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  • 14.05.2021 · IWW-Abrufnummer 222362

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 27.10.2020 – VIII R 42/18

    1. Die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG tritt auch dann ein, wenn die bei der Auszahlung der Kapitalerträge einbehaltene Kapi-talertragsteuer nicht beim Finanzamt angemeldet und abgeführt wird und keiner der Ausschlussgründe des § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 oder Satz 3 EStG vorliegt.

    2. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte in Form von Scheinrenditen aus einem betrügerischen Schneeballsystem erzielt hat, für die aus seiner Sicht Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG einbehalten worden ist (Anschluss an Senatsurteil vom 29.09.2020 – VIII R 17/17).

    3. Die Klage gegen einen Verlustfeststellungsbescheid, die sich gegen die Verrechnung von —aus der Sicht des Klägers— zu Unrecht der Besteuerung zugrunde gelegten Kapitaleinkünften richtet, ist zulässig (Anschluss an BFH-Urteil vom 27.06.2018 – I R 13/16, BFHE 262, 340, BStBl II 2019, 632). Sie ist begründet, wenn mit dem Klageantrag dieselben Einwendungen wie gegen den dem Verlustfeststellungsbescheid zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheid geltend gemacht werden und diese durchgreifen.


    Tenor:

    Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 23.05.2018 ‒ 10 K 190/16 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 01.07.2016 sowie der Einkommensteuerbescheid für 2012 und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2012 des Beklagten, jeweils vom 14.09.2015, aufgehoben.

    Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.



    Gründe



    I.

    1


    Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielte im Streitjahr 2012 bei der von B geführten Firma C Scheinrenditen aus Aktienverkäufen, die sie nicht in der Einkommensteuererklärung angegeben hatte.


    2


    B hatte unter der Firma der C ein Schneeballsystem mit fingierten Aktiengeschäften betrieben, das am ... 2013 aufflog. C zahlte bis dahin auf Verlangen der Anleger die Gewinne aus. Der Klägerin bescheinigte C im Streitjahr einen Gewinn aus dem fingierten An- und Verkauf von Aktien in Höhe von ... € (Verkaufspreis ... € ./. Anschaffungskosten ... € ./. Bankkosten ... € = ... €). Auf der von C erteilten Abrechnung wurde die rechnerisch zutreffende Kapitalertragsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag ausgewiesen und einbehalten. Jedoch wurde die Kapitalertragsteuer von C weder beim Finanzamt angemeldet noch an das Finanzamt abgeführt, was der Klägerin nicht bekannt war. Mit Schreiben vom 26.07.2012 bot C der Klägerin an, den Gewinn auszuzahlen, was diese ablehnte. Am 31.07.2012 erteilte die Klägerin C den Auftrag, weitere Aktien zu kaufen und den Kaufpreis mit dem zuvor bescheinigten Veräußerungserlös zu verrechnen.


    3


    Aufgrund einer Mitteilung der Steuerfahndung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) mit Bescheid vom 14.09.2015 die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und unterwarf den Erlös aus der Veräußerung der Aktien in Höhe von ... € als Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung nach § 32d Abs. 3 EStG. Die von C einbehaltene Abzugssteuer rechnete er nicht an. Der Aktiengewinn wurde mit dem verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2011 in Höhe von ... € verrechnet, so dass mit einem nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid vom 14.09.2015 ein verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2012 von 0 € festgestellt wurde.


    4


    Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wurde die Klage durch Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 23.05.2018 ‒ 10 K 190/16 (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2019, 1084) als unbegründet abgewiesen.


