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  • 02.11.2010

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 10.12.2009 – 6 K 4389/03

    - Die Mindestbemessungsgrundlagenregelung nach § 10 Abs. 5 UStG ist mit Gemeinschaftsrecht vereinbar.


    - Bei Pensionsleistungen, die ein Gewerkschaftsheim gegenüber ihren Gewerkschaftsmitgliedern unter dem marktüblichen Preis und unter den Selbstkosten erbringt, bemisst sich die Umsatzsteuer nach den Selbstkosten.


    - Mitglieder anderer Einzelgewerkschaften, die unter einem gemeinsamen Dachverband zusammengeschlossen sind, fallen nicht unter die in § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG genannten Personen und sind auch nicht als diesen nahestehende Personen anzusehen.


    - Restaurationsumsätze sind als Lieferungen anzusehen, auch wenn derartige Umsätze wegen des überwiegenden Anteils an sonstigen Leistungen (eindecken, reservieren, abräumen) tatsächlich sonstige Leistungen und keine Lieferungen darstellen. Bemessungsgrundlage für diese Umsätze ist gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Nr. 1 UStG der Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand.


    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA –) zu Recht von der Klägerin zu einem weitaus überwiegenden Teil gegenüber ihren Mitgliedern erbrachte Leistungen der Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterworfen hat.

    Die Klägerin ist ein in der Rechtsform eines nichtrechtsfähigen Vereins bestehender Berufsverband im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

    Ihr Zweck ist auf die Förderung der wirtschaftlichen, sozialen, beruflichen und kulturellen Interessen ihrer Mitglieder gerichtet. Dieser wird gemäß der Satzung unter anderem durch den Zusammenschluss aller in der A.industrie und sonstigen A.-betrieben Beschäftigten zum gemeinsamen Handeln, die gewerkschaftliche Bildungsarbeit für Funktionäre und Mitglieder sowie die Förderung und Durchführung von Erholungs- und Urlaubsmaßnahmen durch Unterhaltung von Ferien- und Erholungsheimen angestrebt.

    Im Streitjahr unterhielt die Klägerin in von der B. gepachteten Baulichkeiten zwei Ferien- und Erholungsheime ( Heime ).

    Die Heime standen ausschließlich Gewerkschaftsmitgliedern und deren Familienangehörigen sowie für Seminare zur Verfügung. Der im Streitjahr von den Nutzern zu entrichtende Halbpensionspreis wurde im Voraus vom Vorstand festgelegt. Er betrug für Mitglieder der Klägerin zwischen 49,50 DM und 69,-- DM pro Tag und Person und für Mitglieder anderer C.-Gewerkschaften zwischen 54,-- DM und 74,-- DM. Für Kinder bestanden ermäßigte Tarife, und arbeitslose Gewerkschaftsmitglieder erhielten 10 % Preisnachlass. Wegen der genauen Preise wird auf Bl. 142 der Gerichtsakte Bezug genommen. Die berechneten Pensionspreise (insgesamt 4.797.159,-- DM) lagen unstreitig sowohl unter den Selbstkosten (8.100.148,-- DM) als auch unter dem marktüblichen Preis (5.249.691,-- DM).

    Des Weiteren betrieb die Klägerin im Streitjahr vier Schulungsheime für Gewerkschaftsmitglieder. Der Verkauf von Getränken und sonstigen Kantinenwaren in den dortigen, von den Seminarteilnehmern besuchten Bierstuben, erfolgte ebenfalls zu nicht kostendeckenden Preisen. Die in den Bierstuben selbst erzielten Umsätze betrugen 815.270,-- DM, der Wareneinsatz betrug 432.353,-- DM (vgl. Bl. 144 ff. der Gerichtsakte).

    In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr vom 31.05.1996 erhöhte die Klägerin die tatsächlich erzielten Erlöse aus dem Betrieb der Heime in Höhe von 4.797.159,-- DM um die Differenz zum marktüblichen Preis in Höhe von 452.532,-- DM auf 5.249.691,-- DM. Die in den Schulungsheimen tatsächlich erzielten Erlöse von 4.544.197,-- DM erhöhte die Klägerin um die nicht gedeckten Kosten der Bierstuben in Höhe von 226.633,-- DM auf 4.770.830,-- DM. Die Erklärung endete mit einer festzusetzenden Umsatzsteuer in Höhe von 1.114.516,23 DM.

    Das FA folgte der Erklärung nur insoweit, als es die erklärten Umsätze aus den Schulungsheimen der Besteuerung zugrunde legte. Dagegen erhöhte es die erklärten Umsätze aus den Heimen um die Differenz zwischen dem von der Klägerin erklärten marktüblichen Entgelt und den nicht gedeckten Kosten in Höhe von 2.850.457,-- DM auf 8.100.148,-- DM und setzte die Umsatzsteuer 1994 mit Bescheid vom 16.05.1997 auf 1.575.268,-- DM fest.

