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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 25.03.2009 – 11 K 2484/04

    1. Wurde in einem finanzgerichtlichen Klageverfahren gegen den Jahres-Umsatzsteuerbescheid u.a. festgestellt, dass die klagende OHG schon vor Beginn des Streitjahres nicht mehr bestanden habe und dass die von der Klägerin in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das Streitjahr angemeldeten und versteuerten Umsätze einem anderen Unternehmen zuzurechnen seien, und hat das Finanzamt daraufhin den gegen die Klägerin erlassenen Jahres-Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr aufgehoben, obwohl die OHG im Streitjahr tatsächlich nicht vollbeendet war, so werden für den streitigen Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuerzahlungen nicht wieder die Festsetzungen für die Voranmeldungszeiträume maßgeblich.

    2. Sind die Zahlungen aufgrund der Voranmeldungen im Namen und für Rechnung der klagenden OHG geleistet worden, so steht nach Aufhebung des Jahres-Umsatzsteuerbescheids vielmehr nur ihr ein Erstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO hinsichtlich der für das Streitjahr bezahlten Umsatzsteuer zu. Das Finanzamt ist nicht berechtigt, nunmehr in einem Abrechnungsbescheid und damit im Erhebungsverfahren die namens der Klägerin bezahlte Umsatzsteuer auf das Steuerkonto eines anderen Unternehmens, das die streitigen Umsätze möglicherweise erbracht hat, umzubuchen; es kann der OHG die Geltendmachung des durch Aufhebung des Jahres-Umsatzsteuerbescheids begründeten Erstattungsanspruchs auch nicht unter Berufung auf Treu und Glauben versagen.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 11. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 25. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht … sowie den ehrenamtlichen Richter … und den ehrenamtlichen Richter …

    für Recht erkannt:

    Abweichend von dem Bescheid vom 8. Dezember 2003 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 2004 wird ein Erstattungsbetrag aus Umsatzsteuer 1993 in Höhe von 688.728,01 DM für die Klägerin festgestellt.

    Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

    Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären, wird zurückgewiesen.

    Tatbestand:

    Die Klägerin wurde am 01.09.1990 durch ihre Gesellschafter L und M gegründet und am 07.03.1991 im Handelsregister eingetragen. Gegenstand der Gesellschaft war nach dem Gesellschaftsvertrag das Betreiben eines „X” sowie einer „Y”. In ihrer Gesellschafterversammlung vom 19.11.1992 beschlossen die Gesellschafter die Auflösung der Klägerin und bestellten sich zu Liquidatoren. Sie verpflichteten sich, bis spätestens 15.12.1992 für die Teilbereiche „X” und „Y” getrennte Kapitalgesellschaften zu bilden, welche die Firmen „B – GmbH”, Geschäftsführer M und N, sowie „C – GmbH”, Geschäftsführer L und O, führen sollten. Weiter verpflichteten sie sich, ab dem Zeitpunkt der Gründung der Kapitalgesellschaften keine Verträge mehr unter der Firma der Klägerin abzuschließen und getrennt nach den beiden Bereichen die Überleitung der bestehenden Verträge und Kreditverpflichtungen zu betreiben.

    Am 17.12.1992 wurde die C – GmbH gegründet, die am 01.01.1993 ihren Betrieb aufnahm. Geschäftsführer waren L und O.

    Ebenfalls am 17.12.1992 wurde der Gesellschaftsvertrag der B – GmbH abgeschlossen, die am 15.07.1993 ins Handelsregister eingetragen wurde. Geschäftsführer waren M und N. Laut Handelsregisterauszug datiert auf den 01.07.1993 der Beginn der B – OHG N & M, persönlich haftende Gesellschafter N und M, die am 01.08.1994 ins Handelsregister eingetragen wurde.

