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  • 10.02.2025 · IWW-Abrufnummer 246327

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 14.11.2024 – 5 K 17/24

    Liegen für die Lieferung durch einen in § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG genannten Unternehmer (Inhaber einer Blindenwerkstätte) auch die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) vor (hier: innergemeinschaftliche Lieferungen von Blindenwaren nach Österreich), geht die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG vor, die den Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht ausschließt (insofern entgegen Abschn. 4.19.2 Abs. 3 UStAE, Abschn. 6a.1 Abs. 2a UStAE und Abschn. 15.13 Abs. 5 UStAE).


    Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 14.11.2024, Az. 5 K 17/24

    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beklagte Finanzamt (FA) nach einer durchgeführten Betriebsprüfung für die Streitjahre 2014 bis 2017 dem Kläger als Inhaber einer anerkannten Blindenwerkstätte den anteiligen Vorsteuerabzug i. H. v. insgesamt 47.299,23 € zu Recht versagt hat, indem es davon ausgegangen ist, dass bei Vorliegen einer Lieferung durch einen in § 4 Nr. 19 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) genannten Unternehmer (Inhaber einer Blindenwerkstätte) und bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG vorgehe, die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausschließt.

    Der Kläger betreibt in ... eine anerkannte Blindenwerkstätte i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Blindenwarenvertriebsgesetzes in der bis zum 13. September 2007 geltenden Fassung (BliwaG) ... zur Herstellung und zum Vertrieb von Blindenwaren und Zusatzwaren (insbesondere als Weberei/Näherei). Das Unternehmen des Klägers ist gleichzeitig Konzernspitze von mehreren Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und gemeinnützigen GmbH (gGmbH) im Inland und im Gemeinschaftsgebiet, an denen überwiegend eine Beteiligung des Klägers zu 100 % besteht, u. a. an der X-GmbH mit Sitz in Österreich. Diese österreichische X-GmbH des Klägers ist keine gemeinnützige GmbH.

    Der Kläger lieferte in den Streitjahren 2014 bis 2017 Blindenwaren u. a. an die österreichische X-GmbH zur Veredelung und zum Weiterverkauf unter Angabe seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.).

    Mit seinen Umsatzsteuer-Jahreserklärungen für 2014 bis 2017, die jeweils einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden, erklärte der Kläger diese Lieferungen als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Der Kläger erklärte dabei sowohl steuerpflichtige Umsätze zum allgemeinen Steuersatz (...) als auch steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG (...). Die Vorsteuerbeträge teilte der Kläger im Schätzungswege gemäß der Quote der steuerfreien Umsätze ohne Vorsteuerabzug zum Gesamtumsatz auf. Die Umsätze aus den steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen, die zum weit überwiegenden Teil auf die österreichische X-GmbH entfielen, ordnete der Kläger für Zwecke der Vorsteueraufteilung den Umsätzen zu, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Von den insgesamt angefallenen Vorsteuerbeträgen vor Umbuchung (...) erklärte der Kläger abziehbare Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern i. H. v. ... € für 2014, ... € für 2015, ... € für 2016 und ... € für 2017.

    Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom ... führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung ... (FA-GBp) für das FA in 2019 und 2020 bei dem Kläger eine steuerliche Außenprüfung durch, die sich u. a. auf die Umsatzsteuer 2014 bis 2017 erstreckte.

    Die Prüferin des FA-GBp vertrat in ihrem Betriebsprüfungsbericht vom ... die Auffassung, dass bei der Berechnung der nichtabziehbaren Vorsteuerbeträge die innergemeinschaftlichen Lieferungen zu berücksichtigen seien als Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, da die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG vorgehe. Die Prüferin verwies insofern auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 11. April 2011 IV D 3-S 7130/07/10008 (BStBl I 2011, 459) sowie auf Abschn. 4.19.2 Abs. 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE). Die zusätzlich nichtabziehbaren Vorsteuern berechnete die Prüferin insofern mit 7.681,28 € für 2014, 24.099,82 € für 2015, 12.755,57 € für 2016 und 2.762,56 € für 2017 (Tz. ... des Betriebsprüfungsberichts in Verbindung mit Anlage ... zum Bericht). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom ... nebst Anlagen verwiesen (...).

    Das FA übernahm die von der Prüferin des FA-GBp getroffenen Feststellungen und erließ geänderte Bescheide für 2014 bis 2017 über Umsatzsteuer jeweils unter dem 14. Juli 2020 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) entsprechend den Berechnungen der Prüferin in dem Betriebsprüfungsbericht vom .... Das FA hob mit diesen Änderungsbescheiden die Vorbehalte der Nachprüfung auf. Wegen der Einzelheiten dieser Änderungsbescheide wird auf Blatt ... der Rechtsbehelfsakte des FA verwiesen.

    Gegen diese Änderungsbescheide legte der Kläger Einspruch ein. Zur Begründung trug er zunächst vor, dass er für die im Inland erzielten Umsätze, insbesondere die Versendung von Blindenwaren an Unternehmen, die grundsätzlich gem. § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG steuerbefreit seien, nach § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiung verzichtet habe. Deshalb könne der Ausschluss vom Vorsteuerabzug (für die innergemeinschaftlichen Lieferungen) nicht auf eine Umsatzsteuerbefreiungsnorm angewandt werden, die für die Umsätze (im Inland) nicht in Anspruch genommen werde.

