26.11.2009
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 02.09.2009 – 2 K 298/09
Zinserträge, die aus der Anlage liquider Mittel resultieren, die eine Wohnungsgenossenschaft aus der steuerfreien Vermietung von Wohnungen erwirtschaftet hat und die sie entsprechend ihrer Instandhaltungs- und Investitionsplanung vorhält, sind – wenn sie nicht die 10 v.H.-Grenze nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 KStG übersteigen – auch insoweit steuerfrei nach dieser Vorschrift, wie sie die geplanten Investitionssummen übersteigen (entgegen der überwiegenden Literaturauffassung und dem BMF v 22.11.1991, IV B 7-S 2730-24/91, BStBl I 1991, 1014 Rz. 41).
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 2. Senat unter Mitwirkung von Vizepräsidentin des Finanzgerichts …, Richter am Finanzgericht … und Richterin am Finanzgericht … sowie den ehrenamtlichen Richterinnen … und … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 2. September 2009 für Recht erkannt:
1. Die Bescheide vom 17. Oktober 2006 über Körperschaftsteuer 2001 bis 2004, gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2002 bis 2004, die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG für 2001 und Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3 und § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001 bis 2004 sowie die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2001 bis 2004, die Bescheide vom 29. Mai 2008 über Körperschaftsteuer 2006, Körperschaftsteuervorauszahlung 2008 und 2009 sowie Gewerbesteuermessbetrag 2006, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 2009 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe vor der Vollstreckung leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Streitig ist die Zurechnung von Zinseinkünften einer steuerbefreiten Wohnungsgenossenschaft.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1956 gegründete Genossenschaft, deren alleiniger Geschäftszweck in der Vermietung und Erhaltung von 12 Wohnhäusern mit 268 Wohnungen besteht. Zur Sanierung der Gebäude nahm die Klägerin zinsbegünstigte Darlehen von der K auf. Ferner nahm sie die Regelungen des Altschuldenhilfegesetzes in Anspruch, wonach sie einen teilweisen Erlass von Altschulden erreichen konnte, wenn sie umfangreiche Investitionen tätigt und 15% des Bestandes veräußert. Die Veräußerung des vorgeschriebenen Anteils am Bestand gelang aufgrund der Wohnungssituation nicht, gleichwohl erhielt am 4. April 2001 die Klägerin einen sog. Schlussbescheid von der K, wonach sie aus den Verpflichtungen aus dem Altschuldenhilfegesetz endgültig entlassen wurde. Die Klägerin hatte bei Kreditinstituten finanzielle Mittel angelegt (2001: DM 2.046.403, 2002: EUR 1.333.197, 2003: 1.468.900, 2004: EUR 1.661.916 und 2006: EUR 1.335.494,82). Sie erzielte darauf Zinseinnahmen von DM 104.716 im Jahr 2001, EUR 65.739 im Jahr 2002, EUR 59.831 im Jahr 2003, EUR 57.804 im Jahr 2004 und EUR 47.131,93 im Jahr 2006. Ferner hatte sie Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten von DM 9.223.212,04 im Jahr 2001 (Zinsaufwendungen DM 445.537,12), EUR 4.672.707,57 im Jahr 2002 (Zinsaufwendungen EUR 223.609,44), EUR 4.607.311,46 im Jahr 2003 (Zinsaufwendungen EUR 217.755,10), von EUR 4.420.143,59 im Jahr 2004 (Zinsaufwendungen EUR 210.582,41) und von EUR 3.906.470,53 im Jahr 2005 (Zinsaufwendungen von EUR 172.554,58). Sie erzielte in den Streitjahren Umsatzerlöse aus der Hausbewirtschaftung von DM 1.725.568 im Jahr 2001, EUR 890.105,84 im Jahr 2002, EUR 686.908,74 im Jahr 2003, von EUR 871.138,88 im Jahr 2004 und von EUR 905.628,53 im Jahr 2006.
