02.11.2010
Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 18.02.2009 – III 1027/05
1. In der Nichtbuchung des Weihnachtsgeldes als Aufwand bei der Gesellschaft ist der Verzicht des Gesellschafter-Geschäftsführers auf die Sonderzahlung durch konkludentes Handeln zu sehen. Die dafür aufgeführte Begründung, dass die Liquidität Gesellschaft bis zum jeweiligen nächsten Frühjahr habe erhalten werden müssen und sollen, leuchtet ein.
2. Die Rechtsprechung zur vGA bei beherrschenden Gesellschaftern, die eine von vornherein klar und eindeutig getroffene Vereinbarung verlangt, kann auf die Streitfrage des Zuflusses bzw. Nichtzuflusses von Arbeitslohn und seiner Lohnversteuerung nicht ohne weiteres übertragen werden. Die Rechtsprechung zur Zuflussfiktion bei vGA beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer ist auf die Beurteilung eines lohnsteuerlichen Zuflusses nicht übertragbar, wenn wie vorliegend unstreitig ein Gehaltsaufwand in den Büchern der Klägerin nicht erfasst wurde.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts … aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 18. Februar 2009 für Recht erkannt:
1. Der Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für die Jahre 1998 bis 2002 vom 25.02.2003 in der Fassung des Bescheides vom 20.03.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.11.2005 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Haftung für Lohnsteuer etc. in Höhe von nunmehr noch 17.506,31 Euro, insbesondere die Nachversteuerung von vertraglich zu zahlendem Weihnachtsgeld, auf welches der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin verzichtete.
Die Klägerin ist eine GmbH, sie produziert und vermarktet Kompost und Erde und beschäftigt sich mit Landschafts-, Garten- und Erdbau einschließlich Transportleistungen. Am Kapital in Höhe von 50.000 DM sind die Eheleute X mit je 50 % beteiligt. Gesellschafterbeschlüsse bedürfen der einfachen Mehrheit, wobei die Abstimmung nach Geschäftsanteilen erfolgt und je 1.000 DM einer Stimme entsprechen. § 5 des Gesellschaftsvertrages regelt die Zustimmung der Gesellschafterversammlung bei verschiedenen Rechtsgeschäften, die u. a. das Geschäftsgrundstück und die Kreditierung betreffen.
Mit Anstellungsvertrag vom 30.11.1995 (§ 1) wurde der Gesellschafter X zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Er war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Ihm war nach § 4 des Anstellungsvertrages ein monatliches Gehalt von 6.000 DM zu zahlen. Zusätzlich im November eines jeden Jahres wurde ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehaltes zugesichert. Am 25.07.1996, 31.12.1997, 01.06.2000 und 31.12.2000 erfolgten das Gehalt betreffende Ergänzungen zum Anstellungsvertrag. Die Ergänzungen zum Anstellungsvertrag in den Jahren 1998 bis 2000 regelten ausdrücklich sowohl die Erhöhungen des Gehalts als auch die anteiligen Auswirkungen bei der Zahlung des Weihnachtsgeldes. Die Gehaltshöhe wurde zunächst auf 7.000 DM, danach auf 10.000 DM, danach auf 14.500 DM und zuletzt auf 14.599 DM geändert, wobei sich das Weihnachtsgeld im Jahr 1998 anteilig aus 6.000 DM (7/12) und 7.000 DM (5/12) und im Jahr 2000 anteilig aus 10.000 DM (5/12) und 14.500 DM (7/12) ermitteln sollte. Mit Änderungsvertrag vom 20.12.1996 erhielt der Gesellschafter-Geschäftsführer X die Zusicherung einer Tantieme in Höhe von 50 % des Gewinns vor Steuern vom Ertrag und vom Vermögen. Zudem stehen beiden Gesellschaftern betriebliche Fahrzeuge zur Verfügung. In den Jahren 1998 bis 2001 verzichtete der Gesellschafter-Geschäftsführer X auf sein Weihnachtsgeld in Höhe von 9.500 DM (1998) bzw. 10.000 DM (1999) bzw. 12.625 DM (2000) bzw. 14.599 DM (2001), also auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 46.724 DM (= 23.889,60 Euro).
