25.02.2010
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 04.03.2009 – 4 K 3898/08 VE
- Fliegt ein Rechtsanwalt in einem angemieteten Flugzeug zu einem Gerichtstermin, so ist ihm für das zu diesem Zweck getankte und verwendete Flugbenzin die Energiesteuer zu vergüten, da der Flug zur gewerbsmäßigen Erbringung von Dienstleistungen i. S. d. § 60 Abs. 4 Nr. 2 EnergieStV erfolgt.
- Die Bestimmung des Begriffs der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/96/EG schließt als höherrangiges Gemeinschaftsrecht eine Beschränkung auf bestimmte, mit der Luftfahrt verbundene kommerzielle Zwecke aus.
- Ein Mitgliedstaat, der seine Verpflichtungen zur Umsetzung einer Richtlinie verletzt hat, kann sich nicht darauf berufen, dass er die durch die Richtlinie begründeten Rechte des einzelnen hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs (hier: innerdeutsche Flüge) hätte begrenzen können, wenn er die Richtlinie umgesetzt hätte.
Tatbestand
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, mietete von der A e.V. (Verein) das vereinseigene Flugzeug ...... mit dem Kennzeichen... für den 25.07.2007 trocken und übernahm es nach den Bedingungen des Vereins vollgetankt. Am 25.07.2007 flog er mit diesem Flugzeug vom Flugplatz C nach D, nahm vor dem dortigen Landgericht einen Termin als Prozessvertreter wahr und kehrte noch am gleichen Tag zum Flugplatz C zurück. Dort tankte er das Flugzeug entsprechend den Mietbedingungen wieder voll. Für die dabei getankten versteuerten 179 l Flugbenzin beantragte er am 19.12.2008 beim Beklagten auf dem amtlichen Vordruck unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen 129,09 EUR Vergütung nach § 52 des Energiesteuergesetzes – EnergieStG.
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17.03.2008 ab, da der Kläger nicht die nach § 52 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes (Energiesteuer-Durchführungsverordnung – EnergieStV) erforderliche Genehmigung als Luftfahrtunternehmen vorgelegt habe.
Zur Begründung des dagegen fristgerecht eingelegten Einspruchs trug der Kläger unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 31.10.2007, 4 K 3864/06 VM, vor, § 52 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a EnergieStV widerspreche der Richtlinie (EG) 2003/96 des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom vom 27.10.2003 – RL 2003/96 . Danach sei die Steuerbefreiung für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nicht gewerblichen Luftfahrt zu gewähren. Diese liege nur vor, wenn das Luftfahrzeug von einer nutzungsberechtigten Person für andere als kommerzielle Zwecke und insbesondere nicht für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen genutzt werde. Hier aber habe er das Flugzeug nur für die Wahrnehmung eines Gerichtstermins als Prozessvertreter und damit für die gewerbliche Erbringung von Dienstleistungen genutzt.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11.09.2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da es sich bei seinen Flügen nicht um begünstigte Luftfahrt im Sinne des § 27 Abs. 2 Nr. 1 des Energiesteuergesetzes – EnergieStG in Verbindung mit § 60 Abs. 4 und 5 EnergieStV gehandelt habe. § 52 EnergieStV widerspreche auch nicht Art. 14 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/96, da Art. 14 Abs. 2 RL 2003/96 den Mitgliedstaaten eine Beschränkung der Steuerbefreiung auf internationale oder innergemeinschaftliche Flüge erlaube. Für die Ausgestaltung nur auf innerdeutsche Flüge mache die EnergieStRL keine Vorgaben, so dass § 52 EnergieStV richtlinienkonform sei.
Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt ergänzend vor: § 66 Abs. 1 Nr. 8 EnergieStG stelle auch für § 52 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a EnergieStV keine ausreichende Rechtsgrundlage dar. Auch habe Deutschland von der Ermächtigung in Art. 14 Abs. 2 RL 2003/96 keinen Gebrauch gemacht.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 17.03.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.09.2008 zu verpflichten, ihm 129,06 EUR Energiesteuer zu vergüten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und wiederholt zur Begründung die Argumentation seiner Einspruchsentscheidung.
Gründe
Die Klage ist begründet. 13
Im Streitfall entscheidet das Gericht nach § 94a der FinanzgerichtsordnungFGO ohne mündliche Verhandlung, weil der Streitwert unter 500 EUR lag, eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde und dem Gericht diese auch nicht erforderlich erscheint.