Der Beklagte veranlagte die Klägerin in den Jahren 2001 bis 2004 erklärungsgemäß zur Körperschaftsteuer und zur Gewerbesteuer, die entsprechenden Bescheide lauteten jeweils auf EUR 0, da sie gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG bzw. § 3 Nr. 15 GewStG steuerfreie Einnahmen erzielte. Im Jahr 2006 führte das Finanzamt bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. Dabei kam die Prüfung zu dem Ergebnis, dass der Klägerin steuerpflichtige Einnahmen aus Zinsen teilweise zuzurechnen seien, die sich aus der Anlage von finanziellen Mitteln bei Kreditinstituten ergäben. Von den Zinseinnahmen sei der Teil steuerpflichtig, der die geplanten Investitionssummen übersteige:
2001 | 2002 | 2003 | 2004 | |
Geplante Investitionssumme | DM 1.853.335 | EUR 920.000 | EUR 1.050.000 | EUR 1.080.000 |
Angelegte finanzielle Mittel | DM 2.046.403 | EUR 1.333,197 | EUR 1.468.900 | EUR 1.661.916 |
Nicht steuerfreier Anteil | 9,434% | 30,993% | 28,518% | 35,015% |
Guthabenzins | DM 104.716 | EUR 65.739 | EUR 59.831 | EUR 57.804 |
Steuerpflichtige Einnahmen | DM 9.879 | EUR 20.374 | EUR17.063 | EUR 20.240 |
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüfung und änderte gemäß § 164 Abs. 2 AO am 17. Oktober 2006 die Körperschaftsteuerbescheide 2001 bis 2004 sowie die Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2001 bis 2004. Ferner erließ er jeweils Zinsbescheide zur Körperschaftsteuer gemäß § 233a AO sowie Bescheide über die gesonderte Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG für 2001 und Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3 und § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001 bis 2004 sowie über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2002 bis 2004. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein.
Die Klägerin reichte am 10. Dezember 2007 die Körperschaftsteuererklärung für 2006 ein, darin erklärte sie Umsatzerlöse von EUR 905.628,53 aus Hausbewirtschaftung, EUR 4.211,34 sonstige betriebliche Erträge sowie EUR 47.131,93 sonstige Zinsen und sonstige Erträge. Der Beklagte erließ am 29. Mai 2008 den Körperschaftsteuerbescheid 2006, einen Zinsbescheid zur Körperschaftsteuer 2006, Vorauszahlungsbescheide zur Körperschaftsteuer für 2008 und 2009 und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2006. Dabei ging er davon aus, dass die Klägerin bis zum Jahr 2011 insgesamt EUR 1.090.000 investieren wolle und EUR 1.335.494,82 finanzielle Mittel angelegt habe, sodass 82% der Zinsen steuerfrei und 18% steuerpflichtig seien. Daher habe die Klägerin im Jahr 2006 EUR 8.483,76 zu versteuern. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 2009 als unbegründet zurück.
Die Klägerin trägt vor, dass die Zinserträge als steuerfrei zu behandeln seien, da bis zum Auslaufen der Darlehensverbindlichkeiten, die zur Sanierung des Bestandes aufgenommen worden seien, das Ansparen von finanziellen Überschüssen zur Deckung des künftigen Kapitaldienstbedarfes sowie betriebswirtschaftlich sinnvoller Sondertilgungen gedacht gewesen sei und das als begünstigt zu behandeln sei. Liquide Mittel seien bis zum 31. Dezember 2004 in Höhe von EUR 1.661.900 und Darlehensverbindlichkeiten von EUR 3.393.800 vorhanden gewesen. Sondertilgungen seien in den Jahren 2005 bis 2009 in Höhe von EUR 1.670.000 möglich. Es könne keinen Unterschied machen, ob die Klägerin die Sanierungen aus eigenen oder fremden Mitteln finanziere. Eine Wettbewerbsverzerrung könne erst dann vorliegen, wenn den Zinseinnahmen keine Zinsaufwendungen aus Kreditverbindlichkeiten gegenüberstünden. Es gebe auch andere Steuerbefreiungstatbestände, z.B. für gemeinnützige Körperschaften, die auch für Zinseinnahmen in unbeschränkter Höhe gälten. Das Geld sei für Tilgungen vorgehalten worden. Weitere Tilgungen seien jedoch aufgrund der Zinsbindung in den Streitjahren nicht vorgenommen worden, weil die Darlehen in einer Niedrigzinsphase aufgenommen worden seien. Der Beklagte habe keinerlei Kosten berücksichtigt, die mit der Anlage der Finanzmittel verbunden gewesen seien.