    Des Weiteren vertrat er die Auffassung, dass sich die Argumentationen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 30/12 (BFHE 243, 35, BStBl II 2014, 133, zur Lieferung von Blutplasma von Deutschland in das übrige Gemeinschaftsgebiet) und des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 7. Dezember 2006 C-240/05 Eurodental (HFR 2007, 176, zur Lieferung von Zahnersatz durch ein Luxemburger Unternehmen an in Deutschland ansässige Zahnärzte) auf den vorliegenden Fall nicht übertragen ließen, da sich folgende wesentlichen Unterschiede ergäben:

    Anders als bei der Steuerbefreiung gem. Art. 132 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie -MwStSystRL-), der § 4 Nr. 17 UStG entspreche betreffend die Lieferung u. a. von menschlichem Blut, handele es sich bei der Befreiung von Umsätzen, die von Blinden oder Blindenwerkstätten bewirkt werden, um eine Ausnahmeregelung gem. des Anhangs X Teil B Nr. 5 MwStSystRL (entsprechend § 4 Nr. 19 UStG). Insoweit dürften die Mitgliedsstaaten die entsprechenden Umsätze von der Steuer befreien, müssten dieses jedoch nicht.

    Damit gehe einher, dass § 9 Abs. 1 UStG für entsprechende Umsätze i. S. von § 4 Nr. 19 UStG an Unternehmer für deren Unternehmen den Verzicht auf die Anwendung der Steuerbefreiung zulasse (und damit der Vorgabe der MwStSystRL entspreche, nach der eine Steuerbefreiung ermöglicht werden könne, aber nicht müsse), was in Bezug auf die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 17 UStG nicht der Fall sei.

    Art. 140 Buchst. a MwStSystRL befreie den innergemeinschaftlichen Erwerb von der Steuer, wenn die Lieferung der jeweiligen Gegenstände in ihrem jeweiligen Gebiet in jedem Fall mehrwertsteuerfrei sei; dies sei im Fall von Art. 132 MwStSystRL erfüllt, nicht jedoch im Fall von Anhang X Teil B MwStSystRL. Zudem liege bei einer Optionsmöglichkeit gem. § 9 UStG kein Umsatz vor, der "in jedem Fall" steuerfrei sei. Gerade für den Fall der Option sei der Umsatz steuerpflichtig.

    Entsprechend werde gem. § 4b Nr. 1 UStG der innergemeinschaftliche Erwerb von Blutplasma (als in § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG genannter Gegenstand) von der Steuer befreit, der Erwerb eines (beliebigen) Gegenstand von einer Blindenwerkstätte jedoch nicht. § 4 Nr. 19 UStG sei demnach eine personenbezogene/subjektbezogene Steuerbefreiungsvorschrift, § 4 Nr. 17 UStG eine objektbezogene Befreiungsvorschrift.

    Die vorrangige Anwendung von § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG auf die streitgegenständlichen Umsätze würde den Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht verletzen. Dies zeige sich an der Gesamtbetrachtung des Sachverhalts am Beispiel einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Österreich. Unabhängig von der Frage der steuerlichen Behandlung der Lieferung im Inland hinsichtlich der Frage der Steuerbefreiung unterliege der Erwerb in Österreich der Erwerbsbesteuerung (entsprechend § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG). Denn das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs sei nicht davon abhängig, dass eine (steuerfreie) innergemeinschaftliche Lieferung vorliege, und eine Steuerbefreiung des innergemeinschaftlichen Erwerbs (entsprechend § 4b UStG) läge nicht vor. Bei einer Weiterverwendung durch den Erwerber im Rahmen seiner Ausgangsumsätze sei nicht von der Anwendung einer Steuerbefreiungsvorschrift auszugehen, da keine objektive Steuerbefreiung vorläge und anzunehmen sei, dass der Erwerber regelmäßig selbst nicht unter eine § 4 Nr. 19 UStG entsprechende Regelung falle. Eine Umsatzbesteuerung erfolge daher am Ende der Leistungskette in Österreich. Würde im Inland die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 19 UStG vorrangig Anwendung finden, würde das für die zusammenhängenden Leistungsbezüge des Klägers zu einem Vorsteuerausschluss gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG führen. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass dies eine systemwidrige Mehrfachbelastung mit Umsatzsteuer über alle Wertschöpfungsstufen hinweg wäre.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2022 wies das FA die Einsprüche des Klägers gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2014 bis 2017 vom 14. Juli 2020 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass bei einer Lieferung durch einen in § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG genannten Unternehmer (Blindenwerkstätte) und bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG vorgehe und dass demzufolge die Vorsteuerbeträge für die Jahre 2014 bis 2017 zu Recht um insgesamt 47.299,23 € gekürzt worden seien.

    Neben dem Vorsteuerabzug für steuerpflichtige Leistungen gegen Entgelt sei der Unternehmer gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG auch insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als er Eingangsrechnungen für Zwecke der dort aufgeführten steuerfreien Umsätze zu verwenden beabsichtige. Zu diesen gehörten die nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen, nicht aber z. B. die nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG steuerfreien Umsätze von Inhabern anerkannter Blindenwerkstätten. Falle ein Umsatz sowohl unter eine der in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. a UStG bezeichneten Befreiungsvorschriften als auch unter eine Befreiungsvorschrift, die den Vorsteuerabzug ausschließe, z. B. die innergemeinschaftliche Lieferung von Blutkonserven zu therapeutischen Zwecken, gehe die Steuerbefreiung, die den Vorsteuerabzug ausschließe, der in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. a UStG aufgeführten Befreiungsvorschrift vor (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 30/12, BFHE 243, 35, BStBl II 2014, 133). Daher könne für diese Umsätze kein Vorsteuerabzug beansprucht werden (Abschn. 15.13 Abs. 5 UStAE).