    Im Laufe des sich anschließenden Einspruchsverfahrens, in dem die Klägerin zunächst weiterhin die erklärungsgemäße Veranlagung begehrt hatte, begehrte die Klägerin in der Folgezeit des Weiteren, bei Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage die nicht vorsteuerbelasteten Kosten außer Betracht zu lassen. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 17.10.2003 als unbegründet zurück. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Bl. 136 ff. des Rechtsbehelfsbandes Bezug genommen.

    Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

    Sie begehrt – entgegen ihrer ursprünglichen Umsatzsteuererklärung – nunmehr allein die für die in den Heimen und Bierstuben erbrachten Umsätze tatsächlich vereinbarten Entgelte der Besteuerung zu unterwerfen.

    Die Klägerin macht hierzu geltend, bei richtlinienkonformer Auslegung des § 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 Nr. 2 UStG komme eine Bemessung der zu besteuernden Umsätze anhand der Gesamtkosten nicht in Betracht. Vielmehr müssten die nicht vorsteuerbelasteten Kosten ausgeschieden werden, da die streitigen Leistungen einem Verwendungseigenverbrauch gleichzustellen seien, dessen Bemessungsgrundlage sich aber allein an den vorsteuerbelasteten Kosten orientiere. Denn im Vordergrund stünde bei den in den Heimen erbrachten Leistungen die Überlassung der Zimmer, die den Leistungen das Gepräge gäben. Dagegen würden die darüber hinausgehenden weiteren Leistungen als Nebenleistungen das Schicksal der Hauptleistung teilen.

    Auch in den Bierstuben habe die Lieferung der verkauften Getränke, Speisen und sonstige Waren an die Seminarteilnehmer im Vordergrund gestanden, dagegen seien die gegebenenfalls zusätzlich erbrachten sonstigen Leistungen völlig untergeordnet. Dass der EuGH zwischenzeitlich entschieden habe, dass Restaurationsleistungen keine Lieferungen, sondern sonstige Leistungen darstellen, stehe dem nicht entgegen. Denn sie, die Klägerin, berufe sich auf die im Streitjahr bestehende nationale Gesetzeslage, die derartige Umsätze als Lieferungen qualifiziert habe.

    Im Übrigen entfalle im Streitfall der weitaus größte Teil der Kosten auf Personalkosten, die die Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten. Da aber die Bemessungsgrundlage bei Ansatz der vorsteuerbelasteten Kosten sowohl für die in den Heimen als auch in den Bierstuben erbrachten Umsätze niedriger sei als die tatsächlich vereinbarten Entgelte, sei für eine über diese Beträge hinausgehende Umsatzbesteuerung kein Raum.

    Die Klägerin macht weiterhin geltend, selbst bei Berücksichtigung aller Kosten sei es nicht zulässig, die von ihr in ihrer Steuererklärung erklärten marktüblichen Entgelte weiter zu erhöhen. Der EuGH habe mit Urteil vom 29.05.1997 in der Rechtssache C 63/96 (BStBl II 1997, 841) entschieden, dass es bei Vereinbarung eines marktüblichen, die Kosten aber nicht deckenden Entgelts zwischen einander nahestehenden Personen nicht zulässig sei, die Bemessungsgrundlage über das vereinbarte Entgelt hinaus zu erhöhen. Nichts anderes aber könne gelten, wenn – wie im Streitfall – die Klägerin nicht ihre tatsächlich erzielten Umsätze erkläre, sondern diese selbst erhöhe und in marktüblicher Höhe erkläre.

    Nachdem im Verlaufe des Verfahrens der EuGH mit Urteil vom 20.01.2005 in der Rechtssache C-412/03 – Hotel Scandic Gäsabäck – (UR 2005, 1998) entschieden hatte, dass nach den Regelungen der 6. EG-Richtlinie der Ansatz einer Mindestbemessungsgrundlage nur bei unentgeltlichen Leistungen zulässig sei, nicht aber bei verbilligter Abgabe von Leistungen, führt die Klägerin weiter aus:

    Nachdem der EuGH entschieden habe, dass nach den in der 6. EG-Richtlinie enthaltenen Bestimmungen bei entgeltlich, auch verbilligt erbrachten Leistungen ausschließlich die vereinbarte Gegenleistung zu besteuern sei, verstoße die in § 10 Abs. 5 UStG enthaltene Regelung gegen Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchstabe a der 6. EG-Richtlinie.

