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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 09.12.2009 – 1 K 1375/05 B

    1. Eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO kann nicht auf die Erkenntnis gestützt werden, dass der angenommene einheitliche Lebenssachverhalt (hier vermeintlicher Forderungskauf eines aus einer Sozietät ausgeschiedenen Rechtsanwalts) und nicht nur seine rechtliche Würdigung von Anfang an nicht gegeben war.

    2. § 174 Abs. 4 AO gestattet es nicht, Folgerungen aus einem gewandelten Sachverhalt zu ziehen.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 1. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9. Dezember 2009 durch die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter …

    für Recht erkannt:

    Der Änderungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1992 vom 31. Januar 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2005 werden aufgehoben.

    Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Tatbestand:

    Der Kläger, der Beigeladene zu 1., der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 3. sowie Rechtsanwalt Dr. N bildeten bis zum … 1991 eine Rechtsanwaltssozietät, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte. Dr. N kündigte die Sozietät zum … 1991. Nach dem Auseinandersetzungsvertrag vom … 1991 sollte Dr. N den sich zum … 1991 ergebenden Betrag seines Kapitalkontos sowie einen Betrag von 63.142 DM als Abfindung für seine Beteiligung am Anlagevermögen ausgezahlt erhalten. Die von ihm bearbeiteten Akten sollte er zum Zwecke der Weiterbearbeitung mitnehmen dürfen. Per … 1991 aus diesen Akten bestehende offene Forderungen traten ihm der Kläger und der Beigeladene zu 1. unter Anrechnung auf das Kapitalkonto zum … 1991 ab.

    Während der Wert des Kapitalkontos von Dr. N nach Feststellungen der Betriebsprüfung zum … 1991 lediglich 214.380,63 DM betragen hatte, bezifferten der Kläger und der Beigeladene zu 1. den Wert der abgetretenen Forderungen auf 1.573.040,73 DM. Nachfolgend kam es zu langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. einerseits und Dr. N andererseits, in deren Folge N einen Betrag in Höhe von 1.221.673 DM zurückzahlte. Der Kläger und der Beigeladene zu 1. legten den von N erhaltenen Betrag in die von ihnen in veränderter Form fortgeführte Kanzlei ein.

    Die Beigeladene zu 2. trat zum … 1992 in die Rechtsanwaltssozietät ein, die ihren Gewinn fortan durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz – EStG – ermittelte. Während der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 3. einen Vorabgewinn erhalten sollte und am Kanzleivermögen nicht beteiligt war, bestimmte sich die Beteiligung der übrigen Sozietätsmitglieder an Vermögen und Gewinn nach einem mündlich festgelegten Schlüssel.

    Im Anschluss an die Betriebsprüfung stellte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 12. September 2001 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit 1992 einheitlich und gesondert in Höhe von -206.277,76 DM fest. Dabei berücksichtigte er neben einem laufenden Gewinn von 396.402,86 DM im Hinblick auf den Wechsel der Gewinnermittlungsart einen Verlust aus Ergänzungsbilanzen in Höhe von -632.377,62 DM. Damit sollte vermieden werden, dass die zum … 1991 in Höhe von 2.469.553,24 DM bilanzierten offenen Forderungen der Sozietät, die Eingang in den Feststellungsbescheid 1991 gefunden hatten, erneut besteuert würden, wobei die mit Wirkung zum … 1991 an den ausgeschiedenen Gesellschafter abgetretenen Forderungen unberücksichtigt blieben. Insoweit sei mit Zuflüssen im Streitjahr nicht zu rechnen. Einen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2002 als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, eine Gewinnkorrektur bezüglich der offenen Forderungen sei lediglich in Höhe von 896.512,51 DM zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung wegen des Wechsels der Gewinnermittlungsart geboten. Hinsichtlich der an Dr. N abgetretenen Forderungen sei nicht mehr mit Betriebseinnahmen zu rechnen.