    Es sei unerheblich, ob für einen Teil der Inlandsumsätze tatsächlich auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 19 UStG durch Option gem. § 9 UStG verzichtet worden sei, zumal die Entscheidung zur Option nach § 9 Abs. 1 UStG für jeden Umsatz einzeln zu treffen sei. Diese Entscheidung habe der Kläger jeweils dergestalt getroffen, dass er die innergemeinschaftlichen Lieferungen in den Rechnungen unter Angabe seiner USt-IdNr. als umsatzsteuerfrei ausgewiesen habe. Damit bleibe es bei dem Vorsteuerabzugsverbot nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für die Eingangsleistungen, die auf die durch den Kläger als steuerfrei behandelten innergemeinschaftlichen Lieferungen i. S. des § 6a UStG entfielen, jedoch bereits nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei seien. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 19 UStG gehe als "lex specialis" der Befreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG vor (Abschn. 4.19.2 Abs. 3 UStAE, Abschn. 6a.1 Abs. 2a UStAE).

    Im Übrigen dürfte die Annahme des Klägers - eine Umsatzbesteuerung erfolge am Ende der Leistungskette in Österreich, da bei einer Weiterverwendung durch den Erwerber im Rahmen seiner Ausgangsumsätze in der Regel nicht von der Anwendung einer Steuerbefreiungsvorschrift auszugehen sei - im Streitfall nicht zutreffend sein. Von den innergemeinschaftlichen Lieferungen im Prüfungszeitraum sei der weit überwiegende Teil allein auf die österreichische X-GmbH entfallen, deren Ausgangsumsätze in Österreich nach einer § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG entsprechenden Regelung von der Umsatzsteuer befreit sein dürften.

    Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

    Zur Begründung seiner Klage wiederholt der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend weist er darauf hin, dass die Ausgangsumsätze der österreichischen X-GmbH nicht von der Umsatzsteuer in Österreich befreit seien, da dort keine Steuerbefreiungsvorschrift einschlägig sei.

    Der Kläger beantragt,

    die Umsatzsteuerbescheide für 2014 bis 2017, jeweils vom 14. Juli 2020 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2022, dahingehend zu ändern, dass weitere abziehbare Vorsteuerbeträge für 2014 i. H. v. 7.681,28 €, für 2015 i. H. v. 24.099,82 €, für 2016 i. H. v. 12.755,57 € und für 2017 i. H. v. 2.762,56 € berücksichtigt werden und dementsprechend die Umsatzsteuer für 2014 auf ... €, für 2015 auf ... €, für 2016 auf ... € und für 2017 auf ... € herabgesetzt wird.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2022 vertretenen Rechtsauffassung fest und nimmt zur Begründung auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid Bezug.

    Ergänzend weist das FA darauf hin, dass der Kläger von seinem Optionsrecht nach § 9 Abs. 1 UStG keinen Gebrauch gemacht habe. Die Umsätze des Klägers seien nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG steuerfrei, da die Tatbestandsmerkmale der Vorschrift unstreitig erfüllt seien. Für derartige Umsätze gelte der Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG, der Rückausschluss nach Abs. 3 der Vorschrift greife nicht. Der Kläger hätte - um dennoch in den Genuss des Vorsteuerabzugs für damit in Zusammenhang stehende Leistungsbezüge kommen zu können - gem. § 9 Abs. 1 UStG Umsätze, die wie vorliegend nach § 4 Nr. 19 UStG steuerfrei seien, als steuerpflichtig behandeln können, wenn die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt worden seien. Der Kläger habe die in Rede stehenden Umsätze jedoch gerade nicht als steuerpflichtig, sondern als umsatzsteuerfrei behandelt, sodass er von seinem Optionsrecht nach § 9 Abs. 1 UStG keinen Gebrauch gemacht habe und damit den gesetzlich vorgesehenen Ausschluss des Vorsteuerabzugs gegen sich gelten lassen müsse.

    Wegen des Verlaufs und Ergebnisses der mündlichen Verhandlung nimmt das Gericht Bezug auf die Sitzungsniederschrift vom 14. November 2024.

    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist begründet.

    I. Die Umsatzsteuerbescheide für 2014 bis 2017, jeweils vom 14. Juli 2020 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2022, sind rechtwidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

    Das beklagte FA hat den weiteren Vorsteuerabzug in Höhe der streitgegenständlichen Beträge zu Unrecht versagt. Da der Kläger unstreitig die innergemeinschaftlichen Lieferungen ausgeführt hat, die grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist entgegen der Auffassung des FA der insofern begehrte anteilige Vorsteuerabzug nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Lieferungen von Blindenwaren und Zusatzwaren im Inland des Inhabers einer anerkannten Blindenwerkstätte nach § 4 Nr. 19 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG steuerfrei sind, wenn der Unternehmer nicht zur Steuerpflicht gem. § 9 Abs. 1 UStG optiert hat. Die innergemeinschaftlichen Lieferungen des Klägers gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG sind insofern vorrangig. Der Vorsteuerabzug des Klägers für die mit diesen steuerfreien Umsätzen im Zusammenhang stehenden Eingangsumsätze ist gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht ausgeschlossen.

    1. Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist gem. § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist.

    a) Dies beruht unionsrechtlich auf Art. 168 Buchst. a MwStSystRL. Danach ist der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, berechtigt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Der Unternehmer ist nach diesen Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL) zu verwenden beabsichtigt. Für die Zurechnung einer Eingangsleistung zu der unternehmerischen Tätigkeit des Steuerpflichtigen muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz vorliegen (BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 V R 40/10, BFHE 236, 258, BStBl II 2012, 844, m. w. N. zur Rechtsprechung des EuGH und des BFH). Hängen die Eingangsleistungen hingegen mit steuerfreien Umsätzen oder mit nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfassten Umsätzen zusammen, kommt es nicht zum Vorsteuerabzug (vgl. EuGH-Urteil vom 8. September 2022 C-98/21, Finanzamt R, HFR 2022, 983). Die Aufteilung der Vorsteuerbeträge beruht auf Art. 173 Abs. 1 und Abs. 2 MwStSystRL.

    b) Neben dem Vorsteuerabzug für steuerpflichtige Leistungen gegen Entgelt ist der Unternehmer gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG auch insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als er Eingangsleistungen für Zwecke der dort aufgeführten steuerfreien Umsätze zu verwenden beabsichtigt. Zu diesen gehören die nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen von Gegenständen im Sinne des §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 UStG.

    Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist Art. 169 Buchst. b MwStSystRL. Danach hat der Steuerpflichtige über den Vorsteuerabzug nach Art. 168 MwStSystRL hinaus das Recht, die in jenem Artikel genannte Mehrwertsteuer abzuziehen, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner gem. den Artikeln 136a, 138, 142, oder 144, den Artikeln 146 bis 149, den Artikeln 151, 152, 153, oder 156, dem Artikel 157 Absatz 1 Buchst. b, den Artikeln 158 bis 161 oder Artikel 164 MwStSystRL befreiten Umsätze verwendet werden. Zu den danach zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen gehören innergemeinschaftliche Lieferungen i. S. von Art. 138 MwStSystRL.

    c) Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 19 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung (a. F.) von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen die Umsätze der Inhaber von anerkannten Blindenwerkstätten und der anerkannten Zusammenschlüsse von Blindenwerkstätten i. S. des § 143 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Form der Lieferungen von Blindenwaren und Zusatzwaren. Einen Umsatz, der nach dieser Vorschrift steuerfrei ist, kann der Unternehmer nach § 9 Abs. 1 UStG (Verzicht auf Steuerbefreiungen) aber als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Der Unternehmer kann für jeden einzelnen Umsatz über die Ausübung des Verzichts gesondert entscheiden.

    Die Umsätze der Blinden und Blindenwerkstätten sind unionsrechtlich nach der MwStSystRL an sich steuerpflichtig. Die Regelung in § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG beruht auf der in Art. 371 MwStSystRL enthaltenen Ermächtigung, wonach Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1978 die in Anhang X Teil B MwStSystRL genannten Umsätze von der Steuer befreit haben, diese Umsätze zu den in dem jeweiligen Mitgliedstaat zu dem genannten Zeitpunkt geltenden Bedingungen weiterhin befreien dürfen. Nach Anhang X Teil B Nr. 5 MwStSystRL dürfen die Mitgliedstaaten Umsätze befreien, die von Blinden oder Blindenwerkstätten bewirkt werden, wenn ihre Befreiung von der Steuer keine erheblichen Wettbewerbsverzerrungen verursacht. Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den Mitgliedstaaten, die hiernach die in § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG genannten Umsätze weiterhin von der Steuer befreien dürfen. Die Mitgliedstaaten, die die in Art. 371 MwStSystRL genannten Umsätze von der Steuer befreien, können gem. Art. 391 MwStSystRL den Steuerpflichtigen die Möglichkeit einräumen, sich für die Besteuerung der betreffenden Umsätze zu entscheiden.

    d) Der EuGH hat mit Urteil vom 7. Dezember 2006 C-240/05, Eurodental (HFR 2007, 176), entschieden, dass Umsätze, wie die Anfertigung und Reparatur von Zahnersatz, die nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. e der Sechsten Richtlinie 77/388 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinien 91/680 und 92/111 geänderten Fassung -6. EG-RL- (seit 1. Januar 2007: Art. 132 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL) innerhalb eines Mitgliedstaats von der Mehrwertsteuer befreit sind, ungeachtet der im Bestimmungsmitgliedstaat anwendbaren Mehrwertsteuerregelung kein Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-RL (seit 1. Januar 2007: Art. 169 Buchst. b MwStSystRL) eröffnen, selbst wenn es sich um innergemeinschaftliche Umsätze handelt.

    Nach dem genannten EuGH-Urteil ergebe sich diese Auslegung schon aus dem Wortlaut der 6. EG-RL (seit 1. Januar 2007: MwStSystRL). Sie werde sowohl durch das von ihr verfolgte Ziel als auch durch ihre Systematik und den Grundsatz der steuerlichen Neutralität bestätigt. Wenn die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen ein Recht auf Vorsteuerabzug im Abgangsmitgliedstaat eröffnen würde, obwohl die Inlandslieferung dieses Gegenstandes steuerfrei ist, könnten derartige Gegenstände in der Gemeinschaft unter vollständiger Befreiung von der Mehrwertsteuer geliefert werden, da im Hinblick auf die Steuerfreiheit der Inlandslieferung auch der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat gem. Art. 28c Teil B Buchst. a der 6. EG-RL (seit 1. Januar 2007: Art. 140 Buchst. a MwStSystRL, im Inland: § 4b Nrn. 1 und 2 UStG) steuerfrei wäre und daher ein Vorsteuerabzug ohne Besteuerung auf der folgenden Stufe erfolgen würde. Nach der Zielsetzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und der durch die Richtlinie 91/680/EWG eingeführten Übergangsregelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten könne somit ein Steuerpflichtiger (Unternehmer), dem eine Steuerbefreiung zugutekommt und der folglich nicht zum Abzug der innerhalb eines Mitgliedstaats gezahlten Vorsteuer berechtigt ist, dieses Recht auch dann nicht haben, wenn der betreffende Umsatz innergemeinschaftlichen Charakter hat. Weiterhin seien die in Art. 13 Teil A der 6. EG-RL (seit 1. Januar 2007: Art. 132 MwStSystRL) vorgesehenen Steuerbefreiungen dadurch, dass sie nur für bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten gelten, die dort einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben seien, von spezifischer Natur, während die Steuerbefreiung zugunsten innergemeinschaftlicher Umsätze allgemeiner Natur sei, da sie sich in unbestimmter Weise auf die wirtschaftlichen Tätigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten beziehe. Unter diesen Umständen entspreche es der Systematik der 6. EG-RL, dass der Regelung, die auf die spezifischen Steuerbefreiungen des Art. 13 Teil A der 6. EG-RL (seit 1. Januar 2007: Art. 132 MwStSystRL) anwendbar ist, Vorrang vor derjenigen zuerkannt wird, die auf die von der Richtlinie vorgesehenen allgemeinen Steuerbefreiungen betreffend innergemeinschaftliche Umsätze anwendbar ist.

