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  • 04.01.2010 · IWW-Abrufnummer 094146

    Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 18.06.2009 – C-566/07

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
    18. Juni 2009(*)
    „Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Art. 21 Abs. 1 Buchst. c – Steuer, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist – Berichtigung der zu Unrecht in Rechnung gestellten Steuer – Ungerechtfertigte Bereicherung“
    In der Rechtssache C‑566/07
    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 30. November 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Dezember 2007, in dem Verfahren
    Staatssecretaris van Financiën
    gegen
    Stadeco BV
    erlässt
    DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Ó Caoimh, U. Lõhmus, der Richterin P. Lindh und des Richters A. Arabadjiev (Berichterstatter),
    Generalanwältin: J. Kokott,
    Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2008,
    unter Berücksichtigung der Erklärungen
    – der Stadeco BV, vertreten durch A. Fruijtier, advocaat,
    – der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels, M. de Grave und C. ten Dam als Bevollmächtigte,
    – der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
    – der griechischen Regierung, vertreten durch S. Spyropoulos, S. Trekli und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,
    – der italienischen Regierung, vertreten durch R. Adam als Bevollmächtigten im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato,
    – der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und W. Roels als Bevollmächtigte,
    nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. März 2009
    folgendes
    Urteil
    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 (ABl. L 376, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) und des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität.
    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (im Folgenden: Staatssecretaris) und der Stadeco BV (im Folgenden: Stadeco) betreffend das Recht eines Steuerpflichtigen auf Berichtigung der Mehrwertsteuer, die in der Rechnung ausgewiesen ist, die dem Dienstleistungsempfänger zugesandt wurde.
    Rechtlicher Rahmen
    Gemeinschaftsrecht
    Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.
    Art. 9 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie sieht vor, dass „als Ort der folgenden Dienstleistungen der Ort [gilt], an dem diese Dienstleistungen tatsächlich bewirkt werden: … Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts, der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten, einschließlich derjenigen der Veranstalter solcher Tätigkeiten sowie gegebenenfalls der damit zusammenhängenden Tätigkeiten“.
    Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie bestimmt, dass im inneren Anwendungsbereich „jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument ausweist“, die Mehrwertsteuer schuldet.
    Nationales Recht
    Art. 1 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes über die Umsatzsteuer (Wet op de omzetbelasting) vom 28. Juni 1968 (Staatsblad 1968, Nr. 329) in seiner auf das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuerjahr anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz) bestimmt: „Unter der Bezeichnung ,Umsatzsteuer‘ wird eine Steuer eingeführt auf … Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens in den Niederlanden ausführt“.
    Nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. c Nr. 1 des Gesetzes gilt als „Ort der Dienstleistung bei Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts, der Unterhaltung oder ähnlichen Tätigkeiten … der Ort, an dem diese Tätigkeiten oder Arbeiten tatsächlich bewirkt werden“.
    Nach Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes wird „die Steuer … bei dem Unternehmer erhoben, der die Lieferung oder Dienstleistung ausführt“.
    Nach Art. 14 Abs. 1 des Gesetzes ist „die im Laufe eines Steuerjahrs geschuldete Steuer … auf der Grundlage einer Erklärung zu entrichten“.
    Art. 37 des Gesetzes lautet: „Jede Person, die in einer Rechnung in irgendeiner Weise eine Mehrwertsteuer ausweist, die sie – außer nach Art. 37 – nicht schuldet, schuldet diese Steuer zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Rechnung weitergeleitet hat; sie muss diese Steuer gemäß Art. 14 entrichten.“
    Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die niederländischen Finanzbehörden – wie die niederländische Regierung näher erläutert hat – zur maßgeblichen Zeit den Anweisungen des Staatssecretaris entsprechend für die Berichtigung der Mehrwertsteuer von jedem, der eine Rechnung ausgestellt hatte, die zu Unrecht eine solche Steuer auswies, verlangten, diese Rechnung entweder durch das Ausstellen einer neuen Rechnung oder durch eine Gutschrift zugunsten des Empfängers der Dienstleistungen zu berichtigen.
