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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Beschluss vom 21.12.2009 – 6 K 2260/09

    Dem EuGH wird die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 45 AEUV (= Art. 39 EGV) vereinbar ist oder eine verbotene versteckte Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit nach Art. 18 AEUV (= Art. 12 EGV) beinhaltet, wenn die von dem französischen Dienstherrn gewährten Gehaltsbestandteile für den Ausgleich für die Bereitschaft eines französischen Arbeitnehmers, in das Ausland zu gehen, in der BRD dem Progressionsvorbehalt unterworfen wird, während ein deutscher Arbeitnehmer der BRD oder einer sonstigen deutschen juristischen Person des öffentlichen Rechts diese Gehaltsbestandteile nach § 3 Nr. 64 EStG steuerfrei erhält.


    Beschluss

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 6. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … am 21. Dezember 2009 beschlossen:

    Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Gründe

    I.

    Sachverhalt und Streitstand

    Die Kläger sind gemeinschaftlich zur Einkommensteuer veranlagte, in Deutschland ansässige und im Sinne des § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – unbeschränkt steuerpflichtige Eheleute. Ihre beiden gemeinsamen Kinder wurden … bzw. … geboren.

    Die Klägerin ist französische Staatsangehörige und in Deutschland als Beamtin des französischen Staates als Lehrerin in X tätig. Sie nahm in den Streitjahren 2005 und 2006 nur befristete Dienstverhältnisse in Deutschland wahr; der französische Staat konnte nach Ablauf des jeweils befristeten Arbeitsvertrages jederzeit die Rückkehr nach Frankreich verlangen.

    Der Kläger bezog aus der in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten Tätigkeit als Angestellter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, und zwar einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 75.400 EUR in 2005 sowie in Höhe von 77.133 EUR in 2006. Die einbehaltene Lohnsteuer betrug 14.980 EUR bzw. 15.488 EUR, der Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag belief sich auf 5.316,84 EUR bzw. 5.553 EUR.

    Die Klägerin bezog vom französischen Staat in den Streitjahren 2005 und 2006 Einnahmen, die nach Art. 14 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 Buchst. a) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (Bundesgesetzblatt – BGBl – II 1961, S. 398) – DBA-Frankreich – in Deutschland von der Besteuerung unter Beachtung des sog. Progressionsvorbehalts freizustellen sind. In den Bezügen der Klägerin, die das Finanzamt – FA – in Höhe von 29.279 EUR (2005) bzw. 30.390 EUR (2006) ermittelt hat, sind u.a. folgende streitgegenständliche Vergütungsbestandteile enthalten:

    Hinsichtlich der Position „I.S.V.L. Groupe 7” (= Indemnité spécifique liée aux conditions de vie locale) handelt es sich nach dem klägerischen Vortrag um einen Kaufkraftausgleich in Höhe eines monatlichen Betrages von 437,41 EUR (2005) bzw. von 444,08 EUR (2006), der im Ausland tätigen Beamten vom französischen Staat gewährt werde. Ihre gesetzliche Grundlage findet die I.S.V.L. im Décret n° 2002-22 vom 4. Januar 2002, dort: Art. 4.B.d).

    Bei der Position „Majoration Familiales Gr. 01” handelt es sich nach dem klägerischen Vortrag um einen sogenannten „Avantache Familial” in Höhe eines monatlichen Betrages von 134,20 EUR (2005) bzw. von 136,41 EUR (2006), der für unterhaltsberechtigte Kinder von in Auslandseinrichtungen tätigen französischen Beamten gewährt werde und dem deutschen Auslandskinderzuschlag nach § 56 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) entspreche. Er hat seine Grundlage in Art. 4 B. e) des Décret n° 2002-22 vom 4. Januar 2002 in d er Fassung des Décret n° 2007-1291 des französischen Außenministeriums vom 30. August 2007.

    Von den Einnahmen der Klägerin wurde in 2005 ein Betrag von 20.574 EUR bzw. in 2006 ein Betrag von 21.552 EUR als Besteuerungsgrundlage der Einkommensbesteuerung in Frankreich unterworfen, nicht aber die streitgegenständlichen Vergütungsbestandteile. Daraus resultierte in Frankreich eine festgesetzte Steuer von 3.704 EUR (2005) bzw. 0 EUR (2006).