    Die Sozietät erhob Klage zum Finanzgericht Berlin (1 K 1312/02). Im Verlauf des Klageverfahrens gelangte der Beklagte zu der Überzeugung, im Hinblick auf die von Dr. N geleisteten erheblichen Rückzahlungen liege tatsächlich ein Forderungskauf vor. Insofern sei zum … 1991 eine Kaufpreisforderung zu aktivieren, die 1992 durch eine Erhöhung des Übergangsverlustes neutralisiert werden müsse. Gleichzeitig seien die auf diese Forderung geleisteten Zahlungen in den Folgejahren gewinnerhöhend zu erfassen. Der Beklagte stellte den Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit sodann mit Änderungsbescheid vom 23. Juli 2003, berichtigt am 1. Dezember 2003, auf -1.311.487 DM fest. Dabei legte er u.a. einen laufenden Gewinn in Höhe von 418.581 DM und einen Anteil aus Gesamthandsbilanzen in Höhe von -1.759.765 DM zu Grunde. Letztere enthielt neben dem um 1.221.673 DM erhöhten Übergangsverlust einen von Dr. N gezahlten Teilbetrag über 94.285,64 DM als Betriebseinnahme. Auf den Kläger entfiel ein Anteil von -904.662,21 DM. Zugleich änderte der Beklagte die Bescheide für die Folgejahre und erhöhte dort die festgestellten Einkünfte jeweils um die von Dr. N gezahlten Teilbeträge. Nach Durchführung eines die Folgejahre betreffenden Einspruchsverfahrens erhob der Kläger auch insoweit Klage zum Finanzgericht Berlin (1 K 1171/04).

    Nachdem das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 2004 die Auffassung vertreten hatte, die Zahlungen von Dr. N beträfen die Vermögensebene und seien nicht gewinnerhöhend zu berücksichtigen, hob der Beklagte die Änderungsbescheide für die Folgejahre auf und kündigte wie bereits zuvor schriftsätzlich an, für das Jahr 1992 einen nach § 174 Abgabenordnung – AO – geänderten Bescheid zu erlassen. Das Verfahren 1 K 1171/04 wurde in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, die Klage in der Sache 1 K 1312/02 wurde zurückgenommen.

    Mit Änderungsbescheid vom 31. Januar 2005 stellte der Beklagte die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit 1992 einheitlich und gesondert in Höhe von -184.099,28 DM fest. Dabei berücksichtigte er einen laufenden Gewinn in Höhe von 418.581,36 DM sowie einen Übergangsverlust in Höhe von -632.377,64 DM. Auf den Kläger entfiel ein Anteil von -198.899,23 DM. Der Übergangsverlust sei um die Forderung gegen Dr. N zu reduzieren, wobei gleichzeitig die von N im Jahr 1992 erbrachte Teilzahlung als Einnahme außer Betracht zu bleiben habe. Die Forderung sei nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht keine Kaufpreiszahlung für abgetretene Honorarforderungen. Der Kläger legte am 1. März 2005 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2005 zurückwies. Er gab an, die Voraussetzungen von § 174 Abs. 4 AO seien gegeben. Der Beklagte habe zu Gunsten der Sozietät in den vorangegangenen Feststellungsbescheiden eine Gewinnkorrektur für eine angebliche Kaufpreisforderung gegen Dr. N berücksichtigt. Dabei und bei den später von N geleisteten Zahlungen handele es sich um einen Sachverhalt im Sinne von § 174 Abs. 4 AO. Die irrige Annahme einer entgeltlichen Veräußerung von Honorarforderungen habe den zu Gunsten der Sozietät aufgehobenen Feststellungsbescheiden der Jahre 1993 bis 1996 zu Grunde gelegen. Dasselbe gelte aber auch für den Feststellungsbescheid für das Jahr 1992. Allein aus der irrigen Annahme, es habe eine Forderungsveräußerung stattgefunden, sei der Zufluss als Kaufpreis beurteilt worden, was wiederum die Notwendigkeit der Gewinnkorrektur wegen des Wechsels der Gewinnermittlungsart 1992 nach sich gezogen habe. Seien die Zahlungen ab 1992 jedoch nicht als Kaufpreis anzusehen, sei die Gewinnkorrektur 1992 nicht gerechtfertigt. Der Anspruch der verbliebenen Gesellschafter gegen Dr. N und die Zahlung von Dr. N an die Altgesellschafter bedingten sich wechselseitig und bildeten einen Sachverhaltskomplex im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

