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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Düsseldorf: Beschluss vom 07.04.2010 – 4 K 871/09 Z

    Dem EuGH wird nach Art.267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Ist die Position 8521 der Kombinierten Nomenklatur in der Fassung durch die Verordnung (EG) Nr. 1549/2006 der Kommission vom 17.10.2006 dahingehend auszulegen, dass von ihr MP3/Media-Player mit eingeschränkter Videofunktion nicht erfasst werden, weil auf die Hauptfunktion als Tonwiedergabegerät abzustellen ist oder weil die Fähigkeiten, Einzelbilder und Filme wiederzugeben, durch einen kleinen Bildschirm mit geringer Auflösung und geringer Bildfrequenz eingeschränkt sind?


    Tatbestand

    Die Klägerin beantragte am 05.04.2007 beim Zollamt des Beklagten die Überführung einer Sendung elektronischer Geräte chinesischen Ursprungs aus Hongkong, die sie als MP3-Player der Unterposition 8519 8990 der Kombinierten Nomenklatur (KN) anmeldete, in den zollrechtlich freien Verkehr. Die Zollstelle entnahm der Sendung Warenproben und fertigte sie antragsgemäß unter Erhebung des vorgesehenen Zolls von 2% ab.

    Bei den Waren handelte es sich um in einem Verkaufskarton verpackte Warenzusammenstellungen, die aus folgenden Teilen besteht:

    Ein auf der Verkaufsverpackung als MP3/Media-Player bezeichnetes Gerät in einem Gehäuse von 90 mm Länge, 40 mm Breite und 8 mm Höhe. Das Gehäuse enthält einen Equalizer, ein LC-Display (27x28 mm, Diagonale 38 mm oder 1,65 Zoll), einen Flash-Speicher (je nach Ausführung 512 MB oder 1 GB), Akkus, einen Kopfhöreranschluss, einen USB 2.0-Anschluss und Bedienelemente.

    Ein USB-Kabel

    Ein Paar Ohrhörer

    Ein Netzteil mit Ladefunktion

    Eine Tragekordel

    Eine CD mit Programmen. Mit einem der Programme können Videos anderer gängiger (Datei-)Formate in das Format AMV umgewandelt werden.

    Eine Bedienungsanleitung.

    Der MP3/Media-Player kann

    Tondateien insbesondere der (Datei-)Formate, MP1, MP2, MP3, WMA, WMV, ASF, WAV abspielen,

    Tondateien durch ein eingebautes Mikrofon in den Formaten WAV und ACT aufnehmen,

    seinen Speicher über den USB-Anschluss einem PC als zusätzlichen Speicher zur Verfügung stellen,

    Bilder im (Datei-)Format JEPG zeigen und

    Videos im lizenzfreien (Datei-)Format AMV mit einer Auflösung von 208x176 Bildpunkten und einer Bildfrequenz von 16 Bildern je Sekunde (Frames per second – fps) oder einer geringeren Auflösung mit einer geringeren Bildfrequenz abspielen.

    Die Zollstelle übersandte der Oberfinanzdirektion......, Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt, die Proben zur Untersuchung. Diese beurteilte die Waren in ihren Gutachten vom 16.05.2007 als Videogeräte der Unterposition 8521 9000 KN. Der Beklagte schloss sich dieser Beurteilung an und erhob von der Klägerin mit Bescheid vom 25.07.2007 insgesamt 16.752,77 EUR Zoll nach.

