18.12.2023 · IWW-Abrufnummer 238778
Finanzgericht Münster: Urteil vom 25.10.2023 – 13 K 841/21 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
Tenor:
Der Einkommensteuerbescheid vom 3.11.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1.3.2021 wird dahingehend geändert, dass die an den Förderverein der X.-Schule e.V. gezahlten Förderbeiträge in Höhe von 1.000,00 € als Schulgeld gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG berücksichtigt werden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
1
Hinweis betreffend die Neutralisierung: Die im Text enthaltenen Beträge entsprechen nicht den tatsächlichen Werten.
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Tatbestand
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Zwischen den Beteiligten streitig ist die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Zahlungen der Kläger an den Förderverein der X. Schule e.V. (im Folgenden Förderverein).
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Die Kläger wurden als Eheleute im Streitjahr 2019 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
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Sie sind die Eltern von F., geboren am xx.xx.20xx, und G., geboren am xx.xx.20xx. Beide besuchten 2019 die X. Schule, eine staatlich anerkannte Ersatzschule in freier Trägerschaft. Trägerin der X. Schule ist die X. Stiftung (im Folgenden: Stiftung).
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Die Kläger zahlten im Jahr 2019 insgesamt 1.000 € (4 x 250 €) an den Förderverein der X. Schule e.V., dessen Mitglieder sie seit ihrem Beitritt am xx.xx.2016 waren. Der Kläger hatte dem Verein unter dem xx.xx.2019 ein SEPA-Basis-Lastschriftmandat erteilt, ab dem 1.8.2019 250 € monatlich für seine Kinder „F. & G. D.“ einzuziehen.
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Der Förderverein hat seinen Sitz in E.. Nach § 2 Abs. 1 der Satzung vom xx.xx.2015 sind Ziel und Zweck die Förderung von Bildung und Erziehung an der X. Schule in E.. Der Zweck wird gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung verwirklicht durch die Förderung der Lehrtätigkeit und des Schullebens, insbesondere durch die Unterstützung von schulischen Einrichtungen und Veranstaltungen, Studienreisen, Schullandaufenthalten und Arbeitsgemeinschaften, Projekten und (Arbeits-) Materialien.
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Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke i. S. des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung (§ 3 der Satzung). Er ist nach § 3 Abs. 1 der Satzung selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Mittel des Vereins dürfen gemäß § 3 Abs. 2 der Satzung nur für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden. Die Mittel zum Erreichen dieser Zwecke werden durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und sonstige Einnahmen aufgebracht. Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind oder unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins. Die Mitglieder des Vorstands üben ihre Tätigkeit nach § 3 Abs. 3 der Satzung ehrenamtlich aus.
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Mitglied des Vereins kann nach § 5 Abs. 1 der Satzung jede natürliche Person und jede juristische Person des privaten und öffentlichen Rechts werden. Die Mitgliedsbeiträge sind Jahresbeiträge und jeweils mit Übersendung der Beitragsrechnung fällig (§ 6 Satz 1 der Satzung). Über die Höhe des Beitrags entscheidet die Mitgliederversammlung (§ 6 Satz 2 der Satzung).
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Der Förderverein war nach dem Freistellungsbescheid des FA vom xx.xx.2017 wegen der Förderung von Bildung und Erziehung, Förderung der Lehrtätigkeit und des Schullebens an der X. Schule als gemeinnützig anerkannt und daher von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit.
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Im Streitjahr 2019 erhielt der Förderverein insgesamt Zahlungen in Höhe von 37.500 € von Eltern, deren Kinder die X. Schule besuchten. Jeweils unter Angabe des Verwendungszwecks „Spende Förderverein ‒ Zweckbindung X. Schule“ führte der Förderverein im Jahre 2019 insgesamt 43.500 € an die Schulträgerin (die Stiftung) ab. Die Stiftung als Schulträgerin leitete ihrerseits mindestens 54.000 € zur Finanzierung des Schulträgereigenanteils an die X. Schule ab. Zu finanzieren war insgesamt ein Schulträgereigenanteil in Höhe von 87.000 €.
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Am 30.8.20220 reichten die Kläger ihre Steuererklärung beim Beklagten (dem Finanzamt --FA--) ein.
