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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 07.10.2003 – 13 K 6898/00 E

    Der Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entsteht in Fällen, in denen die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft mangels Masse abgelehnt wird, grundsätzlich im Zeitpunkt der diesbezüglichen Beschlussfassung des Amtsgerichts. Ungewissheiten über die Höhe einzelner Belastungspositionen stehen der Verlustentstehung nicht entgegen. Nachträgliche Änderungen einzelner Positionen können als rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO im Verlustentstehungsjahr berücksichtigt werden.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 13. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 07.10.2003, an der teilgenommen haben:

    Vorsitzender Richter am Finanzgericht …

    Richter am Finanzgericht …

    Richterin am Finanzgericht …

    Ehrenamtlicher Richter …

    Ehrenamtliche Richterin …

    auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Streitig ist die Berücksichtigung eines Verlustes aus einer wesentlichen Beteiligung gemäß § 17 EStG.

    Die Kläger wurden im Streitjahr 1999 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war zu 30 % (15.000 DM) am Stammkapital der 1996 gegründeten Firma X.XX. GmbH …l (im Folgenden: GmbH) beteiligt. Das Stammkapital der GmbH wurde am 08.01.1997 eingezahlt. Mit Verträgen vom 23.01.1998 und 20.02.1998 übernahm der Kläger gemeinsam mit dem weiteren Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft gegenüber der Volksbank E. eine gesamtschuldnerische Bürgschaft in Höhe von insgesamt 400.000 DM. Am 18.09.1998 stellte der Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einen Antrag auf Konkurseröffnung, der vom Amtsgericht I. mit Beschluss vom 20.11.1998 mangels Masse abgelehnt wurde.

    Auf Grund eines am 30.04.1999 abgeschlossenen Vergleiches wurde die Inanspruchnahme des Klägers aus der Bürgschaft auf 60.000 DM beschränkt. Die Zahlung erfolgte in zwei Raten am 07.05.1999 und am 03.08.1999. In seiner Einkommensteuererklärung für 1999 machte der Kläger einen Verlust aus der Beteiligung an der GmbH wie folgt geltend:

    Anteil am Stammkapital15.000,00 DM
    Bürgschaftsverpflichtung Volksbank E.60.000,00 DM
    darlehnsweise zur Verfügung gestellter Bruttolohn 8/19989.705,88 DM
    Steuerberatungskosten1.049,80 DM
    Rechtsanwaltskosten5.796,11 DM
    Aufwendungen im Zusammenhang mit der Abwicklung der GmbH8.525,24 DM
    Summe100.077,03 DM


    Der Beklagte berücksichtigte den geltend gemachten Verlust bei der Einkommensteuerveranlagung 1999 nicht. Er erließ jedoch für das Jahr 1998 einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem er einen Verlust in Höhe von 91.552,00 DM anerkannte. Die im Zusammenhang mit der Abwicklung angefallenen Kosten i. H. v. 8.525,24 DM berücksichtigte er nicht.

    Die Kläger legten gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 10.05.2000 Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb. Auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 02.11.2000 wird Bezug genommen.

    Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Anerkennung des geltend gemachten Verlustes im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1999.

    Sie sind der Auffassung, dass als Zeitpunkt der Auflösung im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG derjenige Veranlagungszeitraum anzusehen sei, in welchem der Auflösungsverlust oder Gewinn nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung realisiert sei. Danach sei der Verlust in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem das auf die wesentliche Beteiligung entfallende Gesellschaftsvermögen verteilt werde. Zwar könne der Auflösungsverlust schon in einem früheren Jahr zu erfassen sein, wenn mit einer wesentlichen Änderung nicht mehr zu rechnen sei. Hier habe im Jahr 1998 der Auflösungsverlust noch nicht festgestanden, da noch Unabwägbarkeiten bezüglich des Verbleibens von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens und des Warenbestandes bestanden hätten. Folglich hätten sich im Jahr 1999 nicht nur geringfügige Änderungen ergeben. Insbesondere habe die Höhe der Inanspruchnahme des Klägers aus der Bürgschaft im Jahr 1998 noch nicht festgestanden. Der Vergleich mit der Volksbank E. sei erst am 30.04.1999 abgeschlossen worden. Darüber hinaus habe der Kläger in 1998 Kosten in Höhe von insgesamt 8.525,24 DM für die GmbH übernommen, durch die die baldmöglichste Abwicklung der Gesellschaft habe gewährleistet werden sollen. Bei den Kosten habe es sich um Aufwendungen gehandelt, die im Zusammenhang mit der Veräußerung des noch vorhandenen Warenbestandes entstanden seien (Speditionskosten, Telefonkosten, Lagerkosten). Eine Erstattung dieser Beträge durch die GmbH sei nicht erfolgt. Folglich habe der Kläger der GmbH die Beträge in der Krise darlehnsweise zur Verfügung gestellt. Auch diese Kosten seien als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Berechnung des Verlustes aus § 17 EStG zu berücksichtigen.