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 17. Oktober 2006 über Körperschaftsteuer 2001 bis 2004, gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2002 bis 2004, die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG für 2001 und Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3 und § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001 bis 2004 sowie die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2001 bis 2004, die Bescheide vom 29. Mai 2008 über Körperschaftsteuer 2006, Körperschaftsteuervorauszahlung 2008 und 2009 sowie Gewerbesteuermessbetrag 2006, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vor, dass die angelegten liquiden Mittel teilweise der Besteuerung zu unterwerfen seien, da diese die geplanten Investitionen überstiegen hätten. Die Begünstigung, die die Klägerin mit der Steuerfreiheit in Anspruch nehme, ende dort, wo sie mit anderen Unternehmen im Wettbewerb stehe. Wenn die Anlageform die Grenzen der gewöhnlichen Anlage erheblich überschreite, so dass sie nach Art und Umfang geeignet sei, spürbare Wettbewerbstörungen hervorzurufen oder eine eigene gewerbliche Tätigkeit neben der Wohnungsüberlassung an die Mitglieder darstelle, sei sie der Steuerpflicht zu unterziehen. Mit dem Schlussbescheid der K vom 4. April 2001 könne sich die Klägerin nicht mehr auf eine mögliche Inanspruchnahme durch die K berufen, da diese nicht mehr drohe. Es liege bei der Klägerin ein ungewöhnliches Verhältnis von Verbindlichkeiten zu vorhandenen liquiden Mitteln vor. Auch in schlechten Jahren seien 70% der Zinsen steuerfrei geblieben.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhaltes im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Körperschaftsteuer-, Feststellungs-, Prüfungs-, Bilanz- und Rechtsbehelfsakte sowie der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 2. September 2009 verwiesen. Hinsichtlich der Zinsen für die Körperschaftsteuer 2001 bis 2004 und 2006 nahm die Klägerin die Klage in der mündlichen Verhandlung zurück.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die angefochtenen Bescheide vom 17. Oktober 2006 bzw. vom 29. Mai 2008 sowie die Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 2009 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO. Der Klägerin steht die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG bzw. § 3 Nr. 15 GewStG in voller Höhe zu.
1. Die Klägerin ist als im Genossenschaftsregister eingetragene Vermietungsgenossenschaft gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG von der Körperschaftsteuer befreit, soweit sie Wohnungen herstellt oder erwirbt und ihren Mitgliedern zum Gebrauch überlässt (§ 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 Buchst. a KStG). Als solche erzielte sie Einkünfte aus der Vermietung ihrer Wohnungen und Einkünfte aus der Anlage von Finanzmitteln. Betragen die Einnahmen aus den nicht begünstigten Tätigkeiten nicht mehr als 10 % der gesamten Einnahmen (also einschließlich Einnahmen aus der nicht begünstigten Tätigkeit) eines Veranlagungszeitraums, bleibt die Steuerbefreiung für die begünstigte Tätigkeit in diesem Veranlagungszeitraum erhalten; die Einnahmen aus der nicht begünstigten Tätigkeit sind steuerpflichtig. Wird die Grenze von 10 % in einem Veranlagungszeitraum überschritten, verliert das Unternehmen bzw. der Verein für diesen Veranlagungszeitraum die Steuerbefreiung auch für den begünstigten Bereich.
Maßgebendes Kriterium für eine Abgrenzung der nichtbegünstigten Tätigkeiten von den Geschäften, die dem steuerbegünstigten Aufgabenbereich der Vermietungsgenossenschaft zuzuordnen sind, ist die Kausalität der nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 KStG begünstigten Wohnungsüberlassung im Mitgliedergeschäft. Die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG erstreckt sich daher auch auf solche Geschäfte, die als Ausfluss der steuerbegünstigten Tätigkeiten im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 KStG anfallen und die der Geschäftsbetrieb der Vermietungsgenossenschaft mit sich bringt. Nicht begünstigt im Sinne dieser Befreiungsnorm sind hingegen die Geschäfte, die nicht durch den Geschäftsbetrieb der Vermietungsgenossenschaft bedingt sind (Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, Tz. 82 zu § 5 KStG).
