02.11.2010
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 24.09.2009 – 3 K 3034/07
1. Ein erweitertes deutsches Besteuerungsrecht nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz aufgrund des Wohnsitzwechsels eines Grenzgängers in die Schweiz besteht nach Art. 4 Abs. 4 S. 4 DBA-Schweiz auch dann nicht, wenn nicht die erstmalige Arbeitsaufnahme in die Schweiz, sondern eine bereits längere Zeit ausgeübte nichtselbständige Tätigkeit für einen Schweizer Arbeitgeber das allein entscheidende Motiv für die Wohnsitzverlegung ist (im Streitfall: beruflicher Aufstieg und damit mehr Präsens im Unternehmen).
2. Dies gilt auch dann, wenn das Schweizer Arbeitsverhältnis aufgrund der (für den Kläger nicht absehbaren) Insolvenz des Schweizer Arbeitgebers kurz nach der Wohnsitzverlegung endet und eine neue Tätigkeit in der BRD aufgenommen wird.
3. Die Schweizer Feuerwehrersatzabgabe ist keine auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnende Steuer nach DBA-Schweiz.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2009 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter … ehrenamtlichen Richter … ehrenamtliche Richterin …
für Recht erkannt:
1. Der Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 26. Februar 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2007 werden ersatzlos aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anwendung der sog. Abwanderregelung gemäß Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen (DBA-Schweiz) und insbesondere die Auslegung der in Satz 4 dieser Vorschrift vorgesehenen Ausnahme.
Der am … 1967 geborene Kläger ist von Beruf Diplom-Physiker und war als Entwicklungsingenieur im Bereich Medizintechnik tätig. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), hat ihn im Jahr 2005 (Streitjahr) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Nach seinem Studium in X/Deutschland war er seit Mitte 1998 bei der U U AG in Y in der Schweiz angestellt und wurde in dieser Zeit beim FA R als Grenzgänger geführt. Bis Ende Januar 2004 wohnte er wieder im Haus seiner Eltern in Z/Deutschland, … straße, wo ihm ein ca. 25 qm großes Zimmer zur Verfügung stand. Am … 2004 erwarb der Kläger in der Schweiz eine 2-Zimmer-Wohnung in der … gasse in P/Schweiz. Zum 31. Januar 2004 meldete er sich dorthin ab. Seinen deutschen Wohnsitz gab der Kläger auf. Sein Arbeitsweg verringerte sich auf diese Weise von ca. 35 km Autofahrt (einfache Fahrzeit: eine Stunde oder mehr) auf einen Fußweg von nur noch ca. 0,5 km.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der U AG endete Ende November 2004 aufgrund einer Kündigung der Arbeitgeberin vom 11. August 2004 (Gerichtsakte Blatt 85). Der Kläger wurde gemäß einem zweiten Schreiben vom selben Tag (Freistellungsbestätigung, Gerichtsakte Blatt 86 f.) „per sofort absolut von der Arbeit freigestellt”.
Im Dezember 2004 nahm der Kläger bei der L GmbH in T/Deutschland eine neue Beschäftigung auf, aus welcher er im Streitjahr Bruttoeinnahmen von 49.500 EUR erzielte. Der Lohnsteuerabzug belief sich auf 2.227,50 EUR, in der Lohnsteuerbescheinigung wurde ausdrücklich auf die Abzugsteuer von 4,5% gemäß Art. 15a DBA-Schweiz hingewiesen. Die an sich bis zum 31. Dezember 2005 befristete Anstellung in T/Deutschland endete gemäß Aufhebungsvereinbarung vom 14. November 2005 vorzeitig am 30. November 2005. Bis dahin pendelte der Kläger regelmäßig arbeitstäglich von seinem Wohnsitz in P/Schweiz zu seiner Arbeitsstelle in T/Deutschland und wieder zurück.
Im Dezember 2005 war der Kläger arbeitslos, seit Januar 2006 ist er wieder bei Unternehmen in der Schweiz beschäftigt, und zwar zunächst bei der W AG in R und seit dem 1. Dezember 2006 bei der D AG in G.
Hinsichtlich der Sachverhaltsschilderung des Klägers in seiner beim FA R eingereichten Einkommensteuererklärung wird auf Blatt 79 ff. der Gerichtsakte verwiesen. Der Kläger führte darin u.a. aus, dass sein früherer Arbeitgeber nach seinem Umzug in die Schweiz vom 1. Februar 2004 insolvent geworden sei und er sich deshalb vollkommen unplanmäßig nach einer neuen Arbeitsstelle habe umsehen müssen. Wegen der weiteren Sachverhaltsangaben des Klägers zur Motivation der Wohnsitzverlegung vor dem Hintergrund der vermeintlichen, sich kurze Zeit später aber zerschlagenden beruflichen Perspektiven bei der U AG wird auf die Tonaufnahme der mündlichen Verhandlung verwiesen (CD siehe Gerichtsakte Blatt 90).