Für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.10.2002 führte das Finanzamt eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. Die Prüfungsfeststellungen betrafen u. a. auch den bestehenden Anspruch des Herrn X auf Zahlung des jährlichen Weihnachtsgeldes an den GesellschafterGeschäftsführer, dessen Zahlung in den Jahren 1998 bis 2001 nicht erfolgt war. Entsprechende Nachträge zum Geschäftsführer-Anstellungsvertrag bezüglich des Lohnverzichts wurden nicht vorgenommen. Zahlungsschwierigkeiten bei der GmbH lagen nicht vor. Durch die Lohnsteuer-Außenprüfung erfolgte gem. § 39 b Einkommensteuergesetz (EStG) die Nachversteuerung dieser Löhne, weil kein Nachtrag zum Anstellungsvertrag vorgelegt worden sei. Die Nachversteuerung erfolgte nach der Bruttoeinzelberechnung, da die Arbeitnehmer die nacherhobene Lohnsteuer an die Klägerin zurückzahlen sollten.
Der Beklagte nahm die Klägerin mit Haftungsbescheid gem. § 42 d EStG vom 25.02.2003 für die nachzufordernde Lohn- und Kirchensteuer einschließlich des Solidaritätszuschlags der Jahre 1998 bis 2002 in Anspruch.
Im Rahmen ihres hiergegen gerichteten Einspruchs begehrte sie, von der Besteuerung des Weihnachtsgeldes abzusehen, weil das Weihnachtsgeld nicht i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG dem Gesellschafter-Geschäftsführer zugeflossen sei und schon deshalb eine Nachversteuerung ausscheide. Nach § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG entstehe die Lohnsteuer erst, wenn der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließe. Ausweislich der Nichtbuchung der entsprechenden Beträge als Bildung eines Passivpostens in der Bilanz sei für die strittigen Zeiträume ein Erlass des geschuldeten Weihnachtsgeldes anzunehmen, der dem Gesellschafter-Geschäftsführer nicht als Einnahme angerechnet werden könne. Das vom Finanzamt zitierte Urteil des BFH vom 30.04.1974 betreffe einen anderen Sachverhalt.
Am 20.03.2003 erging im Rahmen des Einspruchsverfahrens aus anderen Gründen ein geänderter Haftungsbescheid. Im Hinblick auf die Nachversteuerung des Weihnachtsgeldes wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Im Rahmen des Klageverfahrens macht die Klägerin geltend:
Da der Gesellschaftergeschäftsführer der Klägerin auf die Auszahlung der betreffenden Weihnachtsgeldbeträge verzichtet habe, seien diese Beträge nicht entsprechend § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen und dürften nach § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG folgerichtig auch nicht der Lohnbesteuerung unterworfen werden. Von einem Zufluss der Beträge beim Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin könne keinesfalls ausgegangen werden, zumal die fraglichen Beträge auch nicht über ein Verrechnungskonto des Gesellschafters gutgeschrieben bzw. als Passivposten in den Bilanzen der fraglichen Jahre bei der Gesellschaft Berücksichtigung gefunden hätten. Insoweit sei für die strittigen Zeiträume ein Erlass der Schuld aus den Weihnachtsgeldbeträgen anzunehmen. Dieser Erlass wiederum könne dem Gesellschafter nicht als Einnahme zugerechnet werden, indem ein Zufluss und eine anschließende Rückzahlung fingiert werde. Nach herrschender Meinung erfülle der Eintritt der Fälligkeit eines Anspruchs allein nicht das Merkmal des Zufließens im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG. Insoweit könne hier auch keine Lohnsteuer entstehen. Zwar stelle der Beklagte zutreffend fest, dass aufgrund der Rechtssprechung Besonderheiten hinsichtlich des Zuflusses von Einnahmen für den Allein- bzw. beherrschenden Gesellschafter einer GmbH gälten und dass solchen Gesellschaftern im Ausnahmefall Beträge bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit zuflössen, da der beherrschende Gesellschafter es in der Hand habe, sich die fälligen Beträge auszahlen zu lassen (vgl. BFH vom 14.06.1985 VI R 127/81). Die vom Beklagten angeführten weiteren Senatsurteile vom 17.12.1997 (I R 70/97) vom 27.03.2001 (I R 27/99) und 05.10.2004 (VIII R 9/03) befassten sich jedoch gerade nicht mit der Frage des Zuflusszeitpunktes und dem damit einhergehenden Zeitpunkt des Eintretens der Lohnsteuerpflicht bei Gehaltsverzicht, sondern seien zu verschiedenen anderen Sachverhalten im Zusammenhang mit dem Zufluss verdeckter Gewinnausschüttungen ergangen. Die Klägerin verweist auf das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 27.08.1992 (II 94/91). Danach liege ein Zufluss von Gehalt liegt nicht vor, wenn – wie im Streitfall – von vornherein wirksam auf Gehalt verzichtet werde.
