21.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194625
Bundesfinanzhof: Urteil vom 17.01.2017 – VIII R 33/14
1. NV: Üben Ärzte ihre selbständige Tätigkeit als Berufsausübungsgemeinschaft sowohl in eigenen Praxisräumen als auch als Belegärzte in einer angrenzenden Klinik unter vertraglich vereinbarter Nutzung von Räumen der Klinik aus, bilden diese Räume und diejenigen der Praxis eine einheitliche Betriebsstätte.
2. NV: Der Aufwand für Fahrten der Ärzte zwischen ihrer Wohnung und dieser Betriebsstätte kann nur im Umfang der nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG pro Entfernungskilometer zu berücksichtigenden Beträge als Sonderbetriebsausgabe abgezogen werden.
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 18. März 2014 1 K 1714/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Gründe
1
I. Streitig ist die Höhe der Sonderbetriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte im Streitjahr (2008).
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und die Beigeladenen zu 1. bis 4. sind Gesellschafter der in der Rechtsform einer GbR betriebenen Berufsausübungsgemeinschaft der ...ärzte in X (Beigeladene zu 5.). Die Praxisräume der Beigeladenen zu 5. befinden sich auf dem Gelände des Kreisklinikums X. Praxisgebäude und Klinik sind über gemeinsame Zugänge erreichbar.
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Im Rahmen eines Sicherstellungsauftrags war vereinbart, dass der Notdienst für die ... Station des Kreisklinikums X durch die Beigeladene zu 5. zu gewährleisten war. Daneben waren die Gesellschafter der Beigeladenen zu 5. auch als Belegärzte am Kreisklinikum X tätig. Zwischen der Berufsausübungsgemeinschaft und dem Klinikum bestand zudem in den Bereichen ... und Labor eine Apparategemeinschaft. Die entsprechenden Einrichtungen, insbesondere der sogenannte Befundungsraum, befanden sich in den Räumlichkeiten des Kreisklinikums. Der Kläger und die Beigeladenen zu 1. bis 4. waren zur Befundung ihrer Patienten in diesen Räumlichkeiten berechtigt. Die Nutzung der Klinikräume erfolgte auch für Krebsbehandlungen und Operationen durch die Gesellschafter der Beigeladenen zu 5., die jederzeit Zutritt zum Kreisklinikum hatten. Bei der Nutzung der Klinikeinrichtungen (insbesondere für die Durchführung von Operationen) hatten sie sich jedoch in den Organisationsablauf des Klinikums einzuordnen.
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Der Kläger wohnte im Streitjahr in Y und war regelmäßig entweder in der Praxis der Beigeladenen zu 5. oder dem Kreisklinikum tätig. Die einfache Straßenentfernung zwischen seiner Wohnung und der Praxis der Beigeladenen zu 5. bzw. dem Kreisklinikum betrug 56 km. Über die Fahrten zwischen seiner Wohnung und der Praxis der Beigeladenen zu 5. bzw. dem Kreisklinikum mit dem PKW führte er ein Fahrtenbuch und machte in der Feststellungserklärung 2008 sämtliche Fahrzeugkosten inkl. Absetzung für Abnutzung in Höhe von 13.104,11 € als Sonderbetriebsausgaben geltend.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) stellte die Einkünfte zunächst unter Berücksichtigung der erklärten Sonderbetriebsausgaben unter dem Vorbehalt der Nachprüfung am 24. November 2010 gesondert und einheitlich fest. Im Anschluss an eine bei der Beigeladenen zu 5. durchgeführte Betriebsprüfung änderte das FA den zuvor für das Streitjahr ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid mit Bescheid vom 22. Juli 2011. Dabei folgte es den Feststellungen der Betriebsprüfung im Bericht vom 28. Februar 2011 und berücksichtigte statt der gesamten Fahrzeugkosten für die Fahrten zwischen Wohnung und der Praxis der Beigeladenen zu 5. und für die Fahrten zwischen Wohnung und Kreisklinikum jeweils lediglich die Entfernungspauschale in Höhe von zusammen 2.016 € als Sonderbetriebsausgabe des Klägers.
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Der gegen den Gewinnfeststellungsbescheid erhobene Einspruch blieb erfolglos.
