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  • 09.02.2006 · IWW-Abrufnummer 060446

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 27.10.2005 – IX R 76/03

    Wird bei dem Abschluss eines Grundstückskaufvertrages zwischen Angehörigen zugleich die (Rück-)Schenkung des Kaufpreises vereinbart, kann eine missbräuchliche Gestaltung i.S. von § 42 AO 1977 zur Erlangung der Eigenheimzulage vorliegen.


    Gründe:

    I.

    Die Eltern des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) waren Eigentümer eines Hofes, den der Kläger als Pächter bewirtschaftete. Der Kläger lebte im Streitjahr 1996 mit seiner Familie und seinen Eltern in dem Wohnhaus auf der Hofstelle.

    Im Februar 1996 übertrugen ihm die Eltern den Hof im Wege vorweggenommener Erbfolge, weil er Investitionen im Umfang von 500 000 DM tätigen wollte. Das Wohnhaus übertrugen sie ihm mit demselben Vertrag zu einem Kaufpreis in Höhe von 100 000 DM.

    Der Kaufpreis wurde in vollem Umfang durch ein im Dezember 1996 aufgenommenes und über einen Zeitraum von 34 Jahren zu tilgendes (Bank-)Darlehen mit einem variablen Zinssatz von zunächst 5,45 v.H. finanziert und im selben Monat an den Vater des Klägers gezahlt. Der Vater legte den Betrag als monatlich fälliges Termingeld an; im Oktober 1997 löste er das Festgeldkonto auf und schenkte dem Kläger den Betrag zuzüglich der entstandenen Guthabenzinsen, um ihm im Hinblick auf die Investitionen zu helfen.

    Mit dem geschenkten Betrag löste der Kläger das Darlehen noch im Oktober 1997 ab.

    Ab 1996 beantragte er Eigenheimzulage und bezifferte die Anschaffungskosten in Höhe des vereinbarten Kaufpreises mit 100 000 DM.

    Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) teilte dagegen den Kaufpreis anhand der Verkehrswerte des gesamten land- und forstwirtschaftlichen Betriebs und des Wohnhauses auf und ging von einer Bemessungsgrundlage für die Eigenheimzulage in Höhe von nur 17 750 DM aus.

    Die gegen die entsprechende Festsetzung der Eigenheimzulage nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 480 veröffentlichten Urteil wegen Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs ab. Im Ergebnis habe der Kläger durch die Zahlung des Kaufpreises und dessen spätere (Rück-)Schenkung das Wohnhaus ohne wirtschaftliche Belastung erhalten; dies sei von Anfang an Ziel der rechtlichen Gestaltung gewesen. Denn der Verkauf des Hauses und die spätere (Rück-)Schenkung des Kaufpreises beruhten nach den Umständen des Falls auf einem entsprechenden Gesamtplan der Vertragsparteien.

    Mit der Revision trägt der Kläger vor, entgegen der Ansicht des FG liege im Streitfall kein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) vor. Ihm stehe die beantragte Eigenheimzulage für das Wohnhaus zu, nachdem er den vereinbarten Kaufpreis überwiesen habe. Durch die Tatsache, dass ihm sein Vater das Geld neun Monate später geschenkt habe, sei der Zweck des Eigenheimzulagengesetzes nicht unterlaufen worden. Denn weder die Höhe noch die Dauer der finanziellen Belastung seien ein Kriterium für die Eigenheimzulage.

    Zu Unrecht habe das FG den Kaufvertrag und die spätere Schenkung als einheitliches Vertragswerk gewertet. Die aufgrund des notariellen Kaufvertrags geleistete Kaufpreiszahlung sei ohne Einschränkungen oder Auflagen erfolgt. Insbesondere habe er keinen Anspruch auf Rückzahlung des Entgelts gehabt. Es habe auch kein Schenkungsversprechen des Vaters vorgelegen. Vielmehr habe die Schenkung im Oktober 1997 auf einer freien, späteren Entscheidung des Vaters beruht.

    Der Kläger beantragt, den angefochtenen Eigenheimzulagenbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung sowie das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Eigenheimzulage ab 1996 in Höhe von jährlich 4 000 DM festzusetzen.

    Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

    Es trägt im Wesentlichen vor, die Auffassung des FG, nach dem Willen der Vertragsbeteiligten habe die Übertragung des Wohnhauses ohne wirtschaftliche Belastung erfolgen sollen, sei als tatsächliche Würdigung nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend. Insoweit sei der objektive Tatbestand des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 erfüllt; ein Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten sei deshalb anzunehmen, weil der Kläger beachtliche wirtschaftliche Gründe für die gewählte ungewöhnliche Vertragsgestaltung nicht vorgetragen habe.

    II.

    Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

    Die tatsächliche Würdigung des FG, angesichts der besonderen Umstände des Streitfalls liege ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 Abs. 1 AO 1977 vor, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

    1. Rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 Abs. 1 AO 1977 ist eine Gestaltung, die --gemessen an dem erstrebten Ziel-- unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Eine rechtliche Gestaltung ist dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, obwohl hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (vgl. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteile vom 14. Januar 2003 IX R 5/00, BFHE 201, 246, BStBl II 2003, 509, und vom 26. März 1996 IX R 51/92, BFHE 180, 330, BStBl II 1996, 443; vom 17. Dezember 2003 IX R 8/98, BFH/NV 2004, 939, m.w.N.).

    Die Gestaltung zur Erlangung der Eigenheimzulage ist dann missbräuchlich, wenn die spätere (Rück-)Schenkung des Geldbetrags durch den Vater bereits bei Vereinbarung und Zahlung des Kaufpreises durch den Sohn von den Vertragsparteien vereinbart und damit von vornherein Gegenstand eines Gesamtplans war, dem Kläger das Wohnhaus (wirtschaftlich) unentgeltlich zu überlassen und durch die Vereinbarung einer Kaufpreiszahlung lediglich die Festsetzung einer Eigenheimzulage zu ermöglichen.

    Nach der Rechtsprechung des BFH kann nämlich ein steuerrechtlich erheblicher Aufwand dann nicht anerkannt werden, wenn er nach dem Gesamtplan des Steuerpflichtigen durch gegenläufige Rechtsakte erst geschaffen oder wieder ausgeglichen wird und damit von vornherein eine wirtschaftliche Belastung mit dem Aufwand vermieden werden soll (vgl. BFH-Urteile in BFHE 180, 330, BStBl II 1996, 443; vom 13. Oktober 1993 X R 81/91, BFH/NV 1994, 620; vom 18. Januar 2001 IV R 58/99, BFHE 194, 377, BStBl II 2001, 393; vom 22. Januar 2002 VIII R 46/00, BFHE 197, 517, BStBl II 2002, 685; vom 31. Juli 2002 X R 103/96, BFH/NV 2003, 26, m.w.N.).

    Diese --in ihren Einzelheiten durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärte und im Schrifttum teilweise kritisch beurteilte Gesamtplanrechtsprechung (vgl. Crezelius, Finanzrundschau --FR-- 2003, 537, Fischer, FR 2003, 1013; Förster/Schmidtmann, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 2003, 114; Strahl, FR 2004, 929)-- beruht darauf, dass eine auf einheitlicher Planung beruhende und in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehende Mehrzahl von Rechtsgeschäften für die steuerliche Beurteilung zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammenzufassen und sodann unter den Steuertatbestand oder Zulagentatbestand zu subsumieren ist.

    Ist aufgrund dieser zusammenfassenden --wirtschaftlichen-- Betrachtung eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung zu bejahen, entsteht der Steueranspruch gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 entsprechend einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung.

