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  • 08.01.2010

    Finanzgericht München: Urteil vom 23.10.2001 – 12 K 3588/00

    Wurde ein Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung zum 31.12.1998 beendet, so ist bei Auszahlung der Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes im Januar 1999, und damit vor In-Kraft-Treten des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, die Freibetragsregelung nach § 3 Nr. 9 EStG in der bis 1998 gültigen Fassung anzuwenden, wogegen der ermäßigte Steuersatz auf den steuerpflichtigen Teil der Abfindung nach der ab 1999 eingeführten Fünftel-Regelung zu berechnen ist (keine Anwendung des bis 1998 gültigen „halben” durchschnittlichen Steuersatzes; kein Verstoß des Gesetzgebers gegen das Rückwirkungsverbot).


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In der Streitsache

    wegen Einkommensteuer 1999

    hat der 12. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht … des Richters am Finanzgericht … des Richters am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung vom 23. Oktober 2001

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

    Tatbestand

    Streitig ist, welche Fassung der Steuervergünstigung nach § 34 EStG auf eine Abfindung, die anlässlich der Auflösung eines Dienstverhältnisses vereinbart und bezahlt worden ist, zur Anwendung zu bringen ist.

    Die Kläger sind verheiratet; sie werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Durch Auflösungsvereinbarung vom 21. Oktober 1996 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers (Kl) zu 1. mit der Firma … zum 31. Dezember 1998 beendet. Als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes stand dem Kl zu 1. ein Betrag i.H.v. 231.500,– DM zu. Die Auszahlung der Abfindung erfolgte nach den Eintragungen in der Lohnsteuerbescheinigung vereinbarungsgemäß im Januar 1999. Die Kläger haben hierfür im Behördenverfahren die ermäßigte Besteuerung für außerordentliche Einkünfte beantragt. Der Beklagte … sprachte für die Entschädigungsleistung im Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 19. April 2000 einen Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG i.H.v. 36.000,– DM zum Abzug und gewährte für den Differenzbetrag (195.500,– DM) die beantragte ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 S. 2 EStG. Zur Anwendung gelangte dabei § 34 Abs. 1 S. 2 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999, 2000, 2002 (BStBl. I 1999, 304; – EStG 1999–).

    Die Kl vertreten demgegenüber als Begründung zu ihrem Einspruch, über den noch nicht entschieden wurde, sowie als Begründung zu der mit Schriftsatz vom 04. August 2000 (Eingang bei Gericht am 07. August 2000) erhobenen Klage, zu der das FA seine Zustimmung gemäß § 45 Abs. 1 FGO erklärt hat (Eingang der Erklärung bei Gericht am 21. August 2000), es müsse § 34 EStG in der für 1998 geltenden Fassung zur Anwendung gelangen, weil die Vereinbarung über die Abfindung vor dem 01. Januar 1999 abgeschlossen worden sei.

    Die Kläger beantragen, die Einkommensteuer für 1999 unter Änderung des Bescheides vom 19. April 2000 durch Anwendung des hälftigen durchschnittlichen Steuersatzes gemäß § 34 EStG 1998 auf außerordentliche Einkünfte um 27.896,– DM niedriger festzusetzen.

    Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

    Es macht geltend, dass für vor dem 01. Januar 1999 abgeschlossene Abfindungsvereinbarungen nach § 52 Abs. 5 EStG 1999 noch der bis 31. Dezember 1998 geltende Freibetrag des § 3 Nr. 9 EStG zu gewähren, für die Steuervergünstigung nach § 34 EStG jedoch die ab 01. Januar 1999 geltende Regelung anzuwenden sei (§ 52 Abs. 47 EStG 1999).

    Weitere Einzelheiten ergeben sich aus den gewechselten Schriftsätzen sowie aus den Behördenakten, auf die Bezug genommen wird.

    Die ursprünglich auch wegen Stabilitätszuschlag zur Einkommensteuer 1999 erhobene Klage wurde zurückgenommen. Das Gericht hat daraufhin das Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt (Beschluss vom 23. Oktober 2001).

    Am 23. Oktober 2001 hat vor dem erkennenden Gericht Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Auf die Niederschrift hierüber wird verwiesen.

    Gründe

    1. Die Klage ist zulässig.

    1.1 Die Voraussetzungen einer zulässig erhobenen Sprungklage liegen allerdings nicht vor. Zwar hat das FA innerhalb eines Monats ab Klageerhebung seine Zustimmung zur Sprungklage nach § 45 Abs. 1 FGO erteilt. Als Sprungklage ist die Klage aber nicht rechtzeitig erhoben worden. Die Monatsfrist zur Erhebung einer Klage läuft bei einer Sprungklage, die gegen einen Steuerbescheid geführt wird, ab der Bekanntgabe des Bescheids (§ 47 Abs. 1 FGO). Im Streitfall wurde der Einkommensteuerbescheid 1999 am 19. April 2000 zur Post gegeben. Zum Zeitpunkt des Eingangs der Klage bei Gericht am 07. August 2000 war damit die Klagefrist längst abgelaufen. Gründe, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, wurden nicht vorgetragen und sind auch sonstwie nicht ersichtlich.