    Die Kläger beantragen,

    unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 02.11.2000 den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 10.05.2000 dahingehend abzuändern, dass ein Verlust gemäß § 17 EStG in Höhe von 100.078 DM berücksichtigt wird,

    die Hinzuziehung eines Beistandes für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

    für den Fall des Unterliegens oder Teilunterliegens die Revision beim BundesfinanzI. zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er vertritt die Auffassung, dass als Jahr der Auflösung im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG derjenige Veranlagungszeitraum anzusehen sei, in dem der Auflösungsgewinn oder -verlust nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung realisiert sei. Insoweit gelte eine Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns bzw. Verlustes. Maßgebend sei deshalb, ob und wann dem Gesellschafter kraft Gesellschaftsrecht ein Anspruch auf Auskehrung des noch verteilungsfähigen Gesellschaftsvermögens zustehe. Demnach sei ein Auflösungsgewinn in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem das auf die wesentliche Beteiligung entfallende Gesellschaftsvermögen verteilt werde. Ein Auflösungsverlust könne jedoch auch zu einem früheren Zeitpunkt zu erfassen sein, wenn mit wesentlichen Änderungen des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen sei. Im Streitfall habe, da die Konkurseröffnung mangels Masse abgelehnt worden sei, bereits im Zeitpunkt der Auflösung der GmbH festgestanden, dass mit einer Zuteilung oder Auszahlung im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu rechnen gewesen sei. Der Auflösungsverlust sei daher bereits zu diesem Zeitpunkt im Jahr 1998 entstanden. Der Umstand, dass die Höhe der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft im Jahr 1998 noch nicht festgestanden habe, ändere am Zeitpunkt der Verlustentstehung nichts. Dieser Umstand sei gemäß § 175 Abs. 1 Satz Nr. 2 Abgabenordnung (AO) als rückwirkendes Ereignis auf das Jahr der Verlustentstehung zurückzubeziehen.

    Soweit die Kläger weitere mit der Abwicklung im Zusammenhang stehende Aufwendungen als Verlust geltend machten, könne die Frage, ob es sich hierbei um berücksichtigungsfähige nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung handele oder nicht, dahinstehen, da auch die nach Auflösung der Gesellschaft angefallenen nachträglichen Anschaffungskosten auf das Jahr des Entstehens des Auflösungsverlustes, hier des Jahres 1998, zurückzubeziehen seien.

    Der Senat hat am 07.10.2003 mündlich verhandelt. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 10.05.2000 und die Einspruchsentscheidung vom 02.11.2000 sind rechtmäßig. Das Finanzamt hat zu Recht bei der Einkommensteuerveranlagung für 1999 keinen Verlust nach § 17 EStG berücksichtigt. Der Verlust war vielmehr bei der Einkommensteuerveranlagung 1998 auszugleichen; dieses Jahr ist nicht streitbefangen.

