21.08.2008
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 27.06.2008 – III B 183/07
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Die Klägerin betreibt ein Eiscafé. Nach einer Außenprüfung war der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) der Ansicht, die Kassenführung im Betrieb der Klägerin sei nicht ordnungsgemäß. Das FA nahm aufgrund einer Nachkalkulation Hinzuschätzungen zum Gewinn und zu den Umsätzen vor. Gegen die aufgrund der Außenprüfung ergangenen Änderungsbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 (Streitjahre) wandten sich die Kläger (Einkommensteuer) bzw. die Klägerin (Gewerbesteuermessbetrag, Umsatzsteuer) mit Einsprüchen und Klage. Im finanzgerichtlichen Verfahren begehrten die durch eine Steuerkanzlei vertretenen Kläger mit dem Hauptantrag, "das Vorverfahren für notwendig zu erklären". Eine Begründung sollte in einem weiteren Schriftsatz folgen.
Unter dem Datum des 12. April 2007 setzte der Berichterstatter den Klägern gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Frist von einem Monat zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens. Die Anordnung wurde den Prozessvertretern am 13. April 2007 zugestellt. Mit Gerichtsbescheid des Berichterstatters vom 21. Mai 2005, zugestellt am 24. Mai 2007, wurde die Klage abgewiesen, weil das Klagebegehren nicht innerhalb der Ausschlussfrist bezeichnet worden sei. Mit Fax-Schreiben vom 1. Juni 2007 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Kläger die Durchführung der mündlichen Verhandlung. Außerdem begehrten sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung verwiesen sie auf einen in Abdruck beigefügten, an das Finanzgericht (FG) gerichteten Schriftsatz vom 26. April 2007, der einen bezifferten Klageantrag und Einwendungen gegen die Hinzuschätzungen des FA enthält. Dieses Schreiben sei am 26. April 2007 in der Hauptpost P aufgegeben worden. Es sei zu erwarten gewesen, dass die Klagebegründung dem FG innerhalb von drei Tagen zugehen würde.
In einem Schriftsatz vom 25. Oktober 2007 trugen die Klägervertreter vor, das Schreiben an das FG vom 26. April 2007 sei in doppelter Ausfertigung verpackt, adressiert und frankiert worden. Herr E, der ein ...-Büro betreibe und am 26. April 2007 noch Termine wahrzunehmen gehabt habe, habe angeboten, die Tagespost der Steuerkanzlei zum Hauptpostamt P mitzunehmen und dort aufzugeben. Dies habe er auch getan. Zur Glaubhaftmachung dieses Vortrages legten die Klägervertreter eine "Eidesstattliche Versicherung" des E vor, in der dieser Sachverhalt bestätigt wird. Außerdem gibt E darin an, dass er sich an den Briefumschlag erinnern könne, weil ihm "das Mandat persönlich gut bekannt" sei.
Das FG verwarf die Klage als unzulässig, weil das Klagebegehren nicht innerhalb der Ausschlussfrist bezeichnet worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lehnte es ab.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Kläger, das FG habe zu Unrecht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verweigert und habe ihre Klage damit rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen. Erst durch den Gerichtsbescheid hätten sie, die Kläger, erkennen können, dass der Schriftsatz vom 26. April 2007 nicht beim FG eingegangen sei. Im Schreiben vom 25. Oktober 2007 sei der Absendevorgang dargestellt worden, außerdem sei die eidesstattliche Versicherung vorgelegt worden. Eine Glaubhaftmachung sei auch noch nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist möglich.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 FGO).
1. Wird über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden, so stellt dies einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar; in einem solchen Fall wird zugleich der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO verletzt (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Juni 2004 XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417; vom 8. April 2004 VII B 181/03, BFH/NV 2004, 1284; vom 16. April 2007 VII B 98/04, BFH/NV 2007, 1345).
2. Ein solcher Verfahrensmangel liegt im Streitfall allerdings nicht vor. Das FG hat zu Recht eine Wiedereinsetzung in die versäumte Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagegegenstandes abgelehnt und die Klage als unzulässig verworfen.
a) Nach § 65 Abs. 2 Satz 3 FGO i.V.m. § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine Frist zur Bezeichnung des Klagegegenstandes einzuhalten. Ein Verschulden des Bevollmächtigten muss sich ein Kläger als eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Wird der Antrag wie hier mit der fristgerechten Absendung eines beim Empfänger nicht eingegangenen Schriftstücks begründet, ist im Einzelnen darzulegen, wann und von wem und in welcher Weise es zur Post aufgegeben wurde (BFH-Beschlüsse vom 15. Mai 2003 VII B 246/02, BFH/NV 2003, 1206; vom 3. August 2005 IX B 26/05, BFH/NV 2006, 307). Innerhalb der Antragsfrist sind die für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen in sich schlüssig darzustellen (BFH-Beschluss vom 26. April 2005 I B 248/04, BFH/NV 2005, 1591). Unklare oder unvollständige Angaben können allerdings auch nach Ablauf der Antragsfrist noch erläutert oder ergänzt werden (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1591; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 41, m.w.N.).
b) Im Streitfall fehlt es an einer schlüssigen Darstellung der Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen, deren Lauf durch den am 24. Mai 2007 zugestellten Gerichtsbescheid vom 21. Mai ausgelöst wurde. Im Schreiben an das FG vom 1. Juni 2007 wird lediglich behauptet, der Brief mit der Klagebegründung vom 26. April 2007 sei am selben Tag im Hauptpostamt P aufgegeben worden. Demgegenüber wird erstmals in dem nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 25. Oktober 2005 vorgetragen, dass E, der Sohn des Klägervertreters, der ein ...-Büro betreibe und noch Termine wahrzunehmen gehabt habe, angeboten habe, die Tagespost der Kanzlei zum Hauptpostamt P mitzunehmen und dies auch getan habe. Diese für die Beurteilung des Wiedereinsetzungsantrags wesentlichen Fakten hätten die Kläger innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorbringen müssen, da es sich nicht lediglich um eine Erläuterung oder Ergänzung des früheren Vortrags handelt.