen, das in den Geschäftsjahren 2006 - 2009 beim vierfachen des Jahresumsatzes der Klägerin gelegen habe, könne auch nicht mehr von einem Nebengeschäft gesprochen werden. Die Voraussetzungen, unter denen die Kreditgewährung im Rahmen des Factorings gem. Abschnitt 2.4 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Abschnitt 3.11 Abs. 2 UStAE als eigenständige Hauptleistung beurteilt werden könne, nämlich eine Trennung zwischen Kreditgeschäft und sonstigen Leistungen, eine Angabe des Jahreszinses sowie eine gesonderte Abrechnung, lägen im Streitfall vor.

    Im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze der Klägerin verwiesen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 22. November 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2014 zu verpflichten, die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2005 auf den Betrag von € festzusetzen sowie die Umsatzsteuer für die Streitjahre 2006 und 2007 unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide vom 4. Juni 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2014 auf die Beträge von € (2006) und € (2007) festzusetzen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise

    die Revision zuzulassen.

    Das FA bezieht sich zur Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend dazu vor, dass sich die Frage des Vorliegens eines steuerpflichtigen Leistungsaustauschs nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben bestimme.

    Im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze des FA verwiesen.

    Am 6. Oktober 2015 wurde die formwechselnde Umwandlung der Klägerin in eine Aktiengesellschaft in das Handelsregister eingetragen.

    Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

    II.

    Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die streitgegenständlichen Kreditgebühren zu Recht als Entgelt für steuerpflichtige Umsätze behandelt.

    1. Die von der Klägerin im Rahmen des Vorfinanzierungsvertragsmodells an ihre Kunden (Ärzte) erbrachten Leistungen stellen eine einheitliche steuerpflichtige Leistung dar.

    a) Der Umsatzsteuer unterliegen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) die Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die von der Klägerin in Zusammenhang mit dem Erwerb von ärztlichen Honorarforderungen gegen sofortige Zahlung eines - um die Bearbeitungsgebühren verminderten - Betrags erbrachten Leistungen stellen eine sonstige Leistung gegen Entgelt dar.

    b) In der Zuwendung eines Liquiditätsvorteils an die Leistungsempfänger (Ärzte) gegen eine Vorfinanzierungsgebühr in Höhe von 1,2% des jeweiligen Rechnungsbetrages liegt keine selbständige Leistung in Form einer steuerfreien Kreditgewährung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG.
    aa) Gem. § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG sind die Umsätze aus der Gewährung und Vermittlung von Krediten steuerfrei. Diese Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der in den Streitjahren 2005 und 2006 anwendbaren Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der im Streitjahr 2007 anwendbaren Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach die Mitgliedsstaaten Umsätze aus der Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber von der Steuer befreien.

    Gem. § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG sind die Umsätze im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren sowie die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Einziehung von Forderungen, steuerfrei. Diese Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL, wonach die Mitgliedsstaaten Umsätze - einschließlich der Vermittlung - im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen, von der Steuer befreien.

    bb) Selbst wenn man davon ausginge, dass in der strittigen Vorfinanzierung auch eine Kreditgewährung zu sehen ist, wäre diese jedoch nicht als eigene, nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreie Leistung zu behandeln, sondern als unselbständiger Teil eines Leistungsbündels. Ihr käme umsatzsteuerrechtlich kein eigenes Gewicht zu.

    aaa) Zwar ist in der Regel jede Lieferung oder Dienstleistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 10. Januar 2013 V R 31/10, BStBl II 2013, 352). Eine einheitliche Leistung kann sich daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. z.B. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGH- vom 10. März 2011 C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, C-497/09, C-499/09, C-501/09, C-502/09, Bog, BStBl II 2013, 256, [EuGH 10.03.2011 - Rs. C-497/09; Rs. C-499/09; Rs. C-501/09; Rs. C-502/09] m.w.N.; EuGH-Beschluss vom 19. Januar 2012 C-117/11, Purple Parking Ltd. und Airpark Services Ltd., HFR 2012, 674 Rn. 29; EuGH-Urteil vom 19. Juli 2012 C-44/11, Deutsche Bank AG, BStBl II 2012, 945).