    Nach § 17 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 EStG in der für 1998 und 1999 geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält. Unter bestimmten, in § 17 Abs. 2 S. 4, Abs. 4 EStG aufgeführten Voraussetzungen kann auch ein aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstandener Verlust eines wesentlich beteiligten Gesellschafters berücksichtigt werden. Der Kläger hat diese Voraussetzung des § 17 Abs. 2, Abs. 4 EStG bereits in 1998 und nicht erst im Streitjahr (1999) erfüllt. Der Verlust hat sich in 1998 realisiert und ist deshalb – ausschließlich – in diesem Jahr ausgleichsfähig. Soweit sich der 1998 dem Grunde nach entstandene Verlust später der Höhe nach verändert hat, wirkt dies auf die Berechnung und den Ausgleich des Verlustes 1998 zurück.

    Der für § 17 Abs. 2 EStG maßgebliche Auflösungs- oder Veräußerungsverlust ist zeitpunktbezogen zu ermitteln. Die Berücksichtigung eines nachträglichen Aufwands außerhalb der Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG ist nicht möglich. Ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen besteht insoweit nicht (BFH-Urteil vom 03.06.1993 VIII R 81/91, BStBl. II 1994, 162).

    Die Entstehung des Auflösungsverlustes setzt die zivilrechtliche Auflösung der Gesellschaft voraus (BFH-Urteil vom 03.10.1989 VIII R 328/94, BFH/NV 1990, 361; BFH in BStBl. II 1994, 162, BFH-Urteil vom 14.06.2000 XI R 39/99, BFH/NV 2001, 302). Diese erfolgte im Streitfall durch den Beschluss des Amtsgerichts I. vom 28.10.1998, wodurch der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse nach §§ 107, 72 KO abgelehnt wurde. Ein solcher Beschluss führt zur zivilrechtlichen Auflösung der Gesellschaft und damit auch zur Auflösung im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG (BFH in BStBl. II 1994, 162).

    Nach der Auflösung der Gesellschaft bestimmt sich der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsverlustes nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (BFH in BStBl. II 1994, 162). Hieraus leitet die BFH-Rechtsprechung ab, dass im Falle der Auflösung mit anschließender Liquidation der Gewinn oder Verlust grundsätzlich erst auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation zu ermitteln ist. Wird die Eröffnung des Konkursverfahrens allerdings – wie im Streitfall – mangels Masse abgelehnt, so soll bereits dadurch ein möglicher Auflösungsverlust entstanden sein (BFH-Urteil vom 24.10.1992 VIII R 87/89, BStBl. II 1993, 340; BFH-Beschluss vom 27.11.1995 VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406, BFH-Urteil vom 12.10.1999 VIII R 46/98, BFH/NV 2000, 561; BFH-Urteil vom 25.01.2000 VIII R 63/98, BStBl II 2000, 343; BFH-Urteil vom 27.11.2001 VIII R 36/00, BStBl II 2002, 731). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Fraglich erscheint lediglich, ob die BFH-Rechtsprechung dahingehend zu verstehen ist, dass die Entstehung des Auflösungsverlustes im Jahre der Ablehnung der Konkurseröffnung ausnahmslos anzunehmen ist oder – zumindest in besonderen Fällen – von weiteren Voraussetzungen abhängig ist. Nach den Ausführungen in den letztgenannten Entscheidungen kann von einer Verlustrealisierung bei der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse ohne weiteres ausgegangen werden. Demgegenüber wird in den BFH-Urteilen vom 03.06.1993 VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162 und VIII R 23/92 BFH/NV 1994, 459 darauf hingewiesen, es könne im Zeitpunkt der Auflösung der Kapitalgesellschaft wegen Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse feststehen, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen nicht mehr zu rechnen sei und ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige Aufwendungen entstanden seien, wobei (nur) das nachträgliche Entstehen von Aufwendungen in unwesentlicher Höhe unerheblich sei. Hieraus ließe sich ableiten, dass es auch bei einer Ablehnung der Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels Masse der konkreten Prüfung der Vermögensverhältnisse auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene bedarf und etwaige Ungewissheiten in der Beurteilung den Zeitpunkt der Verlustrealisierung hinausschieben. Der Senat lässt offen, ob die BFH-Rechtsprechung dahingehend zu verstehen ist, da auch bei einer solchen engeren Betrachtungsweise im Streitfall die Verlustrealisierung in 1998 anzunehmen wäre. Auch unter konkreter Prüfung der Vermögensverhältnisse auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene sind nämlich keine Gründe dafür erkennbar, dass die Verlustrealisierung erst den Jahren nach 1998 zeitlich zuzuordnen ist.

