10.11.2010
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 05.02.2009 – 2 K 2225/08
Da der Wechsel von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung zur Durchführung eines neuen Besteuerungsverfahrens gegenüber den nunmehr getrennt zu behandelnden Ehegatten führt, mithin die Einkommensteuerbescheide auf Grund getrennter Veranlagung keine bloßen Änderungsbescheide der bisherigen Zusammenveranlagung darstellen, ist die bisherige Zinsfestsetzung zur Zusammenveranlagung gem. § 233a Abs. 5 AO wegen der Aufhebung des Einkommensteuerbescheids über die Zusammenveranlagung zu ändern. Die Zinsfestsetzungen gegenüber den einzelnen Ehegatten nach getrennter Veranlagung haben keinen verfahrensrechtlichen Einfluss auf die zu ändernde Zinsfestsetzung zur Zusammenveranlagung.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 2. Senat unter Mitwirkung von Vizepräsidentin des Finanzgerichts …, Richterin am Finanzgericht … und Richter am Finanzgericht … sowie den ehrenamtlichen Richterinnen … und … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 5. Februar 2009 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Änderung von Zinsbescheiden.
Die Klägerin wurde in den Streitjahren zunächst zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt (Steuernummer …/…/…1). Der Beklagte setzte wie folgt fest:
Steuerjahr 1994:.
Bescheid vom 16. Oktober 1996: Einkommensteuer von DM 636
vom 24. März 1997: Einkommensteuer von DM 0 sowie eine Erstattung von DM 3.857 aus Kapitalertragsteuer nebst DM 209 Zinsen und
vom 14. November 2002: Einkommensteuer von EUR 0 sowie eine Erstattung von EUR 10.477,39 aus Kapitalertragsteuer nebst EUR 6.776,95 Zinsen und Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung
Steuerjahr 1995:
Bescheid vom 12. Juni 1997: Einkommensteuer von DM 0 sowie eine Erstattung von DM 28.854 aus Kapitalertragsteuer nebst DM 288 Zinsen
vom 27. November 1997: Einkommensteuer von DM 0 sowie eine Erstattung von DM 64.891 aus Kapitalertragsteuer nebst DM 1.728 Zinsen und
vom 14. November 2002: Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung
Gegen die Bescheide vom 14. November 2002 legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte im Einspruchsverfahren die getrennte Veranlagung. Am 8. März 2005 hob der Beklagte die Bescheide vom 14. November 2002 auf, ohne den jeweiligen Zinsbescheid aufzuheben oder die Zinsen auf Grund der Aufhebung der Zusammenveranlagung neu festzusetzen.
Mit Bescheiden vom 25. April 2005 erließ der Beklagte unter der Steuernummer …/…/…2 für die Klägerin und unter der Steuernummer …/…/…3 für ihren Ehemann neue Einkommensteuerbescheide für 1994 und 1995, die die getrennte Veranlagung berücksichtigten. Zusammen mit diesen Bescheiden setzte der Beklagte Zinsen gegenüber der Klägerin auf Grund der nunmehrigen getrennten Veranlagung in Höhe von DM 5.914,43 für 1994 und von – DM 15.537,11 fest. Diese Bescheide wurden mit Ablauf des 30. Mai 2005 bestandskräftig. Mit Bescheiden vom 20. Juni 2005 änderte der Beklagte diese Zinsfestsetzung dahingehend, dass er für 1994 DM 20.546 und für 1995 – DM 7.344 festsetzte. Auf den Einspruch der Klägerin hob der Beklagte diese Bescheide am 21. Dezember 2005 auf, so dass die – bestandskräftigen – Zinsbescheide vom 25. April 2005 wieder auflebten.
Mit gesondertem Bescheid vom 21. Dezember 2005 erließ der Beklagte einen (geänderten) Bescheid über die Festsetzung von Zinsen unter der Steuernummer der Zusammenveranlagung (…/…/…1), in dem er gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann Zinsen für 1994 in Höhe von EUR 2.125 und für 1995 von EUR 14.862 festsetzte. Mit Schreiben vom 23. Januar 2006 legte die Klägerin unter Bezugnahme auf die Steuernummer der Zusammenveranlagung dagegen Einspruch ein und begründete diesen damit, dass die Zinsbescheide auf Grund der getrennten Veranlagung bestandskräftig geworden seien. Die Einzelveranlagungen mit den damit zusammenhängenden Zinsbescheiden stellten einen Änderungsbescheid zur Zusammenveranlagung dar. Eine nochmalige Zinsfestsetzung sei nicht möglich. § 233a Abs. 5 AO sei nicht einschlägig, da sich die Höhe des festgesetzten Steuerbetrages gegenüber der Zusammenveranlagung nicht geändert habe. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20. April 2006 zurück.
Nachdem der Senat einem Verlegungsantrag nicht stattgegeben und die ursprünglich von der Klägerin und ihrem Ehemann erhobene Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2007 abgewiesen hatte, ging beim Bundesfinanzhof am 4. Oktober 2007 eine Nichtzulassungsbeschwerde ein, die lautete:
„in Sachen
Frau R. | – Klägerin und Nichtzulassungsbeschwerdeführerin |
Herr R. | |
…straße … | |
0… | |
… |
erheben wir namens der Klägerin/Beschwerdeführerin wegen der Nichtzulassung der Revision …”
Mit Beschluss vom 25. November 2008 entschied der Bundesfinanzhof wie folgt:
„Auf die Beschwerde der Klägerin wegen der Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 29. August 2007 2 K 969/06 aufgehoben.