    Im Rahmen einer weiteren Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 04.02.1993 erklärten sich die beiden Gesellschafter dahingehend einig, dass die gemeinsame Unterschriftsberechtigung für die auf die Klägerin lautenden Konten aufgehoben werde. Für den Bereich der „Y” sei bereits ein Konto angelegt, für das L allein unterschriftsberechtigt sei. Die Konten K.1. und K.2. würden ausschließlich durch den Bereich „X” der OHG weitergeführt; L verzichtete mit sofortiger Wirkung auf sein Verfügungsrecht (Ziffer 1). Die Gesellschafter erklärten sich darüber einig, dass rückwirkend seit dem 01.01.1993 L für die ordnungsgemäße Abwicklung der OHG für den Bereich „Y” und M für den Bereich „X” alleinverantwortlich seien. Insofern gelte die Trennung der OHG in die vorstehend genannten Bereiche seit dem 01.01.1993 als vollzogen (Ziffer 4). Alle nach diesem Datum angefallenen oder noch anfallenden Verbindlichkeiten sollten dem jeweiligen Bereich zugeordnet werden; für deren Erfüllung seien L und M jeweils für ihren Bereich verantwortlich (Ziffer 9).

    In einem „Schlussprotokoll” erklärten die beiden Gesellschafter, die Klägerin zum 30.06.1993 ohne Liquidation aufzulösen und die Löschung der Firma im Handelsregister zu beantragen.

    Unter dem Datum vom 17.09.1993 reichte M beim Finanzamt die Anmeldung der B – OHG N & M ein. Die Gesellschaft habe die Klägerin übernommen, welche beim Gewerbeamt und der Handwerkskammer am 16.06.1993 und 24.06.1993 abgemeldet worden sei, und am 01.07.1993 ihre Tätigkeit aufgenommen. Auf eine formularmäßige Nachfrage des Finanzamtes an die Klägerin zur Unternehmenseinstellung vom 10.11.1993 füllte der Steuerberater P den Fragebogen dahingehend aus, dass die Klägerin am 30.06.1993 eingestellt und im Ganzen an die N & M OHG veräußert worden sei; der Betrieb sei im Wege der Buchwertverknüpfung auf die N & M OHG übertragen worden, ohne Veräußerung und ohne Aufdeckung stiller Reserven.

    Am 25.11.1993 und 06.01.1994 gingen beim Finanzamt eine Umsatzsteuererklärung 1993 sowie eine berichtigte Umsatzsteuererklärung 1993 unter der Steuernummer und der Firma der Klägerin ein. Die Art des Unternehmens war mit „X” angegeben, die Dauer der Unternehmereigenschaft bis 30. Juni bzw. bis 01.07.1993. Unterzeichnet waren die Steuererklärungen, an denen Steuerberater P mitgewirkt hatte, durch M. Erklärt wurden Umsätze von rund 8,6 Millionen DM.

    Mit Bescheid vom 06.06.1995 setzte das Finanzamt gegenüber der Klägerin die Umsatzsteuer 1993 in Höhe von 693.728,– DM unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Hiergegen erhob L mit Schreiben vom 28.06.1995 Einspruch, den er damit begründete, er sei im Frühjahr 1993 aus der Klägerin ausgeschieden; ab diesem Zeitpunkt seien alle Gewinnbezugsrechte und Verbindlichkeiten auf M und seine Mitgesellschafterin übergegangen. Bei seinem Ausscheiden sei kein Abschluss erarbeitet worden, so dass die neuen Gesellschafter das Unternehmen mit allen Forderungen und Verbindlichkeiten übernommen hätten, auch in Bezug auf die Umsatzsteuer 1993.