    Der Kläger hat am 24. August 2005 Klage erhoben. Er vermag keine Änderungsbefugnis des Beklagten zu erkennen. Die Würdigung des Ausscheidens von Dr. N und die damit im Zusammenhang stehenden weiteren Umstände seien zentraler Punkt aller vorangegangenen Prüfungen und Bescheide gewesen. Treu und Glauben stehe einer weiteren Änderung der Bescheide nunmehr entgegen. Der Beklagte habe eine etwaige Änderungsbefugnis verwirkt, denn er sei trotz ausgiebiger Prüfung, zwischenzeitlicher Änderung der Prüfungsergebnisse und weiterer Überprüfungen nach wie vor nicht in der Lage, den Sachverhalt schlüssig in einem Bescheid kundzutun. Insofern liege ein extremer Ausnahmefall vor. Der Beklagte habe seine Annahmen so oft geändert, dass sie beliebig geworden seien. Sollte eine Änderungsbefugnis doch zu bejahen sein, müsse der Übergangsgewinn um eine Forderung in Höhe von -2.514.633,07 DM korrigiert werden. Dies folge aus den Besonderheiten des Einzelfalles. Der vom Finanzamt erzwungene Wechsel der Gewinnermittlungsart ab 1987 führe dazu, dass der Kläger und der Beigeladene zu 1. die bis zum 31. Dezember 1991 entstandenen Forderungen anteilig mit ihren Gewinnquoten zu versteuern gehabt hätten, jedoch im Zusammenhang mit dem Übergang zur Einnahmeüberschussrechnung Entlastung nur in Höhe der ihnen verbliebenen Forderungen hätten erlangen können. Es könne nur so sein, dass sämtliche Forderungen der alten Kanzlei als Übergangsverlust berücksichtigt würden. Sodann seien die verbliebenen Forderungen bei Zufluss ab 1992 zu versteuern, während der ausgeschiedene Gesellschafter die ihm abgetretenen Forderungen selbstständig zu versteuern habe. Tatsächlich habe dieser aber aufgrund des nachträglichen Wechsels der Gewinnermittlungsart nur seinen Anteil der abgetretenen Forderungen versteuert, während der Kläger und der Beigeladene zu 1. für ihn den Rest mitversteuert hätten. Die Ausgleichszahlungen des ausgeschiedenen Partners seien ausschließlich aufgrund von Überentnahmen erfolgt, also privat veranlasst.

    Der Kläger beantragt,

    den Änderungsbescheid vom 31. Januar 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2005 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er sieht die Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 4 AO als gegeben an. Dass für das Jahr 1992 eine Betriebsprüfung stattgefunden habe, sei unerheblich. Es sei nicht ersichtlich, worauf der Kläger ein Vertrauen gegründet haben wolle, dass Gewinnkorrekturen wegen der angenommenen Kaufpreisforderung ungeachtet des Ausgangs der Verfahren für die Jahre 1991 und 1993 bis 1997 belassen werden müssten. Vielmehr habe der Beklagte wiederholt auf die etwa erforderlich werdende Änderung hingewiesen. Auch sonst komme eine weitere Gewinnminderung nicht in Betracht. Der Kläger und die weiteren Beteiligten hätten wegen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich die bis zum 31. Dezember 1991 entstandenen Honorarforderungen anteilig zu versteuern. Der Wechsel der Gewinnermittlungsart im Folgejahr führe nicht zu einer doppelten Besteuerung von Einnahmen, da die abgetretenen Honorarforderungen nicht mehr zu Zuflüssen bei der Kanzlei hätten führen können. Die erforderliche Gewinnkorrektur sei erfolgt. Der Kläger habe nicht dargetan, dass sich eine unzutreffende und für ihn nachteilige Gewinnverteilung ergebe, die den vertraglichen Vereinbarungen der Beteiligten widerspreche. Es könne nicht außer Betracht bleiben, dass der Kläger und der Beigeladene zu 1. vom ausgeschiedenen Gesellschafter steuerfreie Ausgleichszahlungen erhalten hätten. Dass der Beklagte im Bescheid vom 23. Juli 2003 erstmals den Übergangsverlust um die angebliche Kaufpreisforderung für veräußerte Honorarforderungen erhöht habe, sei aus der rechtlichen Würdigung der Zahlungen aus Anlass des Ausscheidens von Dr. N gefolgt. Auf den Fortbestand dieses Bescheides habe der Kläger nicht vertrauen können.