    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
    Stadeco ist ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, dessen Tätigkeit in der Vermietung sowie dem Auf- und Abbau von Messe- und Ausstellungsständen besteht.
    Von 1993 bis 1995 erbrachte Stadeco in Deutschland und in Drittstaaten Dienstleistungen im Auftrag des Economische Voorlichtingsdienst (Wirtschaftsinformationsamt, im Folgenden: EVD), einer vom Wirtschaftsministerium abhängigen Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in den Niederlanden. Der EVD bediente sich der von Stadeco erbrachten Leistungen ausschließlich im Hinblick auf Tätigkeiten, die in den Niederlanden nicht der Mehrwertsteuer unterlagen, und war als Teil einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
    Auf den Rechnungen für diese außerhalb der Niederlande erbrachten Dienstleistungen war die Mehrwertsteuer ausgewiesen, wie sie für im Inland erbrachte Leistungen angefallen wäre. Der EVD beglich diese Rechnungen vollständig, und Stadeco entrichtete die ausgewiesene Steuer in den Niederlanden.
    1996 teilten die Finanzbehörden Stadeco mit, dass sie für die fraglichen Dienstleistungen, die im Ausland erbracht worden seien, in den Niederlanden keine Mehrwertsteuer schulde. Daraufhin beantragte Stadeco die Erstattung der hierauf entrichteten Steuer in Höhe von 230 314 NLG (104 512 Euro). Da die Finanzbehörden die beantragte Erstattung von der Berichtigung der dem EVD ausgestellten Rechnungen abhängig machten, legte Stadeco ihnen die Kopie einer entsprechenden Gutschrift vor. Daraufhin erfolgte die Erstattung.
    Bei einer im Jahr 2000 durchgeführten Kontrolle stellten die Finanzbehörden jedoch fest, dass Stadeco weder eine Gutschrift für den EVD erstellt noch die Rechnungen berichtigt, noch dem EVD etwas zurückgezahlt hatte. Daher erließen die Finanzbehörden gegen Stadeco einen Nacherhebungsbescheid über die erstatteten Steuern.
    Auf den Einspruch von Stadeco gegen diesen Nacherhebungsbescheid hin erklärte der Gerechtshof te ’s‑Gravenhage (Berufungsgericht von Den Haag) diesen Bescheid für nichtig. Dieses Gericht entschied, dass die Berichtigung von Fehlern bei der Rechnungsstellung hier nicht wesentlich sei, weil aufgrund der Eigenschaft des EVD jeder Anspruch auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen sei und somit keine Gefährdung des Steueraufkommens bestanden habe.
    Der Staatssecretaris legte beim Hoge Raad der Nederlanden Kassationsbeschwerde gegen das Urteil des Gerechtshof te ’s‑Gravenhage ein. Er macht geltend, dass Stadeco die erstattete Mehrwertsteuer nicht behalten dürfe, weil sie die Bedingungen für die Berichtigung von Fehlern bei der Rechnungsstellung nicht erfüllt habe.
    Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts konnte der Nacherhebungsbescheid, da der Ort der fraglichen Dienstleistungen nach dem materiellen Mehrwertsteuerrecht nicht in den Niederlanden lag, nur auf Art. 37 des Gesetzes gestützt sein, mit dem Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie in das niederländische Recht umgesetzt wird.
    Das vorlegende Gericht äußert jedoch Zweifel daran, dass in dem Staat, in dem der Aussteller der Rechnung seinen Sitz hat, eine Steuerschuld nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie entstehen kann, wenn als Ort der in Rechnung gestellten Dienstleistung gemäß dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem ein Ort in einem anderen Mitgliedstaat gilt.
    Sollte dies der Fall sein, stelle sich weiter die Frage, ob die Berichtigung der Steuerschuld von der Berichtigung der fraglichen Rechnung abhängig gemacht werden könne, insbesondere, wenn der Empfänger der Dienstleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Insoweit könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Mitgliedstaaten solche Bedingungen vorsehen dürften, um ungerechtfertigten Bereicherungen vorzubeugen.