    Im Rahmen einer Klage – Finanzgericht des Landes Brandenburg, … – gegen den für die Klägerin ergangenen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1993 trug L in der Klageschrift vor, er sei an dem Gewinn 1993 nicht beteiligt gewesen, da der Geschäftsbetrieb auf einen Mitgesellschafter allein übergegangen sei. Die Klägerin sei mit Datum vom 19.11.1992 als aufgelöst anzusehen. M habe den „X” ab 01.01.1993 allein fortgeführt, ohne dass er – L – auf Geschäftsverlauf oder Buchhaltung des Betriebes Einfluss hätte ausüben können. M habe zu diesem Zeitpunkt noch keine Gesellschaft gegründet, so dass er das „X” als Einzelkaufmann übernommen habe. In einem Schriftsatz vom 23.09.1996 erklärte L, die Gesellschafter hätten am 19.11.1992 nicht nur die Auflösung der Klägerin, sondern auch die Aufteilung in zwei Bereiche auf je einen der Gesellschafter beschlossen; dies sei ab 01.01.1993 unstreitig auch praktiziert worden, weshalb der Beschluss – jedenfalls im Ergebnis – als vollzogen angesehen werden müsse. Entweder habe M das „X” als einzelkaufmännisches Gewerbe weitergeführt, und zwar bewusst oder unbewusst unter der Firma der Klägerin, oder die Klägerin habe tatsächlich noch weiterbestanden, wobei er – L – nur noch formaljuristisch, ohne Mitunternehmer zu sein, wegen verzögerter Abwicklung Mitgesellschafter gewesen sei. In der öffentlichen Sitzung vom 16.04.1997 vertrat das Gericht laut Protokoll die Auffassung, die steuerliche Abwicklung der Klägerin umfasse das erste Halbjahr 1993 mit, allerdings habe keine Mitunternehmerschaft mehr vorgelegen.

    Durch Einspruchsentscheidung vom 24.06.1998 wies das Finanzamt den Einspruch des L gegen den Umsatzsteuerbescheid 1993 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin, vertreten durch L, Klage – Finanzgericht des Landes Brandenburg, … – mit dem Begehren, die Umsatzsteuer 1993 niedriger festzusetzen. Konkret sollte eine Rechnung in Höhe von 1.448.755,50 DM vom 01.07.1993 (ausgewiesene Umsatzsteuer: 217.313,33 DM) bei der Bemessungsgrundlage außer Ansatz bleiben. In der öffentlichen Sitzung vom 04.07.2001 hob das Finanzamt die angegriffenen Bescheide ersatzlos auf.

    Im Oktober 2001 erließ das Finanzamt erneut einen Umsatzsteuerbescheid 1993 gegen die Klägerin. In dem dagegen erhobenen Einspruch der Klägerin, vertreten durch L, vom 21.11.2001 wurde ausgeführt, das „X” sei von M als Einzelunternehmer geführt worden. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 1993 für die Klägerin habe hingegen lediglich Umsätze des von M geführten „X” erfasst. Der Umsatzsteuerbescheid wurde aufgehoben.

    Im Streit blieb zwischen den Beteiligten gleichwohl, welche Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Sitzung vom 04.07.2001 zu ziehen seien. Mit Schreiben vom 27.03.2003 teilte der Beklagte der Klägerin mit, gemäß den gerichtlichen Feststellungen habe die Klägerin zum 01.01.1993 nicht mehr bestanden. Entsprechend den Feststellungen des Finanzgerichts hinsichtlich der Zuordnung der eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung 1993 zum „X” M seien auch die zugehörigen Einzahlungen auf die festgesetzte Steuerschuld dem „X” zuzuordnen.

    Unter dem Datum vom 08.12.2003 erließ der Beklagte den hier angegriffenen Abrechnungsbescheid für Umsatzsteuer 1993 gegenüber der Klägerin. Danach wurden der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch in Höhe von 688.728,01 DM sowie der Erstattungsanspruch betreffend Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 1993 in Höhe von 12.940,01 DM auf die Steuernummer der B – OHG umgebucht.

    Hiergegen erhob die Klägerin am 06.01.2004 mit der Begründung Einspruch, die Umbuchungen auf die B – OHG seien nicht gerechtfertigt.

    Nach Hinzuziehung des Gesellschafters und Liquidators M zum Verfahren wies der Beklagte den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 27.10.2004 zurück. Zur Begründung führte er aus, im finanzgerichtlichen Verfahren sei die Aufhebung der Steuerbescheide für den Veranlagungszeitraum 1993 von der Klägerin ausdrücklich damit begründet worden, dass sie 1993 nicht mehr bestanden habe und somit auch keine Umsätze mehr habe erzielen können. Ohne Vorlage entsprechender Zahlungsbelege sei es nicht nachzuvollziehen, inwieweit erhebliche Steuerzahlungen von Konten der Klägerin für die nicht mehr bestehende Klägerin oder für den vom Gesellschafter M übernommenen Unternehmensbereich „X” geleistet worden sein sollten.