    Außerdem verbiete der Grundsatz der steuerlichen Neutralität insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Leistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Würden aber die nach Art. 13 Teil A Buchst. e der 6. EG-RL (seit 1. Januar 2007: Art. 132 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL) befreiten Umsätze, wenn sie innergemeinschaftlichen Charakter haben, das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, wäre dieser Grundsatz nicht beachtet, da dieselben Umsätze, wenn sie im Inland eines Mitgliedstaats ausgeführt werden, nicht zu einem Abzug führen. Damit wären Steuerpflichtige, die einen innergemeinschaftlichen Umsatz bewirken, besser gestellt als Steuerpflichtige, die inländische Umsätze bewirken.

    Es habe in dieser Hinsicht keine Auswirkung, dass der Bestimmungsmitgliedstaat (im dortigen Fall Deutschland) die in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-RL in Verbindung mit Anhang E Nr. 2 der 6. EG-RL (seit 1. Januar 2007: Art. 370 MwStSystRL i. V. m. Anhang X Teil A Nr. 1 MwStSystRL) vorgesehene Übergangsregelung anwende, eine Regelung, die ihm erlaube, die in Rede stehenden Umsätze (Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker) weiterhin zu besteuern (Ausnameregelung in § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 2 UStG). Bei der durch diese Vorschrift erlaubten Besteuerung handele es sich nämlich nicht um eine harmonisierte Besteuerung, die Bestandteil der Mehrwertsteuerregelung sei, wie sie die 6. EG-RL für bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten vorsehe, sondern um eine nur für einen vorübergehenden Zeitraum zugelassene Besteuerung. Diese Ausnahmeregelung müsse eng ausgelegt werden, und ihre Reichweite könne folglich nicht auf die Mitgliedstaaten erstreckt werden, die dem in der 6. EG-RL enthaltenen Grundsatz entsprochen haben, indem sie bestimmte in deren Art. 13 der 6. EG-RL (seit 1. Januar 2007: Art. 132 MwStSystRL) aufgezählte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Steuer befreien (vgl. EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2006 C-240/05, Eurodental, HFR 2007, 176).

    e) Nach Auffassung der Finanzverwaltung sei aus dem genannten EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2006 C-240/05, Eurodental (HFR 2007, 176) - auch für die Auslegung der MwStSystRL seit dem 1. Januar 2007 - der Schluss zu ziehen, dass die Steuerbefreiungen ohne Vorsteuerabzug (z. B. § 4 Nr. 8 bis 29 UStG) den Steuerbefreiungen mit Vorsteuerabzug (z. B. § 4 Nr. 1 bis 7 UStG) vorgehen (vgl. BMF-Schreiben vom 11. April 2011 IV D 3-S 7130/07/10008, BStBl I 2011, 459). Falle ein Umsatz sowohl unter eine der in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. a UStG bezeichneten Befreiungsvorschriften als auch unter eine Befreiungsvorschrift, die den Vorsteuerabzug ausschließt, z. B. die innergemeinschaftliche Lieferung von Blutkonserven zu therapeutischen Zwecken, gehe die Steuerbefreiung, die den Vorsteuerabzug ausschließt - im Beispiel § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG - der in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. a UStG aufgeführten Befreiungsvorschrift vor. Daher könne für diese Umsätze kein Vorsteuerabzug beansprucht werden (Abschn. 15.13 Abs. 5 Sätze 1 und 2 UStAE).

    f) Der BFH hat sich mit Urteil vom 22. August 2013 (V R 30/12, BFHE 243, 35, BStBl II 2014, 133) der Rechtsauffassung des EuGH angeschlossen, soweit es um die Konkurrenz der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 UStG zur Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG) geht. Demnach berechtigt eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen, deren Lieferung im Inland ohne Recht zum Vorsteuerabzug steuerfrei wäre, nicht zum Vorsteuerabzug (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 30/12, BFHE 243, 35, BStBl II 2014, 133). Das Spezialitätsverhältnis bzw. Vorrangverhältnis der spezifischen vor der allgemeinen Steuerbefreiung ist danach auch bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung von § 15 Abs. 3 UStG zu beachten, da der Wortlaut dieser Vorschrift dem nicht entgegensteht. Ohne Bedeutung ist nach Auffassung des BFH daher, dass sich in dem diesem Urteil zugrundenliegenden Streitfall die Steuerfreiheit des Inlandsumsatzes zwar nicht aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. e der 6. EG-RL (seit 1. Januar 2007: Art. 132 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL), aber aus Buchst. d dieser Bestimmung als unionsrechtlicher Grundlage von § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG ergab. Bezieht der Unternehmer somit Leistungen für die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen, deren Lieferung im Inland aber steuerfrei ist, hat der Unternehmer kein Recht auf den Vorsteuerabzug. Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 22. August 2013 (V R 30/12, BFHE 243, 35, BStBl II 2014, 133) ausdrücklich offengelassen, ob die Grundsätze des EuGH-Urteils vom 7. Dezember 2006 C-240/05, Eurodental (HFR 2007, 176) auch auf Ausfuhrlieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. a UStG i. V. m. § 6 UStG) übertragen werden können (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 30/12, BFHE 243, 35, BStBl II 2014, 133).

