11.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111520
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 09.09.2010 – 8 K 8104/07
1. Zahlungen einer GmbH in die Instandhaltungsrückstellungen bzw. Instandhaltungsrücklagen einer Wohneigentumsgemeinschaft gem. § 21 Abs. 5 Nr. 4 WoEigG sind nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, sondern als geldwerte Vermögensposition, die bei der Bemessung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung Berücksichtigung findet, in Höhe des Nennwerts zu aktivieren.
2. Der Nachholung der Bilanzierung der Instandhaltungsrücklage im Wege der Bilanzberichtigung steht die ergebnislose Vorprüfung durch das FA nicht entgegen. Dem daraus folgenden gesteigerten Vertrauensschutz für die Vorjahre wird durch die sog. Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO ausreichend Rechnung getragen.
FG Berlin-Brandenburg v. 09.09.2010
8 K 8104/07
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in deren Eigentum sich mehrere Eigentumswohnungen befinden. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist unter anderem die Verwaltung eigenen Vermögens, insbesondere von Grundvermögen.
In Jahr 2000 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 durch. Die Prüfung führte zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen.
Die zu den Wohnungen gehörenden Wohneigentumsgemeinschaften – WEG – bildeten so genannte Instandhaltungsrücklagen (§ 21 Abs. 5 Nr. 4 des Wohnungseigentumsgesetzes). Der Klägerin wurden von den Hausverwaltungen der jeweiligen WEG Instandhaltungsrücklagen in folgender Höhe zugeordnet:
Stichtag Rücklage in DM Rücklage in EUR
31.12.1999 119.011,94 DM 60.849,83 EUR
31.12.2000 149.192,00 DM 76.280,79 EUR
31.12.2001 97.030,69 EUR
31.12.2002 120.554,89 EUR
Die Klägerin behandelte die Zahlungen in die Instandhaltungsrücklage als Betriebsausgaben.
Der Beklagte setzte die Besteuerungsgrundlagen den Steuererklärungen entsprechend zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Zwischen August 2005 und März 2006 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2004 durch. Die Prüferin sah die Instandhaltungsrücklagen als den Gewinn erhöhende und zu aktivierende Bilanzposten an. Aus Vereinfachungsgründen wertete die Prüferin ihre Prüfungsfeststellungen zusammenfassend nur in den Jahren 2003 und 2004 aus. Auf die Betriebsprüfungsberichte vom 28. März 2006, korrigiert durch den Bericht vom 9. Juni 2006, wird verwiesen.
Der Beklagte folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ geänderte Bescheide für die Jahre 2003 und 2004. Für die Streitjahre hob der Beklagte die Vorbehalte der Nachprüfung auf.
Gegen die Änderungsbescheide, aber auch vorsorglich gegen die Bescheide über die Aufhebung der Vorbehalte, erhob die Klägerin Einspruch. Zur Begründung führte sie aus, die Instandhaltungsrücklage sei zwar grundsätzlich als sonstiges Vermögen zu aktivieren, jedoch müsse eine Bewertung mit 0,– DM/EUR erfolgen. Es bestehe kein Rückforderungsrecht gegenüber den WEG und bei Veräußerungen der betreffenden Wohnungen gehe die Rücklage auf den Erwerber über. Im Fall einer Insolvenz des einzelnen Wohnungseigentümers sei es nicht möglich, auf diese Rücklagen zurückzugreifen. Diese Umstände widersprächen nach den §§ 252, 253 Handelsgesetzbuch einem Ausweis der Rücklage als Vermögenswert. Es sei abwegig, die Instandhaltungsrücklage als einen für den Kaufpreis Wertbestimmenden Faktor anzusehen. Es sei kein Kaufvertrag bekannt, in dem die Instandhaltungsrücklage gesondert aufgeführt worden sei. Es mögen zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Bilanzberichtigung vorliegen, die vorgenommene Änderung widerspreche aber den Grundsätzen der Bestandskraft von Steuerbescheiden. Die Finanzbehörde hätte den Sachverhalt gekannt und ihn nicht bei der Prüfung der Bescheide für die Jahre 1997 bis 1999 beanstandet. Die Einsprüche gegen die Aufhebung der Vorbehalte seien vorsorglich erfolgt, weil eine Änderung der Bescheide für die Jahre 2003 und 2004 möglicherweise Auswirkungen auf die Jahre 2000 bis 2002 haben könnte.