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In dem Bescheid für 2019 über Einkommensteuer, in dem das FA für beide Kinder den Freibetrag nach § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 2009 (EStG 2009) ansetzte, wich das FA insbesondere u.a. dahingehend von der Einkommensteuererklärung ab, dass es den Betrag von 1.000 €, der als Schulgeldzahlung an die X. Schule geltend gemacht worden war, nicht zum Abzug zuließ. Zur Begründung gab das FA an, es handele sich nicht um Schulgeldzahlungen im einkommensteuerrechtlichen Sinne. Die Zahlungen seien nicht ausschließlich als Entgelt für den reinen Schulbesuch vereinnahmt worden.
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U.a. hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Mit dem Einspruch reichten sie eine Bescheinigung des Fördervereins vom xx.xx.2020 ein. Darin bestätigte der Förderverein dem Kläger, einen Betrag von 1.000 € gezahlt zu haben. Der gemeinnützige Förderverein habe diese Zahlung nach seiner Satzung dem gemeinnützigen Schulträger zur Verfügung gestellt, damit dieser den nach dem Schulgesetz erforderlichen Eigenanteil aufbringen könne und darüber hinaus Betriebskosten decken könne, die nicht Gegenstand der Ersatzschulfinanzierung seien. Die Förderbeiträge würden nicht für Beherbergung, Betreuung oder Verpflegung verwendet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Bescheinigung Bezug genommen.
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Gleichwohl wies das FA den Einspruch der Kläger durch Einspruchsentscheidung vom 1.3.2021 als unbegründet zurück. Seine Beurteilung zu dem als Schulgeld geltend gemachten Betrag begründete das FA damit, dass ein Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2009 nur zulässig sei, soweit ein Entgelt für ein Kind, für das ein Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG 2009 oder auf Kindergeld bestehe, für dessen Besuch einer Schule in freier Trägerschaft oder einer überwiegend privat finanzierten Schule entrichtet worden sei. Voraussetzung sei weiterhin, dass die Schule in einem EU-/EWR-Staat belegen sei, der Schulabschluss zu einem anerkannten allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führe oder anerkanntermaßen ordnungsgemäß darauf vorbereite. Nicht begünstigt seien Kosten für Betreuung, Beherbergung und Verpflegung, die ggf. in dem geleisteten Entgelt enthalten seien. Schulgeld i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2009 sei das Entgelt für den reinen Schulbesuch, soweit diese Kosten an einer staatlichen Schule von der öffentlichen Hand getragen werden würden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16.11.2005 XI R 79/03).
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Die geleisteten Zahlungen stellten kein Schulgeld dar, weil die Beiträge, die durch den Förderverein an die Schule weitergeleitet worden seien, ausweislich § 2 der Satzung nicht für den reinen Schulbesuch geleistet würden. In § 2 der Satzung sei u.a. die Rede von der „Unterstützung von … Veranstaltungen, Studienreisen, Schullandaufenthalte und Arbeitsgemeinschaften, Projekten und (Arbeits-) Materialien“. Aufgrund dieser Regelung sei festzustellen, dass die Leistungen an den Förderverein kein Entgelt für den reinen Schulbesuch i.S. der vorgenannten BFH-Rechtsprechung darstellten. Dass die Zahlungen gegenüber anderen Eltern ggf. als Schulgeldzahlungen anerkannt worden seien, könne zu keiner anderen Beurteilung führen.
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Mit der daraufhin erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel weiter, die Zahlungen an den Förderverein als Sonderausgaben berücksichtigen zu lassen. Die X. Schule sei unstreitig als Ersatzschule staatlich anerkannt und habe ihren Sitz in einem EU-Staat. Sie führe zu einem anerkannten allgemeinen Schulabschluss bzw. bereite auf einen solchen vor. Die an den Förderverein gezahlten Beträge stellten ein Schulgeld dar. Die Beträge seien für den Schulbesuch der beiden Kinder entrichtet worden. Es ergebe sich aus der Bescheinigung, dass das Geld zur Deckung der Betriebskosten bzw. des Schulträgereigenanteils verwandt werde. Die tatsächliche Verwendung der Mittel sei für die steuerrechtliche Qualifikation maßgebend.