    Den dagegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 18.02.2009 als unbegründet zurück und führte dazu hinsichtlich der Einreihung aus: Der Wortlaut der Position 8521 umfasse Videogeräte zur Bild- und Tonaufzeichnung oder –wiedergabe. Die danach erforderliche Fähigkeit, Bilder und Töne auch in Form digitaler Codes aufzuzeichnen, hätten die eingeführten Geräte. Dass die Geräte dazu im Wesentlichen der Bildaufnahme und –wiedergabe dienen müssten, sei nicht erforderlich. Vielmehr sei nach der Allgemeinen Vorschrift (AV) 1 aufgrund des Wortlauts der Position 8521 die Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI nicht anwendbar. Bei den Waren handele es sich auch nicht um eine Zusammenstellung aus einem Ton- und einem Bildwiedergabegerät, die nach der AV 3 b) zu beurteilen wäre, sondern bestenfalls um eine zusammengesetzte Ware nach derselben, hier aber wegen des Wortlauts der Position 8521 nicht anzuwendenden Vorschrift. Die Warenzusammenstellung in dem gemeinsamen Verkaufskarton sei wegen der charakterbestimmenden Funktion des MP3/Media-Players der Position 8521 zuzuweisen. Unerheblich sei, dass die Videodateien nur im Format AMV abgespielt werden könnten, da der Wortlaut der Position 8521 insoweit keine Beschränkungen enthalte. Gleiches gelte für den Umfang der Speicherkapazität, der Bildschirmgröße, der Bildauflösung und der Wiedergaberate.

    Zur Begründung ihrer fristgerecht erhobenen Klage trägt die Klägerin vor: Der MP3/Media-Player verfüge nur über eine sehr eingeschränkte Videofunktion, denn er spiele nur Dateien im Format AMV ab. Dazu müssten Videodateien anderer, gängiger Formate erst in dieses Format umgewandelt und dann unter Benutzung eines PC auf den MP3/Media-Player geladen werden. Dabei komme es zu erheblichen Qualitäts- und Größenverlusten bei einer stark reduzierten Bildfrequenz. Schon deshalb seien die Waren der Position 8519 zuzuweisen. Bei der Auslegung der Tarifpositionen 8519 und 8521 komme es darauf an, ob die Ware eine ausgeprägte Audio- oder eine entsprechende Videofunktion haben. Dies führe bei sog. MP3-Playern, die beide Funktionen hätten, dazu, sie der Funktion zuzuweisen, die die Hauptfunktion darstelle. Dies sei im Streitfall die Audiofunktion, so dass die Waren in die Position 8519 gehörten. Zudem zeigten die Ausführungen der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 20.01.2005, C-467/03 Rz. 46, dass ein Videogerät das Aufzeichnen bewegter Bilder mit einer Bildfrequenz von 23 - 25 fps ermöglichen müsse. Dies erreichten aber die hier zu beurteilenden Waren nicht. Für die Einreihung in die Position 8519 spreche auch der Verwendungszweck. Nach der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI seien die zu beurteilenden MP3/Media-Player der Position 8519 zuzuordnen, da von ihren beiden Funktionen die Videofunktion nachrangig sei. Das auch deshalb, weil die Geräte Videos anders als Audiodateien nicht aufnehmen könnten und die Anwender die MP3/Media-Player vor allem zur Tonaufnahme und -wiedergabe einsetzten. Aus der AV 3 a) und b) folge nichts anderes. Von einer Wiedergabe von Videos könne nur ausgegangen werden, wenn übliche Bildgrößen mit normaler oder üblicher Erkennbarkeit von Details unter Einsatz üblicher Software mit gängigen und damit anderen Formaten als AMV dargestellt werden könnten. Eine Fernsehsendung in voller Qualität mit den Auflösungen von 640x480 oder 320X240 Bildpunkten müsse wiedergegeben werden können. Entgegen dem Urteil des Finanzgerichts München vom 04.07.2008, 14 K 1282/07, juris (Bl. 55-59 der Gerichtsakte) sei nicht davon auszugehen, dass die in den Erl KN (HS) Pos. 8519 Rzn. 01.0 bis 15.0 genannten Geräte weder Videos aufzeichnen noch wiedergeben könnten. Vielmehr sei nach den Erl KN (HS) Abschnitt XVI Rz. 56 die charakteristische Hauptfunktion maßgebend. Zudem werde wegen des Urteils der Rechtbank Haarlem vom 13.11.2007, 06/9797 (Bl. 51-54 der Gerichtsakte), die das gleiche Gerät des gleichen Herstellers zum Gegenstand gehabt habe, sowie wegen ihre Rechtsauffassung bestätigender verbindlicher Zolltarifauskünfte angeregt, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Vorabentscheidung zu stellen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Einfuhrabgabenbescheid des Beklagte vom 25.07.2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.02.2009 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, der Wortlaut der Positionen 8519 und 8521 schließe eine Anwendung der Anmerkung 3 zu Kapitel XVI aus. Die Position 8519 erfasse abschließend bestimmte Audiogeräte, während die Position 8521 Geräte erfasse, die gleichermaßen über Funktionen zur Bild- und Tonaufzeichnung oder -wiedergabe verfügten. Auf eine vollständige oder vorrangige Videofunktion komme es nicht an. Videogeräte seien weder in der KN noch in den Erläuterungen zum Harmonisierten System Erl KN (HS) oder der KN Erl KN (KN) definiert. Um unter die Position 8521 zu fallen, müssten sie nur zur Bild- und Tonaufzeichnung oder -wiedergabe in der Lage sein. Insoweit werde auch auf das EuGH-Urteil v. 17.03.2005, C467/03, Rzn. 22-26, 28, 30 verwiesen. Auch würden die Geräte auf der Verkaufsverpackung als Videospieler bezeichnet und vermarktet. Dies spreche gegen eine nur unbeachtliche Nebenfunktion. Die AV 3 b) sei hier schon deshalb unanwendbar, weil danach keine Möglichkeit bestehe, Warenzusammenstellungen nach einer Funktion einzureihen, die ihnen den wesentlichen Charakter verleihen solle (s. EuG Urteil v. 30.09.2003, T-243/01, Rzn. 124-126).