Der Beklagte kündigte an, die Bescheide zum Nachteil der Klägerin ändern und die Instandhaltungsrücklagen bereits ab dem 31. Dezember 2000 jährlich berücksichtigen zu wollen. Da die Klägerin die Einsprüche aufrecht hielt, wies der Beklagte die Einsprüche unter Änderung der Körperschaftsteuerbescheide zurück. Dabei setzte er die Instandhaltungsrücklage ab dem Jahr 2000 an. Eine Gewinnerhöhung ergab sich für das Jahr 2000 in voller Höhe der Rücklage und in den Folgejahren in Höhe der jeweiligen Differenz zum Vorjahr. Zur Begründung führte der Beklagte aus, es sei unstreitig, dass die Instandhaltungsrücklage zu aktivieren sei. Die Voraussetzungen für eine Abschreibung dieses Vermögenswertes lägen nicht vor. Die Rücklage habe in voller Höhe bestanden und sei auf verzinsten Bankkonten angelegt gewesen. Die Klägerin habe als Eigentümerin ein Stimmrecht in der Eigentümerversammlung und könne daher über die Rücklage verfügen. Die Rücklage erspare der Klägerin weitere Zahlungen, sollten Erhaltungsarbeiten erfolgen müssen. Die Instandhaltungsrücklage nehme Einfluss auf die Kaufpreisbildung. Die Bilanzberichtigung müsse in dem ersten noch änderbaren Jahr vorgenommen werden. Dabei sei die fehlerhafte Bilanz durch den neuen Ansatz zu berichtigen, was zu einer Gewinnerhöhung in vollem Umfang führe.
Hiergegen richtet sich die Klage, in der die Klägerin ergänzend zum Einspruchsverfahren vorträgt, Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens seien nach dem strengen Niederswertprinzip zu bewerten und die Instandhaltungsrücklage sei für die Klägerin wertlos.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über die Aufhebung des Vorbehaltes der Nachprüfung vom 15. August 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. April 2007 dahingehend zu ändern, dass die zu versteuernden Einkommen für das Jahr 2000 um 149.192,– DM, für das Jahr 2001 um 40.584,– DM und für das Jahr 2002 um 23.524,– EUR gemindert werden,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bezug nehmend auf seine Einspruchsentscheidung trägt er ergänzend vor, die Umstände, dass in Höhe der Rücklage kein Rückforderungsrecht bestehe und die Rücklage bei einem Verkauf auf den Erwerber übergehe, rechtfertigten keine Abschreibung des Vermögenswertes. Die Klägerin trage die Beweislast für Grund und Höhe einer Abschreibung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Steuerbescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat die Instandhaltungsrücklage in zutreffender Höhe mit ihrem Nennwert aktiviert. Diese Bilanzberichtigung ist in nicht zu beanstandender Weise erstmalig in der Schlussbilanz des Jahres 2000 vorgenommen worden.
Die umgangssprachlich als Instandhaltungsrücklagen bezeichneten Instandhaltungsrückstellungen im Sinne von § 21 Wohnungseigentumsgesetz stellen zu aktivierende Wirtschaftsgüter dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –, der sich der Senat anschließt, sind zu aktivierende Wirtschaftsgüter sowohl Sachen, Tiere und nichtkörperliche Gegenstände im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches, sofern sie am Bilanzstichtag bereits als realisierbare Vermögenswerte angesehen werden können, als auch bloße vermögenswerte Vorteile einschließlich tatsächlicher Zustände und konkreter Möglichkeiten. Voraussetzung ist weiterhin, dass sich der Kaufmann diese Werte etwas kosten lässt, diese Vermögenswerte nach der Verkehrsauffassung einer selbständigen Bewertung zugänglich sind und diese in der Regel einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen (siehe Weber-Grellet in Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 28. Auflage 2009, § 5 Rz. 94, m.w.N.: u.a. BFH, Urteil vom 24. Juli 1996 X R 139/93, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 1997, 105 und BFH, Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 29/98, BFH/NV 2003, 21).
Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Instandhaltungsrücklagen vor. Denn sie stellen einen Vermögenswert dar, der für den Wohnungseigentümer nützlich ist. Durch die Rücklage wird der Eigentümer in die Lage versetzt, bei von der WEG beschlossenen Erhaltungs- oder baulichen Maßnahmen, diese die Wohnung in der Regel Werterhöhenden Maßnahmen ausführen zu lassen, ohne weitere Zahlungen leisten zu müssen. Der Eigentümer erhält im Zuge der Maßnahmen einen Gegenwert ohne eine weitere gesonderte Leistung erbringen zu müssen. Dieser vermögenswerte Vorteil kostet den Kaufmann etwas, weil er ihn durch eigene Zahlungen in die Rücklage begründet hat und dieser Vorteil dem Unternehmen der Klägerin einen Nutzen erbringt.
Dieser Vorteil ist nach der Verkehrsauffassung einer selbständigen Bewertung zugänglich. Zunächst ist es möglich, diesen Vorteil betragsmäßig genauestens festzustellen. Denn er besteht in der Höhe, in der die Einzahlungen in die Rückstellung erfolgt sind. Dieser Anspruch ist verkehrsfähig, weil er im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Wohnung auf den neuen Eigentümer übergeht. Daher stellt das Guthaben aus der Instandhaltungsrücklage eine mit einer Geldforderung vergleichbare Vermögensposition dar. Denn Sinn der Instandhaltungsrücklage ist es, für künftig erforderlich werdende Reparaturen vorzusorgen und die Liquidität der Eigentümergemeinschaft für den Fall höherer Instandhaltungsaufwendungen zu gewährleisten. Es handelt sich wirtschaftlich um Vorauszahlungen der Wohnungseigentümer auf zukünftige Instandhaltungsaufwendungen. Die Eigentümer können deshalb verlangen, dass Aufwendungen für Instandsetzungen am Gemeinschaftseigentum, an denen sie sich entsprechend der Größe ihres Wohneigentums zu beteiligen haben (siehe § 16 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz) zunächst aus der Rücklage bezahlt werden. Die insoweit bestehenden Ansprüche der Wohnungseigentümer sind zwar zweckgebunden und für die einzelnen Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht frei verfügbar. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die in der Instandhaltungsrücklage angesammelten Mittel den einzelnen Wohnungseigentümern ihrem Anteil an der Instandhaltungsrücklage entsprechend im Fall des Eintritts der Kostentragungspflicht nach § 16 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz unmittelbar zugute kommen. Der BFH hat vor diesem Hintergrund zwar festgestellt, dass der Vorteil bei einem Verkauf der Wohnung nicht grunderwerbsteuerpflichtig ist. Dieser Anspruch des Eigentümers stellt aber dennoch einen vermögenswerten, selbständig bewertbaren Vorteil bzw. eine geldwerte Vermögensposition dar (siehe BFH, Urteil vom 9. Oktober 1991 II R 20/89, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 165, 548, BStBl 1992 II S. 152, siehe auch FinMin Niedersachsen vom 1. Oktober 1992 S 3250- 17-34 zur Erfassung der Instandhaltungsrücklage als gesonderte Kapitalforderung nach § 12 Bewertungsgesetz bei der Ermittlung der Vermögenssteuer).
Vor diesem Hintergrund erklärt sich der Einwand der Klägerin, sie habe bisher noch keinen Grundstückskaufvertrag gesehen, der die Instandhaltungsrücklage explizit ausweise. Denn zur Bestimmung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage ist der gesonderte Ausweis der Rücklage – jedenfalls aus grunderwerbsteuerlichen Gründen – nicht erforderlich. Dennoch stellt die Rücklage eine geldwerte Vermögensposition dar, die bei der Bemessung des Kaufpreises grundsätzlich Berücksichtigung findet (so auch BFH, Beschluss vom 9. Dezember 2008 IX B 124/08, BFH/NV 2009, 571 und BFH, Urteil vom 9. Oktober 1992 , a.a.O.).
Dieser Vermögensvorteil ist vorliegend in Höhe seines Nennwertes, der den Anschaffungskosten entspricht, zu bewerten. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz – EStG – sind derartige unkörperliche Wirtschaftsgüter, wie Beteiligungen und Forderungen, mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder dem an deren Stelle tretenden Wert anzusetzen. Ist der Teilwert niedriger so kann bzw. muss dieser aufgrund des steuerrechtlichen Niederswertprinzips angesetzt werden. Dabei ist der Teilwert der Betrag, den ein „gedachter” Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde und der davon ausgeht, dass er den Betrieb fortführt (siehe § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Bei derartigen wertgeminderten Wirtschaftsgütern muss im Fall einer so genannten Teilwertabschreibung der Teilwert zudem aufgrund einer dauernden Wertminderung niedriger sein (siehe § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG).