    Nach Art. 27 der 6. EG-RL seien zwar abweichende Maßnahmen durch den betreffenden Mitgliedstaat zulässig. Die Bundesregierung habe auch im Jahre 1978 einen entsprechenden Antrag gestellt. Diese Ausnahmegenehmigung gelte mit Wirkung ab 13.08.1978 als erteilt. Allerdings sei der Ermächtigungsantrag vom 13.08.1978 weder im Amtsblatt der EU noch im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden. Es sei deshalb zumindest zweifelhaft, ob die fehlenden Veröffentlichungen der Wirksamkeit der Ausnahmegenehmigung nicht entgegenstünden.

    Die Klägerin vertritt darüber hinaus die Auffassung, selbst eine Wirksamkeit dieser Ausnahmegenehmigung rechtfertige im Streitfalle jedenfalls nicht den Ansatz einer Mindestbemessungsgrundlage.

    Nach Art. 27 Abs. 1 der 6. EG-RL seien abweichende Maßnahmen nur zulässig, „um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten”. Die Bundesrepublik Deutschland habe sich hinsichtlich der Mindestbemessungsgrundlage auf die Gefahr der Steuerhinterziehung oder -umgehung berufen. Dies habe zur Folge, dass bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung § 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 UStG nur soweit zur Anwendung kommen könne, als es erforderlich ist, Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten.

    Die von ihr gegenüber Gewerkschaftsmitgliedern unter dem marktüblichen Preis und unter den Selbstkosten erbrachten Leistungen stellten weder Steuerhinterziehungen noch Steuerumgehungen dar. Im Übrigen macht die Klägerin höchst hilfsweise geltend, dass es von der Ausnahmegenehmigung unter Berücksichtigung ihres Zwecks jedenfalls nicht gedeckt sei, einen über das marktübliche Entgelt hinausgehenden, anhand der entstandenen Kosten ermittelten Betrag der Besteuerung zugrunde zu legen.

    Im Übrigen stehe aber auch einer Erhöhung auf das marktübliche Entgelt entgegen, dass der EuGH in seinem Urteil vom 20.01.2005 in der Rechtssache C-412/03 -Hotel Scandic Gasabäck- (UR 2005, 1998), ohne danach zu differenzieren, ob eine Genehmigung nach Art. 27 der 6. EG-Richtlinie vorliegt, festgestellt habe, „dass die Art. 2, 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 Buchstabe b der 6. EG-Richtlinie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der Umsätze, für die eine tatsächliche Gegenleistung bezahlt wird, als Entnahme eines Gegenstandes oder Erbringung einer Dienstleistung für den privaten Bedarf gesehen werden, auch wenn diese Gegenleistung unter dem Selbstkostenpreis für den gelieferten Gegenstand oder die erbrachte Dienstleistung liegt.”

    Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf den Inhalt der von ihren Prozessbevollmächtigten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen vom 22.01.2004 (Bl. 15 ff. der Gerichtsakte), vom 28.05.2004 (Bl. 47 ff. der Gerichtsakte), vom 12.10.2004 (Bl. 72 ff. der Gerichtsakte), vom 30.09.2005 (Bl. 88 ff. der Gerichtsakte), vom 09.06.2006 (Bl. 102 ff. der Gerichtsakte), vom 05.07.2007 (Bl. 137 ff. der Gerichtsakte) und vom 04.12.2009 (Bl. 199 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Umsatzsteuerbescheid 1994 vom 16.05.1997 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 17.10.2003 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 534.721,71 EUR (= 1.045.824,76 DM) herabgesetzt wird,

    hilfsweise, im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Des Weiteren regt die Klägerin hilfsweise an,

    das Verfahren zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 des EG-Vertrages auszusetzen.

    Wegen des Inhalts der von der Klägerin angeregten Vorlagefragen wird auf den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 22.04.2004 (Bl. 15 ff., 27 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es hält an seiner bereits im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung fest und führt weiter aus:

    Als Bemessungsgrundlage der in den Heimen erbrachten Pensionsleistungen seien zu Recht die bei der Ausführung der erbrachten Leistungen entstandenen Kosten berücksichtigt worden. Da die Klägerin mit der Unterbringung und Verpflegung ihrer Mitglieder sonstige Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erbracht habe, seien hierbei zur Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage sämtliche Kosten heranzuziehen und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten oder nicht. Einer Nichtberücksichtigung nicht vorsteuerbelasteter Kosten stehe bereits entgegen, dass eine solche nur bei Verwendung und Entnahme eines Gegenstandes gelte, nicht aber bei einem sog. Dienstleistungseigenverbrauch. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass im Streitfall kein Eigenverbrauch, sondern Leistungen gegen – wenn auch ein nicht kostendeckendes – Entgelt vorlägen.