In dem angefochtenen Bescheid vom 17.03.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.09.2008 hat der Beklagte dem Kläger zu Unrecht die Vergütung der Energiesteuer in der beantragten Höhe versagt. Der angefochtene Bescheid war deshalb aufzuheben und der Beklagte zu verpflichten,
dem Kläger 129.06 EUR Energiesteuer zu vergüten, § 101 Satz 1 FGO. Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse gewährt, die zu den in § 27 EnergieStG genannten Zwecken verwendet worden sind. Die Steuerentlastung kann in der Vergütung der Steuer bestehen (§ 45 EnergieStG). Nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 EnergieStG darf u.a. Flugbenzin steuerfrei in Luftfahrzeugen für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt verwendet werden. § 60 Abs. 4 EnergieStV definiert in dem hier interessierenden Zusammenhang die private nichtgewerbliche Luftfahrt im Sinne des § 27 Abs. 2 Nr. 1 EnergieStG als die Nutzung eines Luftfahrzeugs durch seinen Eigentümer oder den durch Anmietung oder aus sonstigen Gründen Nutzungsberechtigten zu anderen Zwecken als zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen durch Luftfahrtunternehmen und zur gewerbsmäßigen Erbringung von Dienstleistungen. Gewerbsmäßigkeit soll nach § 60 Abs. 5 EnergieStV vorliegen, wenn die mit dem Luftfahrzeug gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird und der Unternehmer auf eigenes Risiko und eigene Verantwortung handelt.
Danach hat der Kläger das Flugbenzin, für das er die Vergütung begehrt, steuerbegünstigt verwendet. Zwar scheidet schon nach dem Wortlaut des § 60 Abs. 4 Nr. 1 EnergieStV eine begünstigte Verwendung aus, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Verwendung nur zugelassenen Luftfahrtunternehmen i. S. des § 52 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EnergieStV zusteht, weil Beförderung von Personen dahin zu verstehen ist, dass neben dem Piloten noch Fluggäste befördert werden. Davon geht auch die erst vor kurzem erlassene Verwaltungsvorschrift zu § 27 Abs. 2 und 3, § 52 und § 66 Abs. 1 Nr. 8 und 11 Energiesteuergesetz – VwV Energieerzeugnisse für die Luftfahrt – (E-VSF N 09 2009 Nr. 32) in ihrem Abs. 10 aus. Im Streitfall hat der Kläger nämlich niemand anderen befördert.
Gleichwohl sind seine Flüge von C nach D und zurück nach § 60 Abs. 4 Nr. 2 EnergieStV begünstigt, denn sie erfolgten zur gewerbsmäßigen Erbringung von Dienstleistungen. Der Kläger ist geflogen, um beim Landgericht D eine Dienstleistung durch Wahrnehmung einer Prozessvertretung zu erbringen. Dass die gewerbsmäßige Erbringung von Dienstleistungen in § 60 Abs. 4 Nr. 2 EnergieStV nur Dienstleistungen umfasst, die unmittelbar mit der Luftfahrt zu tun haben müssen, wovon Abs. 12 der VwV Energieerzeugnisse für die Luftfahrt auszugehen scheint, lässt sich dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht entnehmen, zumal die Definition der Gewerbsmäßigkeit in § 60 Abs. 5 EnergieStV derartige Einschränkungen nicht enthält.