Die Sache wird an das Sächsische Finanzgericht zurückverwiesen. …”
Die Klägerin wiederholt ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und ist der Auffassung, dass dann wenn Zinsen festzusetzen wären, der Zinslauf erst mit dem Zeitpunkt des Antrags auf getrennte Veranlagung begänne und der Zinsanspruch erst ab dem 1. April 2006 bestünde.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 21. Dezember 2005 über Zinsen zur Einkommensteuer 1994 und 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. April 2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf seine im Einspruchsverfahren vorgetragene Rechtsauffassung trägt er vor, dass eine nachträgliche Durchführung der getrennten Veranlagung ein Fall des § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO sei, weswegen der Zinslauf weiterhin am 1. April 1996 bzw. 1997 beginne.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die dem Gericht übersandten Steuerakten sowie das Protokoll vom 5. Februar 2009 Bezug genommen. Der nach der Verkündung des Urteils eingegangene Schriftsatz gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Nachdem der Bundesfinanzhof nur über eine Beschwerde der Klägerin entschieden hat, betrifft das vorliegende Verfahren nur diese. Inwieweit das Verfahren gegen den ursprünglichen Kläger Herrn R. aufgrund des Urteils vom 29. August 2007 rechtskräftig abgeschlossen ist oder der Schriftsatz vom 4. Oktober 2007 auch eine Beschwerdeeinlegung in seinem Namen war, ist hier nicht zu entscheiden. Sollte es so sein, dass auch in seinem Namen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden wäre, wäre das Verfahren noch beim Bundesfinanzhof anhängig.
II.
Der Beklagte hat zu Recht die geänderten Zinsbescheide vom 21. Dezember 2005 zu den aufgehobenen Einkommensteuerbescheiden der Zusammenveranlagung (…/…/1) nach § 233a Abs. 5 AO erlassen.
Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt, ist gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz AO eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern. Nach seinem Wortlaut setzt § 233a Abs. 5 AO bei einer Korrektur der Steuerfestsetzung an. Rechtsfolge der Korrektur eines Steuerbescheides ist die Änderung einer bisherigen Zinsfestsetzung. § 233a Abs. 5 AO trägt verfahrensrechtlich der Abhängigkeit der Zinsen als steuerlicher Nebenleistung von der Steuer als der ihnen zugrunde liegenden Hauptforderung Rechnung und regelt – als lex specialis zu den §§ 172 ff. AO – abschließend die Folgen einer Änderung der Steuerfestsetzung für die Zinsfestsetzung (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Mai 2005, BStBl. II 2005, 735; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung, § 233a AO Rdnr. 66 m.w.N.; Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung, § 233a AO Rdnr. 49 m.w.N). § 233a AO soll im Interesse der Besteuerungsgleichheit einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen, „aus welchen Gründen auch immer”, zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig werden (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Mai 2005, a.a.O.; BT-Drucks 11/2157, 194).
Nach diesen Grundsätzen führt der Wechsel von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung zur Durchführung eines neuen Besteuerungsverfahrens gegenüber den nunmehr getrennt zu behandelnden Ehegatten (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3. März 2005, BStBl. II 2005, 564). Da der zulässige Antrag der Ehegatten, statt der bisherigen Zusammenveranlagung eine getrennte Veranlagung durchzuführen, als noch mögliche Ausübung eines Wahlrechts anzusehen ist, war die bisherige Zusammenveranlagung aufzuheben (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3. März 2005, a.a.O.) und die getrennte Veranlagung entsprechend § 26a EStG auf der Grundlage der bisherigen Besteuerungsgrundlagen des Zusammenveranlagungsbescheids durchzuführen. Die Einkommensteuerbescheide auf Grund getrennter Veranlagung stellen entgegen der Auffassung der Klägerin keine Änderungsbescheide zur bisherigen Zusammenveranlagung dar. Der Antrag auf getrennte Veranlagung nach Erlass eines Zusammenveranlagungsbescheides ist weder ein Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid noch ein Änderungsantrag, sondern ein – erstmaliger – Antrag auf Durchführung der getrennten Veranlagung nach § 26a EStG. Einzelveranlagung (§ 25 EStG), Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) und getrennte bzw. besondere Veranlagung (§ 26a und § 26c EStG) stellen jeweils wesensverschiedene Veranlagungsverfahren dar. Der Beklagte ist nur insoweit beschränkt, als eine – hier nicht vorliegende – Abweichung von den Besteuerungsgrundlagen vorläge (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3. März 2005, a.a.O.).
Dementsprechend waren gemäß § 233a Abs. 5 AO die Rechtsfolgen aus der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides über die Zusammenveranlagung mit der im Bescheid vom 21. Dezember 2005 durchgeführten Änderung der Zinsfestsetzung zur Zusammenveranlagung zu ziehen. Die Zinsfestsetzungen vom 25. April 2005 gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann nach getrennter Veranlagung haben deshalb keinen verfahrensrechtlichen Einfluss auf die hier streitigen Zinsbescheide.
III.
Die Kostenentscheidung bezüglich des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.