    Soweit die Klägerin meine, als „Obergrenze” kämen allenfalls die marktüblichen Entgelte in Betracht, verkenne sie, dass der EuGH mit Urteil vom 29.05.1997 in der Rechtssache C 63/96 (BStBl II 1997, 841) lediglich entschieden habe, dass es bei Vereinbarung eines marktüblichen, die Kosten aber nicht deckenden Entgelts zwischen einander nahestehenden Personen nicht zulässig sei, die Bemessungsgrundlage über das vereinbarte Entgelt hinaus zu erhöhen. Dies könne aber nicht gelten, wenn tatsächlich ein niedrigeres Entgelt vereinbart worden sei, und zwar auch dann nicht, wenn der Steuerpflichtige dieses Entgelt in seiner Steuererklärung auf das marktübliche Entgelt erhöhe.

    Soweit die Klägerin geltend macht, die in § 10 Abs. 5 UStG enthaltene Regelung stehe nicht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht, hält das FA dies für unzutreffend.

    Die in den Bierstuben erbrachten Umsätze habe das FA selbst in der Einspruchsentscheidung – entsprechend den damaligen nationalen Regelungen – als Lieferungen qualifiziert, die nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 UStG mit den Einkaufspreisen zuzüglich der Nebenkosten bzw. der Selbstkosten zu bewerten seien. Auch wenn man diese Leistungen als sonstige Leistungen ansehe, scheide wegen des überwiegenden Dienstleistungselements eine Nichtberücksichtigung nicht vorsteuerbelasteter Kosten aus. Im Übrigen widerspreche es den Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn die Klägerin sich zur Nichtberücksichtigung nicht vorsteuerbelasteter Kosten auf das für sie günstigere Gemeinschaftsrecht berufe, aber nicht berücksichtige, dass ein sog. Leistungseigenverbrauch eine Ausscheidung nicht vorsteuerbelasteter Kosten nicht vorsehe.

    Wegen des weiteren Vorbringens des FA wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze vom 16.03.2004 (Bl. 33 ff. der Gerichtsakte), vom 28.07.2004 (Bl. 67 ff. der Gerichtsakte) und vom 14.11.2005 (Bl. 96 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

    Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten folgende tatsächliche Verständigung geschlossen:

    „Um weiteren erheblichen Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten zu vermeiden, einigen sich die Beteiligten darauf, dass 96,39 % der in den Heimen erzielten Umsätze Leistungen an Mitglieder der Klägerin und 3,61 % Leistungen an Mitglieder anderer C.-Gewerkschaften zugrunde liegen und die jeweils darauf entfallenden Kosten in gleicher Höhe den Umsätzen zuzuordnen sind.”

    Gründe

    Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

    Sie ist begründet, soweit das FA – den Angaben der Klägerin in ihrer Steuererklärung folgend – die in den Bierstuben erbrachten Umsätze nicht anhand der tatsächlich vereinbarten Entgelte, sondern anhand der Kosten berücksichtigt hat und weiterhin insoweit, als es auch den in den Heimen gegenüber Mitgliedern anderer C.-Gewerkschaften erbrachten Leistungen die Mindestbemessungsgrundlage zugrunde gelegt hat. Nur insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

    1. Umsätze in den Bierstuben

    Die in den Bierstuben erbrachten Umsätze bemessen sich ausschließlich nach den tatsächlich vereinbarten Entgelten gemäß § 10 Abs. 1 UStG. Für eine Anwendung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG ist im Streitfall dagegen kein Raum, da die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG die tatsächlichen Entgelte nach Abs. 1 nicht übersteigt.

    a) Nach der im Streitjahr geltenden Fassung des UStG waren Restaurationsumsätze in § 12 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 2 u. 3 als Lieferungen definiert.

    Auch wenn derartige Umsätze wegen des überwiegenden Anteils an sonstigen Leistungen (Eindecken, Servieren, Abräumen, etc.) tatsächlich sonstige Leistungen und keine Lieferungen darstellen, und der BFH bereits in der Vergangenheit mehrfach auf den dominanten Dienstleistungscharakter hingewiesen hatte, behielt der Gesetzgeber die Anordnung der sog. Restaurationsumsätze als Lieferumsätze bis zur Änderung durch das Gesetz vom 23.06.1998 bei (Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, Anm. 3688 zu § 3). Erst für die folgenden Zeiträume wurde in § 3 Abs. 9 die Abgabe von Speisen und Getränken als sonstige Leistung definiert.

    Die Klägerin kann sich deshalb im Streitfall auf die im Streitjahr geltende Legaldefinition einschließlich ihrer rechtlichen Folgen berufen.

