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  • 08.01.2010

    Finanzgericht München: Urteil vom 29.03.2006 – 4 K 306/06

    Bei einem juristischen Laien erscheint es denkbar, dass er bei Schenkung eines im Erbbaurecht errichteten Gebäudes wegen der Übernahme der Verpflichtung zur Weiterzahlung des Erbbauzinses durch den Erwerber das Missverhältnis von Leistung (Gebäude und Erbbaurechtsanteil) und Gegenleistung nicht erkennt.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In der Streitsache

    hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung […] sowie der ehrenamtlichen Richter Fleck und Freiwang aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2006 für Recht erkannt:

    1. Die Schenkungssteuerfestsetzung, zuletzt in Gestalt des Änderungsbescheides vom 28.9.2001, wird aufgehoben.

    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Tatbestand

    I.

    Streitig ist, ob eine gemischte Grundstücksschenkung vorliegt, weil ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleitung gegeben ist.

    Mit Vertrag vom 16.4.1999 übertrug der am 5.7.1913 geborene Herr dem Kläger seinen ideellen Hälfteanteil an dem Erbbaurecht der Gemarkung, Fl.-Nr. gegen eine Zahlung von 120.000 DM und behielt sich das Nießbrauchsrecht auf Lebensdauer an dem übertragenen Erbbaurechtsanteil vor. Auf die Probleme einer Bruchteilsgemeinschaft wurde vom Notar ausdrücklich hingewiesen.

    Vor dem Verkauf hatte der Verkäufer aufgrund des beabsichtigten Verkaufs beim Gutachterausschuss des Landkreises ein Gutachten über den Wert des auf dem Erbaugrundstück aufstehenden Gebäudes in Auftrag gegeben (vgl. Bl. 72 -74 Finanzgerichts-Akte), in dem der Sachwert des Gebäudes zum 1.1.1999 mit 353.722 DM ausgewiesen wurde (Bl. 23 ff Finanzgerichts-Akte).

    Da der sogenannte Bedarfswert für den übertragenen Hälfteanteil vom Lagefinanzamt zunächst auf 493.500 DM festgestellt worden war, ging der Beklagte (Finanzamt) von einer gemischten Schenkung aus und setzte mit Bescheid vom 5.6.2000 (Bl. 116 Finanzamts-Akte) gegen den Kläger Schenkungsteuer in Höhe von 82.616 DM fest, wovon es aufgrund des Nießbrauchs einen Teilbetrag in Höhe von 11.914 DM zinslos stundete.

    Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz – ErbStG – nicht vorliege, da der Verkäufer nicht im Bewusstsein einer freigebigen Zuwendung gehandelt habe und die Beteiligten nach dem Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses den Kaufpreis mit 120.000 DM festgelegt hätten, wobei sie von einem Wert des Nießbrauchs in Höhe von 60.000 DM ausgegangen seien. Es sei kein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben.

    Möglicherweise sei zwar aufgrund der Nichtberücksichtigung des Erbbauzinses beim Kläger eine Bereicherung eingetreten, doch sei diese nicht auf einem Willen des Veräußerers zur Unentgeltlichkeit zurückzuführen.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 15.5.2001 (Bl. 170 ff Finanzamt-Akte) setzte das Finanzamt die Schenkungsteuer auf 41.311 DM herab, da das Lagefinanzamt den Bedarfswert auf 417.500 DM herabgesetzt hatte.

    Im Klageverfahren hält der Kläger daran fest, dass keine gemischte Schenkung vorliege. Er wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und verweist auf ein Sachverständigengutachten (Bl. 39 ff Finanzgerichts-Akte), in dem der Wert des übertragenen Hälfteanteils auf 293.000 DM festgestellt wird. Dieses Gutachten war für den späteren Verkauf (16.4.1999) der anderen Hälfte des Erbbaurechts durch die unter Betreuung stehende Ehefrau des Verkäufers an die Schwester des Klägers erstellt worden (Kaufpreis 280.000 DM).

    Der Kläger weist ferner darauf hin, dass der Verkäufer, wie durch das Gutachten des Gutachterausschusses und die ergänzenden Schreiben (Bl. 72 -74 Finanzgerichts-Akte) davon ausgegangen sei, dass aufgrund des Nießbrauchsvorbehalts er eine Gegenleistung nur für den Gebäudewert erhalten könne, da der Kläger den Erbpachtvertrag übernehmen musste.

    Nachdem das Lagefinanzamt erneut den Bedarfswert geändert hatte, setzte das Finanzamt mit Änderungsbescheid vom 28.9.2001 (Bl. 80 Finanzgerichts-Akte) die Schenkungsteuer auf 44.298 DM herauf. Während des Klageverfahrens wurde der Bedarfswert nunmehr bestandskräftig auf 293.000 DM herabgesetzt. Eine Änderung der Schenkungsteuerfestsetzung erfolgte bislang nicht.