Nachdem das FA anlässlich einer Prüfung bei der L GmbH zur Auffassung gelangt war, den Kläger als Abwanderer der erweiterten beschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen, beantragte der Kläger unter Hinweis auf § 1 Abs. 3 der im Streitjahr geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Veranlagung zur Einkommensteuer für 2005. Das Anschreiben und die Einkommensteuererklärung gingen am 28. November 2006 beim FA ein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einkommensteuerakte verwiesen. Dort abgelegt sind auch die vom Kläger mit Schreiben vom 21. Januar 2007 an das FA gesandten Schweizer Steuerbescheinigungen für 2005 über die direkte Bundessteuer sowie über die Staats- und Gemeindesteuern einschließlich der Feuerwehrersatzabgabe. Mit der Steuererklärung legte der Kläger auch die Ansässigkeitsbescheinigung Gre-2b des Kantonalen Steueramts P/Schweiz vom 3. Januar 2005 vor.
Das FA veranlagte den Kläger mit seinen in Deutschland erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Mit Einkommensteuerbescheid vom 26. Februar 2007 (Einkommensteuerakte hinten) erfasste es diese Einkünfte im Rahmen einer Veranlagung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht. Aufgrund der Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz rechnete es die bezahlte Schweizer Steuer mit Ausnahme der Feuerwehrersatzabgabe von 196,25 CHF nach dem amtlichen Umrechnungskurs von 100 CHF = 64,50 EUR in Höhe von 3.728 EUR auf die festgesetzte Einkommensteuer an.
Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers ging am 23. März 2007 beim FA ein. Zur Begründung trug der Kläger vor, dass eine Erweiterung des Besteuerungsrechts nach Art. 4 Abs. 4 DBA nicht gegeben sei, da er am 1. Februar 2004 gerade in die Schweiz gezogen sei, um dort seine unselbständige Arbeit für den Schweizer Arbeitgeber, die U AG in Y, auszuüben. An dieser Gesellschaft sei er auch zu keinem Zeitpunkt unmittelbar oder mittelbar durch Beteiligung oder in anderer Weise wirtschaftlich wesentlich interessiert gewesen.
Abzustellen sei auf den Zeitpunkt des Ansässigkeitswechsels. Unzweifelhaft habe der Kläger zu der Zeit, als er seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt habe, die Absicht gehabt, dort einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dieses Motiv sei sogar besonders stark gewesen, da er dort bereits eine Arbeitsstelle gehabt habe. Eine Auslegung von Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz entgegen dem eindeutigen Wortlaut, der eine Arbeitsausübung in der Schweiz verlange, führe zu absurden Ergebnissen.
Überdies verstoße die Anwendung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz sowohl gegen die Art. 2, 3 und 11 des Grundgesetzes (GG) als auch gegen das am 1. Juni 2002 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (ABlEG Nr. L 114 vom 30. April 2002, 6, BGBl II 2001, 810, BGBl II 2002, 1692 – FZA –).
Hilfsweise wurde vorgetragen, dass alle Steuern einschließlich der Feuerwehrersatzabgabe von Art. 2 DBA-Schweiz erfasst und deshalb von der deutschen Steuerschuld abzuziehen seien. Weshalb die thurgauische Feuerwehrersatzabgabe keine Steuer im Sinne des DBA-Schweiz sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Das Abkommen gelte auch für alle außerordentlichen Steuern vom Einkommen und Vermögen, die für Rechnung einer Gemeinde in Form von Zuschlägen erhoben würden. Die Feuerwehrersatzabgabe gemäß § 27 des Gesetzes über den Feuerschutz des Kantons Thurgau (FSG) sei eine solche Sondersteuer. Sie werde aufgrund eines gemeindlich festgelegten Hebesatzes zur einfachen Staatssteuer von den Gemeinden nach den Vorschriften der Steuergesetze erhoben. Auch bei der Quellensteuer sei die Feuerwehrersatzabgabe mit erfasst.
Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2007 (Gerichtsakte Blatt 7 ff., 26 ff.) als unbegründet zurück.
Zur Auslegung des DBA-Schweiz sei im Einführungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 26. März 1975 (BStBl I 1975, 479) unter Textziffer 2.2.3.4 ausgeführt worden, dass die Absicht, eine echte unselbständige Arbeit in der Schweiz auszuüben, Motiv für den Wohnsitzwechsel gewesen sein müsse. Im Grenzgängerhandbuch (Fach A Teil 4 Nr. 1) werde auf Seite 12 ergänzend ausgeführt, dass, wenn ein zunächst in Deutschland ansässiger Grenzgänger, der in der Schweiz arbeite, seinen deutschen Wohnsitz aufgebe und sich in der Schweiz einen Wohnsitz nehme, dieser nicht unter die Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz falle.
Voraussetzung für diese Ausnahmeregelung sei die zeitnahe Verknüpfung von Arbeitsaufnahme in der Schweiz und hierauf gründendem Wegzug aus Deutschland. Diese notwendige Voraussetzung liege im Streitfall nicht vor, vielmehr sei der Kläger über fünf Jahre lang Grenzgänger gewesen, bevor er seinen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz verlegt habe. Es möge durchaus zutreffen, dass er im sechsten Jahr nach der Arbeitsaufnahme in der Schweiz aus beruflichen Gründen – etwa weil er die langen Fahrzeiten nicht mehr in Kauf habe nehmen wollen – in die Schweiz umgezogen sei. Der Wegzug stehe jedoch nach einer so langen Zeitspanne nicht mehr mit der Arbeitsaufnahme in direktem Zusammenhang.