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Es sei nicht ersichtlich, dass die Satzung des Fördervereins ausschließlich die Mittelverwendung zur Deckung des Schulträgeranteils als Vereinszweck definieren müsse. Insbesondere ergebe sich ein solches Erfordernis nicht aus der Rechtsprechung des BFH in seinem Urteil vom 12.8.1999 XI R 65/98. Der BFH stelle vielmehr darauf ab, dass die Satzung dafür spreche, dass es sich bei den Zuwendungen nicht um eine Spende, sondern um ein Leistungsentgelt handele. Ein materielles Erfordernis, dass die Satzung des Fördervereins bzw. die Vorgaben des Schulträgers die Mittelverwendung in dem vom FA geforderten Umfang festlegten, ergebe sich aus dem Urteil nicht. Auch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 4.1.1991 gebe für die Erforderlichkeit der Zweckbestimmung nichts her. Vielmehr führe es aus, dass sichergestellt sein müsse, dass die festgesetzten Elternbeiträge zusammen mit etwaigen staatlichen Zuschüssen und Zuwendungen der fördernden Mitglieder die voraussichtlichen Kosten des normalen Betriebs der Schule deckten. Das sei vorliegend der Fall.
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Selbst wenn der Satzung ausschlaggebende Bedeutung für die steuerliche Anerkennungsfähigkeit zukomme, führe das im vorliegenden Fall zu keinem abweichenden Ergebnis. Die Satzung beziehe sich in dem von dem FA in Bezug genommenen Absatz lediglich auf den generellen Zweck des Fördervereins, nämlich die Förderung der X. Schule. Gerade nicht festgelegt werde, dass als Schulgeld bezahlte Förderbeiträge für die in § 2 der Satzung genannten Zwecke verwendet würden. Es müsse dem Förderverein unbenommen bleiben, aus anderen Quellen bezogenes weiteres Vermögen für die in § 2 der Satzung ansonsten genannten Zwecke zu verwenden oder diese überhaupt nicht zu fördern. Ansonsten würde die Privatschulfreiheit des Klägers erheblich eingeschränkt, da es ein entscheidendes Merkmal der Schule in freier Trägerschaft sei, durch ihre Fördervereine ein sich von den staatlichen Schulen unterscheidendes Rahmenprogramm aufbauen zu können.
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Ausschließlicher Zweck des von den Eltern gezahlten Schulgelds sei es, den Schulträgereigenanteil zu finanzieren. Die weiteren in § 2 der Satzung genannten, untergeordneten Zwecke würden, soweit für ihre Förderung überhaupt Mittel aufgewendet werden könnten, durch Spenden finanziert.
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Mit Schreiben vom xx.xx.2021 habe das Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen mitgeteilt, dass es davon ausgehe, dass eine schädliche Verwendung der Fördermittel mangels eindeutiger Formulierung der Satzung des Fördervereins des Schulträgers nicht ausgeschlossen werden könne. Diesem Einwand werde ausdrücklich entgegengetreten. Zum einen widerspreche diese Forderung, wie dargestellt, den Festlegungen des EStG. Darüber hinaus sei nachweisbar, dass die Förderbeiträge vollständig zur Deckung des Schulträgereigenanteils und der nicht von der Ersatzschulfinanzierung umfassten Betriebskosten verwendet worden seien. Dies ergebe sich daraus, dass die Summe der Förderbeiträge sich vollständig in der Bilanz des Fördervereins widerspiegele. Hierdurch könne ausgeschlossen werden, dass Teile der Gelder für etwas Anderes aufgewendet worden seien als den Schulträgereigenanteil.
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Unerheblich für die Beurteilung als Schulgeld sei, ob es sich um verpflichtende oder freiwillige Zahlungen handele. Wenn das FA aber freiwillige Zahlungen nicht als Schulgeldzahlungen berücksichtigen wolle, müsse es sich bei der Zahlung jedenfalls um Spenden handeln.
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Die Kläger beantragen,
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den Einkommensteuerbescheid vom 3.11.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1.3.2021 dahingehend zu ändern, dass die an den Förderverein der X. Schule e.V. gezahlten Förderbeiträge als Schulgeld gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG, hilfsweise als Spenden gemäß § 10b EStG berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Das FA trägt vor, die Kläger hätten die Gelder im vorliegenden Fall nicht unmittelbar an die Schule, sondern an den Förderverein entrichtet. Dieser sei satzungsgemäß nicht verpflichtet, das Geld ausschließlich zu dem Zweck, damit einen Teil der allgemeinen Schulbetriebskosten bzw. des Schulträgereigenanteils zu decken, an die Schule bzw. die X. Stiftung weiterzuleiten. Gemäß § 2 der Satzung werde der Vereinszweck verwirklicht durch die „Förderung der Lehrtätigkeit und des Schullebens, insbesondere durch die Unterstützung von schulischen Einrichtungen und Veranstaltungen, Studienreisen, Schullandaufenthalten und Arbeitsgemeinschaften, Projekten und (Arbeits-) Materialien“. Insbesondere die Unterstützung von Projekten und (Arbeits-) Materialien zähle nicht zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2009 berücksichtigungsfähigen Aufwendungen. Soweit Eltern Aufwendungen dieser Art im Rahmen des Schulbesuchs einer öffentlichen Schule zusätzlich verausgabten, seien diese Zahlungen steuerlich nicht berücksichtigungsfähig. Für den Besuch einer Schule in freier Trägerschaft müsse dieser Grundsatz ebenfalls gelten.
