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  • 09.12.2010

    Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 04.05.2010 – 1 K 1069/06

    Erhält ein bei der Deutschen Telekom AG beschäftigter Postbeamter, der vorübergehend bei einer ehemaligen Tochtergesellschaft tätig war, von dieser Tochtergesellschaft für das Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis eine Abfindung, scheidet eine Steuerfreiheit der Abfindung nach § 3 Nr. 9 EStG a.F. aus. Die Vorschrift findet keine Anwendung, da nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses das bislang ruhende Beschäftigungsverhältnis (bei der Telekom AG) wieder auflebt und zudem wegen Unkündbarkeit nicht einmal theoretisch ein Arbeitsplatzverlust droht.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Richter am Finanzgericht Hardenbicker als Vorsitzender, den Richter am Finanzgericht Dr. Bartone und die Richterin am Finanzgericht Eggers-von Wittenburg sowie die ehrenamtlichen Richter Keller (Geschäftsführer i.R.) und Reuter (Bauoberamtsrat) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2010 für Recht erkannt:

    Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Der Rechtsstreit betrifft die Frage der Steuerfreiheit einer an den Kläger gezahlten Abfindung nach Maßgabe des § 3 Nr. 9 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 29. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 3076).

    Der Kläger, der sich nunmehr im Ruhestand befindet, war als Postbeamter bei der Deutsche Telekom AG, einem Nachfolgeunternehmen der ehemaligen Deutschen Bundespost, beschäftigt. Seit dem 1. Oktober 1999 war er von seinem Dienstherrn beurlaubt worden und vom 1. Oktober 1999 bis zum 30. April 2004 aufgrund eines unbefristeten Arbeitsvertrages als Arbeitnehmer bei der Kabel Deutschland GmbH – einem früheren Tochterunternehmen der Deutsche Telekom Gruppe – als Arbeitnehmer beschäftigt (Bl. 102 d.A.). Derzeit hält die Investmentgesellschaft Providence Equity Partners (Providence) rund 88 % der Anteile an Kabel Deutschland GmbH. Providence hatte das Unternehmen im März 2003 gemeinsam mit den Investmentgesellschaften Apax Partners und Goldmann Sachs Capital Partners zu gleichen Teilen von der Deutschen Telekom AG gekauft (siehe http://www.kabeldeutschland.com/de/ unternehmen/unternehmensprofil/ gesellschafterstruktur.html).

    In der Zeit vom 1. Mai 2004 bis zum 30. Dezember 2006 war der Kläger wieder bei der Deutsche Telekom AG beschäftigt, bis er auf seinen Antrag hin in den Ruhestand versetzt wurde (Bl. 95 d.A.).

    Aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen, die mit einem Personalabbau einhergingen, bot die Kabel Deutschland GmbH einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern den Abschluss eines Auflösungsvertrags gegen Zahlung einer Abfindung an (vgl. Bl. 58 d.A.). Dieses Angebot nahm der Kläger an und erhielt im Streitjahr eine Abfindung in Höhe von 32.000 EUR. Bei der Einkommensteuerfestsetzung berücksichtigte der Beklagte diese Abfindung und berechnete die darauf entfallende Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 EStG, ohne dabei einen Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung anzusetzen. Gegen den am 29. Juni 2005 erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr legte der Kläger am 2. Juli 2005 Einspruch ein, den der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 7. März 2006 als unbegründet zurückwies.

    Am 10. April 2006 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

    Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Einkommensteuerfestsetzung sei rechtswidrig, da der Beklagte keinen Freibetrag berücksichtigt habe. Der Auflösungsvertrag und die Abfindungszahlung sei zur Vermeidung einer Kündigung durch den Arbeitgeber vereinbart worden. Die Umstrukturierung und der damit einhergehende Personalabbau sei ausschließlich vom Arbeitgeber veranlasst worden, so dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht dem Kläger zuzurechnen sei. Es sei dabei ohne Bedeutung, dass der Kläger nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses wieder bei der Deutsche Telekom AG beschäftigt gewesen sei.

    Der Kläger beantragt,

    den Bescheid für 2004 über Einkommensteuer vom 29. Juni 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2006 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer für 2004 unter Berücksichtigung eines Freibetrags in Höhe von 7.200 EUR gemäß § 3 Nr. 9 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neu festgesetzt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage als unbegründet abzuweisen.

    Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, die Voraussetzungen des § 3 Nr. 9 EStG seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da das Arbeitsverhältnis mit der Kabel Deutschland GmbH einvernehmlich beendet worden sei. Demnach liege keine vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung des Dienstverhältnisses vor. Außerdem sei der Kläger im Anschluss an die Vertragsauflösung wieder bei seinem vorherigen Dienstherrn, der Deutsche Telekom AG, beschäftigt gewesen. Demzufolge liege kein die Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG rechtfertigender Arbeitsplatzverlust vor.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    1. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn der Beklagte hat zu Recht keinen Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Die vom Kläger bezogene Abfindung in Höhe von 32.000 EUR beruht nicht auf einer vom Arbeitgeber veranlassten Auflösung des Dienstverhältnisses.

    a) Nach § 3 Nr. 9 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses steuerfrei, höchstens jedoch 7.200 EUR. Hat der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet und hat das Dienstverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden, so beträgt der Höchstbetrag 9.000 Euro, hat der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet und hat das Dienstverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden, so beträgt der Höchstbetrag 11.000 Euro (§ 3 Nr. 9 Satz 2 EStG).

    b) Im Streitfall wurde das Arbeitsverhältnis nicht auf Veranlassung des Arbeitgebers aufgelöst.

    aa) Ein Arbeitsverhältnis wird dann auf Veranlassung des Arbeitgebers aufgelöst, wenn dieser die entscheidende Ursache hierfür gesetzt hat (BFH, BStBl. II 2005, 181; FG Düsseldorf EFG 2002, 1450; vgl. von Beckerath in Kirchhof, EStG – Kompaktkommentar, 8. Aufl. 2008, § 3 Rz. 38). Dabei kommt es nicht darauf an, dass das Arbeitsverhältnis durch eine (ordentliche oder außerordentliche) Kündigung im Sinne der §§ 620 Abs. 2, 621 ff. BGB beendet wurde. Zwar wird nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III kein Arbeitslosengeld gezahlt, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, so dass der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit ruht. Ein Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn der Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III). Dabei genügt es, wenn das Arbeitsverhältnis durch eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber einvernehmlich beendet wurde, wobei unerheblich ist, von welcher Seite die Initiative ausging (vgl. zum Beispiel Memento, Personalrecht für die Praxis, 10. Aufl. 2008, Rz. 1036).

    Demgegenüber ergibt der Vergleich dieser Regelung mit den für § 3 Nr. 9 EStG geltenden Grundsätzen, dass einer Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG nicht bereits das bloße Vorliegen eines – formell einvernehmlichen – Auflösungsvertrags entgegenstehen kann. Vielmehr kann auch im Falle eines Auflösungsvertrags, der – dies liegt in der Natur der Sache – nur durch das einvernehmliche Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zustandekommen kann, § 3 Nr. 9 EStG zur Anwendung kommen.

    Nach ständiger Rechtsprechung des BFH erfordert demnach die Annahme einer Abfindung im Sinne des § 3 Nr. 9 EStG eine Zwangslage des Arbeitnehmers. Der Steuerpflichtige muss unter einem rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gestanden haben, der zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Er darf das Ereignis der Auflösung nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben. Diese Voraussetzungen können dann gegeben sein, wenn die Kündigung und der damit verbundene Einnahmeausfall entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder aber auch, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Ursache gesetzt hat oder sogar seine Zustimmung gegeben hat, diese aber unter rechtlichem, wirtschaftlichem und tatsächlichem Druck erfolgt ist (vgl. BFH vom 4. September 2002, XI R 53/01, BStBl II 2003, 177; BFH vom 10. April 2003 XI R 4/02, BStBl II 2003, 748; vom 21. April 1993 XI R 62/92, BFH/NV 1993, 721, vom 12. Dezember 2001 XI R 38/00, BFH/NV 2002, 638; vom 9. Juli 1992 XI R 5/91, BStBl II 1993, 27; vom 7. März 1995 XI R 54/94, BFH/NV 1995, 961; vom 30. Januar 1991 XI R 21/88, BFH/NV 1992, 646; vom 16. April 1980 VI R 86/77, BStBl II 1980, 393 und vom 13. Oktober 1978 VI R 91/77, BStBl II 1979, 155 sowie Niedersächsisches FG vom 23. Oktober 2001, 11 K 650/98, EFG 2002, 897). Die Liquidation eines Unternehmens führt im Regelfall dazu, dass eine derartige Zwangslage anzunehmen ist. Arbeitsverhältnisse werden, auch wenn die Auflösungsvereinbarung oder -handlung vom Arbeitnehmer selbst ausgehen kann, im Regelfall auf Veranlassung oder Druck des Unternehmens aufgelöst (BFH vom 24. Oktober 2001, BStBl II 2003, 177, 178; vom 16. April 1980 VI R 86/77, BStBl II 1980, 393). Gleiches gilt für Rationalisierungsmaßnahmen, die durch einen Sozialplan begleitet werden (BFH vom 6. Mai 1977 VI R 161/76, BStBl. II 1977, 718), und auch dann, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat oder einzelnen Arbeitnehmern im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen vorschlägt, einen Auflösungsvertrag zu schließen (vgl. FG Münster vom 4. März 2004 8 K 2801/01 E, EFG 2004, 1352; Tormöhlen in Korn, EStG, § 3 Nr. 9 a.F., Rz. 7).

    bb) Im Streitfall lag keine derartige Drucksituation bzw. Zwangslage für den Kläger vor.

