Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 04.11.2009

    Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Beschluss vom 26.10.2005 – 1 V 1146/05

    Ist der Börsenkurs von zum Anlagevermögen gehörenden Wertpapieren (hier: Anlagefonds) an drei aufeinander folgenden Bilanzstichtagen jeweils gesunken und will der Unternehmer deswegen eine Teilwertabschreibung vornehmen, so ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Unternehmer die „voraussichtlich dauernde Wertminderung” (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG 1999) der Wertpapiere substantiiert darlegen und beweisen muss. Das ist nicht der der Fall, wenn sich aus den Akten nur die von der Bank mitgeteilten Kurswerte zum Bilanzstichtag sowie Zu- und Verkäufe ergeben, nicht z.B. aber die Zusammensetzung der einzelnen Fonds oder andere Grundlagen für eine verlässliche Einschätzung der allgemeinen Wertentwicklung der Fonds. Zudem reicht auch der aus den Akten ersichtliche Zeitraum von nur 3 1/2 Jahren vor dem Hintergrund, dass es sich um Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handelt, nicht zur Beurteilung einer dauernden Wertminderung aus.


    BESCHLUSS

    In dem Verfahren

    hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt – 1. Senat – am 26. Oktober 2005 durch den Präsidenten des Finanzgerichts … als Vorsitzenden, die Richterin am Finanzgericht … und die Richterin am Finanzgericht …

    beschlossen:

    Das Verfahren wegen Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag und Säumniszuschlägen 2000 bis 2002 wird eingestellt.

    Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsteller zu tragen.

    Tatbestand

    I.

    Der Antragsteller betreibt einen Holz- und Baustoffhandel und führt seit Übernahme des Betriebes am 1. Januar 2000 in seinem Anlagevermögen Wertpapiere aus diversen Anlagefonds. Dazu übernahm er die vom Vorbesitzer ermittelten unstreitigen Anschaffungskosten von 460.566 DM als Anfangsbestand und die von der Bank mitgeteilten Kurswerte zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres als Endbestand, so dass sich (unter Berücksichtigung von bislang unstreitigen weiteren Zu- und Abgängen) im Streitjahr 2000 eine Teilwertabschreibung von 103.633,77 DM, im Streitjahr 2001 von 185.234 DM und im Streitjahr 2002 von 186.814,86 EUR ergibt. Zum 30. Juni 2003 entnahm er die Wertpapiere.

    Der Antragsgegner versagte diese Teilwertabschreibung mit Einkommensteuerbescheiden vom 7. März 2005 und wies sowohl den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 20. April 2005 als auch den dagegen fristgerecht eingelegten Einspruch mit Bescheid vom 24. Juni 2005 zurück. Hiergegen haben die Antragsteller am 29. Juni 2005 Klage erhoben, über die der Senat noch nicht entschieden hat, und am 1. August 2005 die Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht beantragt.

    Die Antragsteller meinen, eine Abschreibung auf den Teilwert dürfe gemäß § 253 Abs. 4 HGB vorgenommen werden, wenn der Wert des Wirtschaftsgutes die Bewertungsobergrenze während eines erheblichen Teils der voraussichtlichen Verweildauer im Unternehmen nicht erreichen werde. Da die Wertpapiere aufgrund ihrer sich ständig mindernden Werte mit einem Wert von 315.526,31 EUR aus dem Betriebsvermögen entnommen worden seien, handele es sich um eine dauerhafte Wertminderung.

    Die Antragsteller beantragen

    die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer, der Kirchensteuer, des Solidaritätszuschlages, der Zinsen und der Säumniszuschläge für 2000–2002 i.H.v. 135.389,59 EUR.

    Der Antragsgegner beantragt,

    den Antrag abzuweisen.

    Nachdem die Antragsteller vom Gericht darauf hingewiesen worden waren, dass der Klage – und dementsprechend auch dem Aussetzungsverfahren – wegen Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte, solange hierfür keine über die Einkommensteuerfestsetzung hinausgehende Beschwer vorgetragen wird, haben sie ihre Klage auf die Einkommensteuer beschränkt.

    Gründe

    II.

