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  • 08.01.2010

    Finanzgericht München: Urteil vom 24.07.2002 – 4 K 1286/00

    Machen Erben bei der ErbSt-Erklärung als Nachlaßverbindlichkeit geltend, sie würden nun als Rechtsnachfolger der verstorbenen Mutter ihren aus dem Erbfall des Vaters herrührenden Pflichtteilsanspruch gegen die Mutter als dessen Alleinerbin gegenüber sich selbst wegen § 1 o Abs. 3 ErbStG geltend machen, so fehlt es an der wirtschaftlichen Belastung.


    Tatbestand

    Strittig ist, ob die Geltendmachung eines verjährten Pflichtteilsanspruchs (herrührend aus dem Erbfall des früher verstorbenen Vaters) durch die Berechtigten gegenüber sich selbst – als Erben der Pflichtteilsschuldnerin – zu einer vom Erwerb abzugsfähigen Schuld der Erblasserin nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) führt.

    I.

    Am 31. August 1997 verstarb Frau … (Erblasserin). Die Erblasserin war in einziger Ehe verheiratet mit …, verstorben am 19. Dezember 1987. Die Ehe gatten … hatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament vom 16. April 1977 gegenseitig als Erben eingesetzt und als Erben zu gleichen Teilen nach dem Tode des Letztversterbenden ihre Kinder, die Kläger (s. Bl. 4, sog. Berliner Testament). Das Testament ihres Vaters wurde am 20. Januar 1988 eröffnet.

    In der gemeinsamen Erbschaftsteuererklärung vom 13. Juli 1998, die vom steuerlichen Vertreter erstellt wurde, machten die Kläger bei den Nachlassverbindlichkeiten als Schulden der Erblasserin den für beide Kläger auf insgesamt 200.000 DM geschätzten Wert der Pflichtteilsansprüche im Erbfall des vorverstorbenen Vaters geltend. Hierzu wurde ausgeführt, dass sie beim Tode des Vaters, Herrn …, keinen Pflichtteilsverzicht erklärt hätten. Der Pflichtteilsanspruch sei lediglich nicht geltend gemacht, sondern gegenüber der Erbin, also der Mutter der jetzigen Erben, gestundet worden (Bl. 14 FA-Akte).

    Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 7. Januar 1999 setzte das Finanzamt (FA) aus einem auf 733.685 DM berechneten Wert des halben Erbanteils die Erbschaftsteuer nach Abzug des Freibetrages von 400.000 DM in Steuerklasse I auf 11 % von 333.600 DM = 36.696 DM fest.

    Dabei versagte das FA den Abzug des Pflichtteilsanspruches nach dem Vater als Nachlassverbindlichkeit mit der Begründung, dass der Abzug als Nachlassverbindlichkeit voraussetze, dass der Anspruch geltend gemacht und anerkannt worden sei, da nur dann am Todestag eine Pflichtteilsschuld bestehe und eine wirtschaftliche Belastung darstelle. Aus der Erbschaftsteuererklärung gehe jedoch hervor, dass ein Pflichtteilsanspruch von den Erben bis zum Todestag der Erblasserin am 31. August 1997 nicht geltend gemacht worden sei.

    Während des Einspruchsverfahrens setzte das FA X. mit Bescheid vom 2. März 1999 den Grundstückskaufwert auf 1.000.000 DM herab (1/2 Anteil je Erbe = 500.000 DM).

    Mit gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 172 Abs. 1 Nr. 2 a Abgabenordnung (AO) geändertem Erbschaftsteuerbescheid vom 22. März 1999 setzte das FA insoweit die Erbschaftsteuer auf 17.446 DM herab (s. Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2000).

    Mit der Klage tragen die Kläger vor, dass die Pflichtteilsverbindlichkeiten aus dem Erbfall des Vaters nicht berücksichtigt worden seien. Die jetzigen Erben hätten zwar den Pflichtteilsanspruch seinerzeit nicht geltend gemacht, aber auch nicht darauf verzichtet. Der Anspruch habe latent fortbestanden. Es hätte lediglich die Einrede der Verjährung geltend gemacht werden können. Die nunmehrigen Erben machten den Anspruch nunmehr geltend und verzichteten auf die Verjährungseinrede mit der Folge, dass der damalige Anspruch heute als Nachlassverbindlichkeit der Erblasserin zu berücksichtigen sei. Wenn man den Wert des Nachlasses im Erbfall … mit 1.000.000 DM schätze, betrage der Pflichtteil für beide Kinder zusammen 200.000 DM.