    Auch das FA hat in seiner Einspruchsentscheidung die Restaurationsumsätze als Lieferungen angesehen, jedoch hat es zu Unrecht als Bemessungsgrundlage die Selbstkosten angesetzt.

    b) Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 wird der Umsatz in derartigen Fällen grundsätzlich nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand bemessen. Nur für den Fall, dass es an einem Einkaufspreis mangelt, wird der Umsatz nach den Selbstkosten bemessen.

    Da die im Streitfall gelieferten Getränke und sonstigen Kantinenwaren aber nicht von der Klägerin selbst hergestellt, sondern sie diese selbst von Dritten bezogen hatte, war der Umsatz nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten zu bemessen. Da die Klägerin für die gelieferten Getränke und sonstigen Kantinenwaren aber nur 432.353,-- DM aufgewendet hat, sie aber damit Umsätze in Höhe von 815.270,-- DM erzielt hat, überstieg der Einkaufspreis zuzüglich Nebenkosten nicht die tatsächlich erzielten Umsätze, sodass für eine vom Entgelt nach § 10 Abs. 1 UStG abweichende Bemessung des Umsatzes kein Raum war.

    Da sich diese Rechtsfolgen allein aus dem nationalen UStG ergeben, kommt dem Einwand des FA, eine nur teilweise Berufung der Klägerin auf ihr günstiges Gemeinschaftsrecht verstoße gegen Treu und Glauben, keine Bedeutung zu.

    c) Da in dem angefochtenen Steuerbescheid der in den Bierstuben tatsächlich erzielte Umsatz aber um 226.633,-- DM (die nicht gedeckten Kosten) erhöht wurde, ist diese Erhöhung rückgängig zu machen und die Umsatzsteuer insoweit um 33.994,95 DM (= 17.381,34 EUR) zu reduzieren.

    2. An Mitglieder anderer C.-Gewerkschaften erbrachte Umsätze in den Heimen

    a) Eine Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG auf die gegenüber Mitgliedern anderer C.-Gewerkschaften erbrachten Umsätze in Höhe von 173.177,44 DM (3,61 % der in den Heimen erzielten Gesamtumsätze von 4.797.159,-- DM) scheidet mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 5 UStG aus.

    aa) § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG findet nur Anwendung auf Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und rechtsfähige und nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehenden Personen ausführen.

    Die Mitglieder der übrigen C.-Gewerkschaften fallen nicht unter diese abschließende Aufzählung, da sie weder Mitglieder der Klägerin noch deren nahestehende Personen sind. Allein der Umstand, dass die Mitglieder der dem C. angehörenden Einzelgewerkschaften zugleich Mitglieder des „Dachverbandes” C. sind, kann nicht zur Folge haben, diese als Mitglieder der Klägerin oder diesen nahestehende Personen anzusehen.

    bb) Da das FA die insoweit erzielten Umsätze von 173.177,44 DM aber – wie die übrigen Umsätze auch – um die nicht gedeckten Kosten von 119.237,90 DM auf 292.415,34 DM (= 3,61 % der Gesamtkosten) erhöht hat, war diese Erhöhung rechtswidrig und deshalb rückgängig zu machen. Die Reduzierung der Umsätze um den Erhöhungsbetrag von 119.237,90 DM führt zu einer weiteren Herabsetzung der Umsatzsteuer um 17.885,68 DM (= 9.144,80 EUR).

    3. An Mitglieder der Klägerin erbrachte Umsätze in den Heimen

    Soweit das FA die Umsätze für die gegenüber Mitgliedern der Klägerin erbrachten Pensionsleistungen nach den bei Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten bemessen hat, ist dies zu Recht erfolgt und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

    a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG liegen insoweit unstreitig vor. Streitig ist insoweit nur, ob bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht vorsteuerbelastete Kosten auszuscheiden sind und ob § 10 Abs. 5 UStG mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

    b) Zunächst ist festzustellen, dass die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung eine einheitliche Leistung darstellt. Wie der BFH mit Urteil vom 15.01.2009 V R 9/06 (BFHE 224,166) entschieden hat, handelt es sich bei der Verpflegung von Hotelgästen um eine Nebenleistung zur Übernachtung.

    c) Des Weiteren erachtet der Senat als wesentliches – der einheitlichen Leistung das Gepräge gebende – Element der von der Klägerin gegenüber ihren Mitgliedern erbrachten Leistungen nicht die reine Überlassung der Räumlichkeiten, sondern vielmehr die mit dieser und der Gewährung von Verpflegungsleistungen in Zusammenhang stehenden sonstigen Dienstleistungen. Für die Mitglieder der Klägerin als Leistungsempfänger stand nach der Überzeugung des Senats nicht die reine Überlassung der Zimmer, sondern im Wesentlichen auch die von dem Personal der Klägerin erbrachten sonstigen Leistungen, wie Gewährung von Verpflegung einschließlich der damit und mit der Unterbringung zusammenhängenden Serviceleistungen, im Vordergrund. Denn gerade diese Leistungen stellten – anders als bei Anmietung einer Ferienwohnung – sicher, dass die Urlauber sich um nichts kümmern mussten und sorglos ihren Urlaub genießen konnten. Dies hat zur Folge, dass die Leistungen, wären sie unentgeltlich erbracht worden, keinen sog. Verwendungseigenverbrauch, sondern einen sog. Leistungseigenverbrauch darstellten.