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Auch durch den Umstand, dass nicht genau bestimmt werde, wofür die Kläger den monatlichen Betrag von 250 € an den Förderverein zahlten und wie der Verein diesen zu verwenden habe, werde deutlich, dass die geltend gemachten Zahlungen kein abzugsfähiges Schulgeld darstellten. Lediglich wenn in der Satzung verbindlich geregelt sei, dass die von den Eltern der Schüler regelmäßig monatlich geleisteten Zahlungen ausschließlich zur Deckung der Betriebskosten bzw. des Schulträger-Eigenanteils an die Schule bzw. die Stiftung weiterzuleiten seien, sei eine entsprechende eindeutige Zweckbestimmung vorhanden, so dass eine Begünstigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2009 in Betracht komme. Im vorliegenden Fall fehle es an entsprechenden Formulierungen in der Satzung.
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Es sei auch fraglich, ob seitens der Kläger ein Betrag für den Besuch der Schule geleistet worden sei. Soweit die Kläger ausgeführt hätten, dass 2019 ein Betrag in Höhe von 54.000 € an die Schule ausgekehrt worden sei, sei der Betrag höher als die von dem Förderverein vereinnahmten und an die Stiftung weitergeleiteten Mittel. Auch wenn der Schulträgereigenanteil im selben Jahr 87.000 € betragen habe, sei der Nachweis für die Verwendung der von den Klägern geleisteten Beiträge nicht erbracht. Die bloße rechnerische Richtigkeit könne hierfür nicht genügen. Unter Verweis auf § 2 der Satzung bestünden weiterhin Zweifel, ob die von den Klägern an den Förderverein gezahlten Beträge ausschließlich für den Besuch der Schule geleistet worden seien.
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Zu den Einnahmen einer Ersatzschule zählten ferner Zuschüsse Dritter zur Aufbringung der jährlichen Eigenleistung gemäß § 105 Abs. 6 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein Westfalen (SchulG NRW ‒ SchulG). Sofern die von den Klägern an den Förderverein geleisteten Beiträge daher tatsächlich zur Deckung des Schulträgereigenanteils verwendet worden seien, hätten diese im Haushaltsplan für das Jahr 2019 unter dem Titel 282102 „Sonstige Zuschüsse (z. B. auf freiwilliger Basis erbrachte Elternbeiträge)“ erfasst werden müssen. Eine entsprechende Erfassung der Einnahmen sei allerdings nicht erfolgt. Es ergäben sich somit auch aus dem vorgelegten Haushaltsplan Zweifel, ob die von den Klägern an den Förderverein gezahlten Beiträge tatsächlich für den Besuch einer Schule geleistet worden seien.
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Einen Vertrauensschutz, wie ihn § 10b Abs. 4 Satz 1 EStG 2009 für den Spendenabzug vorsehe, gebe es für die Beurteilung des Sonderausgabenabzugs nicht. Hier gelte der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung.
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Die Förderbeiträge seien auch keine unter den Zuwendungsbegriff des § 10b EStG 2009 fallenden Mitgliedsbeiträge. Die Mitgliedsbeiträge beliefen sich entsprechend der Einzugsermächtigung des Fördervereins vom xx.xx.2016 (Anlage K 8 zur Klagebegründung) auf 15 € jährlich. Die in Rede stehenden -- über den regulären Mitgliedsbeitrag hinausgehenden -- Zahlungen würden in der Zahlungsbestätigung des Fördervereins gegenüber den Steuerpflichtigen mit Datum vom xx.xx.2020 als Förderbeiträge bezeichnet (Anlage K 1 zur Klagebegründung). Es werde in diesem Schreiben ferner bestätigt, dass der Förderverein die Zahlungen nach seiner Satzung dem Schulträger, der gemeinnützigen X. Stiftung, zur Verfügung gestellt habe, damit dieser den nach dem Schulgesetz erforderlichen Eigenanteil erbringen und darüber hinaus Betriebskosten decken könne, die nicht Gegenstand der Ersatzschulfinanzierung seien.