    Vor diesem Hintergrund hat der Hoge Raad der Nederlanden das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
    1. Ist Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie so auszulegen, dass in dem Mitgliedstaat, in dem der Aussteller der Rechnung wohnt oder niedergelassen ist, keine Mehrwertsteuer geschuldet wird, wenn der Aussteller der Rechnung in dieser den Mehrwertsteuerbetrag für eine Tätigkeit in Rechnung stellt, von der nach der gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerregelung angenommen wird, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland erbracht wird?
    2. Wenn nein: Dürfen die Mitgliedstaaten, wenn eine Rechnung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie einem Empfänger ausgestellt wurde, der kein Recht auf Mehrwertsteuerabzug hat (so dass keine Gefährdung des Steueraufkommens besteht), die Berichtigung der irrtümlich in Rechnung gestellten und deshalb aufgrund dieser Bestimmung geschuldeten Mehrwertsteuer von der Voraussetzung abhängig machen, dass der Steuerpflichtige seinem Abnehmer nachträglich eine berichtigte Rechnung ausstellt, in der kein Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen ist?
    Zu den Vorlagefragen
    Zur ersten Frage
    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass nach dieser Bestimmung in dem Mitgliedstaat, in dem der Aussteller der Rechnung wohnt oder niedergelassen ist, keine Mehrwertsteuer geschuldet wird, wenn er die Mehrwertsteuer auf einer Rechnung für eine Leistung ausweist, als deren Ort nach der Sechsten Richtlinie ein Ort in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat gilt.
    Insoweit ist zunächst festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen von Stadeco der Anwendung von Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens der Umstand nicht entgegensteht, dass Art. 21 Abs. 1 nur die Mehrwertsteuerschuldner „im inneren Anwendungsbereich“ bestimmen soll, während Stadeco im Ausgangsverfahren die fraglichen Dienstleistungen für den EVD nicht in den Niederlanden erbracht hat.
    Wie die Generalanwältin in Nr. 12 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, geht zum einen insbesondere aus den Art. 7 Abs. 1 und 21 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie hervor, dass sich der Ausdruck „im inneren Anwendungsbereich“ auf das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaft bezieht, wie es in Art. 3 der Sechsten Richtlinie definiert ist.
    Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument ausweist, diese Steuer schuldet. Insbesondere schuldet sie die auf einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer unabhängig davon, ob sie aufgrund eines mehrwertsteuerpflichtigen Umsatzes verpflichtet ist, diese zu entrichten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Dezember 1989, Genius, 342/87, Slg. 1989, 4227, Randnr. 19, vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel, C‑454/98, Slg. 2000, I‑6973, Randnr. 53, sowie vom 15. März 2007, Reemtsma Cigarettenfabriken, C‑35/05, Slg. 2007, I‑2425, Randnr. 23).
    Anders als in den Fällen, in denen die Steuerschuld möglicherweise aufgrund eines mehrwertsteuerpflichtigen Umsatzes entsteht, ist demzufolge der Ort der in Rechnung gestellten Dienstleistung für die Entstehung der Steuerschuld nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie, die ausschließlich geschuldet wird, weil die Mehrwertsteuer in dieser Rechnung ausgewiesen ist, unerheblich.
    Mit der Regelung in Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie, wonach die in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer unabhängig davon geschuldet wird, ob aufgrund eines mehrwertsteuerpflichtigen Umsatzes die Pflicht besteht, diese zu entrichten, soll der Gefährdung des Steueraufkommens entgegengewirkt werden, die sich aus dem Recht zum Vorsteuerabzug nach Art. 17 der Sechsten Richtlinie ergeben kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Schmeink & Cofreth und Strobel, Randnrn. 57 und 61, vom 6. November 2003, Karageorgou u. a., C‑78/02 bis C‑80/02, Slg. 2003, I‑13295, Randnrn. 50 und 53, sowie Reemtsma Cigarettenfabriken, Randnr. 23).