    d) Während nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG der Umsatz für den Fall des einer Lieferung gleichgestellten Eigenverbrauchs (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a UStG) nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten bemessen wird, wird nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG der sonstigen Leistungen gleichgestellte Eigenverbrauch (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG) nach den bei Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten bemessen.

    e) Durch die Gewährung von Kost und Logis an ihre Mitglieder hat die Klägerin sonstige Leistungen an ihre Mitglieder erbracht, die bei Unentgeltlichkeit einen Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG darstellten. Deshalb sind nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG die bei Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten als Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.

    Eine Differenzierung danach, ob die Eingangsleistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt haben oder nicht, sah das nationale UStG nicht vor.

    f) Das Fehlen einer derartigen Differenzierung verstößt nach der Überzeugung des Senats auch nicht gegen das Gemeinschaftsrecht.

    aa) Allgemein wird das Entgelt für Lieferungen und sonstige Leistungen nach Art. 11 Abs. 1 der 6. EG-RL bestimmt, d. h. das tatsächlich vereinbarte Entgelt ist Bemessungsgrundlage. Nach Abs. 2 ist die Besteuerungsgrundlage bei einer Dienstleistung gleichgestellten Verwendungs- und Dienstleistungsentnahmen der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen (Kosten).

    bb) Nach Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-RL werden Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellt:

    a) die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den privaten Bedarf oder unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat,

    b) die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen für unternehmensfremde Zwecke (ohne Einschränkung).

    cc) Da das deutsche UStG die streitigen Leistungen – anders als Schweden im Fall Scandic – nicht als Eigenverbrauchstatbestände normiert hat, sondern als entgeltliche Leistungen, kommt bereits deshalb eine Berufung der Klägerin auf vorrangiges Gemeinschaftsrecht (hier käme nur der auf entgeltliche Leistungen nicht anwendbare Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie in Frage) nicht in Betracht.

    dd) Zwar hat der BFH mit Urteil vom 18.12.1996 XI R 12/96 (BStBl II 1997, 374) im Anschluss an das von der Klägerin zitierte Urteil des EuGH vom 25.05.1993 Rs. C-193/91 (BStBl II 1993, 812) entschieden, dass auch bei Anwendung des § 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 Nr. 2 UStG zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage solche Kosten auszuscheiden sind, bei denen kein Vorsteuerabzug möglich war.

    Jedoch stützt sich diese Entscheidung im Wesentlichen auf die vorangegangene o. g. EuGH-Entscheidung vom 25.05.1993, die aber einen Fall des sog. Verwendungseigenverbrauchs betraf. Nur für einen derartigen Eigenverbrauchstatbestand sieht aber die 6. EG-Richtlinie eine derartige Begrenzung vor.

    ee) Demgegenüber hat das FG München mit Entscheidung vom 10.01.2007 3 K 3940/04 (juris) zum sog. Leistungseigenverbrauch entschieden, dass zur Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage alle Kosten ohne Einschränkung heranzuziehen sind. Der BFH hat auf Nichtzulassungsbeschwerde die Revision zugelassen, die unter dem Aktenzeichen V R 12/09 beim BFH anhängig ist.

    Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Denn beim sog. Leistungseigenverbrauch, dessen Grundlage regelmäßig hohe Personalkosten sind, würde es sonst zu einem nicht zu rechtfertigenden unversteuerten privaten Endverbrauch kommen und die Klägerin würde wesentlich besser gestellt als die fremden Vergleichsbetriebe.

    ff) Im Übrigen besteht bei Leistungen gegen Entgelt – die Leistungen an die Mitglieder der Klägerin sind solche – kein Verbot, Kosten, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, bei Bemessung des Entgelts zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 31.07.2008 V R 74/05, BFH/NV 2009, 226).

    4. Vereinbarkeit von § 10 Abs. 5 UStG mit dem Gemeinschaftsrecht

    Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass § 10 Abs. 5 UStG mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

    Insoweit schließt sich der Senat zunächst vollumfänglich den Ausführungen des Niedersächsischen Finanzgerichts in seinem Urteil vom 19.02.2009 5 K 291/04 (EFG 2009, 1003 ff.) an, die insoweit wie folgt lauten:

    „a) Mindestbemessungsgrundlage grundsätzlich nur bei Unentgeltlichkeit

    Die Regelung im nationalen Umsatzsteuerrecht ist auch mit der 6. EG-Richtlinie vereinbar.

