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  • 21.02.2008

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 22.11.2007 – V R 35/06

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Gründe:

    I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines gemischt genutzten Grundstücks.

    In den Streitjahren 1998 und 1999 führte der Kläger nach den vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Feststellungen einer Umsatzsteuersonderprüfung einen Anbau durch, durch den die schon vorhandenen Wohn- und Büroräume um mehr als das Doppelte erweitert wurden. Außerdem wurden die erforderlichen Gebäudeverbindungen zwischen Alt- und Anbau und ein neuer Zugang zu den im Dachgeschoss befindlichen Büros von der Straßenseite hergestellt, die Wärmedämmung verbessert und das Dach repariert. Ab dem 1. Oktober 1999 wurden die Büroräume an eine Steuerberatungsgesellschaft steuerpflichtig vermietet.

    In seinen Steuerklärungen machte der Kläger für 1998 Vorsteuerbeträge in Höhe von 13 709,70 DM und für 1999 in Höhe von 25 815,07 DM geltend. Hierbei teilte er die nicht unmittelbar Wohnzwecken oder Bürozwecken zuzurechnenden Vorsteuerbeträge nach dem Flächenschlüssel auf, sodass ein Anteil von 1/3 als abziehbar behandelt wurde. Lediglich hinsichtlich der Wärmedämmung und der Dachreparatur hielt der Kläger eine Aufteilung von 50 % für sachgerecht.

    Im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung einigten sich Prüfer und Kläger dahingehend, dass bei den Aufwendungen für Wärmedämmung und Dachreparaturen ein abziehbarer Anteil von 40 % (statt der erklärten 50 %) anerkannt wurde. Hieraus ergab sich für 1998 eine Kürzung der Vorsteuerbeträge um 1 266,21 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stimmte daraufhin im Jahre 2000 der Jahreserklärung 1999 in vollem Umfange zu und kürzte die Vorsteuerbeträge für 1998 um 1 266,21 DM.

    Etwa zwei Jahre später (am 11. März 2002) --somit nach Eintritt der formellen Bestandskraft-- beantragte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. August 2001 V R 52/00 (BFH/NV 2002, 225) die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem günstigeren Umsatzschlüssel, wonach sich 50,48 % abziehbare Vorsteuerbeträge ergaben.

    Diesen Antrag lehnte das FA ab, weil nach Verwaltungsauffassung die Aufteilung der Vorsteuerbeträge regelmäßig nach den Nutzflächen zu erfolgen habe. Eine Ausnahme gelte nur für den Erwerb, nicht jedoch bei der Erweiterung von gemischt genutzten Gebäuden, bei der die Aufteilung nach Ansicht des FA "im Verhältnis der Ertragswerte zur Verkehrswerteermittlung" durchzuführen sei.

    Den Einspruch wies das FA mit der Begründung zurück, entgegen der Rechtsprechung des BFH sei der Umsatzschlüssel kein geeigneter Aufteilungsmaßstab, weil der in Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) genannte Regelaufteilungsmaßstab vom Gesetzgeber nicht umgesetzt worden sei und nicht zu sachgerechten Aufteilungen führe, sondern zu Steuerverzerrungen. Zudem sei die rückwirkende Anwendung des Umsatzschlüssels ausgeschlossen, nachdem sich die Beteiligten im Rahmen der Sonderprüfung auf einen anderen Aufteilungsmaßstab geeinigt hätten.

    Die Klage hatte Erfolg. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, der Kläger habe die Vorsteuerbeträge sachgerecht nach dem Umsatzschlüssel aufgeteilt. Er sei auch nicht an den Flächenschlüssel gebunden, weil die Steuererklärungen nach § 168 der Abgabenordnung (AO) als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gelten und materiell nicht in Bestandskraft erwachsen seien. Daher könne der Kläger sein Wahlrecht für die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG 1993/1999) noch ändern und vom Flächenschlüssel zum Umsatzschlüssel wechseln. An die während der Umsatzsteuersonderprüfung getroffene Vereinbarung sei der Kläger nicht gebunden.

    Gegen dieses Urteil wendet sich das FA mit der --vom Senat mit Beschluss vom 6. Juli 2006 V B 2/06 zugelassenen-- Revision. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

    II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), denn das FG hat zu Unrecht das FA verpflichtet, einen weitergehenden Vorsteuerabzug aufgrund eines nach Eintritt der formellen Bestandskraft geänderten Aufteilungsmaßstabes zu gewähren.

    1. Gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1993/1999 kann der Unternehmer die in Rechnungen ausgewiesene Vorsteuer abziehen für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Werden Umsätze teilweise für die Ausführung steuerpflichtiger und teilweise für die Ausführung steuerfreier Umsätze bezogen (hier für die Vermietung an eine Steuerberatungsgesellschaft und für Wohnzwecke), so kann der Unternehmer die nicht abziehbaren Beträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Als Schätzungsgrundlage kommen nach dem für die Streitjahre anwendbaren § 15 Abs. 4 UStG 1993/1999 sowohl die Aufteilung nach Nutzflächen als auch die Aufteilung nach dem Verhältnis der steuerfreien und steuerpflichtigen Vermietungsumsätze in Betracht (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2005 V B 197/03, BFH/NV 2005, 1880). Hat der Unternehmer jedoch von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht und ist die Umsatzsteuerfestsetzung formell bestandskräftig geworden, so ist er an seine Wahl nicht nur für die Folgejahre, sondern auch für das Erstjahr gebunden (BFH-Urteile vom 2. März 2006 V R 49/05, BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729, und vom 28. September 2006 V R 43/03, BFHE 215, 342, BStBl II 2007, 417). Wie der BFH u.a. in den vorbezeichneten Entscheidungen dargelegt hat, gilt dies nicht nur für die Entstehung, sondern auch für den Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug. Hat der Steuerpflichtige in einer Steueranmeldung für das Kalenderjahr des Leistungsbezugs einen sachgerechten Maßstab für die Aufteilung von Vorsteuern gewählt und wird diese als Steuerfestsetzung formell bestandskräftig, so ist der Unternehmer an diese Wahl gebunden. Entsprechendes gilt, wenn das FA einen anderen sachgerechten Maßstab zugrunde legt und die Steuerfestsetzung unanfechtbar wird.

    2. So ist es im Streitfall. Der Kläger hat in seinen Umsatzsteuerjahreserklärungen 1998 und 1999 Vorsteuerbeträge erklärt, die auf einer Aufteilung der abziehbaren Vorsteuern nach dem Flächenschlüssel beruhen. Diese als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geltenden Steuerfestsetzungen (§ 168 AO) sind nach Zustimmung des FA (§ 168 AO) vom 2. Mai 2000 formell unanfechtbar geworden. Der Kläger ist damit an die Ausübung seines Wahlrechtes gebunden und konnte im Jahre 2002 keine Aufteilung mehr nach dem Umsatzschlüssel verlangen. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    RechtsgebieteAO, UStG 1993/1999