Vor diesem Hintergrund sind die Instandhaltungsrücklagen vorliegend mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Diese entsprechen dem Nennwert der Forderung bzw. Rücklage und auch dem Teilwert und ergeben sich aus den Zahlungen bzw. Kosten, die die Klägerin in die Rücklage geleistet hat. Ein gedachter Erwerber des gesamten Betriebes würde die wirtschaftliche Belastung, die mit dem Erwerb von Eigentumswohnungen verbunden ist, also den konkreten Wert der Wohnung aufgrund ihres „Ist-Zustandes” und den zur Verbesserung des Zustandes angesammelten Rücklagebetrag den Wert beeinflussend berücksichtigen, so dass dieser Nennwert auch dem Teilwert entspricht. Zwar ist die Verfügbarkeit der Rücklage für den einzelnen Wohnungseigentümer eingeschränkt, die Rücklage dient aber zugleich dem Ausgleich künftiger Belastungen und stellt zum Bewertungsstichtag ein Äquivalent für die mit dem Zeitablauf einhergehende Wertminderung der Immobilie dar. Daher ist gerade der gedachte Erwerber, der den Betrieb fortführt, also die Immobilie weiter nutzt, an einer hohen Rücklage interessiert. Anhaltspunkte, dass im konkreten Fall Tatsachen vorliegen könnten, die für eine dauerhafte Wertminderung oder Gefährdung der Rücklage sprechen, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
Dieses Ergebnis widerspricht nach Auffassung des Senats nicht der Rechtsprechung des BFH. Der BFH hat sich – soweit für den Senat ersichtlich – mit der Frage der steuerlichen Behandlung von Instandhaltungsrücklagen bisher nur mit Steuerpflichtigen befasst, die ihren Ertrag aus Einnahme-Überschussrechnungen ermitteln (siehe BFH, Urteil vom 26. Januar 1988 IX R 119/83, BFHE 152, 471, BStBl 1988 II S. 577BFH, Beschluss vom 21. Oktober 2005 IX B 144/05, BFH/NV 2006, 291, BFH, Beschluss vom 9. Dezember 2008 IX B 124, a.a.O.). Dabei hat der BFH die steuerrechtliche Behandlung der Instandhaltungsrücklage losgelöst von der zivilrechtlichen Einstufung dieser Rücklagen vorgenommen und darauf abgestellt, dass die ertragswirksame Erfassung und Behandlung der Instandhaltungsrücklage erst zu dem Zeitpunkt erfolgen soll, an dem die Aufwendungen getätigt werden. Denn erst dann sei erkennbar, ob es sich bei den betreffenden Aufwendungen um sofort abziehbare Werbungskosten oder um ggf. auf die Nutzungsdauer zu verteilende Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. Durch Ansatz eines Aktivpostens in der Bilanz wird insofern eine steuerliche Gleichbehandlung von bilanzierenden Steuerpflichtigen und Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn durch eine Einnahme-Überschussrechnung erstellen, erreicht.
Die Rücklage ist zutreffend zum 31. Dezember 2000 in H öhe von 149.192,00 DM angesetzt worden. Denn die zuvor unterbliebene Bilanzierung dieses Vermögenswertes muss im Rahmen der Bilanzberichtigung nachgeholt werden, weil die Bilanzen fehlerhaft waren. Eine Bilanz ist in diesem Sinne fehlerhaft, wenn der Bilanzansatz objektiv gegen ein handelsrechtliches oder steuerrechtliches Bilanzierungsgebot oder -verbot verstößt und der Steuerpflichtige diesen Verstoß nach den im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bestehenden Erkenntnismöglichkeiten über die zum Bilanzstichtag gegebenen objektiven Verhältnisse bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung hätte erkennen können (siehe Heinicke in Schmidt, a.a.O., § 4 Rz. 681 m.w.N., Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. April 2006 I R 46/04, BFHE 213, 326, BStBl. II 2006, 688). Diese Voraussetzungen liegen vor. Denn die Klägerin hätte wissen können und müssen, dass die Rücklage einen zu aktivierenden Vermögenswert darstellt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, müssen zwar Bilanzen für Zwecke der Veranlagung und der Gewinnfeststellung grundsätzlich im Fehlerjahr und in den Folgejahren berichtigt werden. Ist eine solche Berichtigung aber nicht mehr möglich, weil die Veranlagungsbescheide bestandskräftig sind und keine Änderungsvorschrift für diese Bescheide eingreift, so ist die Korrektur in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachzuholen, in dem dies mit steuerlicher Wirkung möglich ist (siehe BFH, Urteil vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl. II 1998, 443). Dies ist vorliegend die Veranlagung des Jahres 2000.