    Die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert.

    Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug auf die Gerichtsakte und die Steuerakten des Beklagten genommen, die vorlagen.

    Entscheidungsgründe:

    Die Klage hat Erfolg.

    Der Änderungsbescheid vom 31. Januar 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2005 sind aufzuheben, denn sie sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –. Die Voraussetzungen einer (erneuten) Änderung des Feststellungsbescheides 1992 vom 1. Dezember 2003 lagen nicht vor.

    Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO können durch Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerrechtlichen Folgerungen gezogen werden, wenn zuvor aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten geändert wird. Irrige Beurteilung eines Sachverhaltes bedeutet, dass sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes, den die Finanzbehörde sowohl der Besteuerung in dem zugunsten des Steuerpflichtigen geänderten als auch in einem anderen Steuerbescheid zugrunde gelegt hat, nachträglich als unrichtig erweist (vgl. BFH, Beschluss vom 16. Februar 1996 I R 150/94, BStBl II 1996, 417). Bestimmter Sachverhalt im Sinne dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich der Senat anschließt, ein steuererheblicher Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerrechtliche Folgerungen knüpft (vgl. BFH, Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BStBl. II 1997, 647 m.w.N.). Lebensvorgang ist dabei (naturgemäß) nicht eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes steuerrechtlich bedeutsames Merkmal, sondern ein einheitlicher Sachverhaltskomplex, der aufgrund des inneren Zusammenhangs der Ereignisse in dem Sinne als zusammengehörig anzusehen ist, dass die einzelnen Ereignisse bei natürlicher Betrachtung Teile eines einheitlichen Ganzen bilden (vgl. BFH, Urteil vom 26.02.2002 – X R 59/98, BStBl II 2002, 450). Dabei kommt es für die Änderungsbefugnis nach § 174 Abs. 4 AO darauf an, dass aus demselben unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten Sachverhalt andere steuerrechtliche Folgerungen noch in einem anderen Steuerbescheid gegenüber dem Steuerpflichtigen zu ziehen sind.

    Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, denn es fehlt an einem in diesem Sinne einheitlichen Lebenssachverhalt. Vielmehr beruht die Änderung des Feststellungsbescheides 1992 letztlich auf der Erkenntnis, dass ein einheitlicher Lebenssachverhalt tatsächlich nicht vorgelegen hat. Darauf kann eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO jedoch nicht gestützt werden.

    Die ursprünglichen Feststellungsbescheide für die Jahre 1992 bis 1996 beruhten tatsächlich auf der Annahme eines einheitlichen Lebenssachverhalts. Der Beklagte war davon ausgegangen, dass der ausgeschiedene Dr. N 1991 Forderungen der Sozietät gekauft und die Sozietät dafür einen Kaufpreiszahlungsanspruch erworben hatte, der in den Folgejahren bis 1996 getilgt wurde. Von diesem einheitlichen Sachverhalt „Forderungskauf mit anschließender Abwicklung” ausgehend, hatte der Beklagte angenommen, die damalige Sozietät des Klägers habe die bis 1996 von Dr. N gezahlten Beträge (=Kaufpreis) zum Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses gewinnerhöhend als Betriebseinnahmen zu erfassen, während im Streitjahr wegen des Wechsels der Gewinnermittlungsart eine Gewinnkorrektur in entsprechender Höhe zu berücksichtigen sei, der eine doppelte Besteuerung verhindern sollte, obwohl eine Aktivierung der Forderung gegen N 1991 unterblieb.