    Nach Art. 6 Abs. 2, Art. 11 A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie wird zwar im Grundsatz nur die unentgeltlichen Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für den Bedarf seines Personals den Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellt. Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist damit im Grundsatz der Betrag der Ausgaben der Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung. Erfolgt die Leistung entgeltlich, so sind Art. 6 Abs. 2, Art. 11 A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie nicht anwendbar. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass es für die Frage, ob eine Dienstleistung ” entgeltlich ” oder ” unentgeltlich ” erfolgt, allein darauf ankommt, ob der Leistende für die Dienstleistung eine Gegenleistung tatsächlich erhalten hat. Wurde eine Gegenleistung erbracht, ist diese nach der Auffassung des EuGH zwingend als Bemessungsgrundlage zu akzeptieren (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 20.01.2005 – Rs. C – 412/03, UR 2005, 98 – Hotel Scandic).

    b) Abweichung der Bundesrepublik Deutschland gem. Art. 27 der 6. EG-RL

    Nach Art. 27 der 6. EG-Richtlinie sind jedoch abweichende Maßnahmen durch den betreffenden Mitgliedstaat zulässig. Hinsichtlich der Regelung über die Mindestbemessungsgrundlage hat die Bundesrepublik Deutschland bereits im Jahr 1978 einen entsprechenden Antrag an die EU-Kommission gerichtet. Die Bundesregierung hat mit Schreiben vom 12.05.1978 die EU-Kommission gemäß Art. 27 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie über die beabsichtigte Einführung des § 10 Abs. 5 UStG 1980 unterrichtet. Sie begründete ihre Maßnahme seinerzeit damit, dass eine ungerechtfertigte Minderung der Bemessungsgrundlage zur Verhütung von Steuerhinterziehungen oder Steuerumgehungen erforderlich sei. Dies gelte grundsätzlich auch dann, wenn das Entgelt unangemessen niedrig sei, d. h. nicht dem Wert der gelieferten Gegenstände entspreche (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 13.12.1995 – XI R 8/86, UR 1996, 155). Die EU-Kommission hat daraufhin im Juni 1978 das Verfahren nach Art. 27 Abs. 1 – 4 der 6. EG-Richtlinie in Gang gesetzt. Innerhalb einer Frist von zwei Monaten beantragte weder die Kommission noch ein Mitgliedstaat, die Angelegenheit im Rat der EU zu erörtern, so dass am 13.08.1978 – mit Ablauf der Frist – die Ausnahmegenehmigung als erteilt galt (vgl. BFH-Beschluss vom 13.12.1995 – XI R 8/86, UR 1996, 155).

    Soweit die Klägerin vorbringt, die Regelung über die Mindestbemessungsgrundlage in § 10 Abs. 5 UStG 1980 sei nicht wirksam, weil der Ermächtigungsantrag vom 13.08.1978 weder im Amtsblatt der EU noch im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden sei, folgt der erkennende Senat dem nicht. Dafür spricht zum einen, dass Art. 27 der 6. EG-Richtlinie selbst keine Veröffentlichungspflicht enthält. Dem steht nicht entgegen, dass in der Praxis zumindest seit 1984 Ratsbeschlüsse als „nicht veröffentlichungsbedürftige Rechtsakte” im Amtsblatt der EU Nr. L veröffentlicht werden (vgl. dazu Möhlenkamp/Maunz, UR 2006, Seite 1 ff. 3 m.w.N.). Entscheidend ist nach Auffassung des Senats, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit durch die fehlende Veröffentlichung nicht beeinträchtigt ist. Die den Steuerpflichtigen belastende Regelung in § 10 Abs. 5 UStG 1980 ist klar und deutlich, so dass die Rechte und Pflichten deutlich erkennbar sind. Der Steuerpflichtige kann demgemäß Vorkehrungen treffen und hat ausreichende Rechtssicherheit. Die gerichtliche Kontrolle ist nicht vermindert. Im Übrigen kann sich der Steuerpflichtige unmittelbar auf die einschlägige Bestimmung des Gemeinschaftsrechts berufen (so auch Generalanwalt Fennelly, Schlussantrag im Verfahren des EuGH vom 27.02.1997 – Rs. C – 63/96, EuGHE 1997, I 2847 – Rz. 34, 35 – Skripalle). Im Übrigen hat auch der EuGH zwischenzeitlich entschieden, dass die mangelnde Veröffentlichung eines Beschlusses der EU-Kommission nicht zur Gemeinschaftswidrigkeit führe. Entscheidend sei, dass dem Art. 27 der 6. EG-Richtlinie eine derartige Veröffentlichungspflicht nicht zu entnehmen sei (vgl. EuGH-Urteil vom 29.04.2004 - C – 17/01, BStBl II 2004, 806, 808, Rz. 25). Die fehlende Veröffentlichung steht demnach der Wirksamkeit der Ausnahmeregelung in § 10 Abs. 5 UStG 1980 nicht entgegen.”