Im Rahmen der deutschen Besteuerung seien die in der Schweiz bezahlten Steuern anzurechnen, nicht jedoch die Feuerwehrersatzabgabe. Sie falle nicht unter die nach Art. 2 DBA-Schweiz anzurechnenden Steuern vom Einkommen. Dieser Begriff sei unter Einbeziehung der Art. 6 bis 21 DBA-Schweiz auszulegen. Besteuerungstatbestand bei einer Besteuerung nach dem Ertrag sei daher das Erwirtschaften von Einkünften im Sinne der Art. 6 bis 21 DBA-Schweiz. Die Feuerwehrersatzabgabe knüpfe demgegenüber das Besteuerungsrecht nicht an die Erzielung von Einkommen, sondern an die gesetzliche Verpflichtung zur Ableistung des Feuerwehrdienstes (Hinweis insoweit auf §§ 24 ff. FSG). Wer den Dienst nicht leiste, sei nach § 27 FSG zur Leistung der Feuerwehrersatzabgabe verpflichtet. Lediglich die Bemessungsgrundlage dieser Ersatzabgabe bestimme sich nach einem Prozentsatz des Einkommens.
Die Anwendung des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz auf den Streitfall verstoße schließlich weder gegen das GG noch gegen das FZA.
Gegen die Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2007 erhob der Kläger Klage, die am 27. Dezember 2007 bei Gericht einging.
Zur Begründung trägt der Kläger vor, er sei im Streitjahr ausschließlich in der Schweiz ansässig gewesen. Aufgrund der Grenzgängereigenschaft im Sinne des Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz seien die Einkünfte aus der unselbständigen Arbeit in T/Deutschland im Ansässigkeitsstaat Schweiz zu versteuern, während der Tätigkeitsstaat Deutschland eine Quellensteuer von maximal 4,5% der Bruttobezüge erheben dürfe, da auch die entsprechende Ansässigkeitsbescheinigung vorgelegt worden sei. Die vom FA angewendete „Abwandererbesteuerung” gemäß Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz sei durch Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz ausgeschlossen.
Fälschlicherweise lese das FA hier anstelle von „auszuüben” in den Abkommenstext „aufzunehmen” hinein. Es sei jedoch gerade kein Tatbestandsmerkmal, dass der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit seinem Umzug in die Schweiz eine neue unselbständige Erwerbstätigkeit aufnehme, sondern lediglich, dass er eine solche dort ausübe. Es sei unstreitig, dass der Kläger seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt habe, um dort – weiterhin – eine unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben. Die einschränkende Auslegung der Finanzverwaltung finde keine Basis im klaren Wortlaut des Abkommens.
Der wirtschaftliche Lebensmittelpunkt des Klägers habe schon Jahre vor seinem Wegzug in der Schweiz gelegen, (nur) wegen Art. 15a DBA-Schweiz habe er seine Steuern damals vornehmlich in Deutschland entrichtet.
Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz verletze das Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 2, 3 und 11 GG und Art. 1 lit. a, 2 FZA und Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I hierzu. Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz sei – entgegen der Auffassung des FA – in grundrechtskonformer Weise weit auszulegen.
Hinsichtlich des Antrags, vor dem Hintergrund des FZA ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu richten, wird auf Blatt 4 der Gerichtsakte verwiesen. Wer von Deutschland aus in die Schweiz ziehe und weiterhin in Deutschland unselbständig arbeite, werde in Deutschland z.B. auch anders und belastender besteuert als derjenige, der nach Frankreich oder Österreich verziehe. Mit Blick auf die vermeintlich bloße Inländerdiskriminierung sei in Anlehnung an die Rechtsprechung zu Art. 39 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) zu bemerken, dass der vorliegende Fall über die Grenzen eines Mitglied- bzw. Abkommensstaats hinausweise. Schließlich gehe auch der Hinweis des FA auf Art. 21 FZA fehl.
Hilfsweise sei jedenfalls die thurgauische Feuerwehrersatzabgabe anzurechnen. Sie sei nach Schweizer Verständnis eine Steuer (Hinweis auf ein Urteil des Schweizer Bundesgerichts aus dem Jahr 1927) und erfülle auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Definition des § 3 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Zwar habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in BVerfGE 9, 291 den Charakter des baden-württembergischen Feuerwehrbeitrags ausdrücklich offen gelassen. Es habe aber, obwohl die Bemessungsgrundlage dort gerade nicht das Einkommen gewesen sei, zumindest in Richtung Steuer tendiert. Für die thurgauische Feuerwehrersatzabgabe sei die Rechtnatur einer Steuer erst recht festzustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Klageschrift und die weiteren Schriftsätze verwiesen (Gerichtsakte Blatt 1 ff., 34 ff., 49 ff., 74 f.).