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Im Rahmen der anschließenden Klage vor dem Finanzgericht (FG) beanstandete der Kläger die Berücksichtigung der Entfernungspauschale für die Fahrten zu der Praxis der Beigeladenen zu 5. nicht mehr, trug jedoch vor, er sei zu einem erheblichen Teil nicht zur Praxis der Beigeladenen zu 5., sondern zum Kreisklinikum gefahren, so dass für diese Fahrten die hierfür entstandenen Kfz-Kosten statt der Entfernungspauschale zu berücksichtigen seien. Dies sei seiner Meinung nach eine eigene Betriebsstätte, was sich in der eigenständigen Betriebsstättennummer seitens der Kassenärztlichen Vereinigung zeige.
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Das FG hat die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1858 veröffentlichtem Urteil vom 18. März 2014 1 K 1714/13 abgewiesen.
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Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, der meint, das FG habe den Begriff der Betriebsstätte fehlerhaft lediglich ortsbezogen statt tätigkeitsbezogen ausgelegt. Er übe in der Praxis der Beigeladenen zu 5. und dem Kreisklinikum zwei völlig unterschiedliche Tätigkeiten aus, die getrennt zu beurteilen seien.
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Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und den Bescheid für 2008 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 22. Juli 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2012 dahin zu ändern, dass für Fahrten des Klägers Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 9.508 € angesetzt werden.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
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II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG die streitigen Aufwendungen für die Fahrten des Klägers nicht im Umfang der tatsächlichen Kosten, sondern lediglich im Umfang der Entfernungspauschale nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Entfernungspauschale vom 20. April 2009 (BGBl I 2009, 774) —EStG— als Sonderbetriebsausgaben berücksichtigt, weil im Streitfall nur Fahrten des Klägers zu einer regelmäßigen Betriebstätte gegeben sind.
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1. Im Streitjahr sind § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 2 und 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG anzuwenden.
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2. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG, der i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG entsprechend für Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte gilt, ist der Abzug von Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Betriebsstätte auf die Höchstbeträge der gesetzlichen Entfernungspauschale begrenzt. Dies gilt auch bei Ermittlung des Anteils der privaten Nutzung durch ein Fahrtenbuch (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG) für die Ermittlung der Höhe der abzugsfähigen Sonderbetriebsausgaben des Mitunternehmers einer freiberuflich tätigen Mitunternehmerschaft. Durch die Entfernungspauschale sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG "sämtliche Aufwendungen" abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Betriebsstätte veranlasst sind.
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a) Die Betriebsstätte einer Personengesellschaft ist die ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung, die die Gesellschafter nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit aufsuchen. Daher ist für die Annahme einer Betriebsstätte i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG der prägende, regionsbezogene Ort maßgeblich, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen für Rechnung der Gesellschaft erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen (Senatsurteil vom 29. April 2014 VIII R 33/10, BFHE 246, 53, BStBl II 2014, 777).
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b) Nach den für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG übten der Kläger und die Beigeladenen zu 1. bis 4. ihre freiberufliche ärztliche Tätigkeit sowohl in den Praxisräumen der Beigeladenen zu 5. als auch in den unmittelbar angrenzenden Klinikräumen aus. Dabei erbrachte der Kläger seine ärztlichen Leistungen in der Praxis und der Klinik auf der Grundlage der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen der Beigeladenen zu 5. und der von der Beigeladenen zu 5. mit dem Klinikum geschlossenen weiteren vertraglichen Abreden. Er nutzte hierfür nicht nur Geräte der bestehenden Apparategemeinschaft, sondern auch Räumlichkeiten und Einrichtungen sowohl der Beigeladenen zu 5. als auch in unmittelbarer Nähe gelegene Räume und Einrichtungen der Klinik.
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c) Daher hat das FG rechtsfehlerfrei eine einheitliche Betriebsstätte angenommen und den Abzug der streitigen Fahrtaufwendungen als Sonderbetriebsausgaben im Rahmen der Ermittlung der abzugsfähigen Aufwendungen nach der Fahrtenbuchmethode auf die Entfernungspauschale nach §§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 2 und 3, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG begrenzt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 und Abs. 3 FGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht gemäß § 139 Abs. 4 FGO erstattungsfähig, da sie keinen eigenen Sachantrag gestellt haben (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20. Oktober 2011 IV R 35/08, BFH/NV 2012, 377, m.w.N.).