    bbb) Die genannten Voraussetzungen einer untrennbaren wirtschaftlichen Leistung wären - läge neben einer Factoring-Leistung auch eine Kreditgewährung vor - im Streitfall bei der gebotenen Gesamtbetrachtung erfüllt. Die gemäß Vorfinanzierungsvertrag von der Klägerin erbrachten Leistungen (Forderungsübernahme bis max. 90 Tage, Abrechnung mit Forderungseinzug und Vorfinanzierung) stellen aus Sicht der Leistungsempfänger (Ärzte) eine einheitliche Leistung dar, die durch das Forderungsmanagement geprägt wird und nicht durch die Vorfinanzierung als Kreditgewährung.

    Allein aus dem Umstand, dass den Ärzten ein Liquiditätsvorteil dadurch entsteht, dass sie den, um die Kreditgebühr, geminderten Kaufpreis der Forderung bereits vor Einziehung der Forderung erhalten, kann noch nicht gefolgert werden, dass es sich hierbei um eine eigenständige steuerfreie Kreditgewährung handelt. Die Zinszahlung (Kreditgebühr) für die Vorfinanzierung stellt insoweit allenfalls einen Teil des steuerpflichtigen Entgelts für die FactoringLeistung der Klägerin dar (vgl. BFH-Urteil vom 15. Mai 2012 XI R 28/10, BStBl II 2015, 966, Rn. 43; Vorlagebeschluss des BFH vom 10. Dezember 2009 V R 18/08, BStBl II 2010, 654, Rn. 57-59).

    (1) So spricht bereits der Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung für ein einheitliches Rechtsgeschäft mit dem Schwerpunkt des Forderungsmanagements. So ergibt sich aus Tz. 1 des Vorfinanzierungsvertrags ein einheitlicher Vertragsgegenstand in Gestalt des Kaufs von gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen gegenüber den Patienten. Eine separate Kreditgewährung ist dort nicht vereinbart, vielmehr wird als Entgelt lediglich auf "Bearbeitungsgebühren gemäß dem jeweils gültigen Gebührenkatalog" hingewiesen. Lediglich im Stammdatenblatt war unter dem Unterpunkt "Vereinbarte Vertragsform und Gebühren zzgl. ges. MwSt." für die Vorfinanzierung der jeweilige Prozentsatz "inkl. MwSt" aufgeführt. In dieser bloßen Entgeltberechnung liegt keine gesonderte Vereinbarung einer neben dem Factoring selbständigen Kreditgewährung.

    (2) Zudem hat die Klägerin über die Kreditgewährung nicht gesondert abgerechnet, sondern lediglich für jede Belegeinreichung gem. Tz. 8 der AGB eine fortlaufende Übersicht erstellt, aus der die einzelnen abgerechneten Privatliquidationen, die darauf entfallenden "Bearbeitungsgebühren" sowie die gegebenenfalls anfallenden Sachkosten hervorgingen.

    (3) Hierfür spricht auch, dass gem. Tz. 2 der AGB als vereinbarter Leistungsinhalt die Durchführung des gesamten Liquidations- und Einziehungsverfahrens bezeichnet wird; demgegenüber tritt die Kreditgewährung als optionale Zusatzleistung in den Hintergrund.

    (4) Hierfür spricht weiterhin, dass die Kosten der Kreditgewährung laufzeitunabhängig und damit abweichend von der im Kreditwesen üblichen Kostenberechnung nach dem Zinslauf und damit der Zeitdauer der Kapitalüberlassung pauschaliert wurden. Mit der vorliegenden Entgeltberechnung in Gestalt einer prozentualen Abrechnung und einer pauschalen Vorfinanzierungsgebühr ist deshalb keine gesonderte Vereinbarung einer selbständigen Kreditgewährung neben dem Factoring vorgenommen worden. Insoweit liegt keine eindeutige Trennung zwischen Kreditgeschäft und Factoring im Sinn von Abschn. 3.11 Abs. 2 UStAE vor.