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid vom 26. Februar 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2007 und den Bescheid über den Solidaritätszuschlag vom 26. Februar 2007 ersatzlos aufzuheben,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Es verweist – insbesondere im Hinblick auf die Auslegung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz – auf die Einspruchsentscheidung. Auch nach dem Urteil des FG Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2007 12 K 19/04 (EFG 2008, 592) sei die Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz restriktiv auszulegen.
Darüber hinaus führt das FA aus, dass die in der Klagebegründung zitierten Artikel des GG und des FZA nicht einschlägig seien. Der als Deutscher und Unionsbürger in der Schweiz lebende und im Streitjahr in Deutschland arbeitende Kläger werde in Deutschland gleich behandelt wie alle natürlichen Personen nichtschweizerischer Staatsangehörigkeit, die vor ihrem Wegzug in die Schweiz in Deutschland mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig gewesen seien.
Die Abwandererregelung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz stelle die abkommensrechtliche Verbindung zum deutschen Außensteuergesetz (AStG) her und könne als Umsetzung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht des § 2 AStG angesehen werden. Die Grenzgängerregelung bekräftige in Art. 15a Abs. 1 Satz 4 DBA-Schweiz, dass die Regelung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz den Regelungen über die Grenzgängerbesteuerung vorgehe. In Art. 21 Abs. 1 FZA werde zudem ausgeführt, dass die Bestimmungen der bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den EG-Mitgliedstaaten von den Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens unberührt bleiben. Ergänzend verweist das FA auf Art. 22 Abs. 2 FZA.
Hinsichtlich der Rechtsnatur der Feuerwehrersatzabgabe verweist das FA ergänzend auf eine entsprechende Position der Eidgenössischen Steuerveraltung zu der nach Ansicht des FA vergleichbaren Feuerwehrersatzabgabe des Kantons Schaffhausen.
Wegen der Rechtsauffassung des FA im Einzelnen wird im Übrigen auf die Klageerwiderung und dessen weitere Schriftsätze verwiesen (Gerichtsakte Blatt 21 ff., 42 f., 59 f.).
Das Gericht hatte zunächst das Ruhen des Verfahrens hinsichtlich des BFH-Verfahrens I R 11/08 angeregt (Vorinstanz: FG Baden Württemberg, Urteil vom 4. Dezember 2007 12 K 19/04, EFG 2008, 592). Der BFH wies die Revision allerdings wegen Fristversäumnis und Nichtgewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zurück, ohne inhaltliche Aussagen zur Auslegung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz zu treffen (BFH-Beschluss vom 27. Mai 2008 I R 11/08, BFHE 220, 345, BStBl II 2008, 766). Wegen der Gründe, weshalb der Kläger dem Ruhen des Verfahrens ohnehin nicht zugestimmt hatte, wird auf die Gerichtsakte verwiesen (Blatt 49 f., 56).
Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung die Einkommensteuerakte und die Rechtsbehelfsakte des FA vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet, da das FA zu Unrecht von einer erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht des Klägers gemäß Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz im Sinne der sog. überdachenden Besteuerung ausgegangen ist.
I. 1. Die für die Entscheidung des Streitfalls entscheidende Abkommensbestimmung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz lautet:
Bei einer in der Schweiz ansässigen natürlichen Person, die nicht die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzt und die in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war, kann die Bundesrepublik Deutschland in dem Jahr, in dem die unbeschränkte Steuerpflicht zuletzt geendet hat, und in den folgenden fünf Jahren die aus der Bundesrepublik Deutschland stammenden Einkünfte und die in der Bundesrepublik Deutschland belegenen Vermögenswerte, ungeachtet anderer Bestimmungen des Abkommens, besteuern. Die nach diesem Abkommen zulässige Besteuerung dieser Einkünfte oder Vermögenswerte in der Schweiz bleibt unberührt. Die Bundesrepublik Deutschland rechnet jedoch in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Rechts über die Anrechnung ausländischer Steuern die in Übereinstimmung mit diesem Abkommen von diesen Einkünften oder Vermögenswerten erhobene schweizerische Steuer auf den Teil der deutschen Steuer (mit Ausnahme der Gewerbesteuer) an, der auf Grund dieser Bestimmung von diesen Einkünften oder Vermögenswerten über die deutsche Steuer hinaus erhoben wird, die nach den Artikeln 6 bis 22 hierfür erhoben werden dürfte. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten nicht, wenn die natürliche Person in der Schweiz ansässig geworden ist, um hier eine echte unselbständige Arbeit für einen Arbeitgeber auszuüben, an dem sie über das Arbeitsverhältnis hinaus weder unmittelbar noch mittelbar durch Beteiligung oder in anderer Weise wirtschaftlich wesentlich interessiert ist.