    Mit der am 29.11.2004 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend trägt sie vor, sie habe im Bereich „X” im ersten Halbjahr 1993 durchschnittlich 117 gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt. Die Aufspaltung der Klägerin in die Teilbereiche „X” und „Y” sei Ende 1992 zwischen den Gesellschaftern angedacht und auch vorangetrieben worden, habe sich jedoch zunächst als unmöglich erwiesen. Dabei sei ihr die „Y” verlustig gegangen, so dass ihr nur noch das „X” zur Verfügung gestanden habe. Diesem habe die sofortige Einstellung der gewerblichen Geschäftstätigkeit gedroht, weil dem Gesellschafter M und N die Eintragungsvoraussetzungen für die Handwerksrolle gefehlt hätten. Demzufolge habe L weiterhin voll dem Unternehmen fachtechnisch zur Verfügung stehen müssen; dessen Gewinn- und Verlustbeteiligung von 50% gemäß Gesellschaftsvertrag sei wegen dessen handwerklicher Befähigung sicher, denn ohne Gewinn- und Verlustbeteiligungsabrede mit dem handwerklich Befähigten würden Gesellschaftsverträge von der Handwerkskammer nicht anerkannt. Die sofortige Einstellung der gewerblichen Geschäftstätigkeit hätte angesichts der hohen Verbindlichkeiten den nahen Ruin der Klägerin sowie deren Gesellschafter zur Folge gehabt. Alle wesentlichen Teile des Trennungsprotokolls vom 04.02.1993 seien deshalb nicht umsetzbar gewesen und nicht realisiert worden. Ein Großauftrag der … vom 06.12.1992 und die damit verbundenen Gewinnaussichten seien selbstverständlich auch für L ein gewichtiger Grund gewesen, um unter der Klägerin, „X”, weiter zu firmieren. Die Klägerin habe auch sämtliche Umsatzsteuern 1993 – insbesondere aus diesem Vertrag – gezahlt. Im Sommer 1993 seien nach Lösung der vertraglichen Probleme reichliche Zahlungen aus dem Vertrag für fachgerecht erbrachte …leistungen erfolgt; die einkalkulierten Gewinnaussichten hätten trotz anfänglicher Schwierigkeiten erreicht werden können. Aus seiner – L – heutigen Sicht sei die Rechnung vom 01.07.1993 konsequent und buchhalterisch korrekt, die Zahlung der Umsatzsteuer in Höhe von 217.313,– DM daraus im Jahr 1994 durch die B – OHG ein Teil der Kaufpreisentrichtung an die Klägerin. Dies erkläre die Umsatzsteuerzahlungen der Klägerin in den Jahren 1993 und 1994. Die Umbuchungen auf eine ihm – L – nicht bekannte Steuernummer sei unrechtmäßig.