Da sich die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht nach den tatsächlichen Verhältnissen richte, könne das Zufließen im Sinne des § 11 EStG nicht fingiert werden. Der Gesellschafter-Geschäftsführer habe dauerhaft auf die Auszahlung des Weihnachtsgeldes als Sonderzahlung verzichten wollen. Inwieweit hier wirtschaftliche Erwägungen wie beispielsweise geplante größere Investitionen eine Rolle gespielt haben mögen erscheine nicht weiter relevant. Entscheidend sei vielmehr, dass kein wie auch immer gearteter „Abfluss” der finanziellen Mittel bei der Gesellschaft zu verzeichnen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für die Jahre 1998 bis 2002 vom 25.02.2003 in der Fassung des Bescheides vom 20.03.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.11.2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend: Die Nachversteuerung sei zu Recht erfolgt.
Das vertraglich zugesicherte Weihnachtsgeld gelte an den Gesellschafter-Geschäftsführer im Zeitpunkt der Fälligkeit als gezahlt. Ein beherrschender Gesellschafter habe es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen. Beträge schulde die Gesellschaft immer dann, wenn die Zahlung vertraglich zugesichert worden sei. Deshalb müssten Abweichungen vom Vereinbarten bereits eindeutig und klar im Voraus getroffen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteile vom 17. Dezember 1997 I R 70/97, BFHE 185, 224, BStBl II 1998, 545; vom 27. März 2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111, jeweils m. w. N.; vom 05.10.2004, VIII-R 9/03; BFH/NV 2005, 526 m. w. N.). Dies gelte auch bei Nichtzahlung von vereinbarten Gehaltsansprüchen einschließlich Weihnachtsgelds. Einem beherrschenden Gesellschafter einer GmbH flössen Beträge, die ihm die GmbH schulde, bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit zu (vgl. BFH v. 14.07.1985 VI R 127/81, BFHE 144,409; BStBl II 1986, 62), sofern die Gesellschaft – wie hier unstreitig – nicht illiquide sei. Im Zeitpunkt der üblichen Zahlungstermine habe der Geschäftsführer die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die vereinbarten Beträge, weil nicht im Vorhinein ein wirksamer Verzicht ausgeübt worden sei.
Rechtsgrundlage zur Zahlung des Weihnachtsgeldes an den Gesellschafter-Geschäftsführer sei im Streitfall der Geschäftsführervertrag vom 30.11.1995, insbesondere dessen § 3 und die nachfolgenden Ergänzungen. Der Kläger sei Gesellschafter-Geschäftsführer und beherrschender Gesellschafter. Für seine Geschäftsführertätigkeit habe er Anspruch auf ein monatlich festgelegtes Gehalt und zusätzlich auf die Zahlung von Weihnachtsgeld. Die Klägerin habe keine Regelungen für den Fall der Nichtzahlung des Weihnachtsgeldes, so wie nach ständiger Rechtssprechung gefordert, eindeutig und klar im Voraus getroffen. Insofern sei dem Gesellschafter-Geschäftsführer die jährliche Einmalzahlung in Form von Weihnachtsgeld auch im Fälligkeitszeitpunkt zugeflossen, denn ein Zufluss erfolge in diesen Fällen nicht erst mit der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters. Diese Zuflussregelung gelte stets dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig sei und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richte (vgl. BFH-Urteil vom 05.10.2004, VIII R 9/03; BFH/NV 2005, 526). Die Gehaltsansprüche seien im November der Jahre 1998 bis 2001 auch fällig gewesen.
Zufluss von Arbeitslohn sei nur dann nicht anzunehmen, wenn auf das Weihnachtsgeld von vornherein rechtswirksam verzichtet worden sei. Im vorliegenden Fall sei jedoch weder der Grund noch der Wille zweifelsfrei zu erkennen, auf diese Leistung der Gesellschaft von vornherein zu verzichten, im Gegenteil, von der Möglichkeit den Verzicht auf das Weihnachtsgeld in den zahlreichen Änderungen zum Anstellungsvertrag zu dokumentieren, sei kein Gebrauch gemacht worden. In fünf Ergänzungen zum Anstellungsvertrag sei dieser Anspruch regelmäßig neu bekräftigt worden. An einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehle es hierzu.