2. Der Kläger ist mit seinem Umzug in die Schweiz zu einer in der Schweiz ansässigen natürlichen Person geworden (Art. 4 DBA-Schweiz). Er ist deutscher, nicht Schweizer Staatsbürger und war vor seiner Anfang 2004 durchgeführten Wohnsitzverlegung in die Schweiz mehr als fünf Jahre in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Bei Zugrundelegung einer Grenzgängertätigkeit des Klägers mit Ansässigkeitsstaat Schweiz und Beschäftigungsstaat Deutschland hätte die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 15a DBA-Schweiz an sich nur ein Quellenbesteuerungsrecht von 4,5%, da nicht mehr als 60 beruflich bedingte Nichtrückkehrtage des Klägers vorliegen. Vor diesem Hintergrund ergäbe sich ein erweitertes deutsches Besteuerungsrecht nur dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz vorlägen. Die Anwendung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz wird in Art. 15a Abs. 1 Satz 4 DBA-Schweiz ausdrücklich vorbehalten.
II. Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz führt im Streitfall nicht zu einer erweiterten beschränkten Steuerpflicht des Klägers, da die Tatbestandsvoraussetzungen der im DBA-Schweiz ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmevorschrift des Satzes 4 in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht erfüllt sind.
1. Die tatsächlichen Umstände des Streitfalls sind zwischen den Beteiligten in vollem Umfang unstreitig. Auch der Senat hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gemachten Sachverhaltsangaben (CD-Position 0:01:00 bis 0:04:50). Danach ist festzuhalten, dass der Umzug des Klägers in die Schweiz allein durch dessen berufliche Tätigkeit motiviert war. Der Kläger hatte zu der Zeit, als er sich zur Wohnsitzverlegung entschloss, die konkrete berufliche Perspektive, im Unternehmen der U AG in die Sparte Produktmanagement wechseln und auf diese Weise auf der Karriereleiter einen Schritt nach oben klettern zu können. Damit verbunden war die Erwartung, sich in einen neuen Bereich einarbeiten zu müssen und deshalb im Unternehmen mehr präsent sein zu müssen. Vor diesem Hintergrund entschied sich der Kläger, seinen Wohnsitz in die Schweiz und dort in die unmittelbare Nähe seines Tätigkeitsorts zu ziehen, um so das allmorgendliche und allabendliche „Nadelöhr” T/Deutschland zu vermeiden („direkt vor die Pforte der Firma gezogen”, vgl. CD-Position 0:03:45). Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass die nach Eintritt des US-amerikanischen Investors erfolgte sofortige Freistellung für den Kläger unvermittelt und ohne Vorankündigung kam. Die infolge der negativen Kapitalmarktentwicklung auftretenden finanziellen Schwierigkeiten des Arbeitgebers waren für den Kläger zur Zeit seines Umzugs ebenso wenig absehbar wie die hieraus resultierende Streichung von Entwicklungsstellen nach dem Einstieg des neuen Investors. Die Negativentwicklung wurden für den Kläger vielmehr erst später („deutlich nach meinem Umzug”, CD-Position 0:02:54) erkennbar (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Anlage zur Einkommensteuererklärung 2004, Gerichtsakte Blatt 79: „vollkommen unplanmäßig”).
2.a) Auch in rechtlicher Hinsicht scheitert die Anwendung des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz nach Auffassung des Senats nicht daran, dass die Wohnsitzverlegung nicht dadurch motiviert war, dass der Kläger erstmalig eine echte unselbständige Arbeit für einen „fremden” Arbeitgeber in der Schweiz aufzunehmen beabsichtigt hätte. Entgegen der wohl mehrheitlich vertretenen, bisher aber wenig ausführlich begründeten Auffassung (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Dezember 2007 12 K 19/04, EFG 2008, 592 –Unzulässigkeit der diesbezüglichen Revision wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist, BFH-Beschluss vom 27. Mai 2008 I R 11/08, BFHE 220, 345, BStBl II 2008, 766 –; vgl. ferner auch das sog. Grenzgängerhandbuch der Finanzverwaltung, Fach A, Teil 4, Nummer 1, S. 12 oben –Stand: März 2009, siehe Gerichtsakte Blatt 91 –, wohl ebenso, wenn auch eher beiläufig und für die Entscheidungen nicht tragend BFH-Urteil vom 19. November 2003 I R 64/02, BFH/NV 2004, 765 und FG München, Urteil vom 24. Oktober 2008 8 K 3902/07, EFG 2009, 228, das betreffende Revisionsurteil des BFH vom 2. September 2009 I R 111/08 ist inzwischen in DStR 2009, 2235 veröffentlicht) erfordert die Anwendung des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz nicht die Absicht, eine Arbeit erstmalig a u f z u n e h m e n (so auch Walter, Die überdachende Besteuerung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz bei Wohnsitzwechsel von Deutschland in die Schweiz, IWB Nr. 12 vom 27. Juni 2007, S. 661 ff., Fach 5 Schweiz Gr. 2, S. 633 ff.; kritisch zum Urteil des FG Baden-Württemberg in EFG 2008, 592 auch Lühn, Wegzugsbesteuerung bei nur schrittweise erfolgendem Wegzug in die Schweiz, PIStB 2008, 233 ff.).