    2. Auf der Grundlage dieser ausdrücklich vom FG in Bezug genommenen Grundsätze und seiner insoweit getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist dessen Würdigung, dass bereits bei Veräußerung des Hauses eine Rückübertragung des Kaufpreises von den Vertragsparteien beabsichtigt war, nach § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend.

    a) Nach ständiger Rechtsprechung bindet die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG nach § 118 Abs. 2 FGO den BFH, wenn sie zumindest möglich ist (BFH-Urteil vom 5. September 2000 IX R 33/97, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676, unter II. 2. a (3), m.w.N.). Daran fehlt es nur, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstößt oder ihr zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung zugrundeliegen (BFH-Urteile vom 18. Juni 1993 V R 101/88, BFH/NV 1994, 746; vom 23. August 1994 VII R 93/93, BFH/NV 1995, 572; vom 9. Juli 2003 IX R 30/00, BFH/NV 2004, 1382).

    b) Die Einwände des Klägers lassen solche Mängel in der Begründung des angefochtenen Urteils nicht erkennen.

    Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die das Indiz für eine von Anfang an beabsichtigte Rückübertragung, nämlich den zeitlichen Zusammenhang zwischen Veräußerung, Zahlung des Kaufpreises und alsbaldiger Rückschenkung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 194, 377, BStBl II 2001, 393; Söffing, Betriebsberater 2004, 2777), erschüttern könnten. Insbesondere hat er Gründe für einen neuen Entschluss des Vaters im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Schenkung nicht mitgeteilt, obwohl das FG ihn um entsprechende Angaben gebeten hatte.

    Seine darauf bezogene Einlassung, einen wirtschaftlichen oder zivilrechtlichen Grund für die Schenkung habe es nicht gegeben, konnte die Indizwirkung des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Veräußerung, Kaufpreiszahlung und Rückschenkung allein ersichtlich nicht erschüttern und vor allem dem FG keine Veranlassung geben, die Hintergründe für die Veräußerung des Hauses und die Rückschenkung des Kaufpreises weiter aufzuklären.

    Im Hinblick darauf ist aus Rechtsgründen nach Maßgabe des § 118 Abs. 2 FGO ebenfalls nicht zu beanstanden, dass das FG auch die --eine verfahrensmäßige Abwicklung einer Rückschenkung zumindest erleichternden-- Entscheidungen der Kaufvertragsparteien wie u.a. die Art der Fremdfinanzierung des Kaufpreises sowie die Art der zwischenzeitlichen Anlage des Kaufpreises durch den Vater des Klägers als Bestätigung für die indizielle Bedeutung des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Kaufpreiszahlung und Rückschenkung herangezogen hat.

    c) Zu Unrecht wendet der Kläger gegen die tatsächliche Würdigung des FG ein, sie sei mit der Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung von Mietverträgen unter Angehörigen unvereinbar. Auch wenn die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung solche Mietverträge grundsätzlich selbst in Fällen anerkennt, in denen das Vermietungsobjekt zuvor vom Mieter auf den Vermieter entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wurde (vgl. BFH-Urteile vom 10. Dezember 2003 IX R 12/01, BFHE 205, 62, BStBl II 2004, 643; vom 17. Dezember 2003 IX R 60/98, BFHE 204, 485, BStBl II 2004, 646), sieht sie dort eine Grenze, wo die belastende Wirkung der (Mietzahlungs-)Vereinbarung von vornherein durch eine gegenläufige Vereinbarung der Vertragsparteien ausgeglichen wird (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2003 IX R 56/03, BFHE 205, 70, BStBl II 2004, 648, betr. Vereinbarung eines Entgelts für den Verzicht des Mieters auf ein Wohnungsrecht einerseits und einer Miete in Höhe des Entgelts andererseits).

    d) Schließlich verkennt die angefochtene Entscheidung entgegen der Ansicht des Klägers nicht, dass die Annahme eines Gesamtplans --wie hier im Sinne der Vereinbarung einer gegenläufigen Gestaltung-- die Beherrschbarkeit der einzelnen Teilschritte ("des Gesamtgeschehens", vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527; Förster/ Schmidtmann, StuW 2003, 114, 122) voraussetzt; sie ist im Streitfall schon deshalb gegeben, weil die streitige Rückzahlung des Kaufpreises nicht von fremdbestimmten Umständen abhängig war, sondern nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG auf einer von vornherein getroffenen Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinen Eltern beruhte.

    RechtsgebieteAO 1977, EigZulGVorschriftenAO 1977 § 42 Abs. 1 EigZulG § 2 EigZulG § 8