    g) Die vorliegende streitige Rechtsfrage zum Verhältnis der Steuerbefreiungsvorschrift nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG, für die - anders als für die Leistungen i. S. des § 4 Nr. 17 UStG - ein Optionsrecht nach § 9 Abs. 1 UStG mit der Folge des Vorsteuerabzugsrechts besteht, und § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG (innergemeinschaftliche Lieferungen) im Hinblick auf den Vorsteuerabzug ist jedoch - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung bislang noch nicht entschieden worden. Entsprechend der Verwaltungsauffassung wird in der Literatur insofern wohl überwiegend die Auffassung vertreten, dass für den Fall, dass für eine gem. § 4 Nr. 19 UStG befreite Lieferung auch die Befreiungsvoraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG (innergemeinschaftliche Lieferung) vorliegen, die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 19 UStG als "lex specialis" jeweils vorgehe. Dies habe zur Folge, dass dementsprechend für die mit den steuerfreien Umsätzen im Zusammenhang stehenden Eingangsumsätze der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen sei. Die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG, die den Vorsteuerabzug für Eingangsumsätze, die mit innergemeinschaftlichen Lieferungen im Zusammenhang stehen, zulassen würde, komme nicht zur Anwendung, weil die Ausgangsumsätze nur nachrangig gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG befreit seien. Der blinde Unternehmer bzw. Inhaber der Blindenwerkstätte habe jedoch die Möglichkeit zur Steuerpflicht zu optieren mit der Folge des Vorsteuerabzugsrechts (vgl. Kulmsee in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Stand: 176. EL April 2022, § 4 Nr. 19, Rn. 11.1, 43; so unter Verweis auf den UStAE auch Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 99. EL Oktober 2023, § 4 Nr. 19, Rn. 37, 50; Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, Stand: 84. Lieferung 07.2019, § 4 Nr. 19, Rn. 4 f.; Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 95. EL Juni 2022, § 15, Rn. 716, Huschens in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, Stand: 05.07.2022, § 4 Nr. 19, Rz. 19; Teufel in Küffner/Zugmaier, UStG, Stand: 152. Lfg. 9/2020, § 4 Nr. 19, Rz. 39; offen lassend: Liegmann in Wäger, UStG, 3. Aufl. 2024, § 4 Nr. 19, Rn. 3 f.; Kossack in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, Stand: 327. Aktualisierung September 2020, § 4 Nr. 19, Rz. 14; Lippross, Umsatzsteuer, 25. Aufl. 2022, 7.8.4.2 a, S. 1190). Demgegenüber vertritt Schüler-Täsch die Auffassung, dass für den Fall, wenn ein Umsatz sowohl echt (mit dem Recht auf Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 3 UStG) als auch unecht (vorsteuerabzugsschädlich gem. § 15 Abs. 2 UStG) steuerfrei sei, der Verzicht auf die in § 9 UStG genannte unechte Steuerbefreiung nicht möglich bzw. gegenstandslos sei. Die echte Steuerbefreiung (z. B. § 4 Nr. 1 UStG) gehe vor (vgl. Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 98. EL Juni 2023, § 9, Rn. 43).

    2. Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 22. August 2013 (V R 30/12, BFHE 243, 35, BStBl II 2014, 133, zur Lieferung von Blutplasma von Deutschland in das übrige Gemeinschaftsgebiet) und des EuGH-Urteils vom 7. Dezember 2006 C-240/05 Eurodental (HFR 2007, 176, zur Lieferung von Zahnersatz durch ein Luxemburger Unternehmen an in Deutschland ansässige Zahnärzte) sind jedoch nach Auffassung des erkennenden Senates auf den vorliegenden Streitfall nicht übertragbar, da diese Entscheidungen wie dargestellt zu spezifischen, harmonisierten Steuerbefreiungen des Art. 13 Teil A der 6. EG-RL (seit 1. Januar 2007: Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL) ergangen sind.

    a) Das EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2006 C-240/05, Eurodental (HFR 2007, 176), betraf den Sonderfall der Lieferung eines Gegenstandes, der im Abgangsmitgliedstaat (Luxemburg) entsprechend dem Regelsystem der 6. EG-RL (seit 1. Januar 2007: MwStSystRL) steuerfrei ist, während die Lieferung desselben Gegenstandes aufgrund einer mit der Richtlinie übereinstimmenden Sonderregelung im Bestimmungsmitgliedstaat steuerpflichtig ist. Der EuGH versagte für diesen Sonderfall den Vorsteuerabzug.

    b) Demgegenüber handelt es sich bei dem Steuerbefreiungstatbestand nach § 4 Nr. 19 UStG um eine nicht harmonisierte, innerstaatliche Regelung. Für die Umsätze der Blinden und Blindenwerkstätten sieht das Unionsrecht grundsätzlich keine Steuerbefreiung vor. Da Art. 371 MwStSystRL i. V. m. Anhang X Teil B Nr. 5 MwStSystRL die Steuerbefreiung für blinde Unternehmer und Blindenwerkstätten als unionsrechtliche Übergangsvorschrift aber ausdrücklich gestattet, ist die Regelung - bei gebotener enger Auslegung dieser Ausnahmevorschrift - grundsätzlich nicht anhand des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer als Element des EU-Sekundärrechts zu messen (vgl. Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 99. EL Oktober 2023, § 4 Nr. 19, Rn. 12, m. w. N.). Es handelt sich bei der durch Art. 371 MwStSystRL erlaubten Befreiung nicht um eine harmonisierte Besteuerung, die Bestandteil der Mehrwertsteuerregelung ist, wie sie die MwStSystRL vorsieht. In der Beibehaltung dieser Ausnahmeregelung kommt zum Ausdruck, dass die Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften im Bereich der Mehrwertsteuer eine schrittweise, erst zum Teil durchgeführte Harmonisierung ist. Soweit die Mitgliedstaaten nach Art. 371 MwStSystRL befugt sind, bestimmte nationale Rechtsvorschriften beizubehalten, die sonst mit der MwStSystRL unvereinbar wären, steht die angestrebte Harmonisierung noch aus (vgl. EuGH-Urteil vom 26. Oktober 2023 C-249/22, GIS, DStRE 2024, 231 [FG Düsseldorf 24.02.2023 - 10 K 1672/20 G], zu Art. 378 MwStSystRL betreffend Österreich).