b) Nach Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz (vgl. zur Auslegung der Abkommensbestimmung allgemein die umfassenden Ausführungen im Urteil des FG Baden-Württemberg vom 22. Januar 2008 11 K 245/05, EFG 2008, 1360 mit weiteren Nachweisen) greift die erweiterte beschränkte Steuerpflicht dann nicht ein, wenn die natürliche Person in der Schweiz ansässig geworden ist, um hier eine echte unselbständige Arbeit für einen Arbeitgeber a u s z u ü b e n, an dem sie über das Arbeitsverhältnis hinaus weder unmittelbar noch mittelbar durch Beteiligung oder in anderer Weise wirtschaftlich wesentlich interessiert ist. Der Kläger verlegte seinen Wohnsitz Ende Januar 2004 in die Schweiz, um hier eine echte unselbständige Arbeit für die U AG in Y auszuüben, an der er weder beteiligt noch sonst wirtschaftlich wesentlich interessiert war. Zwar beabsichtigte der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht die erstmalige A u f n a h m e seiner bereits mehrjährig ausgeübten Berufstätigkeit für die U AG. Gleichwohl war gerade die A u s ü b u n g dieser Tätigkeit das allein entscheidende Motiv für die Wohnsitzverlegung in die Schweiz.
c) Wortlaut und Systematik des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz sind im vorliegenden Kontext geprägt durch das Ansässigwerden im anderen Abkommensstaat Schweiz, „um” dort eine Arbeit „auszuüben”, d.h. einerseits durch die finale Konjunktion „um” und andererseits durch den Infinitiv „auszuüben”. Entscheidend ist aufgrund des Merkmals „um zu” zunächst die Ziel- bzw. Zwecksetzung der ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegenden Person. Hinreichend ist hier eine finale Mitursächlichkeit, die Absicht der Arbeitsausübung im anderen Abkommensstaat muss nicht alleiniger Beweggrund des Zuzugs in die Schweiz sein (vgl. näher BFH-Urteil in DStR 2009, 2235 und FG Baden-Württemberg in EFG 2008, 1360). Das Merkmal der Arbeitsausübung lässt – jedenfalls für sich betrachtet – keine Einschränkung auf die erstmalige Aufnahme einer Arbeit zu, vielmehr erfasst der Begriff „Arbeit (…) ausüben” nach seinem Wortlaut das Erbringen einer Tätigkeit unabhängig davon, wann die betreffende Arbeitstätigkeit erstmals erbracht wurde und wie lange sie seitdem bereits erbracht wird. Der Senat räumt zwar ein, dass die Konjunktion „um” rein sprachlich möglicherweise eher das Verb „aufzunehmen” am Satzende erwarten ließe. Dieser Begriff wird im DBA-Schweiz jedoch nicht verwendet. Die Zwecksetzung „um (…) auszuüben” kann im systematischen Zusammenhang der DBA-Vorschrift daher begrifflich sowohl die erstmalige Arbeitsausübung (im Sinne der Arbeitsaufnahme) als auch die weitere Arbeitsausübung (im Sinne der Fortführung der bereits aufgenommenen Arbeit) erfassen. Gründe für eine einschränkende Wortlautauslegung sind bei rein begrifflicher Interpretation nicht ersichtlich.
d) Auch die teleologische Auslegung nach dem Sinn der Vorschrift bestätigt die Wortlautauslegung. Hintergrund des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz ist, dass die Abkommensstaaten keine Notwendigkeit für eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht für den Fall gesehen haben, dass die Wohnsitzverlegung in die Schweiz – zumindest auch (vgl. oben) – durch die dortige Ausübung einer unselbständigen Arbeit für einen „fremden” Arbeitgeber motiviert ist. Entscheidend ist die Prüfung der Motivation im Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung (FG Baden-Württemberg in EFG 2008, 1360). Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, einen Arbeitnehmer, der vor der Wohnsitzverlegung aus Deutschland heraus beispielsweise eine gewisse Probe- bzw. Eingewöhnungszeit abwartet, im Fall der nachfolgenden Wohnsitzverlegung in die Schweiz über die erweiterte beschränkte Steuerpflicht steuerlich schlechter zu stellen als eine Person, die aufgrund einer zwar beabsichtigten, aber möglicherweise noch nicht einmal feststehenden Arbeitsaufnahme in der Schweiz ihren Wohnsitz sofort dorthin verlegt. Der subjektive Beweggrund für die Wohnsitzverlegung tritt bei Bestehen eines in der Schweiz bereits angetretenen Arbeitsverhältnisses und bei erst späterer Wohnsitzverlegung dorthin im Gegenteil eher noch deutlicher zu Tage als bei sofortiger Wohnsitzverlegung aufgrund einer noch nicht in die Realität umgesetzten Absicht der Arbeitsaufnahme (vgl. auch Walter, IWB 2007, 661, 666). Im letzteren Fall greift die Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz aber – die Nachweislichkeit der Motivation vorausgesetzt – nach einhelliger Auffassung ein. Da im erstgenannten Fall die berufliche Veranlassung der Wohnsitzverlegung in die Schweiz eher noch deutlicher ist, spricht auch der Zweck der Vorschrift für das weite Wortlautverständnis (vgl. Walter, IWB 2007, 661, 665 mit dem zutreffenden Argument, dass die Logik der Argumentation der persönlichen Verwurzelung von der Gegenauffassung insofern missachtet werde, als bei einer bereits bestehenden Tätigkeit in der Schweiz eine geringere Verwurzelung in Deutschland bestehe als bei einem Arbeitnehmer, der erst mit dem Wohnsitzwechsel eine nichtselbständige Tätigkeit in der Schweiz aufnehme; vgl. in diesem Zusammenhang ferner die neuere Rechtsprechung des BFH zur doppelten Haushaltsführung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in sog. Wegverlegungsfällen und die diesbezügliche Beurteilung der beruflichen Veranlassung, siehe BFH-Urteile vom 5. März 2009 VI R 23/07, BFHE 224, 420, BFH/NV 2009, 1176 und VI R 58/06, BFHE 224, 413, BFH/NV 2009, 1173).