    Den Änderungen der Feststellungsbescheide für die Jahre 1993 bis 1996 wie auch des Bescheides für das hier umstrittene Jahr 1992 lag hingegen die Erkenntnis zu Grunde, dass der angenommene einheitliche Lebenssachverhalt und nicht nur seine rechtliche Würdigung von Anfang an nicht gegeben war. Der Beklagte war im vorangegangenen Klageverfahren 1 K 1171/04 vor dem Finanzgericht Berlin zu der (zutreffenden) Ansicht gelangt, es habe sich bei den Zahlungen von Dr. N nicht um einen als Betriebseinnahme zu behandelnden Kaufpreis, sondern eine Verfügung auf der Vermögensebene gehandelt. Demzufolge hob der Beklagte die Feststellungsbescheide für die Folgejahre im Interesse des Klägers auf. Tatsächlich ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein entgeltliches Rechtsgeschäft „Forderungskauf” zwischen Dr. N einerseits und dem Kläger sowie dem Beigeladenen zu 1. andererseits. Der Auseinandersetzungsvertrag vom 25. November 1991 bietet keinen Anhalt für einen Forderungsverkauf, enthält er doch lediglich Regelungen zur Übertragung des Mitunternehmeranteils des ausscheidenden Dr. N, die nach dem Wortlaut und Sinn der Regelung (wohl) erfolgsneutral sein sollten und an eine Realteilung erinnern. Soweit die Abtretung von Forderungen aus von Dr. N bearbeiteten Akten vorgesehen war, sollte dies an Erfüllungsstatt für die an sich vorgesehene Auszahlung des Kapitalkontos erfolgen. Der im Frühjahr 1996 geschlossene landgerichtliche Vergleich zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. einerseits und Dr. N andererseits, der eine Zahlung von 250.000 DM von N an die früheren Partner zum Inhalt hatte, lässt gleichfalls nicht erkennen, dass hier eine steuerbare Veräußerung von Forderungen stattgefunden haben könnte. Vielmehr sprechen die Umstände dafür, dass es sich bei den Zahlungen wirtschaftlich letztlich um einen Ausgleich des im Zuge der Forderungsabtretungen im Verhältnis zum Wert des Kapitalkontos zuviel Erhaltenen gehandelt hat, sei es als Ersatz von Überentnahmen oder infolge der Minderung des Auseinandersetzungsanspruchs, und insofern der Kanzlei keine Einnahmen zugeflossen sind. Dafür spricht auch, dass die schließlich erlangten Zahlungen in der neuen Sozietät als Privateinlagen des Klägers und des Beigeladenen zu 1. behandelt wurden, wie sich aus den in einem Parallelverfahren vorgelegten Übersichten entnehmen lässt. Insofern gab es keinen einheitlichen Lebenssachverhalt „Forderungskauf mit anschließender Abwicklung”.

    Vielmehr zerfiel das Ausscheiden Dr. N aus der Sozietät 1991 in wenigstens zwei selbstständige Lebenssachverhalte. Der erste Lebenssachverhalt – gewissermaßen die Primärebene – beginnt mit dem Abschluss des Auseinandersetzungsvertrages und endet mit dessen Vollzug durch die an Erfüllungsstatt vorgenommene Forderungsabtretung zum … 1991. Er endet mithin mit dem Ausscheiden Dr. N's aus der Sozietät. Der zweite Lebenssachverhalt – die Sekundärebene – beginnt erst im Jahr 1992 mit den dann einsetzenden Auseinandersetzungen um die Frage, ob und in welcher Höhe den verbliebenen Gesellschaftern Ausgleichs- oder Rückzahlungsansprüche gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter Dr. N zustanden. Dabei handelt es sich um einen eigenständigen Lebenssachverhalt, denn hier stehen andere Tatsachen inmitten als diejenigen, die für den Abschnitt des Ausscheidens von N maßgeblich waren. So knüpft dieser Abschnitt nicht unmittelbar am Auseinandersetzungsvertrag, sondern an vorangegangenen, den verbliebenen Partnern verborgen gebliebenen Entnahmen Dr. N's an, die dann bei dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. zu der Auffassung führten, sie hätten im Zuge der Auseinandersetzung nicht das erhalten, was ihnen zugestanden hätte.