    Mit Schriftsatz vom 18.03.2009 führt die Klägerin ergänzend aus, die Umsatzsteuerfestsetzung 1993 sei nicht mit der Begründung angegriffen worden, sie existiere seit Ende 1992 nicht mehr, sondern lediglich hinsichtlich einer Rechnung. Vollbeendigung der Gesellschaft sei bis heute nicht eingetreten; die Liquidation dauere an. Sie habe Anspruch auf Auszahlung der von ihr für das Jahr 1993 geleisteten Umsatzsteuer in Höhe von 688.728,01 DM, weil die Steuer auf ihre Rechnung gezahlt worden und für diese Zahlung nachträglich der rechtliche Grund weggefallen sei. Erstattungsberechtigt sei der im Steuerbescheid als Schuldner Ausgewiesene, auch wenn er nicht selbst, sondern ein Dritter die Zahlung tatsächlich bewirkt habe. Entscheidend sei nicht, von wem und mit welchen Mitteln gezahlt worden sei, sondern wessen Schuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung der Finanzbehörde gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. Soweit der Beklagte die Auffassung vertrete, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die Zahlungen von ihr stammten, sei dies völlig unerheblich. Für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 1993 habe der Beklagte eine Umsatzsteuersonderprüfung bei der Klägerin durchgeführt, die zu keinen Änderungen geführt habe. Somit sei es abwegig, wenn der Beklagte nunmehr behaupte, nicht die Klägerin, sondern eine andere, nicht existente Unternehmung hätte für das erste Halbjahr 1993 unter falschem Namen Umsatzsteuererklärungen abgegeben und auch die darauf entfallende Umsatzsteuer entrichtet. Eine Widersprüchlichkeit zu früheren Verfahren vor dem Finanzgericht gebe es nicht. In dem Verfahren … sei zum Bestand der Klägerin, insbesondere zu ihrer Eigenschaft als Subjekt der Umsatzsteuerpflicht nichts ausgeführt worden. Im Verfahren … habe sie lediglich die fehlende Umsatzsteuerbarkeit eines Veräußerungsvorgangs gerügt und nicht, dass sie 1992 aufgehört habe zu existieren. Die Klägerin befinde sich bis heute in der Liquidationsphase und habe auch nach Auflösung selbstverständlich noch umsatzsteuerbare Umsätze erzielen können. Eingereicht hat die Klägerin Kopie einer Umsatzsteuer-Voranmeldung von März 1993 für die Klägerin mit dem Zusatz „X”.

    In der mündlichen Verhandlung hat sie schließlich darauf hingewiesen, dass der Beklagte bis heute Gewinnfeststellungsbescheide für sie erlassen habe und damit selbst nicht von einer Vollbeendigung ausgehe.

    Der Kläger beantragt,

    abweichend von dem Abrechnungsbescheid vom 08.12.2003 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 27.10.2004 einen noch bestehenden Erstattungsbetrag aus Umsatzsteuer 1993 in Höhe von 688.728,01 DM festzustellen und

    die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hält daran fest, dass die Klägerin nach den Feststellungen des Finanzgerichts des Landes Brandenburg bereits Ende 1992 aufgelöst worden sei, so dass sie danach keine Umsätze mehr habe tätigen können. Die vorliegenden Belege zur Zahlung der Umsatzsteuer 1993 trügen zwar den Firmenstempel der Klägerin, allerdings mit dem Zusatz „X”, nicht mit dem der „Y”. Die vorhandenen Quittungsabschnitte ließen nicht erkennen, von welchem Konto die Zahlungen geleistet worden seien, insbesondere ergebe sich daraus nicht, dass L die Zahlungen für die nicht mehr bestehende, keine Umsätze mehr ausführende Klägerin geleistet habe. Der Vortrag der Klägerin im vorliegenden Verfahren stehe im Widerspruch zu ihrem Vortrag in den beiden vorangegangenen Gerichtsverfahren und rechtfertige die Gewinnfeststellung und Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1993, deren Aufhebung sie damals betrieben habe.

    Entscheidungsgründe:

    Der Senat kann entscheiden, ohne die B – GmbH, die B – OHG N & M oder M zum Verfahren beizuladen. Eine Beiladung von M scheidet schon deshalb aus, weil dieser lediglich Gesellschafter der Klägerin war oder ist und diese selbst bezogen auf Umsatzsteuerfestsetzung und Abrechnung der Umsatzsteuer klagebefugt ist.

    Es hat auch keine notwendige Beiladung der B – GmbH oder der B – OHG N & M nach § 60 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu erfolgen. Abgesehen davon, dass beide Gesellschaften inzwischen erloschen sind, sind sie an dem zum Erhebungsverfahren gehörigen Rechtsverhältnis, um das es hier geht, nicht beteiligt. Die Rechtswirkungen der Entscheidung des Senats betreffen demgemäß ausschließlich die Klägerin; in Rechte einer der beiden genannten Gesellschaften greift die Entscheidung nicht in einer Weise ein, dass die Entscheidung auch dieser gegenüber einheitlich ergehen müsste. Denn der streitige Abrechnungsbescheid betrifft nur die Zahlungspflichten, die zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestehen, wenn auch die Bejahung oder Verneinung einer (Rück-)Zahlungspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin logische Folgerungen im Hinblick auf die Rechtsbeziehungen der B – GmbH oder der B – OHG N & M zum Beklagten in einem insoweit durchzuführenden oder schon durchgeführten Abrechnungs- oder sonstigen Erhebungsverfahren nach sich ziehen müsste. Dies reicht jedoch für eine notwendige Beiladung nicht aus (Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 23.08.2001 – VII R 94/99 –, Bundessteuerblatt II [BStBl II] 2002, 330).

    Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klage für die Klägerin wirksam erhoben worden, obwohl nur der Liquidator L für diese gehandelt hat. Zwar sind in der Gesellschafterversammlung vom 19.11.1992 beide Gesellschafter zu Liquidatoren bestellt worden, so dass nach § 150 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) eine gemeinschaftliche Vertretung vorgeschrieben ist. In der Gesellschafterversammlung vom 26.06.1998 haben die Liquidatoren jedoch eine abweichende Regelung gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 HGB getroffen, wonach L im Verfahren wegen Umsatzsteuer 1993 vor dem Finanzamt und Finanzgericht die Klägerin allein vertritt, auch hinsichtlich der Entgegennahme der zurückzuzahlenden Steuerbeträge.

    Die Klage ist auch begründet.

    Der Abrechnungsbescheid vom 08.12.2003 ist im Hinblick auf die Umbuchung des Erstattungsbetrages aus Umsatzsteuer 1993 in Höhe von 688.728,01 DM auf die Umsatzsteuer 1993 zur Steuernummer … rechtswidrig und verletzt insoweit die Rechte der Klägerin, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    Nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten durch Verwaltungsakt, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, § 37 AO, betreffen. Grundlage der Verwirklichung der vorgenannten Ansprüche sind die Steuerbescheide nach § 218 Abs. 1 AO, auf den Absatz 2 Bezug nimmt. Abrechnungsbescheide wie der angefochtene Bescheid entscheiden demnach nicht – wie Steuerbescheide – über Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und über die Rechtmäßigkeit der zur Verwirklichung dieser Ansprüche ergangenen Steuerbescheide. Vielmehr entscheiden sie über diejenigen Streitigkeiten, die erst bei der Verwirklichung der durch Steuerbescheid konkretisierten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen. Der nach § 218 Abs. 2 AO zu erteilende Abrechnungsbescheid ergeht dementsprechend im Steuererhebungsverfahren und hat nur die Feststellung zum Inhalt, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung erloschen ist, § 47 AO, also ob wirksam gezahlt, aufgerechnet, verrechnet, erlassen, ob Verjährung eingetreten, die Schuld bereits vor der Begründung der Zahlungspflicht erloschen oder der Forderungsausgleich durch Vollstreckungsmaßnahmen erreicht worden ist. Dabei ist vom Regelungsinhalt der ergangenen Steuerbescheide ungeachtet ihrer Richtigkeit auszugehen, mithin von der „formelle Bescheidlage”. Die Begründung der Zahlungsverpflichtung ist nicht Gegenstand des Abrechnungsbescheides; sie wird im Gegenteil vorausgesetzt (vgl. BFH, Urteil vom 23.08.2001 – VII R 94/99 –, a.a.O., m.w.N.).

    Zu Unrecht hat der Beklagte den Erstattungsbetrag, der sich nach Aufhebung des gegenüber der Klägerin erfolgten Umsatzsteuerbescheides 1993 ergeben hat, als dadurch erloschen ausgewiesen, dass der Betrag auf die Steuernummer … umgebucht worden ist.

    Da der Beklagte – entsprechend den Hinweisen des Finanzgerichtes des Landes Brandenburg in der öffentlichen Sitzung vom 04.07.2001 – den Umsatzsteuerbescheid 1993 ersatzlos aufgehoben hat, fehlt es für die geleisteten Umsatzsteuerzahlungen (formell wie materiell) an einem Rechtsgrund für das Behaltendürfen. Ab der wirksamen Bekanntgabe eines die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr wirksam festsetzenden Steuerbescheides ist dessen Festsetzung maßgebend, so dass die vorangegangenen Festsetzungen für die Voranmeldungszeiträume in ihrer feststellenden Wirkung überholt sind. Zwar kann der Umsatzsteuerjahresbescheid nach Maßgabe der für seine Änderung geltenden gesetzlichen Vorschriften aufgehoben oder geändert werden; sein wirksames Ergehen vorausgesetzt kann er aber nicht mit der Wirkung aufgehoben werden, dass an seiner Stelle wieder die Festsetzungen für die Voranmeldungszeitraum maßgeblich würden (BFH, Urteil vom 29.11.1984 – V R 146/83 –, BStBl II 1985, 370). Die Klägerin hat daher einen Anspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 2 AO auf Erstattung.

    Nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt ist derjenige, auf dessen Rechnung eine Zahlung ohne rechtlichen Grund bewirkt worden ist. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes derjenige, dessen – möglicherweise nur vermeintliche – Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (vgl. BFH, Urteil vom 23.08.2001 – VII R 94/99 –, a.a.O.; BFH, Urteil vom 25.07.1989 – VII R 118/87 –, BStBl II 1990, 41). Die Vorschrift nimmt den Finanzbehörden eine Prüfung zivilrechtlicher Beziehungen, etwa zwischen dem Steuerschuldner und einem zahlenden Dritten oder zwischen Personen, die eine Steuer als Gesamtschuldner zu leisten haben, ab; ein Erstattungsanspruch soll nicht davon abhängen, wer von ihnen – im Innenverhältnis – auf die zu erstattenden Beträge materiell-rechtlich einen Anspruch hat (vgl. BFH, Urteil vom 25.07.1989 – VII R 118/87 –, a.a.O.). Eine von einem – wirklichen oder vermeintlichen – Steuerschuldner geleistete Zahlung kann auch grundsätzlich nicht auf die Steuerschuld eines anderen Steuerschuldners angerechnet werden (vgl. BFH, Urteil vom 04.04.1995 – VII R 82/94 –, BStBl II 1995, 492), sondern ist gegebenenfalls demjenigen zu erstatten, der im Sinne der vorstehenden Ausführungen als Leistender aufgetreten ist.

    Hiervon ausgehend besteht nach Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 1993 gegenüber der Klägerin bei dieser ein Erstattungsanspruch. Denn die Umsatzsteuer 1993 ist „auf Rechnung” der Klägerin gezahlt worden. Grundlage der Umsatzsteuerfestsetzung 1993 waren zunächst monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen. Diese Steueranmeldungen sind unter der Firma und der Steuernummer der Klägerin abgegeben worden, was nach Vernichtung der entsprechenden Steuerakten infolge des Ablaufs der Aufbewahrungsfrist jedenfalls durch die Umsatzsteuer-Voranmeldung für März 1993 belegt wird, welche die Klägerin in Kopie vorgelegt hat. Die Umsatzsteuer-Voranmeldungen stehen gemäß § 168 Satz 1 AO in Verbindung mit § 18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Am 25.11.1993 und 06.01.1994 sind anschließend die Umsatzsteuerjahreserklärung 1993 und eine berichtigte Erklärung beim Finanzamt eingegangen, die ebenfalls auf die Firma der Klägerin lauten und deren Steuernummer tragen; unterzeichnet sind sie von M, einem der beiden Gesellschafter der Klägerin. Dementsprechend hat das Finanzamt mit Bescheid vom 06.06.1995 die Umsatzsteuer 1993 gegenüber der Klägerin festgesetzt. Da die Voranmeldungen für die Klägerin erfolgt und die Steuererklärungen in ihrem Namen abgegeben worden sind und die Umsatzsteuer 1993 ihr gegenüber festgesetzt worden ist, sind die darauf erfolgten Zahlungen auf Rechnung der Klägerin bewirkt worden.