    Diese Gehaltsbestandteile beließ das FA im Einkommensteuerbescheid 2005 vom 24. Juli 2007 sowie im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 12. Dezember 2008 zwar steuerfrei, aber unterwarf sie – ebenso wie das restliche Gehalt – nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrages in Höhe von jeweils 920 EUR dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2 EStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung (insgesamt 28.359 EUR in 2005 sowie 29.470 EUR in 2006). Die dagegen eingelegten Einsprüche wurden in den Einspruchsentscheidungen vom 30. April 2009 als unbegründet zurückgewiesen.

    Durch die Einbeziehung der oben genannten Gehaltsbestandteile erhöhte sich die gegenüber den Klägern festgesetzte Einkommensteuer um 654 EUR in 2005 bzw. 664 EUR in 2006.

    Dagegen richtet sich die Klage vom 18. Mai 2009. Die Kläger begehren, die unter Ziffer 1 und 2 genannten Einnahmen der Klägerin in Höhe von 6.859,32 EUR (2005) bzw. 6.965,88 EUR (2006) nicht dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen.

    Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, dass die steuerliche Behandlung – Nichtgewährung der Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 64 EStG – gegen Art. 45 AEUV verstoßen würde.

    Eine Diskriminierung sei zu bejahen, wenn gleichartige Situationen steuerlich ungleich behandelt würden. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Da sich im Rahmen des Progressionsvorbehalts die Ermittlung ausländischer Einkünfte ausschließlich nach deutschem Steuerrecht richte, befinde sich die Klägerin in einer vergleichbaren Stellung wie ein unbeschränkt steuerpflichtiger Inländer. Fände § 3 Nr. 64 EStG keine Anwendung, so stelle dies eine Ungleichbehandlung und somit eine Diskriminierung im Sinne von Art. 45 AEUV dar.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 24. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. April 2009 abzuändern und Einnahmen der Klägerin in Höhe von 6.859,32 EUR nicht dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen,

    den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 12. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. April 2009 abzuändern und Einnahmen der Klägerin in Höhe von 6.965,88 EUR nicht dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen.

    Das beklagte Finanzamt hält die von ihm vorgenommene Rechtsanwendung für zutreffend und sieht keinen Verstoß der angewendeten gesetzlichen Regelung gegen den EGV. § 3 Nr. 64 EStG diskriminiere weder die ausländische Staatsangehörigkeit noch die ausländische Herkunft gegenüber Inländern, da unabhängig hiervon die Steuerbefreiung auf Bezüge von inländischen Arbeitgebern begrenzt werde. Jeder Deutsche und jeder in Deutschland Ansässige, der für einen französischen Arbeitgeber im Inland arbeite, komme unabhängig von seiner Herkunft nicht in den Genuss des § 3 Nr. 64 ESG. Insofern würden Bürger mit ausländischer Herkunft nicht anders als Deutsche behandelt.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    II.

    Der Senat setzt das Verfahren aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die im Tenor des Beschlusses formulierte Frage zur Vorabentscheidung vor.

    Erforderlichkeit des Ersuchens

    Das Gericht legt die Frage dem EuGH gemäß Art. 267 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Buchst. a) AEUV (= Art. 234 EGV) die genannte Frage vor, weil die Rechtsfrage für das Klageverfahren entscheidungserheblich ist. Sie betrifft die dem EuGH vorbehaltene Auslegung des EGV. Denn die Entscheidung über die Klage ist von der Beantwortung der im Tenor genannten Vorlagefragen abhängig. Sofern jene Fragen zu verneinen sind, müsste die Klage abgewiesen werden. Ist eine der Fragen aber zu bejahen, wäre der Klage stattzugeben.

    2. Rechtslage nach deutschem Recht

    § 3 Nr. 64 EStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung lautet wie folgt:

    „Steuerfrei sind bei Arbeitnehmern, die zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen, die Bezüge für eine Tätigkeit im Ausland insoweit, als sie den Arbeitslohn übersteigen, der dem Arbeitnehmer bei einer gleichwertigen Tätigkeit am Ort der zahlenden öffentlichen Kasse zustehen würde. Satz 1 gilt auch, wenn das Dienstverhältnis zu einer anderen Person besteht, die den Arbeitslohn entsprechend den im Sinne des Satzes 1 geltenden Vorschriften ermittelt, der Arbeitslohn aus einer öffentlichen Kasse gezahlt wird und ganz oder im Wesentlichen aus öffentlichen Mitteln aufgebracht wird. Bei anderen für einen begrenzten Zeitraum in das Ausland entsandten Arbeitnehmern, die dort einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, ist der ihnen von einem inländischen Arbeitgeber gewährte Kaufkraftausgleich steuerfrei, soweit er den für vergleichbare Auslandsdienstbezüge nach § 54 des Bundesbesoldungsgesetzes zulässigen Betrag nicht übersteigt.”

    § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung lautet wie folgt: „Hat ein zeitweise oder während des gesamten Veranlagungszeitraums unbeschränkt Steuerpflichtiger …





    Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder einem sonstigen zwischenstaatlichen Übereinkommen unter dem Vorbehalt der Einbeziehung bei der Berechnung der Einkommensteuer steuerfrei sind …, bezogen, so ist auf das nach § 32a Abs. 1 zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden.”

    § 32b Abs. 2 EStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung lautet wie folgt:

    „Der besondere Steuersatz nach Absatz 1 ist der Steuersatz, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Abs. 1 zu versteuernde Einkommen vermehrt oder vermindert wird um …



    im Fall des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 die dort bezeichneten Einkünfte, wobei die darin enthaltenen außerordentlichen Einkünfte mit einem Fünftel zu berücksichtigen sind.”

    Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 DBA Deutschland – Frankreich lautet wie folgt :

    „Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen sowie Ruhegehälter, die einer der Vertragstaaten, ein Land oder eine juristische Person des öffentlichen Rechtes dieses Staates oder Landes an in dem anderen Staat ansässige natürliche Personen für gegenwärtige oder frühere Dienstleistungen in der Verwaltung oder in den Streitkräften zahlt, können nur in dem erstgenannten Staate besteuert werden.”

    Artikel 20 Abs. 1 DBA Deutschland – Frankreich lautet wie folgt :

    „Bei Personen, die in der Bundesrepublik ansässig sind, wird die Doppelbesteuerung wie folgt vermieden:

    a) Von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer werden vorbehaltlich der Buchstaben b) und c) die aus Frankreich stammenden Einkünfte und die in Frankreich gelegenen Vermögensteile ausgenommen, die nach diesem Abkommen in Frankreich besteuert werden können. Diese Bestimmung schränkt das Recht der Bundesrepublik nicht ein, die auf diese Weise ausgenommenen Einkünfte und Vermögensteile bei der Festsetzung ihres Steuersatzes zu berücksichtigen.”

    Nach dem in den beiden Streitjahren geltenden Recht kann die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 64 EStG nur ein Arbeitnehmer in Anspruch nehmen,

    • der zu einer inländischen [aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland] juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis steht,

    • dafür Arbeitslohn aus einer inländischen [aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland] öffentlichen Kasse bezieht und

    • die Bezüge für eine Tätigkeit im Ausland [aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland] geleistet werden.

    Da die Klägerin

    • zu einer ausländischen [aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland] juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis steht,

    • dafür Arbeitslohn aus einer ausländischen [aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland] öffentlichen Kasse bezieht und

    • die Bezüge für eine Tätigkeit im Inland [aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland] geleistet werden,

    kann dem Begehren der Kläger nach geltendem deutschen Recht nicht stattgegeben und die Klage müsste abgewiesen werden.

    Wird dagegen vom EuGH festgestellt, dass die Norm des § 3 Nr. 64 EStG mit den Bestimmungen des EGV kollidieren, muss der Klage stattgegeben werden.

    3. Vereinbarkeit mit EU-Recht

    a) Vorab ist festzustellen, dass auf die Klägerin nach Auffassung des erkennenden Senats die Ausnahmebestimmungen des Art. 45 Abs. 4 AEUV nicht anwendbar ist, und zwar aus folgenden Gründen:

    In seinem Urteil vom 30. September 2009, C-47/02, Albert Anker, Klaas Ras, Albertus Snoek, Randnrn. 57 ff., hat der EuGH entschieden, dass der Begriff der öffentlichen Verwaltung im Sinne von Art. 45 Abs. 4 AEUV in der gesamten Gemeinschaft einheitlich auszulegen und anzuwenden ist; seine Bestimmung kann daher nicht völlig in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt werden (vgl. insbesondere Urteil vom 17. Dezember 1980, Kommission/Belgien, Rechtssache 149/79, Randnrn. 12 und 18). Er betrifft diejenigen Stellen, die eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung von Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind, so dass sie ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat sowie die Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten voraussetzen, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrunde liegen (Urteile Kommission/Belgien, a.a.O., Randnr. 10, und vom 2. Juli 1996, Kommission/Griechenland, C-290/94, Randnr. 2).