    (5) Dem steht entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht entgegen, dass der laufende Ankauf von Forderungen auf der Grundlage von Rahmenverträgen mit oder ohne Rückgriff (Factoring) gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 des Gesetzes über das Kreditwesen in der Neufassung vom 25. Dezember 2008 (KWG) als Finanzdienstleistung im Sinne dieses Gesetzes definiert wird. Davon abgesehen, dass diese Gesetzesänderung erst nach Ablauf der Streitjahre erfolgt ist, unterscheidet diese Vorschrift gerade nicht zwischen echtem und unechtem Factoring.

    ccc) Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH.

    (1) Zwar hat der BFH mit Urteil vom 10. Dezember 1981 entschieden, dass es sich beim unechten Factoring-Geschäft um eine Mehrheit von selbständigen Hauptleistungen handle, da keiner der aufgeführten Leistungen ein leistungsbestimmender Charakter beizumessen sei, demgegenüber alle übrigen Leistungen als unselbständige Nebenleistungen dieser Hauptleistung zurückträten, und demzufolge für die Kreditgewährung gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG Steuerbefreiung in Anspruch genommen werden könne (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1981 V R 75/76, BStBl II 1982, 200). Unechtes Factoring liegt vor, wenn der Forderungskäufer bei Zahlungsausfall des Schuldners den Forderungskauf rückabwickeln darf, so dass der Forderungskäufer das Zahlungsrisiko trägt; demgegenüber liegt echtes Factoring vor, wenn der Forderungskäufer die Forderung endgültig unter Übernahme des Risikos der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufkauft (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2013 IV R 28/10, BFH/NV 2013, 1810). Im Streitfall liegt dementsprechend ein Fall des unechten Factorings vor, da sich die Klägerin die Honorarforderungen der Ärzte gegen deren Patienten abtreten ließ, ohne das Ausfallrisiko der erworbenen Forderungen zu tragen, denn ihr stand bei Forderungsausfall bzw. Nichterfüllung der Forderung innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen gem. Nr. 25 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen - Teil B (Bl. 76 FG-Akte) ein Rückabwicklungsanspruch gegen die abtretenden Ärzte zu.

    (2) Der EuGH hat jedoch demgegenüber mit Urteil vom 26. Juni 2003 und damit zeitlich nachfolgend - wenngleich bezogen auf die Fragen des Vorliegens einer wirtschaftlichen Tätigkeit sowie einer nicht der Steuerbefreiung unterfallenden Einziehung von Forderungen bei echtem Factoring - entschieden, dass es keinen Grund gebe, der eine Ungleichbehandlung des echten und des unechten Factorings bei der Mehrwertsteuer rechtfertigen könne (EuGHUrteil vom 26. Juni 2003 C-305/01, MKG, BStBl II 2004, 688, ECLI: EU: C: 2003: 377). In der Literatur wird aus diesem EuGH-Urteil überwiegend gefolgert, dass es sich beim unechten Factoring demzufolge um eine - in vollem Umfang steuerpflichtige - einheitliche Leistung handelt (so Christoph Wäger, UR 2003, 406; Michael Vellen, UStB 2003, 260; Bernd Burgmaier, UStB 2003, 280; a.A. Michael Bartsch, BuW 2003, 932; offenlassend Jörg Alvermann, AG 2004, 30 [BFH 04.09.2003 - V R 34/99]), zumal da der EuGH - anders als der Generalanwalt Jacobs in seinem Schlussantrag vom 6. März 2003 - seine Ausführungen in Bezug auf den Status des Factoring nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 a.E. der 6. EG-Richtlinie ausdrücklich auch auf das unechte Factoring erweitert hat, das jedoch Züge eines Kreditgeschäftes trägt (vgl. Bernd Burgmaier, UStB 2003, 280).

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    3. Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundlegende Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 FGO). Es ist klärungsbedürftig, ob der BFH an seinen mit Urteil vom 10. Dezember 1981 (Az. V R 75/76, BStBl II 1982, 200) für den Fall des unechten Factorings entwickelten Rechtsgrundsätzen im Hinblick auf das EuGH-Urteil vom 26. Juni 2003 (Az. C-305/01, MKG, BStBl II 2004, 688) noch festhält.

    RechtsgebietUStGVorschriften§ 4 Nr. 8a UStG