    Der Auflösungsvertrag kam zwar deshalb zustande, weil die Arbeitgeberin des Klägers – offenbar nachdem die Deutsche Telekom AG ihre Anteile an ihr veräußert hatte – im Rahmen der „organisatorischen und prozessbedingten Maßnahmen” Arbeitnehmer dazu zu bewegen suchte, den Arbeitsplatz zu wechseln oder aus dem Unternehmen auszuscheiden (vgl. Bl. 64 d.A.). Denn aus dem vom Kläger vorgelegten „Eckpunktepapier vom 24.11.2003 zur Beschäftigungssicherung”, das zwischen der Kabel Deutschland GmbH und deren Konzernbetriebsrat vereinbart wurde, sowie aus der daraufhin erfolgten Information der Arbeitnehmerschaft durch den Konzernbetriebsrat ergibt sich für den Senat unzweifelhaft, dass die Arbeitgeberin des Klägers Veränderungen in der Unternehmensstruktur für das Jahr 2004 plante, die mit einem Personalabbau einhergingen (Bl. 58 d.A.). Dabei wurde bereits im November 2003 angekündigt, dass „im Jahr 2004 … mit maximal 200 Arbeitnehmern ein Auflösungsvertrag mit Abfindungszahlung geschlossen” werde (Bl. 58 d.A.).

    Zur Erreichung des Ziels lag es im Interesse des Arbeitgebers, dass Arbeitnehmer freiwillig – das heißt ohne Kündigung – aus dem Unternehmen ausscheiden sollten. Und für den Fall, dass auch dieser Schritt nicht die gewünschte Wirkung erreichte, wurde ein Sozialplan im Sinne der §§ 111 bis 113 BetrVG angekündigt (vgl. Bl. 64 d.A.). Gerade bei Rationalisierungsmaßnahmen entspricht es der üblichen Praxis, die Arbeitnehmer zum formell freiwilligen Verzicht auf ihren Arbeitsplatz zu drängen, um das Rationalisierungsergebnis möglichst reibungslos zu erreichen. Trotz der formellen Freiwilligkeit bleibt aber tatsächlich eine im Sinne der oben genannten Vorschriften ausreichende Drucksituation für alle Arbeitnehmer bestehen. Der Senat geht daher auch bei den von der Kabel Deutschland GmbH vorgenommenen Rationalisierungsmaßnahmen von einem erheblichen Druck für alle Arbeitnehmer aus, ihren Arbeitsplatz aufzugeben.

    Allerdings weist der Streitfall Besonderheiten auf, die nach der Überzeugung des Senats eine Zwangssituation gerade des Klägers ausschließen. Denn zum Einen ergibt sich aus den Akten (Bl. 80 d.A.), dass die Arbeitgeberin eine Liste mit namentlich benannten Arbeitnehmern, die hierfür in Betracht kamen, erstellt hatte (vgl. dazu § 1 Abs. 5 KSchG, §§ 111, 112 BetrVG). Der Kläger war dort offensichtlich nicht aufgeführt (vgl. Bl. 81 f. d.A.), hat sich aber gleichwohl als einer der ersten fünf Arbeitnehmer, die sich sofort um den Abschluss eines Auflösungsvertrags beworben haben, freiwillig gemeldet. Daher kann der Senat nicht davon ausgehen, der Kläger sei von seiner Arbeitgeberin zum Abschluss des Auflösungsvertrags gedrängt worden.

    Außerdem musste der Kläger unter keinen Umständen einen Arbeitsplatzverlust befürchten, da sein Beamtenverhältnis (vormals zur Post, nach der Postneuordnung zur Deutschen Telekom AG) während der Versetzung zur Kabel Deutschland GmbH fortbestanden hatte und auch nach der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses weiterhin fortbestand.