Ein Zufluss von Arbeitslohn könne auch dann verneint werden, wenn aufgrund der Illiquidität der Firma auf die Auszahlung von Gehalt oder anderer Forderungen gegen die Gesellschaft verzichtet worden sei. Von einer angespannten Finanzlage der Firma könne jedoch nicht die Rede sein, zumal die Bezüge des Geschäftsführers kontinuierlich, wie aus den Änderungen zum Anstellungsvertrag ersichtlich, angehoben worden seien. Durch die regelmäßigen Gehaltszahlungen komme auch zum Ausdruck, dass der Dienstvertrag durchgeführt worden sei. Die Klägerin verkenne, dass sie einen schriftlichen Geschäftsführervertrag mit dem Gesellschafter abgeschlossen habe, von dem grundlos abgewichen worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Denn infolge des von vornherein wirksamen Gehaltsverzichts ist dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer das Weihnachtsgeld nicht zugeflossen.
Dem Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin ist in den Streitjahren das jeweils fragliche Weihnachtsgeld nicht zugeflossen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind; für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gilt § 38 a Abs. 1 Sätze 2 und 3 (§ 11 Abs. 1 Satz 3) EStG. Laufender Arbeitslohn gilt danach in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet. Die Lohnsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG).
1. Zugeflossen sind Einnahmen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480). Das ist bei Geldbeträgen der Fall, wenn sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten kann einen Zufluss bewirken, wenn darin zum Ausdruck kommt, dass der Berechtigte nunmehr über den Betrag verfügen könne. Besonderheiten hinsichtlich des Zuflusses von Einnahmen hat die Rechtsprechung für den Alleingesellschafter oder den beherrschenden Gesellschafter einer GmbH angenommen. Ihm fließen Beträge, die ihm die GmbH schuldet, bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit zu (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 1985 VI R 127/81, BFHE 144, 409, BStBl II 1986, 62). Der Gutschrift auf einem Verrechnungskonto bedarf es nicht. Der beherrschende Gesellschafter hat es kraft seiner Stellung in der GmbH in der Hand, sich fällige Beträge auszahlen zu lassen, vorausgesetzt die GmbH ist leistungsfähig.
Auch unter Berücksichtigung vorstehender, von der Rechtsprechung entwickelter Grundsätze kann im Streitfall der Zufluss von Weihnachtsgeldzahlungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin in den Streitjahren nicht festgestellt werden.
2. Insbesondere soweit der Beklagte einen wirksamen von vornherein erklärten Verzicht auf das Weihnachtsgeld bestreitet und dies u. a. damit begründet, dass die Beteiligten von der Möglichkeit, den Verzicht auf das Weihnachtsgeld in den zahlreichen Änderungen zum Anstellungsvertrag zu dokumentieren, keinen Gebrauch hätten, sondern vielmehr in fünf Ergänzungen zum Anstellungsvertrag den Anspruch auf die Weihnachtsgeldzahlungen sogar regelmäßig neu bekräftigt hätten, folgt das Gericht dem nicht.
Denn nach der glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussage des Gesellschaftergeschäftsführers X in der mündlichen Verhandlung hat er von vornherein auf sein Gehalt verzichtet, um die Liquidität für die Klägerin zu erhalten. Da diese ihren Hauptumsatz im Herbst eines Jahres mache und das erwirtschaftete Geld bis zum Frühjahr ausreichen müsse, habe er von vornherein und dauerhaft jedes Jahr auf das Weihnachtsgeld verzichtet. Zwar seien die Vertragsbestimmungen über die Entlohnung jeweils angepasst worden. Bei der vereinbarten Erhöhung des Gehalts als Bemessungsgrundlage sei rein automatisch das Weihnachtsgeld mitgeregelt worden, obwohl von vornherein allen Beteiligten klar gewesen sei, dass er aus den dargelegten Gründen dauerhaft kein Weihnachtsgeld erhalten sollte und würde. Es floss auch jeweils unstreitig kein Weihnachtsgeld.
3. Entgegen der Auffassung des Beklagten war der vornherein bestimmte Gehaltsverzicht auch wirksam; insbesondere ist die vom Beklagten zitierte BFH-Rechtsprechung zur Zuflussfiktion bei einer verdeckten Gewinnausschüttungen nicht auf die hier streitige Frage des Zuflusses bzw. Nichtzuflusses von Arbeitslohn und seiner Lohnversteuerung anwendbar.