    Der Beklagte hat die untersuchten Proben zur Verfügung gestellt, die das Gericht in Augenschein genommen hat.

    Gründe

    Für die von der Klägerin in den zollrechtlich freien Verkehr überführten MP3/Media-Player ist die Zollschuld nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 S. 1 der VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – ZK – entstanden. Der dabei anzuwendende Abgabensatz ergibt sich nach Art. 20 Abs. 1 ZK aus dem Zolltarif, im Streitfall aus der KN, Art. 20 Abs. 3 Buchst. a ZK. Diese ist für Einfuhren des Jahres 2007 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1549/2006 der Kommission vom 17.10.2006 (ABl. EU Nr. L 301, 1) anzuwenden.

    Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die eingeführten MP3/Media-Player in die Position 8519 oder in die Position 8521 der KN einzureihen sind.

    Nach ständiger Rechtsprechung ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (s. beispielsweise EuGH Urteil v. 29. 10.2009 C-522/07 und C 65/08, Rz. 29).

    Danach sprechen erhebliche Umstände für die vom Beklagten vertretene Einreihung:

    Der Wortlaut der Position 8521, die im hier interessierenden Zusammenhang nach ihrem deutschen Wortlaut Videogeräte zur Bild- und Tonwiedergabe umfasst, steht einer Einreihung der streitbefangenen Waren nicht entgegen. Die MP3/Media-Player können unstreitig in ihren Speicher aufgenommene Tondateien verschiedener Formate, Bilddateien unbewegter Bilder des Formats JEPG und Bilddateien bewegter Bilder und Töne des Formats AMV wiedergeben. Insoweit verfügen die eingeführten MP3/Media-Player selbst bei den Geräten mit dem kleinsten Speicher von 512 MB über ein ausreichendes Volumen. Entweder können für mehrere Stunden Tondateien oder bei einer für AMV-Dateien vergleichsweise hohen Auflösung wenigstens etwa eine Stunde bewegte Bilder und Töne abgespielt werden.

    Das im Verkaufskarton enthaltene Zubehör, Kopfhörer, USB-Kabel, Ladegerät, Trageband, Bedienungsanleitung und CD mit zum Betrieb erforderlichen Programmen bildet mit dem jeweiligen Gerät eine Warenzusammenstellung, die gemäß AV 3 Buchst. b wie die streitige Ware einzureihen ist, da diese dem Ganzen den wesentlichen Charakter verleiht.

    Zwar ist die Wiedergabe der bewegten Bild- und Tondateien aufgrund des kleinen Bildschirms und des Dateiformats mit einer niedrigen Bildfrequenz, die gerade den Eindruck bewegter Bilder oder eines Films erzeugt, von eher geringer Qualität. Dies ändert aber an der Einreihung nichts, da die Position 8521 Qualitätskriterien nicht aufstellt, gleichwohl aber bewegte Bilder mit Musikuntermalung in Form kurzer Filme ohne weiteres erkennbar sind.