    5


    Die Klägerin führt zur Begründung ihrer Revision aus, dass die Besteuerung der Scheinrenditen gemäß § 20 EStG gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße, da die Wiederanlage nicht existenter Erträge nicht mit einer Novation gleichgesetzt werden könne. Ihr Entschluss, die vermeintlichen Aktiengewinne wieder neu anzulegen, habe auf der Vorspiegelung falscher Tatsachen durch den Betrüger B beruht. Hätte sie gewusst, dass es sich um ein Schneeballsystem handelte, hätte sie eine Wiederanlage der Scheinrenditen nicht in Betracht gezogen. Zudem habe auf Seiten des Betrügers keine echte Leistungsbereitschaft bestanden. Sein Ziel sei es gewesen, so viele Anleger wie möglich zu einer fiktiven Neuanlage zu bewegen, um das Schneeballsystem weiterbetreiben zu können. Die Anleger hätten dadurch einen Vermögensschaden erlitten. Dem Anleger zu unterstellen, er habe sich aus freien Stücken für eine Novation entschieden, sei unter Berücksichtigung des von dem Betrüger vorgenommenen Sicherungsbetrugs nicht haltbar. Es liege zudem ein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Übermaßverbot vor, wenn aus kriminellen Aktivitäten von Betrügern Steuertatbestände zu Lasten der Betrogenen konstruiert würden. Dabei profitiere der Fiskus direkt von der Betrugstat des Betreibers des Schneeballsystems. Gesichtspunkte des Opferschutzes und der staatlichen Fürsorgepflicht blieben unberücksichtigt. Schließlich sei die Scheinrendite, vergleichbar mit der Rechtsprechung zur Vermögensteuer, als bloße Kapitalrückzahlung zu qualifizieren.


    6


    Sollten die Scheinrenditen der Besteuerung zugrunde liegen, sei aufgrund des Einbehalts der Kapitalertragsteuer die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG eingetreten, da die Klägerin keine Kenntnis davon gehabt habe, dass C die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt habe.


    7


    Die Klägerin beantragt,


    das Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 2019, 1084 und den Einkommensteuerbescheid für 2012 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2012, jeweils vom 14.09.2015, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2016 aufzuheben.

    8


    Das FA beantragt,


    die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

    9


    Das FG habe zu Recht entschieden, dass der Klägerin im Streitjahr Einnahmen i.S. des § 20 EStG aus den von C ausgewiesenen Scheinrenditen zugeflossen seien. Die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG sei nicht eingetreten, da die Kapitalertragsteuer von C nicht an das Finanzamt abgeführt worden sei.


    II.


    10


    Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils. Der Senat kann nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache selbst entscheiden. Danach sind der Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr vom 14.09.2015 (1.) und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2012 vom 14.09.2015 (2.), jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2016, aufzuheben, so dass die von der Klägerin erzielten Scheinrenditen nicht in die Einkommensteuerfestsetzung einbezogen und nicht mit dem verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2011 verrechnet werden.


    11


    1. Das FG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin im Streitjahr Kapitaleinkünfte in Gestalt der Scheinrenditen aus dem von C vorgetäuschten Kauf und Verkauf von Aktien zugeflossen sind (a). Entgegen der Auffassung des FG sind diese Einkünfte aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG jedoch nach § 2 Abs. 5b EStG nicht gemäß § 32d Abs. 3 EStG der Besteuerung zugrunde zu legen, da aufgrund des Einbehalts der Kapitalertragsteuer durch C gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG die Einkommensteuer mit dem Steuerabzug abgegolten wurde (b). Danach ist der Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr vom 14.09.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2016 aufzuheben (c).


    12


    a) Die Klägerin hat im Streitjahr aus den Scheinrenditen Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erzielt.


    13


    aa) Bei der Entscheidung, ob einer der in § 20 EStG aufgeführten Tatbestände erfüllt ist, kommt es entscheidend darauf an, wie sich das jeweilige Rechtsgeschäft aus der Sicht des Kapitalanlegers als Leistungsempfänger bei objektiver Betrachtungsweise darstellt, da auf den nach außen erkennbaren Willen des Betreibers des Schneeballsystems abzustellen ist. Da die Klägerin den tatsächlichen Sachverhalt nicht durchschaut, sondern angenommen hat, C habe gemäß der Bestätigung in ihrem Auftrag und für ihre Rechnung Aktiengeschäfte mit Gewinn durchgeführt, ist dieser Sachverhalt der Besteuerung zugrunde zu legen (vgl. Senatsurteil vom 14.12.2004 ‒ VIII R 5/02, BFHE 209, 423, BStBl II 2005, 739).