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Das FA meint, der Betrag in Höhe von 1.000 € sei ebenfalls nicht als Spende i.S. des § 10b EStG 2009 zu qualifizieren. Der BFH definiere Spenden als Ausgaben, die freiwillig und unentgeltlich geleistet würden, um steuerbegünstigte Zwecke fremdnützig zu fördern (vgl. BFH-Urteil vom 12.9.1990 I R 65/86, BFHE 162, 407, BStBl II 1991, 258). Eine Unentgeltlichkeit sei anzunehmen, wenn die Spende ohne Gegenleistung des Empfängers bzw. ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung erbracht werde. An der Unentgeltlichkeit fehle es, wenn der Steuerpflichtige aufgrund seiner Leistung an die steuerbegünstigte Einrichtung einen Vorteil erhalte. Der Vorteil könne wirtschaftlicher, aber auch anderer Natur sein (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 407, BStBl II 1991, 258). Zur Spendenfähigkeit von Elternleistungen an gemeinnützige Schulvereine sei das BMF-Schreiben vom 4.1.1991, BStBl I 1992, 266, ergangen. In diesem Schreiben heiße es mit Verweis auf das BFH-Urteil vom 25.8.1987, BFHE 151, 3, BStBl II 1987, 850, dass bei Personen, deren Kinder die betreffende Schule besuchen, eine Aufteilung der Elternbeiträge in einen steuerlich abziehbaren Spendenanteil und in ein nicht als Spende abziehbares Leistungsentgelt nicht möglich sei. Hiernach könnten Eltern, deren Kinder die Schule eines gemeinnützigen Schulvereins besuchen, nicht zur Deckung von Schulkosten ihrer Kinder steuerwirksam spenden. Dies gelte auch dann, wenn ein sozial gestaffeltes Schulgeld oder ein Schulgeld aufgrund einer Selbsteinschätzung der Eltern erhoben werde. Des Weiteren führe das BMF-Schreiben Folgendes aus: Setze der Schulträger die Elternbeiträge so niedrig fest, dass der normale Betrieb der Schule z.B. nur durch Zuwendungen der Eltern an einen Förderverein aufrechterhalten werden könne, die dieser satzungsgemäß an den Schulverein abzuführen habe, so handele es sich wirtschaftlich betrachtet auch bei diesen Zuwendungen um ein Leistungsentgelt, für das die Spendenbegünstigung nicht in Betracht komme. Deshalb könnten Gestaltungen steuerlich nicht anerkannt werden, nach denen der von den Eltern zu leistende Beitrag formal in einen an den Schulverein zu entrichtenden Elternbeitrag (Leistungsentgelt) und in einen als Spende bezeichneten und an den Förderverein zu zahlenden Betrag aufgespalten werde. Dies gelte ungeachtet der Zwischenschaltung des Fördervereins.
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Der Sach- und Streitstand ist am 28.11.2022 mit den Beteiligten erörtert worden. Am 25.10.2023 ist vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Wegen der Einzelheiten der beiden Termine wird auf die Inhalte der beiden Protokolle Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid für 2019 über Einkommensteuer ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit das FA die Zahlung von 1.000 € an den Förderverein der X. Schule nicht als Schulgeldzahlungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2009 berücksichtigt hat.
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I. Sonderausgaben sind u.a. die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden: 30 % des Entgelts, höchstens 5.000 €, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG 2009 oder auf Kindergeld hat, für dessen Besuch einer Schule in freier Trägerschaft oder einer überwiegend privat finanzierten Schule entrichtet, mit Ausnahme des Entgelts für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung. Voraussetzung ist, dass die Schule in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, und die Schule zu einem von dem zuständigen inländischen Ministerium eines Landes, von der Kultusministerkonferenz der Länder oder von einer inländischen Zeugnisanerkennungsstelle anerkannten oder einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannten allgemein bildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führt (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 Sätze 1 und 2 EStG 2009).