    Auf Gesellschaftsebene waren die Vermögensverhältnisse so, dass mit Auskehrung von Gesellschaftsvermögen an den Kläger nicht mehr zu rechnen war. Dies ergibt sich – wenn man nicht schon auf den amtsgerichtlichen Beschluss vom 28.10.1998 abstellt – zumindest aus den beigezogenen Akten, die dem Beschluss des Amtsgerichts I. zu Grunde lagen (N 141/98), insbesondere aus der Begründung des Konkursantrags (Schreiben der GmbH vom 02. und 05.10.1998 nebst Anlagen) und aus dem Konkursgutachten vom 23.10.1998.

    Aus der Gesamtberechnung der Gutachterin ergab sich eine Überschuldung der GmbH. Anhaltspunkte für den nicht weiter substantiierten und nicht unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers, dass noch Unabwägbarkeiten etwa bezüglich des Verbleibens von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens und des Warenbestands bestanden hätten, sind der Konkursakte nicht zu entnehmen. Zum Anlagevermögen gehörten nach dem Gutachten ausschließlich der Fuhrpark, dessen Verkehrswert mit 8.000,00 DM und dessen Wert für die Konkursmasse nach Abzug von Ausgleichsbeträgen aus der Sicherungsübereignung mit 3.000,00 DM angesetzt wurde. Darüber hinaus gehörte nur noch die Betriebs- und Geschäftsausstattung mit einem geschätzten Veräußerungserlös von 6.500,00 DM zum Anlagevermögen, wobei der Wert für die Masse wegen des Vermieterpfandrechts mit 0,00 DM bewertet wurde. Grundstücke und Maschinen waren nicht vorhanden. Der Warenbestand stand zum Teil unter Eigentumsvorbehalt; im Übrigen war er der Volksbank E. sicherungsübereignet. Die Kundenforderungen waren an die Volksbank E. zur Sicherung ihrer Ansprüche abgetreten.

    Auf Gesellschaftsebene zeichneten sich demnach keine wesentlichen Veränderungen ab, die den endgültigen Verlust der Einlage des Klägers in Frage stellen konnten. Insbesondere war nicht mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen an ihn zu rechnen.

    Auf Gesellschafterebene stand zwar die Höhe der Belastung aus der Bürgschaftsverpflichtung in 1998 noch nicht endgültig fest. Dies steht der Verlustrealisierung in 1998 aber nicht entgegen. Denn fordert man für die Verlustrealisierung i. S. d. § 17 des „Feststehen” des Verlustes bezüglich der nachträglichen Anschaffungskosten, (BFH Urteil vom 25.03.2003 VIII R 24/02 n. v.; BFH in BFH/NV 2001, 302), kann es nach Auffassung des Senats allenfalls darauf ankommen, ob die verlustbegründenden Umstände feststanden (vgl. auch BFH Urteil vom 26.01.1999 VIII R 32/96 BFH/NV 1999, 922). Das ist im Streitfall für 1998 zu bejahen, auch wenn die endgültige wirtschaftliche Belastung erst in 1999 eingetreten ist.

