08.01.2010
Finanzgericht Brandenburg: Urteil vom 08.12.2004 – 5 K 3013/02
§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 ist dahingehend teleologisch einschränkend auszulegen, dass der Belegenheitsnachweis nur durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeinde geführt werden kann, die sich auf den beplanten (§§ 30 – 33 BauGB) oder unbeplanten (§ 34 BauGB) Innenbereich bezieht.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
wegen Investitionszulage 1999
hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg – 5. Senat – ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 8. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Widra, den Richter am Finanzgericht Schwenkert, die Richterin am Finanzgericht Kempe, sowie die ehrenamtlichen Richter Herr Markus und Herr Heinze
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt einen Großhandel für Nahrungs- und Genussmittel. Sie verlegte im Jahre 1999 ihren Betriebssitz nach Potsdam. Die Klägerin beantragte unter anderem für die Anschaffung und Installation einer Einbruchmeldeanlage, von Türen und einer Telefonanlage Investitionszulage für das Kalenderjahr 1999. Dem Antrag fügte sie eine Bescheinigung nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 InvZulG 1999 bei, wonach sich die Betriebsstätte nicht in einem Industriegebiet, Gewerbegebiet oder Sondergebiet im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO befindet und das Gebiet auch nicht aufgrund der Bebauung der näheren Umgebung einem dieser Gebiete entspricht. Nach einer zusätzlich auf die Bescheinigung angebrachten Bemerkung befindet sich die Betriebsstätte zulässigerweise im Außenbereich.
Der Beklagte führte im Jahre 2001 eine Investitionszulagensonderprüfung durch. Dabei stellte er fest, dass es sich bei der Einbruchmeldeanlage um ein integriertes System bestehend aus einer Videoüberwachungsanlage, einer Telefonanlage und einer Einbruchmeldeanlage handelt. Die Telefonanlage diene als Überwachungs- und Steuerungsanlage und eröffne der Geschäftsleitung die Möglichkeit, die Aufenthaltsorte der Waren und Mitarbeiter zu erkennen und auf diese zuzugreifen.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, bei dieser Anlage handle es sich um einen wesentlichen Gebäudebestandteil und setzte die Investitionszulage ohne Berücksichtigung dieser Aufwendungen fest.
Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Klägerin macht geltend, sie habe mit Vertrag vom 30.4.1999 eine Lagerhalle mit Büround Sozialräumen in Potsdam gemietet. Der Mietvertrag sei auf 5 Jahre befristet und könne im Falle der Ausübung einer entsprechenden Option durch die Klägerin zweimal um jeweils fünf Jahre verlängert werden. Sie habe sich in die Mieträume eine Anlage einbauen lassen, die aus folgenden Komponenten bestehe:
Einbruchmeldeanlage (Anschaffungskosten: 85.843,20 DM)
Türsprechanlage (Anschaffungskosten: 6.422,… DM)
Videoüberwachungsanlage (Anschaffungskosten: 97.001,63 DM)
Sicherheitstüren inkl. Montage (Anschaffungskosten: 20.450,00 DM)
Telefonanlage (Anschaffungskosten: 68.647,19 DM)
Kabelnetz Telefonanlage, Kabelkanal, Mauererarbeiten (Anschaffungskosten: 18.639,36 DM)
Zusätze Telefon, Datennetz (Anschaffungskosten: 18.350,17 DM)
Elektroakustische Anlage (Anschaffungskosten: 5.429,29 DM)
Erweiterung Objektüberwachung entsprechend Regalaufstellung (Anschaffungskosten: 1.220,54 DM)
Bei diesen Komponenten handle es sich um selbständig nutzbare Wirtschaftsgüter. Bei der Einbruchmeldeanlage handle es sich nicht um einen wesentlichen Gebäudebestandteil im Sinne des § 94 Abs. 2 BGB. Sie gebe dem Gebäude weder ein besonderes Gepräge, noch sei es nach der Verkehrsanschauung entscheidend, ob das als Lager und Büro genutzte Gebäude mit einer solchen Anlage ausgestattet sei. Im Übrigen sei die Anlage nur zu einem vorübergehenden Zweck eingebaut worden. Die Mietvertragsparteien seien sich von Anfang darin einig gewesen, dass sämtliche Einbauten mit Ende des Mietverhältnisse entfernt werden müssten. Zu dieser Frage solle der Vermieter, Herr Horst Lehmann, als Zeuge vernommen werden. Die Nutzungsdauer der Einbruchmeldeanlage überschreite die Dauer des Mietverhältnisses. Sie sei daher von vornherein nur zu einem vorübergehenden Zweck eingebaut worden. Entsprechendes gelte für die Türsprechanlage. Die Anlage sei mit Ausnahme der Kabelstränge nach dem Ende des Mietverhältnisses auch an anderer Stelle einsetzbar. Bei der Videoüberwachungsanlage handle es sich um eine Betriebsvorrichtung. Sie diene der Überwachung des Personals und der Waren. Zu dem Geschäftszweck der Klägerin gehöre die Überwachung der Waren, des Personals und der Betriebsabläufe. Bei der Telefonanlage handle es sich um eine technische Anlage, die als selbständiges Wirtschaftsgut zulagebegünstigt sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Investitionszulagenbescheid für 1999 vom 9.10.2001 und die Einspruchsentscheidung vom 18.12.2002 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Bemessungsgrundlage um 284.550,… DM erhöht wird, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, Scheinbestandteile lägen nicht vor, da der von Anfang an bestehende Wille der Klägerin, die Gegenstände nach Ablauf des Mietvertrags wieder auszubauen, nicht zweifelsfrei erkennbar sei. Die Videoüberwachungsanlage sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als Betriebsvorrichtung zu qualifizieren. Sie diene der Sicherung, Überwachung und Abschreckung und werde demzufolge nicht unmittelbar für betriebliche Zwecke eingesetzt. Die Telefonanlage sei entgegen der Darstellung der Klägerin kein bewegliches Wirtschaftsgut.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 InvZulG 1999 ist die Anschaffung und Herstellung von Wirtschaftsgütern begünstigt, wenn diese während eines Zeitraums von drei Jahren (vgl. § 10 Abs. 4a InvZulG 1999) in einer Betriebsstätte des Groß- oder Einzelhandels in den Innenstädten verbleiben. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, denn der Betrieb der Klägerin liegt nach den Feststellungen des Senats im Außenbereich.