    Selbst wenn dieses Abzugsrecht nur für diejenigen Steuern besteht, die mit einem mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz in Zusammenhang stehen (vgl. Urteil Genius, Randnr. 13), ist die Gefährdung des Steueraufkommens grundsätzlich nicht vollständig beseitigt, solange der Adressat einer Rechnung, in der die Mehrwertsteuer zu Unrecht ausgewiesen ist, diese noch dazu nutzen kann, das Abzugsrecht nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Schmeink & Cofreth und Strobel, Randnr. 57).
    Verfügt der Steuerpflichtige gemäß dieser Bestimmung über eine Rechnung nach Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie, kann er bei der Finanzverwaltung sein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen. Wie die niederländische und die deutsche Regierung ausgeführt haben, ist nicht auszuschließen, dass die Finanzverwaltung aufgrund komplexer Umstände und Rechtsbeziehungen nicht rechtzeitig feststellen kann, dass andere Erwägungen einer Ausübung des Abzugsrechts entgegenstehen.
    Da die Gefährdung des Steueraufkommens, die sich daraus ergeben könnte, dass der Adressat der Rechnung das Recht auf Vorsteuerabzug ausübt, in dem Mitgliedstaat besteht, dessen Mehrwertsteuer in der fraglichen Rechnung ausgewiesen ist, wird die Mehrwertsteuer gemäß Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie in diesem Mitgliedstaat geschuldet.
    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu prüfen, welchem Mitgliedstaat die in der fraglichen Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer geschuldet wird. Insoweit können u. a. der ausgewiesene Mehrwertsteuersatz, die Währung des angegebenen Rechnungsbetrags, die Sprache, in der die Rechnung ausgestellt ist, der Inhalt und der Kontext der fraglichen Rechnung, die Orte, an denen der Aussteller der Rechnung und der Empfänger der Dienstleistung niedergelassen sind, sowie deren Verhalten maßgeblich sein.
    Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass nach dieser Bestimmung die Mehrwertsteuer in dem Mitgliedstaat geschuldet wird, dessen Mehrwertsteuer in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument ausgewiesen ist, selbst wenn der fragliche Umsatz in diesem Mitgliedstaat nicht steuerpflichtig war. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu prüfen, der Mehrwertsteuer welchen Mitgliedstaats die in der fraglichen Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer entspricht. Insoweit können u. a. der ausgewiesene Mehrwertsteuersatz, die Währung des angegebenen Rechnungsbetrags, die Sprache, in der die Rechnung ausgestellt ist, der Inhalt und der Kontext der fraglichen Rechnung, die Orte, an denen der Aussteller der Rechnung und der Empfänger der Dienstleistung niedergelassen sind, sowie deren Verhalten maßgeblich sein.
    Zur zweiten Frage
    Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Grundsatz der steuerlichen Neutralität es ausschließt, dass ein Mitgliedstaat die Berichtigung der Mehrwertsteuer, die in diesem Mitgliedstaat allein deshalb geschuldet wird, weil sie irrtümlich in der versandten Rechnung ausgewiesen wurde, davon abhängig macht, dass der Steuerpflichtige dem Empfänger der Dienstleistungen eine berichtigte Rechnung zugesandt hat, in der die Mehrwertsteuer nicht ausgewiesen ist, wenn Letzterer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, so dass keine Gefährdung des Steueraufkommens besteht.
    Insoweit sei daran erinnert, dass die Sechste Richtlinie den Fall, dass die Mehrwertsteuer irrtümlich in einer Rechnung ausgewiesen wird, obwohl sie nicht aufgrund eines mehrwertsteuerpflichtigen Umsatzes geschuldet wird, nicht ausdrücklich vorsieht. Solange diese Lücke nicht durch den Gemeinschaftsgesetzgeber ausgefüllt wird, ist es folglich Sache der Mitgliedstaaten, hierfür eine Lösung zu liefern (Urteile Schmeink & Cofreth und Strobel, Randnrn. 48 und 49, sowie Karageorgou u. a., Randnr. 49).