    Angesichts des vorangegangenen Hinweises des Gerichts ist die Beschränkung der Klage auf die Einkommensteuer hier auch als Rücknahme des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung wegen Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag und Säumniszuschlägen zu verstehen. Infolgedessen war das Verfahren insoweit analog § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO einzustellen.

    Im Übrigen hat der Antrag keinen Erfolg.

    Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

    Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn die Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Auflage 2002, Anm. 86 zu § 69). Da durch die Aussetzung der Vollziehung dem Antragsteller nur ein vorläufiger Rechtsschutz zu Teil werden soll, beschränkt sich das Verfahren auf eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage und die Verwertung der dem Gericht vorliegenden Beweismittel. Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind ferner die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zu berücksichtigen (Koch, a.a.O. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

    Nach diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide. Nicht abnutzbare Vermögensgegenstände des Anlagevermögens – wie hier die Wertpapiere – sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen und können (nach der durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, BGBl. I 1999, 402 geänderten Fassung ab dem ersten nach dem 31. Dezember 1998 endenden Wirtschaftsjahr) gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 EStG nur noch dann mit einem niedrigeren Wert angesetzt werden, wenn der Teilwert aufgrund einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung niedriger ist und der Steuerpflichtige dies nachweist. Im vorliegenden Fall war die von der Bank dokumentierte Wertminderung der Wertpapiere zum jeweiligen Abschlussstichtag bei summarischer Prüfung nicht dauerhaft oder ist jedenfalls nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, so dass der Antragsgegner die Teilwertabschreibung voraussichtlich zu Recht korrigiert hat.

    Bei der Bestimmung der Voraussehbarkeit eines dauerhaften Wertverlustes muss nämlich die Eigenart des betreffenden Wirtschaftsgutes berücksichtigt werden (BFH, Urt. v. 27. November 1974, I R 123/73, BStBl. II 1975, 294). Demzufolge kann nicht unbeachtet bleiben, dass börsennotierte Wertpapiere – und damit auch die sie beinhaltenden Wertpapierfonds des Antragstellers – beinahe täglichen Kursschwankungen unterliegen. Es kann dahinstehen, ob dies (jedenfalls bei nicht festverzinslichen) Wertpapieren schon zu der Annahme berechtigt, dass sich ein bestimmter Wert vorhersehbar wieder einstellt (wie dies der BMF im Schreiben vom 25. Februar 2000, IV C 2 – S 2171 b – 14/00, DstRE 1998, 144, Tz. 19/20 möglicherweise unterstellt) oder nicht (wie Hommel/Berndt, in ihrem Aufsatz „Voraussichtlich dauernde Wertminderung bei der Teilwertabschreibung und Abschlusstichtagsprinzip”, FR 2000, 1305, 1309 meinen). Jedenfalls ist ein zum Abschlussstichtag ermittelter Kurswert mit großer Sicherheit nicht von Dauer und repräsentiert damit den „wahren” Wert eines Wertpapiers beinahe ebenso wenig wie die andernfalls anzusetzenden ursprünglichen Anschaffungskosten. Infolgedessen ist nicht ersichtlich, warum ihm bei der Bewertung von Wertpapieren der Vorzug gegeben werden sollte. Mit der Beschränkung auf „voraussichtlich dauerhafte” Wertminderungen wollte der Gesetzgeber die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung gerade verschärfen und verbunden mit der ausdrücklichen Abwälzung der Darlegungs- und Beweislast auf den Steuerpflichtigen letztlich sicherstellen, dass kurzfristige Wertschwankungen gewinnneutral bleiben. Genau dieses Ziel aber würde nicht erreicht, wenn Wertpapiere des Anlagevermögens automatisch mit dem voraussichtlich ständig schwankenden Kurswert am Abschlussstichtag bilanziert werden könnten.