    Dass die Streitigkeiten um die Ausgleichs- oder Rückzahlungen insofern einen Bezug zum Auseinandersetzungsvertrag von 1991 haben, verkennt der Senat nicht. Das zwingt jedoch nicht dazu, einen einheitlichen Lebenssachverhalt annehmen zu müssen. Anders als vom Beklagten zunächst angenommen, gibt es keinen einheitlichen, 1991 beginnenden und in den Folgejahren nur abgewickelten oder vollzogenen Sachverhalt, dessen einzelne Schritte sich bei natürlicher Betrachtung als Teile eines gemeinsamen Ganzen darstellten. Vielmehr folgt dem Ausscheiden N's 1991 ein 1992 beginnender neuer Sachverhaltskomplex. Das sieht wohl auch der Beklagte nicht anders, der nach dem Wortlaut der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2005 die von „der Sozietät” gegen Dr. N geltend gemachten Ansprüche einerseits und die zum Ausgleich dieser Ansprüche geleisteten Zahlungen andererseits als maßgeblichen Sachverhaltskomplex betrachtet. Der Beklagte weist selbst darauf hin, dass den ursprünglichen Bescheiden einheitlich die Überzeugung zugrunde lag, die Zahlungen hätten auf einem Forderungskauf N beruht und damit anfänglich an einen Sachverhalt angeknüpft, der so nicht vorlag. Konnte ein Forderungskauf aus einer entsprechenden Auslegung des Auseinandersetzungsvertrages folgen, ergab sich ein einheitlicher Sachverhalt vom Kauf bis zu dessen Abwicklung. Tatsächlich lag ein solcher einheitlicher Sachverhalt von Anfang an nicht vor, da gerade kein Kaufvertrag geschlossen worden war. Vielmehr folgte die Auseinandersetzung um etwa überhöhte Zahlungen an Dr. N selbstständig auf dessen Ausscheiden und knüpfte nicht unmittelbar am Auseinandersetzungsvertrag, sondern an weiteren Umständen an. Mithin zieht der Beklagte Folgerungen aus einem gewandelten Sachverhalt. Das eröffnet den Anwendungsbereich von § 174 Abs. 4 AO nicht.

    Im Übrigen korrespondiert die (unzutreffende) Berücksichtigung der Gewinnkorrektur 1992 ausgehend von dieser Abgrenzung des Sachverhalts nicht mit der unrichtigen Erfassung der Zahlungen von N als Einnahmen der Sozietät. Da die Auseinandersetzungen über etwaige Ausgleichszahlungen von N einen eigenständigen Lebenssachverhalt bilden, konnte dies von vornherein nicht die Grundlage für die Berücksichtigung von Gewinnkorrekturen 1992 sein, da Forderungen der Sozietät gegen N in 1991 nicht zu aktivieren waren. Die „Klammer” zwischen der Gewinnkorrektur und der Erfassung der Zahlungen Dr. N bestand nämlich allein in der Annahme, die Sozietät habe bereits 1991 einen Zahlungsanspruch gegen Dr. N erworben.

    Andere Änderungsmöglichkeiten sind nicht gegeben und werden vom Beklagten auch nicht behauptet.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 139 Abs. 4 FGO. Die Revision ist mangels Grundes nicht zuzulassen.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.

    VorschriftenAO § 174 Abs. 4