    Gerade der zuletzt genannte Umstand veranlasst den Senat, § 3 Nr. 9 EStG teleologisch zu reduzieren, dass die Vorschrift jedenfalls dann nicht zur Anwendung gelangt, wenn dem Arbeitnehmer unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, das heißt nicht einmal theoretisch ein Arbeitsplatzverlust droht, so dass die der Vorschrift zugrundeliegende sozialstaatliche Motivation (vgl. Tormöhlen in Korn, EStG, § 3 Nr. 9 a.F., Rz. 1) nicht berührt ist. Denn § 3 Nr. 9 EStG enthält eine sozialpolitisch bedingte Steuerbefreiung für Abfindungen, die wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten Auflösung des Dienstverhältnisses gezahlt werden. Durch die Gewährung der Steuerfreiheit sollen soziale Härten vermieden werden (siehe BFH vom 27. April 1994 XI R 41/93, BStBl II 1994, 653; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 9, Rz. 280b mit weiteren Nachweisen; ebenso im Grundsatz von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3, Rz. A 784). Dabei geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, dass die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer mit einer Härte verbunden ist. Da es sich um eine typisierende Regelung handelt, kommt es im Einzelfall nicht darauf an, ob beim Arbeitnehmer tatsächlich ein Härtefall vorliegt.

    Allerdings greifen diese sozialpolitischen Erwägungen in Fallgestaltungen wie der im Streitfall vorliegenden nicht, wenn (letztlich) kein Arbeitsplatzverlust eintreten kann. In diesen Fällen entstehen keine sozialen Härten. Diesem Gedanken folgt auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die für die Auflösung eines Dienstverhältnisses im Sinne von § 3 Nr. 9 EStG dessen endgültige Beendigung verlangt. Nur unter dieser Voraussetzung ist die aus sozialpolitischen Gründen gewährte Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 9 EStG, mit der den Folgen eines Arbeitsplatzverlustes Rechnung getragen werden soll, gerechtfertigt (BFH vom 21. Juni 1990 X R 48/86, BStBl II 1990, 1021 mit weiteren Nachweisen; vgl. insoweit auch von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3, Rz. B 9/37). Dieses Ergebnis lässt sich durch Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Auflösung des Dienstverhältnisses” in § 3 Nr. 9 EStG gewinnen (siehe zu den Beispielen aus der Rechtsprechung zum Beispiel Erhard in Blümich, EStG, § 3, Rz. 29; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 3, Rz. 302 ff.; von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3, Rz. B 9/37 ff, jeweils mit Nachweisen der BFH-Rechtsprechung).

    Daran anknüpfend ist der Senat der Auffassung, dass darüber hinaus eine einschränkende Auslegung und Anwendung der Norm geboten ist, wenn zwar ein Arbeitsverhältnis aufgelöst wird, der Arbeitnehmer jedoch von vornherein keinen Arbeitsplatzverlust erleiden kann, weil infolge der Auflösung des einen Arbeitsverhältnisses ein anderes, bislang ruhendes Beschäftigungsverhältnis wieder auflebt. So verhält es sich im Streitfall.

    Es handelt sich vorliegend zwar nicht um den Fall einer Abfindung bei einem Arbeitsplatzwechsel innerhalb desselben Konzerns (vgl. zum Beispiel Niedersächsisches FG, Urteil vom 4. Oktober 2003, 13 K 482/04, juris). Denn die Kabel Deutschland GmbH gehörte zwar zur Unternehmensgruppe der Deutsche Telekom AG, als der Kläger dort zu arbeiten begann (vgl. Bl. 26 d.A.). Jedoch galt dies nicht mehr beim Ausscheiden des Klägers aus dem Unternehmen. Der Kläger musste als Bundesbeamter indessen zu keinem Zeitpunkt einen Arbeitsplatzverlust befürchten, so dass es nicht gerechtfertigt erscheint, ihn durch die Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG zu begünstigen.

    2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    3. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Dass § 3 Nr. 9 EStG in der hier maßgeblichen Fassung durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22. Dezember 2005 (BGBl. I 2005, 3682) aufgehoben wurde, steht der Revisionszulassung nicht entgegen. Zwar kommt einer Rechtsfrage dann keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu, wenn sie ausgelaufenes oder auslaufendes Recht betrifft und weder weitere gleichartige Fälle anhängig sind noch die umstrittene Rechtsfrage für eine Nachfolgeregelung von Bedeutung ist (BFH vom 18. September 2002 IV B 110/00, BFH/NV 2003, 186). Der Senat geht jedoch für § 3 Nr. 9 EStG davon aus, dass die Norm noch eine Vielzahl von gleichgelagerten Verfahren betrifft und die Frage des sachlichen Anwendungsbereichs in Konstellationen wie der vorliegenden einer höchstrichterlichen Klärung bedarf.

    VorschriftenEStG § 3 Nr. 9