    Zwar wird es unter diesen Voraussetzungen dem Steuerpflichtige sicherlich schwer fallen, die Dauerhaftigkeit einer Wertminderung nachzuweisen (vgl. dazu Hommel/Berndt, a.a.O. 1310), es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber diese Konsequenz nicht bewusst in Kauf genommen hätte. Auch mag eine Bilanzierung zum Kurswert den Vorteil haben, dass sie den Verhältnissen zum Abschlussstichtag zumindest näher kommen dürfte als eine Bilanzierung zu den Anschaffungskosten (vgl. dazu Hommel/Berndt, a.a.O., S. 1310); jedoch deutet die Gesetzeskonstruktion über Grundsatz und Ausnahme darauf hin, dass der Gesetzgeber einer konstanten Wertermittlung (und damit der mit den Anschaffungskosten) mehr Bedeutung beimisst als einer vermutlich richtigeren (mit dem aktuellen Kurswert).

    Im Übrigen ist damit auch nicht gesagt, dass eine Teilwertabschreibung bei Wertpapieren des Anlagevermögens nur in den im BMF-Schreiben (zustimmend Schmidt-Glanegger, Kommentar zum EStG, 23. Aufl. 2004, § 6 Rdnr. 231) beispielhaft aufgezeigten Fällen in Betracht käme. Gerade das Tatbestandsmerkmal „voraussichtlich dauerhaft” eignet sich für eine typisierende Betrachtung – insbesondere angesichts der eher individuellen Teilwertdefinition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Dabei kommt zum Einen der zu überschauenden Zeitspanne, zum Anderen aber auch der darin zu verzeichnenden Kursschwankung über bzw. unter dem vom Steuerpflichtigen anzusetzenden Wert oder gegebenenfalls auch der Art des Wertpapiers Bedeutung zu. Hierzu haben die Antragsteller jedoch nicht in der im einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen substantiierten Form vorgetragen. Die von ihnen zugrunde gelegte Zeitspanne von einem Jahr oder die aus den Akten zu ersehende Zeitspanne von 3 ½ Jahren ist vor dem Hintergrund, dass es sich um Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handelte, zu kurz bemessen, denn der Wert von Wirtschaftsgütern, die dem Betrieb dauerhaft zu dienen bestimmt sind, lässt sich eigentlich erst bei längerer Betrachtung ermessen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Wertpapiere bereits zum 30. Juni 2003 aus dem Betrieb entnommen wurden, denn dies beruht auf einer späteren Entscheidung des Antragstellers (und ist im Übrigen hinsichtlich des zu diesem Zeitpunkt anzusetzenden Wertes auch nicht in der erforderlichen Form glaubhaft gemacht worden). Auch die einzelnen Kursschwankungen sind nicht ausreichend substantiiert, denn aus den Akten lässt sich allenfalls der Gesamtwert der Aktienfonds zu drei verschiedenen Stichtagen entnehmen, es ist aber nicht einmal erkennbar, ob sich der Wert seit der Anschaffung tatsächlich kontinuierlich nach unten entwickelt hat oder ob und wie nachhaltig er zwischenzeitlich auch einmal nach oben gegangen ist, möglicherweise sogar über die Anschaffungskosten hinaus. Außerdem sind in den Werten teilweise auch die im Laufe des Jahres getätigten Zukäufe und Verkäufe enthalten, so dass sich die allgemeine Wertentwicklung der Fonds kaum einschätzen lässt, geschweige denn dass sich nach den einzelnen Fonds und deren Zusammensetzung differenzieren ließe. Zuletzt lässt auch die Art der hier streitgegenständlichen Wertpapiere keine Rückschlüsse auf eine dauernde Wertminderung zu, denn es handelt sich – soweit ersichtlich – um typische Wertpapierfonds, deren Kurse durch die Mischung der darin enthaltenen Papiere und die ständige Umschichtung der Fondsmanager häufig keinen so radikalen oder plötzlichen Schwankungen unterliegen wie eine einzelne Aktie. Die Antragsteller haben nicht einmal vorgetragen, aus welchen Papieren (bspw. Aktien oder Rentenpapieren) sich die jeweiligen Fonds zusammensetzten.

    Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für die Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines – noch nicht bestandskräftigen – Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wieder gutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluss des BFH vom 24. März 1994, IV S 1/94, BStBl II 1994, 398). Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch haben sie die Antragsteller substantiiert vorgetragen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3, HGB § 253 Abs. 4, FGO § 69 Abs. 2, FGO § 69 Abs. 3