    14


    Danach hat die Klägerin aus dem Verkauf der Aktien im Streitjahr einen "Aktiengewinn" i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erzielt. Dieser wurde ihr von C nach Abschluss des (fingierten) Aktiengeschäfts per Abrechnung mitgeteilt und ihrem (Depot-)Konto gutgeschrieben. Sie hatte die freie Wahl, sich diesen Gewinn auszahlen zu lassen oder aber wieder anzulegen. Die Klägerin hat diese Dispositionsbefugnis ausgeübt und sich dafür entschieden, auf die sofortige Auszahlung des Gewinns zu verzichten und diesen für den Erwerb neuer Aktien zu verwenden.


    15


    Der von C ausgewiesene Gewinn aus den Aktienverkäufen ist der Klägerin im Streitjahr auch nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen. Denn eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten bewirkt einen Zufluss, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuld zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht und der Schuldner der Scheinrenditen zu diesem Zeitpunkt leistungsfähig und leistungswillig war (s. hierzu Senatsurteile vom 14.02.1984 ‒ VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480; vom 30.10.2001 ‒ VIII R 15/01, BFHE 197, 126, BStBl II 2002, 138; in BFHE 209, 423, BStBl II 2005, 739; vom 14.12.2004 ‒ VIII R 81/03, BFHE 209, 438, BStBl II 2005, 746; vom 28.10.2008 ‒ VIII R 36/04, BFHE 223, 166, BStBl II 2009, 190 —Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.07.2009 ‒ 2 BvR 2525/08—; vom 16.03.2010 ‒ VIII R 4/07, BFHE 229, 141, BStBl II 2014, 147; vom 11.02.2014 ‒ VIII R 25/12, BFHE 244, 406, BStBl II 2014, 461; vom 27.08.2014 ‒ VIII R 41/13, BFH/NV 2015, 187; Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 18.12.2001 ‒ IX R 74/98, BFH/NV 2002, 643).


    16


    Dies war nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellungen des FG vorliegend der Fall. C wäre, hätte die Klägerin im Streitjahr statt der Wiederanlage der gutgeschriebenen "Aktiengewinne" deren Auszahlung gewählt, zur Auszahlung bereit und fähig gewesen (vgl. Senatsurteile vom 10.07.2001 ‒ VIII R 35/00, BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646; in BFHE 223, 166, BStBl II 2009, 190; vom 19.06.2007 ‒ VIII R 63/03, BFH/NV 2008, 194). C hatte der Klägerin am 26.07.2012 die sofortige Auszahlung des Aktiengewinns angeboten, ohne dass die Klägerin dieses Angebot wahrnahm. Nach den bindenden Feststellungen des FG waren B bzw. C zu diesem Zeitpunkt zahlungsfähig, da das Schneeballsystem erst im ... 2013 aufgedeckt und erst danach das Insolvenzverfahren über das Vermögen des B eröffnet wurde. Umstände, die vor Eintritt der generellen Zahlungsunfähigkeit auf die fehlende Leistungsbereitschaft und ‒fähigkeit der C schließen lassen könnten, sind im Streitfall nicht ersichtlich. Es liegen nach den Feststellungen des FG keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Betreiber des Schneeballsystems gegenüber der Klägerin oder anderen Anlegern die Auszahlung verweigert, verschleppt oder eine Wiederanlage nahegelegt hat.


    17


    bb) Mit den gegen diese Rechtsprechung erhobenen Einwänden hat sich der erkennende Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 244, 406, BStBl II 2014, 461 auseinandergesetzt, auf dessen Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird. Danach kommt es nicht darauf an, dass sich der Anleger anders verhalten hätte, wenn er über das Vorliegen eines Schneeballsystems informiert gewesen wäre. Auch die vom II. Senat des BFH in seinem Urteil vom 22.09.2010 ‒ II R 62/08 (BFH/NV 2011, 7, Rz 26 ff.) —ausdrücklich nur für Zwecke der Vermögensteuer— herangezogene Betrachtungsweise ist für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung, ob als "Erträge" ausgezahlte Beträge i.S. des § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen sind, nicht maßgeblich. Zudem lässt sich auch aus einer Deckungslücke bei dem Betrieb eines Schneeballsystems für die Frage des Zuflusses von Erträgen so lange nichts herleiten, wie das Schneeballsystem als solches funktioniert, d.h. die Auszahlungsverlangen der Anleger ohne Einschränkung bedient werden. Dies war nach den Feststellungen des FG im Streitjahr der Fall.