    Der Kläger war aus der Bürgschaft schon in 1998 in Anspruch genommen worden. Es bestand auch kein Zweifel daran, dass die Rückgriffsansprüche gegen die Gesellschaft wertlos waren. Offen war lediglich, ob durch die Verwertung des an die Volksbank E. sicherungsübereigneten Warenbestands ein Teil ihrer Forderungen gegenüber der GmbH erfüllt und insoweit auch die Bürgschaftsverpflichtung verringert werden konnte. Dies betraf aber allenfalls einen Teil der durch die Bürgschaftsverpflichtung gesicherten Darlehnsansprüche der Bank, da diese den Warenwert bei weitem überstiegen. Die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft stand damit dem Grunde nach fest. Der Kläger musste ernsthaft damit rechnen, dass die Volksbank ihre bereits geltend gemachten Bürgschaftsansprüche gerichtlich durchsetzen würde, ohne dass dem Kläger werthaltige Rückgriffsansprüche gegen die Gesellschaft zustanden. Ein Kaufmann wäre in dieser Situation zur Bildung einer Rückstellung verpflichtet gewesen (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 27.11.2001 VIII R 36/00, BStBl. II 2002, 731 und BFH in BFH/NV 1999, 922). Etwaige Unsicherheiten in der Bewertung und Verwertbarkeit des Warenbestands und ihre Auswirkungen auf die Bürgschaftsverpflichtung betreffen deren Bewertung im Rahmen einer fiktiven Rückstellung, nicht aber ihr Entstehen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Kläger wirtschaftlich in 1998 nicht in der Lage war, zumindest den Betrag zu leisten, den er auf Grund des späteren Vergleichs letztlich gezahlt hat. Auch bildet der Umstand, dass das Ergebnis der Vergleichsverhandlung mit der Bank in 1998 noch nicht feststand, keinen Grund, den Zeitpunkt der Verlustrealisierung hinauszuzögern. Das Ergebnis der Vergleichsverhandlungen wirkt auf den Zeitpunkt der Verlustentstehung zurück. Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, mit welchem Betrag die Bürgschaftsverpflichtung in 1998 zu bewerten war. Entscheidend ist lediglich, dass die wertbildenden Faktoren und damit der Zeitpunkt der Verlustrealisierung in 1998 feststanden. Eine Änderung der wertbildenden Umstände d. h. eine Erhöhung oder Minderung des in 1998 entstandenen Verlustes durch besondere Umstände in 1998 würden sich demnach als ein auf 1998 zurückwirkendes Ereignis darstellen, das den Auflösungsverlust ausschließlich in dem Entstehungsjahr beeinflusst.

    Dies gilt sowohl für das Ergebnis des 1999 geschlossenen Vergleichs als auch für die sonstigen Kosten, insbesondere die Aufwendungen des Klägers für die Warenverwertung. Diese hat der Kläger getragen, um mit der Verwertung der sicherungsübereigneten Waren die Hauptverbindlichkeiten und damit auch seine Bürgschaftsverpflichtung zu reduzieren. Die Kosten sind deshalb für die Bewertung der Bürgschaftsverpflichtung relevant und haben keine eigene wirtschaftliche Bedeutung.

    Eine von der Auffassung des Senats abweichende, mit der klägerischen übereinstimmende Rechtsansicht würde außerdem dazu führen, dass die steuerliche Geltendmachung eines Auflösungsverlustes bei der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse erst dann möglich wäre, wenn die Höhe des tatsächlich zu leistenden Bürgschaftsbetrages endgültig feststände. Dies kann u. U. aber mehrere Jahre dauern, insbesondere wenn gerichtliche oder außergerichtliche Verhandlungen mit der Gläubigerbank über die Zahlungsverpflichtung geführt werden oder die Verwertung anderer Sicherheiten abgewartet werden soll. Ein steuerlicher Verlustausgleich würde bis dahin zu unterbleiben haben, obwohl unstreitig feststände, dass ein Verlust – insbesondere aus dem der Einlage – dem Grunde nach und in einer Mindesthöhe bereits entstanden ist. Demgegenüber ist nach Auffassung des Senats eine Bewertungsunsicherheit bezüglich der dem Grunde nach schon bestehenden Bürgschaftsverpflichtung dadurch Rechnung zu tragen, dass diese u. U. im Rahmen des vorläufigen Auflösungsverlustes mit 0,00 DM anzusetzen ist. Die Bewertungsunsicherheit hindert aber nicht die Verlustrealisierung und damit den steuerlichen Ausgleich des bereits – auf Grund der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens – fest stehenden und sicher quantifizierbaren Mindestverlustes.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Der Senat geht davon aus, dass die dargelegte Rechtsauffassung mit der BFH-Rechtsprechung konform geht.

    VorschriftenEStG § 17 Abs 2, EStG § 17 Abs 4, AO § 175, AO § 175 Abs 1, AO § 175 Abs 1 Nr 2, KO § 72, KO § 107, EStG § 17