Kein anderes Ergebnis rechtfertigt der Umstand, dass die Klägerin bereits während des Verwaltungsverfahrens eine Bescheinigung der Landeshauptstadt Potsdam im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 3 InvZulG 1999 vorgelegt und nach dem Wortlaut des Gesetzes den Nachweis erbracht hat, dass sich die Betriebsstätte der Klägerin in der Innenstadt befindet. Allerdings wird nach allgemeiner Ansicht einer solchen Bescheinigung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 für die Zulagenfestsetzung Bindungswirkung selbst für den Fall zuerkannt, dass sie offensichtlich unzutreffend sein sollte (BFH, Urteil vom 28.5.2003 III B 87/02, BFH/NV 2003, 1218 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und zum Schrifttum). Der Senat bezweifelt jedoch nicht die inhaltliche Richtigkeit der Bescheinigung, sondern ist vielmehr der Auffassung, dass die Bescheinigung für die Investitionszulagenfestsetzung keine Bindungswirkung entfaltet. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 ist nämlich dahingehend teleologisch einschränkend auszulegen, dass der Belegenheitsnachweis nur durch eine Bescheinigung geführt werden kann, die sich auf den beplanten (§§ 30 – 33 BauGB) oder unbeplanten (§ 34 BauGB) Innenbereich bezieht.
Investitionen sollen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 InvZulG 1999 nur gefördert werden, wenn die Wirtschaftsgüter in einer Betriebsstätte in der Innenstadt verbleiben. Nach den Gesetzgebungsmaterialien zu der Vorgängerregelung § 5 Abs. 4 InvZulG 1993 sah der Gesetzgeber bei klein- und mittelständischen Betriebsstätten des Groß- und Einzelhandels in innerstädtischen Lagen eine hohe Investitionskostenbelastung gegenüber großflächigen Einkaufszentren vor den Toren der Stadt. Mit der Gewährung der Investitionszulage für innerstädtische Betriebsstätten sollten die für die Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit notwendigen Investitionen erleichtert werden und es sollte gleichzeitig ein Beitrag zur Wiederbelebung der Innenstädte geleistet werden (BT-Drucksache 13/1558. S. 170). Dieses Ziel verfolgte der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 InvZulG 1999 weiter (vgl. BT-Drucksache 13/7792, S. 13).
Innenstadtgebiete liegen naturgemäß im beplanten oder unbeplanten Innenbereich im Sinne der §§ 30 – 34 BauGB. Hiervon ausgehend und unter der Annahme, dass mangels bauplanungsrechtlicher Zulässigkeit regelmäßig keine Betriebsstätten des Groß- und Einzelhandels im Außenbereich existieren (§ 35 BauGB), hat es der Gesetzgeber als Nachweis der Belegenheit in der Innenstadt als ausreichend und sachgerecht erachtet, wenn die zuständige Gemeinde bestätigt, das die Betriebsstätte nicht in einem Industrie-, Gewerbe- oder Sondergebiet liegt. Für die vom Senat für erforderlich gehaltene teleologische Reduktion ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass Betriebsstätten im Außenbereich regelmäßig auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 erfüllen. Im Außenbereich existiert kein Bebauungsplan und in der Regel auch kein entsprechender Aufstellungsbeschluss. Eine Bebauung in der näheren Umgebung, die einem Industrie- oder Gewerbegebiet entspricht, ist in aller Regel ebenfalls nicht vorhanden. Die zuständige Gemeinde wird daher bei einer im Außenbereich belegenen Betriebsstätte eine den Anforderungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 entsprechende Bescheinigung ausstellen, denn sie muss nach der gesetzlichen Grundlage lediglich Auskunft über die bauplanungsrechtliche Fragen erteilen. Eine ausdrückliche Bestätigung, dass die Betriebsstätte in der Innenstadt liegt, obliegt der Gemeinde nicht und ist auch als Nachweis in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 nicht vorgesehen. Da die Ausgrenzung von Betriebsstätten im Außenbereich im Rahmen des Bescheinigungsverfahrens nicht vorgesehen ist, die Förderung dort belegener Betriebsstätten aber dem Ziel des Investitionszulagengesetzes widersprechen würde, ist die in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 festgeschriebene Bindungswirkung der Belegenheitsbescheinigung im oben genannten Sinne einzuschränken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-, die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.