Für die weite, auch die vom Kläger erbrachte Dienstleistung umfassende Auslegung des § 60 Abs. 4 Nr. 2 EnergieStV spricht der Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Unterabs. 1 der RL 2003/96. Danach haben die Mitgliedstaaten die Verwendung von Energieerzeugnissen als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt – „autre que l'aviation de tourisme privée” in der französischen Fassung und „other than in private pleasure-flying” in der englischen Fassung der Bestimmung – von der Steuer zu befreien. Unter privater nichtgewerblicher Luftfahrt ist zu verstehen, dass das Luftfahrzeug von seinem Eigentümer oder der durch Anmietung oder aus sonstigen Gründen nutzungsberechtigten natürlichen oder juristischen Person für andere als kommerzielle Zwecke und insbesondere nicht für die entgeltliche Beförderung von Passagieren oder Waren oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen genutzt wird, Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Unterabs. 2 RL 2003/96. Der damit deutlich werdende Umfang der Befreiung schließt eine Beschränkung auf bestimmte, mit der Luftfahrt verbundene Zwecke aus. Vielmehr genügen kommerzielle Zwecke wie im Streitfall die Wahrnehmung eines Termins als Prozessvertreter. Diese Auslegung entspricht der Rechtsprechung des EuGH. In den Urteilen vom 1. April 2004 C-389/02, Slg. 2004, I-3537, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern ZfZ 2004, 261 ff. Rzn. 23 und 25 sowie vom 1. März 2007 C-391/05, Slg. 2007, I- 1793, ZfZ 2007, 81, Rz. 36 hat der EuGH nämlich zum Begriff der „Schifffahrt” im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 92/81 entschieden, dass jede Schifffahrt zu kommerziellen Zwecken in den Anwendungsbereich der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung von der harmonisierten Verbrauchsteuer fällt. Die Regelung unterscheide nicht nach dem jeweiligen Zweck der Schifffahrt, weil die Wettbewerbsverzerrungen, die durch die Richtlinie verhindert werden sollten, unabhängig von der Art der betreffenden gewerblichen Schifffahrt auftreten könnten. Der Senat hat keine Bedenken, die vom EuGH zu Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 92/81 entwickelten Grundsätze auf die vergleichbare Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96 zu übertragen. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96 auf bestimmte Arten kommerzieller Zwecke sieht das Gemeinschaftsrecht nicht vor. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hätte, wenn er über die private nichtgewerbliche Luftfahrt hinaus bestimmte Arten kommerzieller Luftfahrt von der obligatorischen Steuerbefreiung hätte ausnehmen wollen, eine solche Beschränkung der Befreiung ausdrücklich regeln müssen (EuGH-Urteil vom 1. April 2004 C389/02 aaO. Rz. 26 – zu Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 92/81 –).
Soweit die Auslegung des Begriffs der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt in § 60 Abs. 4 und 5 EnergieStV Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der RL 2003/96 widerspricht, weil sie die Verwendung eines Luftfahrzeugs zu kommerziellen Zwecken von dem Anwendungsbereich des § 27 Abs. 2 EnergieStG ausnimmt, kann sich der Beklagte darauf nicht stützen, denn Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96 ist als höherrangiges Gemeinschaftsrecht unmittelbar anwendbar (EuGH-Urteil vom 10. Juni 1999 C346/97, Slg. 1999, I-3419, ZfZ 1999, 341 f., Rz. 31).
Im Hinblick darauf kann dahingestellt bleiben, ob die Regelungen des § 60 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 EnergieStV in der vom Beklagten vertretenen engen Fassung durch die Ermächtigungsgrundlage des § 66 Abs. 1 Nr. 8 EnergieStG gedeckt sind, denn angesichts der durch Art. 14 Abs. 1 Buchst. b bestimmten obligatorischen Steuerbefreiung ist nicht zu ersehen, warum zur Verfahrensvereinfachung und zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und des Steueraufkommens der Bereich der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt ausgeweitet werden darf.
Anders als das beklagte Hauptzollamt meint, kann sich der Kläger auch für die von ihm getätigten innerdeutschen Flüge auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96 berufen. Der deutsche Gesetzgeber hat von der ihm durch Art. 14 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2003/96 eingeräumten Befugnis, die Steuerbefreiung gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96 auf internationale oder innergemeinschaftliche Transporte zu beschränken, keinen Gebrauch gemacht. Unbeschadet dessen kann sich ein Mitgliedstaat, der seine Verpflichtungen zur Umsetzung einer Richtlinie verletzt hat, auch nicht darauf berufen, dass er die durch die Richtlinie begründeten Rechte des einzelnen hätte begrenzen können, wenn er die Richtlinie umgesetzt hätte (EuGH-Urteile vom 19. November 1991 C-236/90 und C-9/90, Slg. 1990, I-5357, NJW 1992, 165 ff., 166, Rz. 21, vom 29. April 2004 C-102/02, Slg. 2004, I-5405 Rz. 63, vom 14. Juli 2005 C-142/04, Slg. 2005, I-7181 Rz. 35). Zudem hätte, wäre nicht der vom Gericht vertretenen Auslegung des § 60 Abs. 4 Nr. 2 EnergieStV zu folgen, der deutsche Verordnungsgeber in § 60 Abs. 4 und 5 EnergieStV den Kreis der steuerbefreiten Tatbestände zu eng definiert, wie bereits dargelegt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708
Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2
Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.