    c) § 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 UStG ist auch insoweit von der gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage des Art. 27 der 6. EG-RL gedeckt, als er zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage auf die Kosten abstellt. Zwar hat der EuGH mit Urteil vom 29.05.1997 in der Rechtssache C-63/96 (BStBl II 1997, 841) entschieden, dass es bei Vereinbarung eines marktüblichen, die Kosten aber nicht deckenden Entgelts zwischen einander nahestehenden Personen nicht zulässig sei, die Bemessungsgrundlage über das vereinbarte Entgelt hinaus zu erhöhen. Hieraus vermag der Senat jedoch nicht zu folgern, dass dies auch dann gelte, wenn das vereinbarte Entgelt unter dem marktüblichen Entgelt liegt, das marktübliche Entgelt also eine Obergrenze darstelle. Anders als bei Vereinbarung eines marktüblichen, wenn auch – wegen fehlender Durchsetzbarkeit am Markt – nicht kostendeckenden Entgelts, beruht die Vereinbarung eines niedrigeren Entgelts zwischen einander nahestehenden Personen gerade auf dem Näheverhältnis und führt zu einer Umgehung des Grundsatzes, dass kein unversteuerter privater Endverbrauch erfolgen soll. Da auch unentgeltliche Wertabgaben mit den Kosten bemessen werden und es auch insoweit keine Begrenzung auf den marktüblichen Preis gibt, würde eine Begrenzung im Falle des § 10 Abs. 5 UStG auf das marktübliche Entgelt zu einer nach Ansicht des Senats nicht zu rechtfertigenden Differenzierung zwischen unentgeltlichen Wertabgaben und gegenüber nahestehenden Personen erbrachten verbilligten Leistungen führen. Insbesondere würde andernfalls die Möglichkeit eröffnet, durch Vereinbarung eines geringen Entgelts die Bemessung des Umsatzes anhand der tatsächlich bei Ausführung des Umsatzes entstandenen Kosten zu vermeiden.

    Nichts anderes kann aber dann gelten, wenn ein Unternehmer – wie im Streitfall die Klägerin – nicht ihre tatsächlichen, unter dem marktüblichen Entgelt liegenden Umsätze gegenüber dem Finanzamt erklärt, sondern diese selbst erhöht und in marktüblicher Höhe erklärt. Denn die Klägerin hat kein „Wahlrecht”, ob sie das vereinbarte Entgelt oder einen höheren Betrag in ihrer Steuererklärung erklärt.

    Dem steht nach der Überzeugung des Senats nicht entgegen, dass § 10 Abs. 5 UStG eine gemeinschaftsrechtlich zulässige Sondermaßnahme ist, die nur angewandt werden darf, soweit es zur Verhütung von Steuerhinterziehungen und Steuerumgehungen unbedingt erforderlich ist (BFH-Urteil vom 24.01.2008 V R 39/06, BFHE 221, 388 m. w. N.). Denn eine Begrenzung auf das marktübliche Entgelt trotz Vereinbarung eines niedrigeren Entgelts würde überhaupt nicht dem Umstand Rechnung tragen, dass die mit erheblichen Verlusten verbundene Erbringung der streitigen Leistungen an die Mitglieder der Klägerin gerade und ausschließlich mit dem Zweck erfolgte, diesen eine kostengünstige Urlaubsmöglichkeit zu verschaffen. Insoweit sieht der Senat in der vorliegenden Gestaltung eine Steuerumgehung, denn die vorliegende Gestaltung des Entgelts führt zu einer ungerechtfertigten Minderung der Bemessungsgrundlage und zu einem nicht gerechtfertigten, zumindest teilweise unversteuerten privaten Endverbrauch.

    Dieser Beurteilung steht nach der Überzeugung des Senats auch das von der Klägerin angeführte Neutralitätsgebot nicht entgegen. Denn die Klägerin kann als Berufsverband, der die Pensionsleistungen nur an ihre Mitglieder und Mitglieder anderer C.-Gewerkschaften erbringt, nicht mit auf Gewinnerzielung gerichteten gewerblichen Beherbergungsunternehmen verglichen werden.

    5. Nebenentscheidungen

    a) Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens zu teilen.

    b) Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 u. 3 FGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.

    c) Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren erging gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

    d) Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 FGO zugelassen.

    VorschriftenUStG § 10 Abs. 5, UStG § 10 Abs. 4