e) Kein zwingendes Argument lässt sich daraus ableiten, dass Ausnahmeregelungen regelmäßig restriktiv auszulegen seien und dies auch für Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBASchweiz gelten müsse, um Sinn und Zweck des Grundsatzes gerecht zu werden (so aber FG Baden-Württemberg in EFG 2008, 592 mit der Erwägung, dass nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz Einkünfte aus deutschen Quellen aufgrund der bestehenden Verwurzelung für einen Übergangszeitraum grundsätzlich nach wie vor der deutschen Besteuerung unterliegen sollten, dass diese Verwurzelung aber ende, wenn die Existenzgrundlage in Form des Arbeitseinkommens durch einen Umzug in die Schweiz quasi in die Schweiz transferiert werde, die persönliche Verwurzelung in Deutschland damit aufhöre zu bestehen und die intendierte Arbeitsaufnahme kausal für den Wegzug sei). Mit ebenso gut vertretbarer Begründung ließe sich dagegen halten, dass die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz zur erweiterten beschränkten Steuerpflicht per se eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift darstelle. Dann aber wäre kein Grund ersichtlich, weshalb die Regelung des Satzes 4 nicht weit, sondern eng auszulegen sein sollte. Insgesamt betrachtet sieht der Senat Überlegungen zum Regel-Ausnahme-Verhältnis von Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz und dessen Satz 4 sowie zu einer etwaigen dadurch begründbaren extensiven bzw. restriktiven Normauslegung als zu beliebig an, als dass sich hieraus ein klares Auslegungsargument ableiten ließe.
f) Eine überzeugende Begründung für die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung ist auch aus den verfügbarem Materialien nicht erkennbar. In der vom FA in Bezug genommenen Textziffer 2.2.3.4 des Einführungsschreibens in BStBl I 1975, 479 wird unter bloßer Wiedergabe des Abkommenswortlauts lediglich ausgeführt, dass die Absicht, eine echte unselbständige Arbeit in der Schweiz auszuüben, Motiv für den Wohnsitzwechsel gewesen sein müsse. Nicht die Rede ist hier davon, dass die Absicht, eine echte unselbständige Arbeit in der Schweiz auszunehmen, Motiv für den Wohnsitzwechsel gewesen sein müsse. Im sog. Grenzgängerhandbuch der Finanzverwaltung (Fach A, Teil 4, Nummer 1, S. 12) wird auf die Motivationslage im maßgeblichen Zeitpunkt des Wegzugs Bezug genommen. Ohne nähere Begründung wird im folgenden Satz sodann postuliert: „Wenn ein zunächst in Deutschland ansässiger Grenzgänger, der in der Schweiz arbeitet, seinen deutschen Wohnsitz aufgibt und sich in der Schweiz einen Wohnsitz nimmt, fällt er nicht unter diese Ausnahmeregelung.” Ein Mehr an Erkenntnis, als dass diese Position die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung darstellt, ist dem Grenzgängerhandbuch nicht zu entnehmen.
g) Auch aus der Normentstehungs- und Normanwendungsgeschichte lassen sich – soweit für den Senat ersichtlich – keine Argumente gegen die oben im Einzelnen dargelegte sprachliche und teleologische Auslegung herleiten. Selbst wenn sich die restriktive Auslegung des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 auf eine Verständigungsvereinbarung mit der Schweiz stützen könnte, wäre diese Verwaltungspraxis zu Lasten der Steuerpflichtigen im Übrigen für das nur an das Gesetz gebundene Finanzgericht nicht verbindlich (vgl. insoweit nur BFH-Urteil in DStR 2009, 2235).
h) Festgehalten sei mit Blick auf Systematik und Praxis der Normanwendung am Rande nur noch, dass die Regelung des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz– über den Wortlaut insbesondere auch ihres Satzes 4 hinausgehend – nach einer Verwaltungsanweisung dann nicht anzuwenden ist, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen der Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt (BMF, Einführungsschreiben zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung vom 19. September 1994 IV C 6-S 1301 Schz-60/94, BStBl I 1994, 683, Rz. 41). Die darin liegende Billigkeitsmaßnahme findet keine Grundlage im Wortlaut des Abkommens (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 765). – Für eine belastende restriktive Wortlautauslegung oder gar eine teleologische Reduktion des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz sieht der Senat auch vor dem Hintergrund dieser begünstigenden, aber über den Wortlaut hinausgehenden Billigkeitsregelung keine Rechtfertigung.