    18


    Schließlich ergibt sich auch aus dem BFH-Urteil vom 07.02.2018 ‒ X R 10/16 (BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630) keine andere Beurteilung, da dieses ausdrücklich auf das Senatsurteil in BFHE 244, 406, BStBl II 2014, 461 Bezug nimmt. Danach ist bei der Steuerpflicht von Scheinrenditen aus betrügerischen Schneeballsystemen nicht auf die objektive Lage, sondern auf die subjektive Vorstellung des Anlegers abzustellen.


    19


    cc) Die Bemessungsgrundlage der von der Klägerin aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG mindert sich nicht um die von C einbehaltene Abgeltungsteuer —Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag— (anderer Ansicht Urteil des FG München vom 27.10.2017 ‒ 2 K 956/16, Betriebs-Berater 2018, 468). Der Einbehalt der Kapitalertragsteuer erfolgte nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG durch C als auszahlende Stelle i.S. des § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit abgeltender Wirkung für Rechnung der Klägerin als Gläubigerin der Kapitalerträge. Der Klägerin sind danach auch die von C für den Steuerabzug einbehaltenen Kapitalerträge zzgl. des Solidaritätszuschlags i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen (vgl. Senatsurteil vom 23.04.1996 ‒ VIII R 30/93, BFHE 181, 7, unter II.1.b).


    20


    b) Das FG ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Scheinrenditen aus dem Verkauf der Aktien in Höhe von ... € gemäß § 32d Abs. 3 EStG der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr zugrunde zu legen sind. Dies ist nach § 2 Abs. 5b EStG nicht der Fall, da die Einkommensteuer für diese Kapitalerträge aufgrund des Einbehalts der Kapitalertragsteuer durch C nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG abgegolten wurde. Es liegt weder ein die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs ausschließender Fall von § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG noch ein Fall von § 43 Abs. 5 Sätze 2 oder 3 EStG vor. Auf die Ausführungen hierzu in dem Senatsurteil vom 29.09.2020 ‒ VIII R 17/17 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) wird zur Begründung Bezug genommen.


    21


    c) Folglich ist der Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr vom 14.09.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2016 aufzuheben.


    22


    2. Auch in Bezug auf die Anfechtung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2012 vom 14.09.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2016 ist die Klage begründet.


    23


    a) Die Klägerin hat sich im FG-Verfahren mit ihrer Klage auch gegen den Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2012 vom 14.09.2015 gewendet, da das FA die Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG aus den Scheinrenditen mit dem Verlustvortrag zum 31.12.2011 in Höhe von ... € verrechnet und diesen zum 31.12.2012 mit 0 € festgestellt hat. Diese gegen den Verlustfeststellungsbescheid gerichtete Klage ist zulässig, obgleich im Feststellungsverfahren des verbleibenden Verlustvortrags die Einkünfte nicht eigenständig zu ermitteln bzw. zu überprüfen sind. Es fehlt nicht an der gemäß § 40 Abs. 2 FGO für die Erhebung der Anfechtungsklage erforderlichen Geltendmachung einer Rechtsverletzung durch den Erlass des angefochtenen Verlustfeststellungsbescheids (BFH-Urteil vom 27.06.2018 ‒ I R 13/16, BFHE 262, 340, BStBl II 2019, 632; vgl. auch Senatsurteil vom 12.10.2011 ‒ VIII R 2/10, BFH/NV 2012, 776).


    24


    b) Die Klage ist auch begründet. Zwar folgt aus der Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid ist (Senatsurteil vom 03.12.2019 ‒ VIII R 8/16, BFHE 267, 225, BStBl II 2020, 383). Im vorliegenden Fall werden mit dem Klageantrag jedoch dieselben Einwendungen wie gegen den dem Verlustfeststellungsbescheid zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheid geltend gemacht, der auch Gegenstand der vorliegenden Klage ist. Da diese durchgreifen und die streitigen Kapitaleinkünfte aus den Scheinrenditen aufgrund der Abgeltungswirkung des Steuereinbehalts (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG) gemäß § 2 Abs. 5b EStG nicht der Einkommensteuerfestsetzung nach § 32d Abs. 3 EStG zugrunde zu legen sind, ist die Verrechnung mit dem verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2011 rechtswidrig und der Bescheid vom 14.09.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2016 aufzuheben.


    25


    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.


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