    Der Kläger beantragt, die Schenkungsteuerfestsetzung in Gestalt der Einspruchsentscheidung und die Änderungsbescheide aufzuheben.

    Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

    Es ist weiterhin der Auffassung, dass in der Streitsache eine gemischte Schenkung vorliege.

    Am 29.3.2006 hat vor dem Senat mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

    Gründe

    II.

    Die Klage ist begründet.

    In der Streitsache liegt keine sogenannte gemischte Schenkung vor. Der Senat hält nicht mehr an seiner im Aussetzungsverfahren vertretenen Auffassung fest.

    Zwar ist bei einem auffallenden Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung grundsätzlich davon auszugehen, dass die Zuwendung im Umfang der Bereicherung unentgeltlich war, d. h. dass dem zuwendenden der Wertunterschied bekannt und bewusst war (vgl. Troll/Gebel/Julicher, ErbStG, § 7 Tz. 289).

    Hier erscheint zum einen äußerst fraglich, ob in der Streitsache überhaupt ein auffallendes (grobes) Missverhältnis vorliegt.

    Wenn man entsprechend dem im Feststellungsverfahren vorgelegten Gutachten und dem Ergebnis des diesbezüglichen Klageverfahrens (4 K 2208/01) von einem Verkehrswert von 293.000 DM ausgeht, muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass es sich nur um den Erwerb eines Hälfteanteils handelte und insoweit in der Urkunde ausdrücklich auf die hiermit verbundenen Beeinträchtigungen hingewiesen wurde. Deshalb erscheint es dem Senat angemessen, von diesem Wert einen Abschlag in Höhe von zumindest 25 v.H. vorzunehmen, so dass sich ein Wert in Höhe von 219.750 DM ergibt. Im Verhältnis hierzu sind zur Ermittlung eines Missverhältnisses die tatsächlichen Gegenleistungen des Klägers zu setzen, d. h. der Kaufpreis in Höhe von 120.000 DM, der Wert des vorbehaltenen Nießbrauchs mit ca. 50.000 DM und der Wert der übergegangenen Erbbauzinsverpflichtung mit ca. 5.000 DM, so dass sich eine Gesamtgegenleistung von ca. 175.000 DM ergibt, dies sind ca. 80 v.H. des Verkehrswerts, so dass ein grobes Missverhältnis kaum bejaht werden kann.

    Der Senat braucht diese Frage jedoch nicht zu vertiefen, weil sich aus den nun vorliegenden Gesamtumständen ergibt, dass dem Verkäufer ein derartiges Missverhältnis nicht bekannt bzw. bewusst war und damit der Wille zu einer unentgeltlichen Zuwendung zu verneinen ist.

    Zum einen spricht die Tatsache, dass der Verkäufer vor dem Verkauf ein Gutachten eingeholt hat, dafür, dass er dem Kläger nichts schenken wollte, sondern einen angemessenen Kaufpreis erzielen wollte. Es wäre nicht verständlich, dass der Veräußerer einerseits nur eine Vergütung für den anteiligen Gebäudewert unter Berücksichtigung des vorbehaltenen Nießbrauchs haben wollte und andererseits den Differenzbetrag zum tatsächlichen Wert des Erbbaurechts unentgeltlich zuwenden wollte. Aufgrund der nunmehr vorliegenden Schreiben (Bl. 72 -74 Finanzgerichts-Akte) steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Verkäufer der Auffassung war, dass er letztlich nur einen Kaufpreis für den Gebäudewert verlangen könne, weil ja der Kläger die Verpflichtung zur Weiterzahlung des Erbbauzinses übernehmen musste. Diese Auffassung erscheint bei einem über 85jährigen juristischen Laien auch durchaus verständlich, zumal die Übernahme bzw. der Übergang der Erbbauzinsverpflichtung auch steuerrechtlich, insbesondere bei der Grunderwerbsteuer und auch bei der Erbschaftsteuer (vgl. Bundesfinanzhof – BFH – Beschluss vom 11.1.2002 II B 55/00, BFH/NV 2002, 790) als Gegenleistung anzusehen ist.

    Hiergegen spricht auch nicht der Umstand, dass der Notar in der Kaufvertragsurkunde in Tz. VIII der Urkunde darauf hingewiesen hat, dass neben den Kosten der Urkunde, der Grunderwerbsteuer usw.) eine etwa anfallende Schenkungsteuer vom Kläger zu tragen sei. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass sich der Verkäufer tatsächlich bewusst war, dem Kläger etwas unentgeltlich zuzuwenden.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt auf §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozessordnung.

    VorschriftenErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1