    Die Kläger beantragen,

    unter Änderung der Einspruchsentscheidungen vom 17. Februar 2000 und der geänderten Erbschaftsteuerbescheide vom 22. März 1999 bzw. vom 1. Februar 2002 die Pflichtteilsansprüche der Kläger in Höhe von jeweils 100.000 DM anzuerkennen.

    Das FA beantragt Klageabweisung.

    Am 24. Juli 2002 hat vor dem Senat mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

    Mit Änderungsbescheid vom 1. Februar 2002 erklärte das FA wegen der etwaigen Verfassungswidrigkeit des Erbschaftsteuergesetzes (s. BStBl I 2001, 985) die Steuerfestsetzung in vollem Umfang für vorläufig.

    Gründe

    II.

    Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist insoweit auf die Begründung der Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2000, die keinen Rechtsfehler erkennen lässt und der er sich anschließt.

    Ergänzend führt der Senat aus:

    Wie der Senat bereits mit Urteil vom 7. Oktober 1992 4 K 5239/89, UVR 1993, 55, hervorgehoben hat, gilt das Gebot der wirtschaftlichen Belastung auch im Erbschaftsteuergesetz bei der Bewertung von Erblasserschulden (s. Troll, ErbStG, § 10 Rz. 129). Dieses bereits vom RFH (s. Urteile vom 25. Mai 1938 III e 29/38, RStBl 1938, 620 und vom 24. November 1938 III e 64/38, RStBl 1939, 496) herausgestellte Erfordernis hat der BFH mit Urteil vom 24. März 1999 II R 34/97 (BFH/NV 1999, 1339) bestätigt. Daran fehlt es, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse angenommen werden kann, dass der Gläubiger seine Forderung nicht geltend machen wird (s. BFH, a.a.O., S. 1340 m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Dass sich dieses Gebot nicht aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 ErbStG ergibt, ist demnach unschädlich (insoweit kritisch Meincke, ErbStG, 13. Aufl., § 10 Anm. 28, ansonsten jedoch zustimmend s. § 3 Anm. 52; so auch Moench, ErbStG, § 3 Anm. 120 sowie in DStR 1987, S. 144).

    Die vor allem von Murschler (ZEV 2001, 377, 383, 384) erhobene Kritik an der Rechtsprechung des Senats verkennt, dass im Gegensatz zum Zivilrecht im Erbschaftsteuergesetz das Gebot wirtschaftlicher Belastung gilt. Die wirtschaftliche Belastung des Erblassers, d. h. des letztversterbenden Ehegatten, wird von der Gegenmeinung ohne weiteres unterstellt, obwohl nicht festgestellt werden kann, ob dieser nicht die Einrede der Verjährung geltend gemacht hätte. Im Gegensatz zu dem Sachverhalt, der dem Urteil des Senats vom 7. Oktober 1992 zugrunde lag, hatte hier nicht die Mutter auf die Verjährungseinrede in unverjährter Zeit verzichtet. Nachdem keine Geltendmachung erfolgt war, kann es sich bei der behaupteten „Stundung” nur um ein internes Stillhalten handeln. Eine die Verjährung hemmende Stundung setzt gemäß § 202 Bürgerliches Gesetzbuch voraus, dass die Fälligkeit eines geltend gemachten Anspruchs dergestalt hinausgeschoben wird, dass der Mutter als Verpflichteter ein Leistungsverweigerungsrecht zugestanden hätte (s. Palandt, BGB, 60. Aufl., § 202 Rn. 4).

    Außerdem machen gerade in Fällen des sog. Berliner Testaments (§ 2269 BGB) die Schlusserben oft bewusst ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Tode des Erstversterbenden nicht geltend, um nicht ihre Einsetzung als Schlusserben zu gefährden, falls entsprechende Klauseln vereinbart wurden (s. dazu Münchener Kommentar, 3. Aufl., § 2269 Anm. 65 ff).

    Ihnen dann nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils die Geltendmachung nachträglich zu gestatten, erscheint lebensfremd.

    Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

    VorschriftenErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1, ErbStG § 10 Abs. 3, BGB § 202, BGB § 2269