Die Begünstigungsvoraussetzungen sind erfüllt, wenn liquide Mittel, die aus der steuerfreien Wohnungsvermietung stammen und in angemessenem Umfang zur Durchführung von Instandhaltungsarbeiten sowie zur Investitionsplanung mittelfristig – bis zu fünf Jahren – bereitgehalten werden müssen, gewinnbringend angelegt werden. Erträge und Einnahmen im Zusammenhang mit der Anlage dieser Mittel fallen insgesamt in den begünstigten Bereich, soweit die Höhe der angelegten Gelder zum jeweiligen Bilanzstichtag unter dem Planungsvolumen liegt (BMF-Schreiben, BStBl I 1991, 1014, Rz. 41; Frotscher/Maaß, KStG, § 5 Rn. 87a; Urteil des Finanzgerichts Köln vom 28. Juli 1999, 13 K 2452/98, EFG 2000, 33).
Die streitigen Darlehenszinsen resultieren aus der Anlage liquider Mittel, die die Klägerin aus der steuerfreien Vermietung von Wohnungen erwirtschaftete und die sie entsprechend ihrer Instandhaltungs- und Investitionsplanung vorhielt. Die Zinserträge stammen damit aus Nebengeschäften, die den begünstigten Tätigkeiten im Sinne von § 5 Absatz 1 Nr. 10 Satz 1 KStG zuzurechnen sind und deren steuerliche Privilegierung teilen. Ferner übersteigen sie nicht die Grenze von 10% zu den Erlösen aus der Vermietungstätigkeit. Daher kommt es auf die Einhaltung der 10%-Grenze nach Satz 2 der Vorschrift nicht an.
2. Der Beklagte hat jedoch Einkünfte der Besteuerung unterworfen, die von der Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 a) KStG umfasst sind. Er hat sich an das für ihn bindende Schreiben des BMF (a.a.O., Rn. 41) gehalten und die Erträge herangezogen, die die klägerische Instandhaltungs- und Investitionsplanung übersteigen, sodass in den Streitjahren 2001 bis 2004 Einnahmen aus der Anlage finanzieller Mittel von DM 9.879 für 2001, EUR 20.374 für 2002, EUR 17.063 für 2003, EUR 20.240 für 2004 und für 2006 EUR 8.483,76 angesetzt wurden. Diese Vorgehensweise entspricht auch der überwiegenden Auffassung in der Literatur (Dötsch, a.a.O. Tz. 82 zu § 5 KStG, Arthur Andersen, KStG, § 5 Rn. 686, Blümich, KStG, § 5 Rn.224; a.A. Streck, KStG, 3. Aufl. 1991, § 5 Rn. 66).
a) Der Senat vermag sich dem jedoch nicht anschließen. Zunächst ist festzustellen, dass der Wortlaut von § 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 a) KStG eine Einschränkung der Steuerfreiheit nicht zulässt. Insbesondere ist gerade nicht geregelt, wie mit zulässigen, aber nicht begünstigten Einkünften umzugehen ist (Streck, a.a.O.). Hinsichtlich von Nebeneinkünften, die begünstigt sind, macht das Gesetz keine Angabe. Aus Satz 2 der Vorschrift lässt sich jedoch der Schluss ziehen, dass alle Einkünfte, die begünstigt sind und nicht unter Satz 2 fallen, steuerbefreit sein sollen.
b) Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich nicht ersehen, dass der Gesetzgeber eine partielle Steuerpflicht für solche Tätigkeiten regeln wollte, die dem Geschäftszweck dienen. Durch das StRefG 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 88, 1093 = BStBl I 88, 224) wurde § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG neu gefasst. Zuvor bestand eine umfassende Steuerbefreiung für gemeinnützige Wohnungsunternehmen. Mit der Abschaffung der Steuerbefreiung war die Aufhebung der Rechtsgrundlagen für die gesamte gemeinnützige Wohnungswirtschaft verbunden. Nunmehr besteht eine partielle Steuerbefreiung für solche Genossenschaften und Vereine, die sich darauf beschränken, Wohnungen an ihre Mitglieder zu vermieten (Hermann/Reuer/Raupach, KStG, § 5 Anm. 323).