    Hingegen gilt die Ausnahme in Art. 45 Abs. 4 AEUV nicht für Stellen, die zwar dem Staat oder anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zuzuordnen sind, jedoch keine Mitwirkung bei der Erfüllung von Aufgaben mit sich bringen, die zur öffentlichen Verwaltung im eigentlichen Sinne gehören (Urteile Kommission/Belgien, a.a.O., Randnr. 11, und Kommission/Griechenland, a.a.O., Randnr. 2).

    Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich ferner, dass Art. 45 Abs. 4 AEUV als Ausnahme vom Grundprinzip der Freizügigkeit und der Nichtdiskriminierung der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft so auszulegen ist, dass sich seine Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, die diese Bestimmung den Mitgliedstaaten zu schützen erlaubt, unbedingt erforderlich ist (vgl. u. a. Urteil vom 16. Juni 1987, Kommission/Italien, Rechtssache 225/85, Randnr. 7).

    Diese Rechtsauffassung wurde ausdrücklich bestätigt im Urteil vom 27. April 2007 C-392/05, Georgios Alevizos, Randnr. 69.

    Wenn weiter nach der Rechtsprechung des EuGH bereits die Lehrtätigkeit an einer Hochschule nicht unter den Anwendungsbereich des Art. 45 Abs. 4 AEUV fällt (Urteil vom 18. Dezember 2007, C-281/06, Hans-Dieter und Hedwig Jundt, Randnr. 38 mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung), muss dies nach Auffassung des vorlegenden Gerichts erst recht für die Lehrerin an einer Grundschule gelten, die sechsbis zehnjährige Kinder unterrichtet.

    b) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sollen sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen (Urteil vom 16. Oktober 2008, C-527/06, Renneberg).

    Art. 45 Absätze 1 bis 3 AEUV verankert den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten.

    Nach ständiger Rechtsprechung verbietet Artikel 45 AEUV nicht nur jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, sondern auch nationale Regelungen, die, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer anwendbar sind, deren Freizügigkeit beeinträchtigen (Urteil vom 27. Januar 2000 C-190/98, Graf, Randnr. 18, und Urteil vom 29. April 2004, C-387/01, Weigel, Randnrn. 50 und 51).

    Es liegt auf der Hand, dass die Regelung des § 3 Nr. 64 EStG geeignet ist, einen französischen Arbeitnehmer des französischen Staates oder einer sonstigen französischen juristischen Person des öffentlichen Rechts davon abzuhalten, im Auftrag seines Dienstherrn in der Bundesrepublik tätig zu werden, da die ihm von seinem Dienstherrn gewährten Gehaltsbestandteile (als Ausgleich für seine Bereitschaft, in das Ausland zu gehen) der Berechnung des besonderen Steuersatzes (Progressionsvorbehalts) unterworfen werden, während ein deutscher Arbeitnehmer des Bundesrepublik Deutschland oder einer sonstigen deutschen juristischen Personen des öffentlichen Rechts bestimmte Gehaltsbestandteile definitiv steuerfrei erhält, somit bei ansonsten gleichen Verhältnissen einer geringeren steuerlichen Belastung unterliegt.

    Abgesehen von einem nach Auffassung des vorlegenden Gerichts vorliegenden Verstoß gegen Art. 45 Abs. 1 bis 3 AEUV, stellt § 3 Nr. 64 auch eine versteckte Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit dar, weil in der Regel deutsche Staatsangehörige in einem Arbeitsverhältnis zu einer deutschen juristischen Person des öffentlichen Rechts stehen (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 1. Halbsatz des Bundesbeamtengesetzes; § 6 Abs. 2 des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg). Somit werden in erster Linie deutsche Staatsangehörige in den Genuss der Vergünstigung des § 3 Nr. 64 EStG gelangen.

    III.

    Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung des § 74 FGO ausgesetzt.

    VorschriftenEStG § 3 Nr. 64, EStG § 32b Abs. 1 Nr. 3, EStG § 32b Abs. 2 Nr. 2, EStG § 1 Abs. 1, EUV Art. 45, EUV Art. 21, EUV Art. 18, EGV Art. 39, EGV Art. 18, EGV Art. 12