III. 1. Da die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz nach Auffassung des Senats in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht erfüllt sind, war der Einkommensteuerbescheid antragsgemäß ersatzlos aufzuheben. Dem steht auch der – von Beginn an als hilfsweise gestellt zu verstehende – Antrag des Klägers gemäß § 1 Abs. 3 EStG nicht entgegen. Da die Klage hinsichtlich der Einkommensteuer in vollem Umfang Erfolg hat, war entsprechend auch der Bescheid über den Solidaritätszuschlag mit aufzuheben. Zwar stehen die – in einem Sammelbescheid verbundenen – Einkommensteuer- und Solidaritätszuschlagsfestsetzungen im Verhältnis von Grundlagenbescheid und Folgebescheid (BFH-Urteile vom 11. Februar 2009 X R 51/06, BFH/NV 2009, 1273 und vom 9. November 1994 I R 67/94, BFHE 176, 244, BStBl II 1995, 305). Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Klage gegen einen Folgebescheid jedoch auch dann, wenn mit ihr keine eigenständigen Einwendungen gegen den Folgebescheid geltend gemacht werden, nicht allein deshalb wegen §§ 42 Finanzgerichtsordnung (FGO), 351 Abs. 2 AO unzulässig (BFH-Urteil vom 9. November 2005 I R 10/05, BFH/NV 2006, 750, a.A. von Groll in Gräber, FGO, 6. Aufl. 2006, § 42 Rz 35 ff. mit weiteren Nachweisen aus der allerdings nicht einheitlichen BFH-Rechtsprechung, a.A. auch FG Hamburg, Urteil vom 6. Juni 2008 5 K 24/07, juris und Sächsisches FG, Urteil vom 9. September 2008 3 K 1996/06, EFG 2009, 65 sowie zum Zinsbescheid auch FG Brandenburg, Urteil vom 11. Juni 2008 12 K 3038/05 B, 12 K 3039/05 B, juris).
2. Da die Klage bereits nach der einfachgesetzlichen DBA-Auslegung in vollem Umfang Erfolg hat, kommt es auf die weiteren rechtlichen Argumente des Klägers nicht mehr an.
a) Ohne Relevanz für das Ergebnis der Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass er einen Verstoß gegen Freizügigkeitsrechte des Klägers nach dem Grundgesetz (Art. 11 GG, Art. 2 Abs. 1 GG) oder nach dem FZA im vorliegenden Einzelfall nicht zu erkennen vermag (Hinweis auf die Urteile des EuGH vom 06.12.2007 C-298/05 „Columbus Container Services”, Slg 2007, I-10451, DStR 2007, 2308 und des BFH vom 24. Juni 2009 X R 57/06, DStR 2009, 1799, BFH/NV 2009, 1697 sowie auf Art. 21 Abs. 1 FZA).
b) Ohne dass es für die Entscheidung erheblich wäre, weist der Senat schließlich ferner darauf hin, dass er die Feuerwehrersatzabgabe nach § 27 FSG nicht als eine auf die deutsche Einkommensteuer anrechenbare Steuer im Sinne des DBA-Schweiz ansieht. Zum einen ist die Feuerwehrersatzabgabe ihrer Rechtsnatur nach keine Steuer, sondern eine Ersatzabgabe, die lediglich steuerbezogen und unter sinngemäßer Anwendung steuerlicher Vorschriften erhoben wird (vgl. Höhn/Waldburger, Steuerrecht, Band I, § 1 I A, S. 9 f.). Zum anderen sieht auch der Abkommensstaat Schweiz selbst – soweit ersichtlich – die Feuerwehrersatzabgabe nicht als eine Steuer im Sinne des Abkommens an (vgl. insoweit Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, DBA-Schweiz-Deutschland, Band 3, B 2.3, Nr. 10 zum Feuerwehrpflichtersatz der Gemeinde Neuhausen im Kanton Schaffhausen).
IV. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, der Zuziehungsbeschluss auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
2. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zuzulassen. Der erkennende Senat weicht mit seiner Rechtsauffassung von anderen finanzgerichtlichen Entscheidungen zur Auslegung des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz ab. Er hält die Auslegung der Tatbestandsmerkmale „um hier eine (…) Arbeit (…) auszuüben” für rechtsgrundsätzlich bedeutsam und höchstrichterlich noch nicht eindeutig geklärt. Zwar hat der BFH im Urteil in BFH/NV 2004, 765 im Gegensatz zur vorliegend vertretenen Rechtsauffassung ausdrücklich formuliert, nach Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz gälten die übrigen Bestimmungen des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz nicht, wenn der Wegzug in die Schweiz dem Ziel diente, in der Schweiz eine echte unselbständige Arbeit für einen –im Sinne der in Satz 4 enthaltenen Definition –”fremden” Arbeitgeber aufzunehmen. Die Bezugnahme auf die Tätigkeitsaufnahme statt der Tätigkeitsausübung war für die damalige Entscheidung allerdings weder tragend noch wurde sie dort näher begründet.