03.03.2011
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 19.01.2011 – X B 43/10
Gründe
1
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Er hatte einen Teil seines Einzelunternehmens in eine Einmann-GmbH & Co. KG eingebracht, kurz darauf Anteile an der GmbH und Teile seines Kommanditanteils verkauft und begehrt für den Veräußerungserlös die Tarifbegünstigung nach §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres 1998. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) und das Finanzgericht (FG) behandelten den Vorgang unter Berufung auf § 42 der Abgabenordnung (AO) in der Fassung des Streitjahres und unter Bezugnahme auf die sogenannte Gesamtplan-Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wie eine nicht tarifbegünstigte unmittelbare Einbringung des Einzelunternehmens in die KG unter gleichzeitiger Zuzahlung des neuen Beteiligten in sein Privatvermögen.
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Der Kläger meint, Tragweite und Grenzen der Rechtsfigur des Gesamtplans seien zu klären. Es sei gerade angesichts der Gesetzesänderung seit 2008 von grundsätzlicher Bedeutung, inwieweit die Figur des Gesamtplans wie ein erweiternder Tatbestand zu § 42 AO eine teleologisch orientierte, auf dem wirtschaftlichen Sachverhalt aufbauende steuerrechtliche Wertung entbehrlich mache und schließlich ein Diktat des kürzesten und einfachsten Wegs der Gestaltung begründe, das zu einem gesetzgeberisch nicht gewollten allgemeinen Missbrauchsvorbehalt für die Umstrukturierung von Unternehmen führe. Die neuere Rechtsprechung unterstreiche den Klärungsbedarf. So sei die durch das BFH-Urteil vom 6. September 2000 IV R 18/99 (BFHE 193, 116, BStBl II 2001, 229) maßgebend begründete Gesamtplan-Rechtsprechung durch das BFH-Urteil vom 25. Februar 2010 IV R 49/08 (BFHE 228, 486, BStBl II 2010, 726) eingegrenzt worden. Die Ausführungen in dem BFH-Urteil vom 25. November 2009 I R 72/08 (BFHE 227, 445, BStBl II 2010, 471) sowie Äußerungen hierzu, die teilweise von einem anderen Grundverständnis des Gesamtplangedankens ausgingen, zeigten, zu welcher Unklarheit und Unsicherheit die Gesamtplan-Rechtsprechung geführt habe.
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Auch der vorliegende Fall zeige Wertungswidersprüche. Der Große Senat des BFH habe mit Beschluss vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98 (BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123) erkannt, bis Ende 1998 sei, ständiger Rechtsprechung folgend, die tarifbegünstigte Veräußerung von Bruchteilen eines Mitunternehmeranteils noch möglich. § 42 AO sei keine Grundlage, dies nachträglich zu ändern; der Hinweis des Großen Senats auf § 42 AO betreffe das --hier nicht vorliegende-- Zweistufen-Modell. Zudem habe der BFH in seinem Urteil vom 24. Juni 2009 VIII R 13/07 (BFHE 225, 402, BStBl II 2009, 993) die Begründung einer Beteiligung unter Zuzahlung in das Privatvermögen des bisherigen Betriebsinhabers wirtschaftlich als Anschaffung eines Mitunternehmeranteils betrachtet. Das müsse zwingend auch für den bisherigen Betriebsinhaber gelten. Eine sachgerechte zivilrechtliche Umsetzung dieses Vorgangs könne kein Missbrauch sein. Schließlich zeige die Möglichkeit, einen Teilbetrieb im Aufbau steuerbegünstigt zu veräußern (BFH-Urteil vom 1. Februar 1989 VIII R 33/85, BFHE 156, 158, BStBl II 1989, 458), dass die im Zusammenhang mit der Veräußerung erstmalige Begründung eines Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils unschädlich sei.
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II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
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1.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Beschluss vom 24. Juli 2008 VI B 7/08, BFH/NV 2008, 1838). Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wird nicht aufgeworfen, wenn die streitige Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Beschluss vom 6. Mai 2004 V B 101/03, BFHE 205, 416, BStBl II 2004, 748). Betrifft die Rechtsfrage ausgelaufenes Recht, müssen in der Beschwerdebegründung besondere Gründe geltend gemacht werden, die ausnahmsweise eine Abweichung von der Regel rechtfertigen, wonach Rechtsfragen, die solches Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt (Senatsbeschluss vom 17. März 2009 X B 34/08, BFH/NV 2009, 1141; vgl. auch Senatsbeschluss vom 3. November 2010 X B 101/10, nicht veröffentlicht).
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Nach diesen Maßstäben fehlt es der Rechtssache aus mehreren Gründen an grundsätzlicher Bedeutung.
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a)
Die aufgeworfene Frage, ob die Figur des Gesamtplanes sich als eigenständiger Tatbestand gegenüber § 42 AO verselbständigt hat, ist nicht nur aus gesetzessystematischen Gründen, sondern auch auf Grund der Rechtsprechung des BFH eindeutig dahin zu beantworten, dass dies nicht der Fall ist, und bedarf daher keiner Klärung mehr. Die Vorstellung des Gesamtplanes dient dazu, § 42 AO auszufüllen (vgl. BFH-Urteile vom 13. Oktober 1992 VIII R 3/89, BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477; vom 26. März 1996 IX R 51/92, BFHE 180, 330, BStBl II 1996, 443; vom 13. Oktober 1993 X R 81/91, BFH/NV 1994, 620). Auch das Urteil des I. Senats in BFHE 227, 445, BStBl II 2010, 471 beruht, anders als der Kläger meint, auf diesem Gedanken, wenn es erörtert, ob die dortige Gestaltung auf einem schädlichen Gesamtplan beruhe und deshalb § 42 AO unterliege.