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II. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
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1. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die in E. belegene X. Schule, die F. und G., die beiden Kinder der Kläger im Streitjahr besuchten, eine staatlich anerkannte Ersatzschule ist. Von weiteren Ausführungen wird daher abgesehen.
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2. Ebenso bedarf es keiner weiteren Vertiefung, dass die Kläger im Streitjahr für ihre beiden Kinder Anspruch auf den Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG 2009 hatten. Für beide Kinder hat das FA den Freibetrag im Einkommensteuerbescheid berücksichtigt.
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3. Entgegen der Ansicht des FA stellen die entrichteten 1.000 € ein Entgelt i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG 2009 dar.
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a) Der Begriff des Entgelts ist in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2009 nicht näher definiert. Verstanden wird hierunter das von den Eltern zu entrichtende Schulgeld für den Schulbesuch der Kinder, wobei es auf die Bezeichnung als Schulgeld nicht ankommt (Verfügung der Oberfinanzdirektion --OFD-- Koblenz vom 10.12.2003 ‒ S 2221 A ‒ St 32 3, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2004, 180). Es muss sich um die Kosten für den normalen Schulbetrieb handeln, soweit diese Kosten an einer staatlichen Schule von der öffentlichen Hand getragen würden (BFH-Urteil vom 16.11.2005 XI R 79/03, BFHE 212, 69, BStBl II 2006, 377; Kulosa in Herrmann/Heuermann/Raupach, § 10 EStG Rz. 205).
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Insoweit hat eine wirtschaftliche Betrachtung dahingehend zu erfolgen, wonach sämtliche Leistungen der Eltern, die als Gegenleistung für den Schulbesuch des Kindes erbracht werden, den Entgeltbegriff erfüllen. Demnach erfüllen auch Leistungen von Eltern an einen Förderverein, der diese zur Deckung der Betriebskosten an den Schulträger weiterleitet, den Entgeltbegriff (BFH-Urteil vom 12.8.1999 XI R 65/98, BFHE 190, 144, BStBl II 2000, 65; Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 14.3.2005 ‒ 8 K 4826/01, juris; Verfügung der OFD Koblenz in DStR 2004, 180; so auch Bauschatz in Korn, § 10 EStG Rz. 230; Schaffhausen/Plenker, DStR 2009, 1123, 1125; aus Sicht des Spendenabzugs bereits Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 4.1.1991 ‒ IV B 4-S 2223-378/90, BStBl I 1992, 266).
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b) Auch die Zahlungen der Kläger im Veranlagungszeitraum 2019 fallen unter diese Definition. Bei Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtung sind die 1.000 € von den Klägern gezahlt worden, um den Schulträgereigenanteil zu finanzieren. Zusammen mit den anderen Eltern haben die Kläger dem Förderverein insgesamt 37.500 € zugewendet, die in den 43.500 € enthalten waren, die der Förderverein zweckgebunden zur Finanzierung der X. Schule an die Schulträgerin weitergeleitet hat. Die Kläger und die anderen Eltern konnten sicher sein, dass mit diesem Geld allein der normale Schulbetrieb finanziert würde, da der aufzubringende Schulträgereigenanteil 87.000 € betrug und die Schulträgerin nur (mindestens) 54.000 € hierzu beitragen konnte. M.a.W. reichte der weitergeleitete Betrag noch nicht einmal aus, um den Eigenanteil vollständig abzudecken.