    c) Im Gegensatz zur harmonisierten Regelung des § 4 Nr. 17 UStG, der unionsrechtlich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL beruht, handelt es sich bei § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG und Anhang X Teil B Nr. 5 MwStSystRL nicht um eine sachbezogene Befreiungsvorschrift, sondern um einen personenbezogenen eingeschränkt formulierten Befreiungstatbestand (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Oktober 2018 V B 30/18, BFH/NV 2019, 132). Die personenbezogene Steuerbefreiung dient sozialpolitischen Zwecken und soll eine wirtschaftliche Förderung der Blindenwerkstätten durch Gewährung eines Wettbewerbsvorteils bei Umsätzen an Letztverbraucher darstellen bzw. Arbeitsplätze für Blinde schaffen (vgl. Kulmsee in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Stand: 176. EL April 2022, § 4 Nr. 19, Rn. 7; Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 99. EL Oktober 2023, § 4 Nr. 19, Rn. 1, m. w. N.).

    d) Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Steuerbefreiungstatbestände nach ständiger Rechtsprechung wegen ihres Charakters als Ausnahmeregelungen eng auszulegen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Oktober 2018 V B 30/18, BFH/NV 2019, 132, m. w. N.) und damit auch die Anwendung der in Anhang X Teil B MwStSystRL genannten Steuerbefreiungen eng auszulegen ist (vgl. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Stand: 150. EL Februar 2019, Artikel 370 EGRL 112/2006 -MwStSystRL-, Rn. 14).

    3. Nach Auffassung des Gerichts ist im Streitfall vielmehr die echte Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG, die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht ausschließt, auf die innergemeinschaftlichen Lieferungen des Klägers vorrangig vor der Steuerbefreiung mit Optionsrecht nach §§ 4 Nr. 19 Buchst. b, 9 Abs. 1 UStG anzuwenden. Dies ergibt sich für das Gericht aus folgenden Erwägungen:

    a) Einen gesetzgeberischen Willen für ein von der Finanzverwaltung vertretenes Vorrangverhältnis des § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG als unechte Steuerbefreiung mit Optionsmöglichkeit gem. § 9 Abs. 1 UStG vor der echten Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG und damit für einen Ausschluss des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG kann das Gericht nicht feststellen.

    aa) Historisch war die Befreiung für solche Umsätze der Inhaber von anerkannten Blindenwerkstätten bereits in § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG in der Fassung vom 29. Mai 1967 (UStG 1967, BGBl. I 1967, 545) enthalten und wurde in das UStG in der Fassung vom 26. November 1979 (UStG 1980, BGBl. I 1979, 1953) übernommen. Ohne Änderung durch das Gesetz zur Anpassung des UStG und anderer Rechtsvorschriften an den EG-Binnenmarkt (Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz) vom 25. August 1992 (BGBl. I 1992, 1548), mit dem u. a. die echte Steuerbefreiung für innergemeinschaftlichen Lieferungen gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG in das nationale Recht umgesetzt wurde, wurde die Regelung unverändert in das UStG in der Fassung vom 27. April 1993 (UStG 1993, BGBl. I 1993, 565) übernommen.

    bb) Der deutsche Gesetzgeber hat die Umsatzsteuer als Allphasennettosteuer mit Vorsteuerabzug ausgestaltet und geht dabei vom Grundsatz der vollständigen Entlastung des Unternehmers von Umsatzsteuer aus (vgl. Robisch in Bunjes, UStG, 23. Aufl. 2024, Vor § 1 Rn. 17 ff., m. w. N.). Der Vorsteuerabzug führt auch zur Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden Leistungs- und Warenverkehr. Nach dem in den Mitgliedstaaten angewandten Bestimmungslandprinzip sollen Waren nur mit der Umsatzsteuer des Landes belastet werden, in dem sie verbraucht werden. Bei der innergemeinschaftlichen Lieferung oder der Ausfuhr müssen daher die Waren des Ursprungslandes entlastet, beim innergemeinschaftlichen Erwerb oder der Einfuhr dagegen durch Erhebung einer Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb oder eine Einfuhrabgabe mit der Umsatzsteuer des Bestimmungslandes belastet werden. Im Inland erfolgt die Entlastung der Ausfuhr durch die Gewährung einer nicht vorsteuerabzugsschädlichen Steuerbefreiung (vgl. § 4 Nr. 1 UStG i. V. m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 UStG). Umgekehrt wird beim innergemeinschaftlichen Erwerb oder bei der Einfuhr regelmäßig in Höhe der Umsatzsteuer eine Umsatzsteuer erhoben, die innerhalb der Unternehmerkette als Vorsteuer abziehbar ist (vgl. Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Stand: 178. EL Juli 2022, § 15, Rn. 46).

    cc) Danach kann vielmehr mangels entgegenstehender Regelungen davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit Einführung der echten Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG in das nationale Recht das dadurch bei innergemeinschaftlichen Lieferungen entstehende Konkurrenzverhältnis zu der nationalen Regelung des § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG als unechte Steuerbefreiung mit Optionsmöglichkeit gem. § 9 Abs. 1 UStG in Bezug auf den Vorsteuerabzug nicht gesehen hat.

    b) Zwischen den Beteiligten ist auch nicht mehr streitig, dass die Ausgangsumsätze der österreichischen X-GmbH nicht von der Umsatzsteuer in Österreich befreit sind, da dort keine Steuerbefreiungsvorschrift einschlägig ist. Es liegt insofern ein Fall der Lieferung von Gegenständen vor, die im Abgangsmitgliedstaat (Deutschland) nach einer mit der Richtlinie übereinstimmenden Übergangsvorschrift steuerfrei sind, während die Lieferung derselben Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat entsprechend dem Regelsystem der MwStSystRL steuerpflichtig sind.