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Nichts anderes ergibt sich im Ergebnis aus den Entscheidungen, die die Frage der betrieblichen Veranlassung von Ausgaben unter dem Aspekt des Gesamtplanes würdigen (vgl. BFH-Urteile vom 18. Januar 2001 IV R 58/99, BFHE 194, 377, BStBl II 2001, 393; vom 22. Januar 2002 VIII R 46/00, BFHE 197, 517, BStBl II 2002, 685; vom 31. Juli 2002 X R 103/96, BFH/NV 2003, 26; und vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II 2006, 359). Eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 42 AO ist im Rahmen der notwendig wertenden Betrachtung des mit betrieblicher "Veranlassung" ausgedrückten Kausalzusammenhangs entbehrlich.
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Folgerichtig geht das BFH-Urteil vom 16. September 2004 IV R 11/03 (BFHE 207, 274, BStBl II 2004, 1068), dem inhaltlich für eine anders gelagerte Konstellation der BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2006 XI B 28/06 (BFH/NV 2007, 391) folgt, differenzierend davon aus, dass ein Gesamtplan --wenn auch ohne Verwendung dieses Begriffes-- nicht unbedingt zur Anwendung von § 42 AO führen müsse.
10
b)
Soweit der Kläger darüber hinaus Reichweite und Umfang des Gesamtplangedankens für klärungsbedürftig erachtet, namentlich, ob hieraus ein "Gebot des kürzesten Weges" herzuleiten sei und inwieweit die Gesamtplankonzeption ihrerseits durch die steuerlichen Wertungen der jeweils maßgebenden Rechtsvorschriften geprägt wird, sind diese Fragen im vorliegenden Fall teils nicht klärungsbedürftig, teils nicht klärungsfähig.
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aa)
Die diesbezügliche Rechtslage für das Streitjahr 1998 ist nicht (mehr) klärungsbedürftig. Da der Gesamtplangedanke ein Anwendungsfall von § 42 AO ist (s.o. unter a), sind weitere Überlegungen zu seinem Geltungsanspruch stets vor dem Hintergrund der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Vorschrift anzustellen. § 42 AO in der im Streitjahr geltenden Fassung ist jedoch ausgelaufenes Recht, so dass Rechtsfragen zu dessen Auslegung und Verständnis im Allgemeinen keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben. Besondere Gründe, warum es sich im konkreten Fall anders verhalte, bestehen nicht. Zwar ist davon auszugehen, dass der Gesamtplangedanke in der einen oder anderen Form auch unter § 42 AO in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung fortwirken wird. Die Bestimmung von Reichweite und Grenzen der § 42 AO ausfüllenden Rechtsfigur ist von deren jeweiliger Fassung abhängig, soweit sie angesichts der Vielfalt steuerrechtsrelevanter Sachverhalte und Gestaltungsmöglichkeiten überhaupt einer grundsätzlichen Klärung zugänglich ist.
12
bb)
Die Bedeutung des Gesamtplangedankens unter der aktuellen Fassung von § 42 AO ist hingegen im vorliegenden Verfahren nicht klärungsfähig.
13
2.
Die angedeuteten Divergenzen bestehen ebenfalls nicht.
14
a)
Die Entscheidung des FG setzt sich nicht in Widerspruch zu dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123. Das FG hat nicht bestritten, dass die Veräußerung von Bruchteilen eines Mitunternehmeranteils im Streitjahr noch möglich war, sondern hat den Vorgang unter Zusammenschau mit der Schaffung der Mitunternehmerschaft beurteilt.
15
b)
Das BFH-Urteil in BFHE 225, 402, BStBl II 2009, 993 befasst sich mit der Behandlung eines im Rahmen einer Neugründung einer Personengesellschaft gegen Zuzahlung an den bisherigen Einzelunternehmer neu entstandenen Mitunternehmeranteils bei dem neu eingetretenen Sozius. Im Streitfall geht es um die Behandlung eines --nach Zusammenfassung der einzelnen Rechtsakte unter dem Aspekt des Gesamtplanes-- vergleichbaren Sachverhalts bei dem bisherigen Einzelunternehmer.
16
c)
Soweit der BFH mit seinem Urteil in BFHE 156, 158, BStBl II 1989, 458 die Möglichkeit anerkannt hat, einen Teilbetrieb im Aufbau steuerbegünstigt zu veräußern, hat er nicht ausgeschlossen, den Veräußerungsvorgang zusammen mit dem Aufbau des Veräußerungsobjekts den Umständen entsprechend zu würdigen. Das FG hat seine Entscheidung nicht allein mit dem zeitlich engen Zusammentreffen zwischen der Begründung der Mitunternehmerschaft und der Veräußerung des Anteils, sondern den damit verfolgten Zielen begründet.