    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten, zur Gewährleistung der Neutralität der Mehrwertsteuer in ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung die Möglichkeit vorzusehen, jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer zu berichtigen, wenn der Rechnungsaussteller seinen guten Glauben nachweist (Urteil Genius, Randnr. 18).
    Jedoch verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, wenn der Rechnungsaussteller die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat, dass die zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann, ohne dass die Mitgliedstaaten eine solche Berichtigung vom guten Glauben des Rechnungsausstellers abhängig machen dürfen (vgl. Urteile Schmeink & Cofreth und Strobel, Randnr. 58, sowie Karageorgou u. a., Randnr. 50).
    Diese Berichtigung darf zudem nicht im Ermessen der Finanzverwaltung stehen (Urteil Schmeink & Cofreth und Strobel, Randnr. 68).
    Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten erlassen dürfen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist. Sie dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen, die ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist (vgl. entsprechend Urteil Schmeink & Cofreth und Strobel, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
    Wird die Erstattung der Mehrwertsteuer in Anbetracht der Bedingungen, unter denen Anträge auf Steuererstattungen gestellt werden können, unmöglich oder übermäßig erschwert, können die genannten Grundsätze folglich gebieten, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Mittel und Verfahrensmodalitäten vorsehen, die es dem Steuerpflichtigen ermöglichen, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer erstattet zu bekommen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Reemtsma Cigarettenfabriken, Randnr. 41).
    Im Ausgangsverfahren haben die niederländischen Finanzbehörden die Berichtigung der von Stadeco entrichteten Mehrwertsteuer nach entsprechenden allgemeinen Anweisungen des Staatssecretaris davon abhängig gemacht, dass Stadeco die dem EVD ausgestellten Rechnungen entweder durch das Ausstellen neuer Rechnungen, in denen keine Mehrwertsteuer ausgewiesen ist, oder durch eine Gutschrift berichtigt.
    Da sowohl eine berichtigte Rechnung als auch eine Gutschrift dem Dienstleistungsempfänger klar anzeigen, dass im fraglichen Mitgliedstaat keine Mehrwertsteuer geschuldet wird und der Empfänger daher insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, kann mit einer solchen Bedingung grundsätzlich sichergestellt werden, dass eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist. Darüber hinaus führt diese Bedingung nicht dazu, dass die Erstattung der Mehrwertsteuer im Ermessen der Finanzverwaltung steht.
    Ferner ist es zwar Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob Stadeco im Ausgangsverfahren dargetan hat, dass sie selbst die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat, aber der Gerichtshof kann, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, alle Hinweise geben, die er für erforderlich hält (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 1. Juli 2008, MOTOE, C‑49/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 30, und vom 22. Dezember 2008, Magoora, C‑414/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 33).
    Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Stadeco den niederländischen Finanzbehörden die Kopie einer Gutschrift zugunsten des EVD vorgelegt hat, obwohl Stadeco in Wirklichkeit weder eine solche Gutschrift ausgestellt noch die im Ausgangsverfahren fraglichen Rechnungen berichtigt hatte.
    Im Ausgangsverfahren war die Gefährdung des Steueraufkommens nur beseitigt, wenn zum einen die Eigenschaft des EVD als Körperschaft des öffentlichen Rechts und zum anderen der Umstand, dass der EVD sich der von Stadeco erbrachten Leistungen ausschließlich im Hinblick auf Tätigkeiten bediente, die in den Niederlanden nicht der Mehrwertsteuer unterlagen, jedes Recht auf Vorsteuerabzug ausschlossen.
    Es lässt sich jedoch, wie in Randnr. 30 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nicht generell ausschließen, dass die Finanzverwaltung aufgrund komplexer Umstände und Rechtsbeziehungen nicht rechtzeitig feststellen kann, dass solche Erwägungen einer Ausübung des Abzugsrechts entgegenstehen.
    Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass es grundsätzlich nicht über das zur Erreichung des Ziels, die Gefährdung des Steueraufkommens vollständig auszuschließen, Erforderliche hinausgeht, die Berichtigung der zu Unrecht in einer Rechnung ausgewiesenen Mehrwertsteuer davon abhängig zu machen, dass diese Rechnung berichtigt wird.
    Soweit sich ferner aus den Umständen des Ausgangsverfahrens ergibt, dass die niederländischen Finanzbehörden die Berichtigung der Mehrwertsteuer auch davon abhängig zu machen scheinen, dass der Aussteller der fraglichen Rechnung dem Empfänger der Dienstleistungen die zu Unrecht gezahlte Steuer erstattet, ist daran zu erinnern, dass das Gemeinschaftsrecht es nicht verbietet, dass ein nationales Rechtssystem die Erstattung von zu Unrecht erhobenen Steuern unter Umständen ablehnt, die zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führen würden (Urteil vom 10. April 2008, Marks & Spencer, C‑309/06, Slg. 2008, I‑2283, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
    Vorliegen und Umfang der ungerechtfertigten Bereicherung, zu der die Erstattung einer gemeinschaftsrechtswidrig erhobenen Abgabe bei einem Abgabepflichtigen führt, lassen sich jedoch erst nach einer Untersuchung feststellen, bei der alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Marks & Spencer, Randnr. 43).
    Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, eine solche Untersuchung durchzuführen. Maßgeblich kann in diesem Zusammenhang sein, ob die zwischen Stadeco und dem EVD geschlossenen Verträge als Vergütung für die Dienstleistungen Festbeträge oder um gegebenenfalls anfallende Steuern erhöhte Grundbeträge vorsahen. Im ersten Fall liegt möglicherweise keine ungerechtfertigte Bereicherung von Stadeco vor.
    Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität es grundsätzlich nicht ausschließt, dass ein Mitgliedstaat die Berichtigung der Mehrwertsteuer, die in diesem Mitgliedstaat allein deshalb geschuldet wird, weil sie irrtümlich in der versandten Rechnung ausgewiesen wurde, davon abhängig macht, dass der Steuerpflichtige dem Empfänger der Dienstleistungen eine berichtigte Rechnung zugesandt hat, in der die Mehrwertsteuer nicht ausgewiesen ist, wenn dieser Steuerpflichtige die Gefährdung des Steueraufkommens nicht rechtzeitig und vollständig beseitigt hat.
    Kosten
    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
    1. Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass nach dieser Bestimmung die Mehrwertsteuer in dem Mitgliedstaat geschuldet wird, dessen Mehrwertsteuer in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument ausgewiesen ist, selbst wenn der fragliche Vorgang in diesem Mitgliedstaat nicht steuerpflichtig war. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu prüfen, der Mehrwertsteuer welchen Mitgliedstaats die in der fraglichen Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer entspricht. Insoweit können u. a. der ausgewiesene Mehrwertsteuersatz, die Währung des angegebenen Rechnungsbetrags, die Sprache, in der die Rechnung ausgestellt ist, der Inhalt und der Kontext der fraglichen Rechnung, die Orte, an denen der Aussteller der Rechnung und der Empfänger der Dienstleistung niedergelassen sind, sowie deren Verhalten maßgeblich sein.
    2. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität schließt es grundsätzlich nicht aus, dass ein Mitgliedstaat die Berichtigung der Mehrwertsteuer, die in diesem Mitgliedstaat allein deshalb geschuldet wird, weil sie irrtümlich in der versandten Rechnung ausgewiesen wurde, davon abhängig macht, dass der Steuerpflichtige dem Empfänger der Dienstleistungen eine berichtigte Rechnung zugesandt hat, in der die Mehrwertsteuer nicht ausgewiesen ist, wenn dieser Steuerpflichtige die Gefährdung des Steueraufkommens nicht rechtzeitig und vollständig beseitigt hat.
    Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

    RechtsgebietSechste Richtlinie 77/388/EWG VorschriftenSechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 21 Abs. 1 Buchst. c