    Der Senat kann dahinstehen lassen, ob etwas anderes dann gelten würde, wenn feststünde, dass die erklärten Umsätze von einem anderen Unternehmen erzielt worden wären, das sich lediglich der Firma und Steuernummer bedient hätte, etwa um Anmeldungshindernisse in der eigenen Person (Handelsregister, Handwerkskammer o.ä.) zu kaschieren. Denn dies käme wohl allenfalls dann in Betracht, wenn die Klägerin im ersten Halbjahr 1993 bereits vollendet gewesen wäre, was zur Überzeugung des Senats nicht der Fall ist. Nach den vorliegenden Unterlagen ist die Klägerin beim Gewerbeamt und der Handwerkskammer ohnehin erst im Juni 1993 abgemeldet worden, während gleichzeitig die B – OHG N & M erst zum Juli 1993 angemeldet und im August 1994 im Handelsregister eingetragen worden ist. Im Übrigen bestehen darüber, welches Unternehmen die erklärten Umsätze erzielt hat, offenkundig widersprüchliche Angaben. Diese Unklarheit aufzuklären ist das Erhebungsverfahren nicht der geeignete Abschnitt im Gesamtverfahren (Festsetzung, Erhebung, Vollstreckung).

    Nach Auffassung des Senats kann der Klägerin die Berufung auf den Wegfall der Umsatzsteuerschuld 1993 und die Geltendmachung des Erstattungsanspruches nicht unter Berufung auf Treu und Glauben versagt werden. Zwar hat der Bundesfinanzhof für die Organschaft, also im Verhältnis zwischen Organgesellschaft und Organträger, nicht ausgeschlossen, dass aus Treu und Glauben ein Anspruch des Finanzamtes gegenüber der Organgesellschaft auf Abschluss eines Verrechnungsvertrages zu Gunsten der umsatzsteuerlichen Mutter hergeleitet werden oder treuwidriges Verhalten dergestalt Berücksichtigung finden könnte, dass durch Abgabe unzutreffender Umsatzsteuervoranmeldungen eine zutreffende Erfassung der Unternehmensumsätze durch das Finanzamt vereitelt würde (BFH, Urteil vom 23.08.2001 – VII R 94/99 –, a.a.O.). Dem liegt jedoch zu Grunde, dass die Umsätze einer Organgesellschaft bei dem Organträger erfasst werden, weil der Organgesellschaft die Unternehmereigenschaft fehlt. Letztere ist steuerlich unselbständig in dem Sinne, dass sie finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen einer Muttergesellschaft, des Organträgers, eingegliedert ist, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Im Streitfall fehlt es jedoch an einer der Organschaft vergleichbaren Beziehung zwischen der Klägerin und einem eventuell in Betrieb gesetzten …unternehmen des Gesellschafters M, so dass eine Verpflichtung auf Abschluss eines Verrechnungsvertrages zu Gunsten eines anderen Unternehmens auch nicht aus Treu und Glauben hergeleitet werden kann. Entsprechendes gilt in Bezug auf die Abgabe unzutreffender Steuererklärungen. Diese könnten allenfalls von dem „X” des Gesellschafters M unzutreffend unter der Firma und Steuernummer der Klägerin abgegeben worden sein. Dann kann aber der Grundsatz von Treu und Glauben allenfalls diesem gegenüber von Bedeutung sein; er kann aber nicht der Klägerin entgegengehalten werden.

    Soweit die Umsatzsteuererklärungen und -voranmeldungen von der Klägerin stammen, käme unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine Umbuchung auf ein „X” des Gesellschafters M ohnehin nicht in Betracht. Insoweit kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klägerin mit ihrer Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzung gerade keine vollständige Aufhebung der Festsetzung begehrt, sondern lediglich eine Änderung in Bezug auf eine Rechnung beantragt hat. Dies bedeutet, dass sie in diesem Klageverfahren nicht bestritten hat, im Jahr 1993 Umsätze aus dem „X” erzielt zu haben.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war nicht gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass ein Bevollmächtigter tatsächlich für die Klägerin in einer Gebühren auslösenden Weise tätig geworden ist. Vorverfahren in diesem Sinne ist nicht das Verfahren auf Aufhebung der Umsatzsteuerfestsetzung, sondern das Verfahren wegen des Abrechnungsbescheides.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

    Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Rahmen eines Abrechnungsbescheides noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.

    VorschriftenAO § 37 Abs. 2, AO § 218 Abs. 1, AO § 218 Abs. 2, BGB § 242