    1.2 Die Klage ist aber als sog. unechte Untätigkeitsklage zulässig. Über den Einspruch der Kläger vom 27. April 2000 gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 19. April 2000 hat das FA ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden. Das FA hat vielmehr durch seine Zustimmung zur (unzulässigen) Sprungklage zu erkennen gegeben, dass es über den Einspruch nicht zu entscheiden gedenkt. Danach ist die Klage als Untätigkeitsklage nach § 46 FGO zulässig. Unerheblich ist dabei, dass die Klage vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des Einspruchs erhoben wurde (§ 46 Abs. 1 S. 2 FGO). Die vorzeitig erhobene Klage ist mit Ablauf der Frist zulässig geworden (Gräber, FGO, Komm., 4. Aufl. § 46 RNr. 13 und die dort angeführten Hinweise zur Rechtsprechung).

    2. Die Klage ist aber unbegründet.

    2.1 Zu Recht hat das FA den Abfindungsbetrag der Besteuerung im Jahr 1999 zugeführt.

    Nach § 11 Abs. 1 S. 1 EStG sind Einnahmen innerhalb desjenigen Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, zu denen auch Entschädigungszahlungen gehören, die anlässlich der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses vereinbart und geleistet werden (§ 24 Nr. p EStG), verweist § 11 Abs. 1 S. 3 EStG auf § 38 a Abs. 1 S. 2 und 3 EStG. Dort wird zwischen laufendem und nicht laufendem Arbeitslohn (sonstige Bezüge) unterschieden. Für sonstige Bezüge gilt nach § 38 a Abs. 1 S. 3 EStG das reine Zuflussprinzip des § 11 EStG. Bei der streitbefangenen Entschädigungsleistung handelt es sich um einen derartigen sonstigen Bezug außerhalb des laufenden Arbeitslohns. Maßgeblich ist daher für die steuerliche Erfassung der Abfindung, dass der Kl zu 1. die Entschädigungsleistung 1999 ausbezahlt erhalten hat (BFH – Beschluss vom 29. Mai 1998 VI B 275/97, BFH/NV 1998, 1477). Unerheblich bleibt demgegenüber insoweit, zu welchem Zeitpunkt die Entschädigungsleistung und ihre Höhe bestimmt und vereinbart wurden.

    2.2 Zu Recht hat das FA außerdem auf die Entschädigungsleistung die Steuervergünstigung nach § 34 EStG 1999 angewandt. Die Neugestaltung der Begünstigung außerordentlicher Einkünfte, die § 34 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999, 2000, 2002 erfahren hat, ist – worauf das FA zutreffend hingewiesen hat – nach § 52 Abs. 47 EStG 1999 erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden. Danach entspricht die vom FA dem Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 19. April 2000 zugrundegelegte Berechnung (sog. Fünftelregelung, § 34 Abs. 1 S. 2 EStG 1999) den gesetzlichen Vorgaben.

    Aus dem Umstand, dass der Kl zu 1. die Entschädigungsleistung zu einem Zeitpunkt (Januar 1999) ausbezahlt erhalten hat, in dem die Neufassung von § 34 EStG noch nicht gegolten hat, weil das Steuerentlastungsgesetz 1999 ff noch nicht beschlossen (Zustimmungsbeschluss des Bundesrats vom 19. März 1999, FR 1999, 333) und verkündet (24. März 1999, BStBl. I 1999, 304) war, folgt nichts anderes. Die Umstellung der Behandlung der Steuervergünstigung für Entschädigungsleistungen von der Anwendung des halben Steuersatzes (§ 34 Abs. 1 S. 2 EStG 1998) zur sog. Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 S. 2 EStG 1999) enthält zwar als Folge der Anwendungsanordnung in § 52 Abs. 47 EStG eine Neubeurteilung auch für Lebenssachverhalte, die in der Zeit vom 01. Januar 1999 bis zum Inkrafttreten des Steuersenkungsgesetzes 1999 ff verwirklicht wurden. Damit ist jedoch kein Verstoß gegen den nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu gewährenden Schutz des Vertrauens in die bestehende Rechtslage (Art. 20 Abs. 3 GG) in Form einer unzulässigen Rückwirkung belastungserhöhender Gesetze verbunden. Dies folgt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 19. Dezember 1961 2 BvR 1/60, BStBl. I 1962, 489; Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BStBl. II 1986, 628, 645), der die finanzgerichtliche Rechtsprechung gefolgt ist (vgl. BFH – Urteile vom 25. Juni 1992 IV R 9/92, BStBl. II 1992, 702, und vom 02. September 1992 XI R 31/91, BStBl. II 1993, 151), daraus, dass der Steueranspruch nach § 36 Abs. 1 EStG erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht und daher die Rechtsfolgen einkommensteuerlicher Tatbestandsverwirklichung erst mit Ablauf des Kalenderjahrs eintreten. Der Gesetzgeber war daher nicht daran gehindert, die vom 01. Januar 1999 bis 23. März 1999 verwirklichten Steuertatbestände in die Neuregelung des § 34 Abs. 1 S. 2 EStG einzubeziehen.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG 1999 § 34 Abs. 1 S. 2, EStG 1998 § 34 Abs. 1, EStG 1999 § 3 Nr. 9, EStG 1998 § 3 Nr. 9, EStG 1999 § 52 Abs. 5, EStG 1999 § 52 Abs. 47, EStG § 11 Abs. 1 S. 1, EStG § 24 Nr. 1, EStG § 38a Abs. 1 S. 2, GG Art. 20