a. Ein Gehaltsverzicht mit der Folge, dass insoweit Arbeitslohn dem Arbeitnehmer nicht zufließt (FG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 1990 8 V 67/90 A, EFG 1990, 631; Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 27. August 1992 II 94/91, rkr. EFG 1993, 223, Finanzgericht Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 1990 8 V 67/90 A, juris-Dokument, Finanzgericht Köln, Urteil vom 13. Februar 1992 5 K 4353/90, EFG 1993, 20; bestätigt durch BFH-Urteil vom 30. Juli 1993 VI R 87/92, BFHE 171, 566, BStBl II 1993, 884), liegt vor, wenn und soweit der vertragliche Anspruch rechtlich wirksam herabgesetzt wird, ohne dass dies mit einer Bedingung einer bestimmten Verwendung durch den Arbeitgeber verbunden ist (Hartz/Meeßen/Wolff, ABCFührer LSt „Gehaltsverzicht”). Der Verzicht auf die Zahlung des Weihnachtsgeldes ist, soweit es sich nicht um Tariflohn handelt, in der Form eines Erlassvertrages (§ 397 BGB) grundsätzlich zulässig. Die Klägerin hat mit ihrem GesellschafterGeschäftsführer einen außertariflichen Dienstvertrag für leitende Angestellte geschlossen. Der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Der Abschluss des Erlassvertrages ist formfrei und kann auch durch schlüssige Handlung zustande kommen. In der Nichtbuchung des Weihnachtsgeldes als Aufwand bei der Gesellschaft ist der Verzicht des Gesellschafter-Geschäftsführers auf die Sonderzahlung durch konkludentes Handeln zu sehen. Die dafür von der Klägerin gegebene Begründung, dass nämlich die Liquidität Gesellschaft bis zum jeweiligen nächsten Frühjahr habe erhalten werden müssen und sollen, ist einleuchtend.
b. Soweit der Beklagte in Anknüpfung an die Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) bei beherrschenden Gesellschaftern eine von vornherein klar und eindeutig getroffene Vereinbarung verlangt, kann dies auf die Streitfrage des Zuflusses bzw. Nichtzuflusses von Arbeitslohn und seiner Lohnversteuerung nicht ohne weiteres übertragen werden (BFH-Urteil vom 24. Januar 1990 I R 157/86, BFHE 159, 464, BStBl II 1990, 645; Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 27.August 1992 II 94/91, rkr. EFG 1993, 223). Denn die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung betrifft andere Sachverhalte, die mit dem Streitfall nicht vergleichbar sind. Denn in den von der dortigen Rechtsprechung entschiedenen Fällen fand eine Belastung beim Arbeitgeber (Gesellschaft) i. d. R. durch Verbuchung eines Aufwandes und Passivierung einer entsprechenden Verpflichtung statt, so dass durch die Zuflussfiktion die erfolgte Gewinnminderung beim Arbeitgeber wieder korrigiert wird. Diese vom Beklagten herangezogene Rechtsprechung zur Zuflussfiktion bei verdeckten Gewinnausschüttungen beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer ist aber auf die Beurteilung eines lohnsteuerlichen Zuflusses nicht übertragbar, wenn wie vorliegend unstreitig ein Gehaltsaufwand in den Büchern der Klägerin nicht erfasst wurde. In einem solchen Fall muss man nicht als Korrektiv den Zufluss (einer verdeckten Gewinnausschüttung) fingieren, um gebuchten Aufwand rückgängig zu machen.
c. Im Streitfall kommt vielmehr der tatsächlichen Handhabung der monatlich zu entrichtenden Gehaltsbezüge vorrangige Bedeutung zu. Dem Gesellschafter-Geschäftsführer sind in den Streitjahren die streitigen Weihnachtsgeldbeträge weder bar ausgezahlt noch auf ein für ihn bei einem Kreditinstitut bestehendes Konto überwiesen worden. Ein Gehaltsaufwand ist in den Büchern der Klägerin nicht erfasst worden, weder als Betriebsausgabe abgesetzt, noch auf ein Verrechnungskonto gutgeschrieben, noch ist eine Rückstellung gebildet worden. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer die nicht ausgezahlten Gehaltsbeträge der Klägerin als Darlehen zur Verfügung gestellt hat. Durch den Verzicht auf das Gehalt ist eine Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer nicht entstanden bzw. endgültig erloschen, es existieren keine Beträge mehr, „die ihm die GmbH schuldet” (vgl. BFH, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480), an denen der Gesellschafter-Geschäftsführer wirtschaftliche Verfügungsmacht hätte erlangen können. Am Zufluss fehlt es beim Forderungsuntergang durch die rechtsvernichtende Einwendung des Erlasses gem. § 397 BGB (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Komm. zur ESt und KSt, 19. Aufl., § 11 EStG Rdnr. 5). Da sich die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht nach den tatsächlichen Verhältnissen richtet, kann das Zufließen i. S. d. § 11 EStG nicht fingiert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO – (vgl. zur Anwendung des § 708 Nr. 10 zutreffend das Urteil des FG München vom 20. Januar 2005, 3 K 4519/01, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG 2005, 969). Für eine Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) sieht der Senat keinen Anlass.