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c) Soweit das FA demgegenüber die Entgelteigenschaft der Zahlungen deshalb verneint, weil sie nicht satzungsgemäß an die Schulträgerin zur Finanzierung des allgemeinen Schulbetriebs weitergeleitet worden seien, vermag der Senat dem nicht zu folgen, soweit das FA dies dahingehend versteht, dass in der Satzung zwingend eine Bestimmung vorgesehen sein muss, die eine Verwendung der Mittel ausschließlich für den normalen Schulbetrieb vorsieht. Im vorliegenden Fall trifft es zwar zu, dass die Satzung des Fördervereins in § 2 Abs. 2 keine so verstandene ausschließliche Bindung zur Mittelverwendung enthält und aufgrund der breiten Formulierung (Förderung der Lehrtätigkeit und des Schullebens, insbesondere durch die Unterstützung von schulischen Einrichtungen und Veranstaltungen, Studienreisen, Schullandaufenthalten und Arbeitsgemeinschaften, Projekten und (Arbeits-) Materialien) auch Zwecke vorsieht, bei deren Verfolgung keine reine Finanzierung des normalen Schulbetriebs mehr vorliegen würde. Allerdings ist dies unschädlich, denn es ist schon keine gesetzliche Grundlage für die vom Beklagten vertreten Auffassung ersichtlich, dass es sich bei über einen Förderverein an einen Schulträger weitergeleitete Elternbeiträge nur dann um Schulgeldzahlungen im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2009 handeln kann, wenn sich der Satzungszweck des Fördervereins auf die Weiterleitung von Elternbeiträgen beschränkt. Ob die weitergeleiteten Elternbeiträgen als Schulgeldzahlungen im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2009 anzusehen sind, ist nach Auffassung des Senates vielmehr allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Danach liegt im vorliegenden Fall ein Entgelt für den Schulbesuch vor, da die Schule auf die Förderbeträge zur Finanzierung des Eigenanteils angewiesen war und die Elternbeiträge vollständig an den Schulträger weitergeleitet worden sind; dies gilt umso mehr, als die Schule selbst kein eigenes Schulgeld erhoben hat.
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Damit gerät der erkennende Senat nicht in Konflikt mit der Rechtsprechung des BFH, der in seinem Urteil vom 12.8.1999, Leitsatz 2 (in BFHE 190, 144, BStBl II 2000, 65) ausdrücklich ausgeführt hat: „Setzt der Schulträger das Schulgeld so niedrig an, dass der normale Betrieb der Schule nur durch die Zuwendungen der Eltern an die Schule aufrechterhalten werden kann, die dieser satzungsgemäß an den Schulträger abzuführen hat, so handelt es sich bei diesen Zuwendungen um ein Leistungsentgelt, nicht um Spenden.“ Das in diesem Leitsatz enthaltene Merkmal der satzungsgemäßen Abführung darf nicht dahin missverstanden werden, es bedürfe für den Charakter als Schulgeldzahlung stets einer eng formulierten Zweckbestimmung dergestalt, dass die eingesammelten Fördergelder allein für die Finanzierung des Schulträgereigenanteils verwandt und zu diesem Zweck an die Schulträgerin abgeführt werden. Der Leitsatz entspringt vielmehr der notwendigen Abgrenzung von Spenden i.S. des § 10b EStG 2009. Der BFH will verhindern, dass Steuerpflichtige im Wege des Gestaltungsmissbrauchs durch Zwischenschaltung eines Fördervereins in den Genuss des vorteilhafteren Spendenabzugs kommen, obwohl es sich der Sache nach um ein Entgelt für den Schulbesuch der eigenen Kinder handelt. Ist dann --wie in dem Fall, der dem BFH zur Entscheidung vorlag-- anhand der Satzung zusätzlich ersichtlich, dass allein der normale Schulbetrieb finanziert werden soll, spricht dies in besonderem Maße dafür, dass die Zahlungen an den Förderverein bei wertender Betrachtung Schulgeldzahlungen und eben keine Spenden sind. Im Kern --und am Ende entscheidend-- ist indes stets eine wirtschaftliche Betrachtung (so, ebenfalls ohne erneute Hervorhebung des Merkmals satzungsgemäß, BFH-Beschluss vom 20.7.2006 XI B 51/05, BFH/NV 2006, 2070).
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Die Auffassung des FA führt im Übrigen zu nicht sachgerechten Ergebnissen, weil die Zahlungen dann weder Schulgeld noch eine Spende darstellen würden, obwohl sie bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für den Schulbesuch und damit Schulgeld sind. Die Rechtsprechung des BFH wollte jedoch allein erreichen, dass nicht anstelle des beschränkten Schulgeldabzugs der günstigere Spendenabzug in Anspruch genommen werden kann. Es war hingegen nicht beabsichtigt, dass es durch die Abgrenzungsnotwendigkeit Zahlungen geben könnte, die steuerlich gar nicht mehr relevant sind.
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4. Angesichts der vorstehenden Ausführungen unter 3.b ist das Entgelt der Kläger auch nicht für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung verwandt worden. Dies ist den Klägern im Übrigen auch ausdrücklich durch die im Einspruchsverfahren vorgelegte Bescheinigung über die Förderbeträge vom xx.xx.2020 seitens des Fördervereins bestätigt worden.
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III. Die Berechnung des geänderten Einkommensteuerbetrages für 2019 wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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IV. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.