    Nach der in Art. 378 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL enthaltenen Ermächtigung gilt, dass, solange die betreffenden Umsätze in einem Staat von der Steuer befreit werden, der am 31. Dezember 1994 Mitglied der Gemeinschaft war, Österreich die in Anhang X Teil B Nr. 5 MwStSystRL genannten Umsätze weiterhin zu den in diesem Mitgliedstaat zum Zeitpunkt seines Beitritts geltenden Bedingungen von der Steuer befreien darf. Nach Anhang X Teil B Nr. 5 MwStSystRL dürfen die Mitgliedstaaten Umsätze befreien, die von Blinden oder Blindenwerkstätten bewirkt werden, wenn ihre Befreiung von der Steuer keine erheblichen Wettbewerbsverzerrungen verursacht. Davon hat Österreich jedoch nur wie folgt Gebrauch gemacht:

    Nach § 6 Abs. 1 Z 10 a des österreichischen Bundesgesetzes über die Besteuerung der Umsätze (Umsatzsteuergesetz 1994 -UStG-Österreich-) sind die Umsätze von Blinden steuerfrei, wenn sie nicht mehr als drei sehende Arbeitnehmer beschäftigen und die Voraussetzungen der Steuerfreiheit durch eine Bescheinigung nachweisen. Befreit sind danach ausschließlich als Einzelunternehmer tätige natürliche Personen.

    Nach § 6 Abs. 1 Z 18 i. V. m. Z 25 UStG-Österreich sind u.a. die Umsätze der Blindenheime befreit, sofern sie von gemeinnützigen Körperschaften bewirkt werden. Die österreichische X-GmbH ist aber schon keine gemeinnützige GmbH.

    c) Zwar können Unternehmer, die unter § 4 Nr. 19 UStG fallende Leistungen im Inland erbringen, grundsätzlich gem. § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerfreiheit verzichten, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, mit der Folge, dass das Vorsteuerabzugsrecht eröffnet wird und die beteiligten Unternehmer damit von Umsatzsteuer entlastet werden. Bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG war für den Kläger ein solcher Verzicht nach Auffassung des Senats jedoch tatsächlich gar nicht möglich, da der Kläger - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - die innergemeinschaftlichen Lieferungen zu Recht als umsatzsteuerfrei in seinen Rechnungen ausgewiesen hat. Ein Verzicht auf die unechte Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 19 UStG nach § 9 Abs. 1 UStG ist in diesem grenzüberschreitenden Fall vielmehr gegenstandlos.

    Würde im Streitfall die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 19 UStG vorrangig Anwendung finden, würde das für die zusammenhängenden Leistungsbezüge des Klägers zu einem Vorsteuerausschluss gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG führen. Dies wäre nach den vorstehenden Grundsätzen eine systemwidrige Mehrfachbelastung mit Umsatzsteuer über alle Wertschöpfungsstufen hinweg.

    Durch die vorrangige Anwendung der echten Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG wird dies vermieden, da in diesem Fall gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG kein Vorsteuerausschluss eintritt. Damit wird die gewinnmäßige Belastung des Klägers durch die Umsatzsteuer ausgeschlossen und die Besteuerung in den Bestimmungsmitgliedstaat (hier Österreich) verlagert.

    Diesem Ergebnis hinsichtlich der gewinnmäßigen Entlastung des Klägers von Umsatzsteuer entspricht auch die dargestellte Beurteilung einer entsprechenden Lieferung des Klägers an einen Unternehmer im Inland, bei der gem. § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerfreiheit verzichtet werden kann. Dieses Ergebnis muss nach Auffassung des Gerichts auch erreicht werden, wenn der Kläger nicht an einen unternehmerischen Erwerber im Inland, sondern im übrigen Gemeinschaftsgebiet liefert.

    4. Es ist weder von den Beteiligten dargelegt noch für das Gericht erkennbar, dass die vorrangige Anwendung der echten Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG (mit dem Recht auf Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 3 UStG) auf die innergemeinschaftlichen Lieferungen von Blindenwaren des Klägers als Inhabers einer anerkannten Blindenwerkstätte gegenüber der unechten Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 19 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG im Streitfall eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung i. S. von Anhang X Teil B Nr. 5 MwStSystRL verursacht.

    5. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung am 14. November 2024 eine tatsächliche Verständigung darüber getroffen, dass die Vorsteueraufteilung des Klägers für die Streitjahre von zutreffenden Beträgen ausgeht, indem insgesamt die Leistungen, die das klägerische Unternehmen bezogen hat, nur im Schätzungswege nach dem Maßstab der den Vorsteuerabzug ausschließenden oder nicht ausschließenden Ausgangsleistungen zugeordnet werden können. Über die Berechnung der streitgegenständlichen Vorsteuerbeträge besteht im Übrigen zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

    IV. Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen worden. Zu der hier entscheidenden Rechtsfrage zum Verhältnis der Steuerbefreiungsvorschriften nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG und § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG im Hinblick auf den Vorsteuerabzug, liegt, soweit ersichtlich, noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.

    RechtsgebietKonkurrenzverhältnisses der Steuerbefreiungsvorschriften nach des § 4 UStG für den VorsteuerabzugVorschriften§ 4 Nr. 19 UStG, § 4 Nr. 1 UStG, § 15 Abs. 1 UStG