    Abweichendes ergibt sich nicht aus den Erl KN (HS) und (KN) zu den Positionen 8519 und 8521 nach ihrem deutschen Wortlaut.

    Andererseits vertritt die Rechtbank Haarlem in ihrem Urteil vom 13.11.2007, 06/9707 die Auffassung, dass ein vergleichbarer MP3/Media-Player der Position 8519 zuzuweisen sei, weil er nicht die Hauptfunktion habe, Videos wiederzugeben. Sein Bildschirm habe nämlich eine niedrige Auflösung und eine zu geringe Größe. Zudem sei der Speicherplatz beschränkt und die Wiedergabe nur auf ein Dateiformat begrenzt.

    Auch Zollbehörden anderer Mitgliedstaaten halten diese Einreihung für zutreffend. Insoweit hat die Klägerin entsprechende verbindliche Zolltarifauskünfte aus Frankreich und Österreich vorgelegt.

    Eine Einreihung in die Position 8519 kann bei Anwendung der Anmerkung 3 zu Kapitel XVI zu rechtfertigen sein, weil die Hauptfunktion der Geräte wegen der geringen Qualität der Videofunktion in ihrer Funktion als Tonaufnahme und –Wiedergabegeräte liegt. Der Beklagte hat nur deshalb die Anmerkung 3 zu Kapitel XVI nicht angewandt, weil er davon ausging, durch den Wortlaut der Position 8521 sei anderes bestimmt. Diese erfasst nämlich nach dem deutschen Wortlaut die Bild- und Tonwiedergabe, während die Position 8519 sich im hier interessierenden Zusammenhang nur auf die Tonwiedergabe beschränkt.

    Ein Anhaltspunkt für die Entscheidung dieser Frage lässt sich auch nicht der Begründung der Einreihung der im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1056/2006 der Kommission vom 12.07.2006 zur Einreihung bestimmter Waren in die KN (ABl. EU Nr. L192, 6) unter 1. beschriebenen Ware entnehmen. In dieser Verordnung fand nämlich gerade keine Abgrenzung zwischen den Positionen 8521 und 8519 statt. Im Gegenteil wies das dort beurteilte Gerät einen ebenfalls sehr kleinen Bildschirm mit einer Diagonale von 6,35 cm (2,5”) aus, ohne dass dieser Umstand der Einreihung in die Position 8521 entgegengestanden hätte.

    Eine Einreihung in die Position 8519 wäre auch dann vertretbar, wenn der Begriff Videogeräte (hier zur Wiedergabe) in der Position 8521 abweichend vom deutschen Wortlaut dahingehend auszulegen wäre, dass er nur die Wiedergabe bewegter Bilder in wenigstens üblicher Qualität voraussetzt. Diesen Standpunkt hat die Generalanwältin in ihrem Schlussantrag vom 20.01.2005, C-467/03 Rz. 46 vertreten, ohne dass es darauf im Urteil des EuGH vom 17.03.2005, C-467/03 angekommen wäre.

    Insoweit ist zu entscheiden, wie der Begriff „Video reproducing apparatus” in der englischen, „Appareils de reproduction vidéophoniques” in der französischen Sprachfassung, die für die Auslegung der Positionen des HS allein maßgebend sind (s. EuGH-Urteil v. 09.12.1997 C-143/96, Rz. 15, Slg. 1997, I-7039), zu verstehen ist, insbesondere ob er nur bewegte Bilder bestimmter Qualität voraussetzt.

    Aus diesen Gründen erscheint die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV (ex Art. 234 EG) angebracht, um eine einheitliche Rechtsanwendung in der Gemeinschaft sicherzustellen.

    Ohne Berücksichtigung des o.a. Urteils der Rechtbank Haarlem vom 13.11.2007 sieht das vorlegende Gericht bei der derzeitigen Sachlage aufgrund der eingehenden Inaugenscheinnahme der MP3/Media-Player keinen Anlass, der Klage stattzugeben.