Grundsätzlich knüpft der BFH an den formellen Bilanzzusammenhang und nicht an die materiell-rechtliche Bilanz an. Dies hat zur Folge, dass durch Berichtigung der Schlussbilanz und Ansatz des zutreffenden Wertes, in den Vorjahren unterbliebene Fehler im Ergebnis nachgeholt werden. Dabei wird letztlich gegen das Prinzip der Abschnittsbesteuerung zugunsten einer richtigen Ermittlung des Totalgewinnes verstoßen. Der Klägerin ist daher zuzustimmen, dass diese Vorgehensweise im Ergebnis dazu führt, dass eine Besteuerung in das Jahr 2000 verlagert wird, obwohl eine teilweise Besteuerung in den vorangegangenen Jahren hätte erfolgen müssen.
Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang dennoch nicht mit Erfolg auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen. Zwar fordert der BFH, dass das Prinzip des formellen Bilanzzusammenhangs nicht ausnahmslos gelten soll und Durchbrechungen insbesondere unter Berücksichtigung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben gerechtfertigt werden können (siehe BFH, Urteil vom 28. April 1998 , a.a.O.). Indes liegt nach Auffassung des Senats ein solcher Fall nicht vor. Dabei übersieht der Senat nicht, dass aufgrund der ergebnislosen Vorprüfung durch das Finanzamt für die Vorjahre ein gesteigerter Vertrauensschutz bestand. Dieser Vertrauensschutz bestand aber nur für die Vorjahre und wird durch § 173 Abs. 2 AO (so genannte Änderungssperre bei Steuerbescheiden, die aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind) bei den jeweils betroffenen Steuerbescheiden ausreichend Rechnung getragen. Vielmehr muss es der Finanzbehörde ermöglicht werden, einmal falsch getroffene Entscheidungen in den Folgejahren korrigieren zu können. Dem Grundsatz der Ermittlung des richtigen Totalgewinnes gebührt daher der Vorrang vor der Ermittlung richtiger Periodengewinne. Denn ein richtiger Periodengewinn würde nur dann ermittelt werden, wenn bereits die Anfangsbilanz auf den 1. Januar 2000 berichtigt werden könnte. Diese Vorgehensweise würde aber eklatant gegen den Grundsatz des Bilanzzusammenhanges bzw. der Bilanzzweischneidigkeit verstoßen. Daher lässt der BFH eine Ausnahme nur dann zu, wenn schwerwiegende sachliche Gründe erkennbar sind, die es geboten erscheinen lassen, die Rechtswerte der Rechtssicherheit sowie des Vertrauensschutzes bzw. Bilanzzusammenhanges zurückzustellen. Ein derart schwerwiegender Grund liegt zur Überzeugung des Senats auch durch eine ergebnislose Vorprüfung nicht vor (so auch BFH, Urteil vom 7. Juni 1988, VIII R 296/82, BFHE 153, 407, BStBl. II 1988, 886).
Zudem sind Anhaltspunkte, dass ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin bestanden haben könnte, d.h. dass sie sich in ihrem Verhalten auf eine etwaige Vertrauensbasis für die Streitjahre eingerichtet haben könnte, weder vorgetragen worden noch erkennbar.
Die mit diesem Ergebnis verbundene periodenübergreifende „Verlagerung” des durch die Fehlerkorrektur bedingten Einflusses auf die Ermittlung des Gewinns oder Verlustes ist auch nach Auffassung des BFH und des Bundesverfassungsgerichts (siehe Beschluss vom 18. Februar 1993 2 BvR 1196/88, Betriebsberater 1993, 1054 zu BFH, Urteil vom 7. Juni 1988, VIII R 296/82, a.a.O.) grundsätzlich unbedenklich. Denn diese Vorgehensweise kann sich sowohl zugunsten als auch zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirken.
Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da sich der BFH zur Frage der steuerlichen Behandlung von Instandhaltungsrückstellungen bei Bilanzierenden noch nicht geäußert hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.