Im Gesetzgebungsverfahren wurde zunächst eine Regelung vorgeschlagen, die einen Verlust der Steuerfreiheit insbesondere dann vorsah, wenn die Genossenschaft an einem nicht steuerbefreiten Betrieb beteiligt ist (BT-Drucksache 11/2157, 24 f.). Aus der Begründung zur Abänderung des Gesetzentwurfs für die Neuregelung ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Wettbewerbssituation der Wohnungsbaugenossenschaften mit steuerpflichtigen Unternehmen zwar gesehen hat und deshalb eine eingeschränkte Steuerbefreiung regeln wollte (BT-Drucksache 11/2536, 88 f). Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung der 10%-Grenze in § 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 KStG jedoch zum Ausdruck gebracht, dass nur solche Einnahmen besteuert werden sollen, die nicht aus den steuerbefreiten Tätigkeiten resultieren. Nur nach deren Überschreitung der 10%-Grenze verliert die Körperschaft die Steuerbefreiung völlig. Anhaltspunkte für eine weitergehende Regelung sind nicht ersichtlich.
c) Auch die teleologische Auslegung der Norm führt aus Sicht des Senates nicht zu einer Beschränkung der Steuerfreiheit. Zweck der Steuerbefreiung ist die Förderung der Genossenschaften als Selbsthilfeeinrichtungen, die entsprechend dem genossenschaftlichen Fördergedanken nur eine wirtschaftliche Hilfsfunktion für ihre Mitglieder wahrnehmen. Da auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus nicht zu versteuern sei, gelte dies auch für mehrere Interessenten, die sich zu einer Wohnungsgenossenschaft zusammenschließen (BT-Drucksache, 11/2157, 122). Aufgrund des Selbsthilfegedankens ist kein Grund ersichtlich, warum Zinseinkünfte, die aus der Anlage von Mieten stammen und die die Genossenschaft wirtschaftlich stärken, steuerpflichtig sein sollen.
Demgegenüber greifen die Argumente des Beklagten nicht durch. Die Steuerbefreiung privilegiert zwar Wohnungsgenossenschaften gegenüber anderen Wohnungseigentümern, die ebenfalls über Kredite ihre Gebäude instand halten. Bei diesen sind die Zinsen aus der Anlage von Mieten nicht steuerfrei, sie haben auch keine Möglichkeit, bis zum Planungsvolumen von geplanten Instandhaltungen die Steuerfreiheit dieser Zinsen zu erreichen. Ferner müssen sie die Investitionen aus versteuertem Einkommen leisten, während die Klägerin dies aus steuerfreien und damit höheren Einkommen tun kann. Da Wohnungsgenossenschaften aber ohnehin eine umfassende Steuerbefreiung erhalten haben, wird der Wettbewerb – wie im Streitfall – durch untergeordnete, steuerfreie Zinseinnahmen nicht nachhaltig gefährdet. Der Steuervorteil ist gering, insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass die Klägerin keine Aufwendungen für die Anlage der Finanzmittel ansetzen kann, wie dies andere Wohnungsbauunternehmen tun könnten (zur praktischen Bedeutung der Steuerbefreiung: Hermann/Heuer/Raupach, a.a.O. Anm. 326).
3. Das BMF-Schreiben hat als Verwaltungsanweisung auch nicht lediglich norminterpretierenden Charakter, sondern es verengt den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung. Bei dem BMF-Schreiben handelt es sich um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung, die den Zweck hat, dass das Gesetz gleichmäßig ausgelegt und angewendet wird. Eine Bindungswirkung für die Gerichte haben derartige Anweisungen nicht, vielmehr liegt die Gesetzesauslegung allein bei den Gerichten. Das BMF-Schreiben hat aber nicht nur norminterpretierenden Charakter, sondern es verengt den Anwendungsbereich der Norm zum Nachteil des Steuerpflichtigen, es erhöht bzw. begründet eine Steuerpflicht. Dies ist jedoch dem Gesetzgeber vorbehalten. Der Verwaltung ist es gemäß Art. 20 Abs. 2, 3 GG verwehrt, steuerbegründende Tatbestände zu schaffen. Ihr ist es lediglich möglich, durch Verwaltungsvorschriften zu Gunsten der Steuerpflichtigen vom Gesetz abweichende Auslegungen zu treffen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 1, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und diejenige zur Hinzuziehung auf § 139 FGO. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 FGO zuzulassen, da das BMF und Auffassungen in der Literatur eine andere Auffassung in der streitentscheidenden Rechtsfrage vertreten.