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  • 01.04.2011

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 28.10.2009 – 2 K 1231/08

    Voraussetzung einer dem Treuhänder gegenüber vorzunehmenden Besteuerung von Neuerwerb des Gemeinschuldners ist, dass dieser tatsächlich zur Masse gehört. Das ist nur dann der Fall, wenn und soweit er der Zwangsvollstreckung unterliegt.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Einkommensteuer auf Basis von Einkünften der Gemeinschuldner aus nichtselbständiger Arbeit gegenüber dem Treuhänder festgesetzt werden durfte.

    Mit Beschlüssen des Amtsgerichtes N - Insolvenzgericht -, jeweils vom 20. Mai 2005, wurden die Verbraucherinsolvenzverfahren über die Vermögen der Eheleute M. und P. B. (im Folgenden: Schuldner und Schuldnerin) eröffnet (Aktenzeichen der Insolvenzverfahren: 2 IK .../05 und 2 IK .../05) und der Kläger zum Treuhänder bestellt. Die Insolvenzverfahren dauern z. Zt. wegen des vorliegenden Rechtsstreites noch an.

    Die Schuldner sind Eltern zweier in 1990 bzw. 1994 geborener unterhaltberechtigter Kinder. Der Schuldner war und ist als Maurer, die Schuldnerin war als Friseurin und ist nunmehr als Reinigungskraft nichtselbständig tätig. Im Streitjahr beliefen sich ihre Bruttojahresgehälter auf rd. 29.000,00 € (Schuldner) bzw. 10.500,00 € (Schuldnerin). Sie verfügen über keine weiteren Einkunftsquellen.

    Laut den von dem Kläger dem Insolvenzgericht erstatteten Berichten wurde der jeweils pfändbare Teil des Arbeitslohnes des Schuldners direkt von der Arbeitgeberin zur Insolvenzmasse ausgekehrt. Hinsichtlich der Schuldnerin ergab sich nach dem Treuhänder kein pfändbarer Lohnanteil.

    Die jeweiligen Lohnsteuerabzüge durch die Arbeitgeber der Schuldner erfolgten ausgehend von der Lohnsteuerklasse 3 beim Schuldner und der Lohnsteuerklasse 5 bei der Schuldnerin.

    Im Februar 2007 reichten die Schuldner die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 ein. Das Finanzamt veranlagte daraufhin erklärungsgemäß. Der unter Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 21. Februar 2007, der zu einer Nachzahlung führte, richtete sich jedoch an den Kläger „für die Schuldner” und wurde wie folgt erläutert: „die Besteuerungsgrundlagen wurden gem. § 162 der Abgabenordnung geschätzt, weil die Einkommensteuererklärung 2006 nicht vom Insolvenzverwalter unterschrieben wurde.”

    Mit hiergegen fristgerecht eingelegtem Einspruch wendete der Kläger ein, bei der Steuernachzahlung handele es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Insolvenzordnung. Der Steueranspruch beruhe vielmehr auf Handlungen der Schuldner, nicht auf einem Handeln des Treuhänders. Im Übrigen knüpfe er auch nicht an Gegenstände der Insolvenzmasse an. Voraussetzung für eine Einkommensteuerfestsetzung gegenüber dem Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder sei, dass eine Verwaltungs- oder Verwertungshandlung des Verwalters für Vermögen in Frage stehe, welches dem Insolvenzbeschlag unterliege. Die hier in Frage stehenden steuerlichen Nachzahlungen resultierten jedoch insbesondere aus pfändungsfreien Einkommensteilen der Schuldner. Da im vorliegenden Fall im Veranlagungszeitraum 2006 pfändbare Bezüge in Höhe von insgesamt 759,00 € zur Masse gezogen worden seien und die Schuldner Einkünfte von insgesamt 37.765,00 € erzielt hätten, betrage der dem Insolvenzbeschlag unterliegende Masseanteil 2 %, so dass sich der auf die Insolvenzmasse entfallende Anteil am festgesetzten Nachzahlungsbetrag auf 17,56 € belaufe.

    Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, der Insolvenzverwalter bzw. der Treuhänder sei während der Dauer des Insolvenzverfahrens als Vertreter des Schuldners anzusehen. Nach Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens seien Bescheide, die keine Insolvenzforderungen beträfen, dem Treuhänder gegenüber bekannt zu geben. Der Insolvenzverwalter habe nach § 34 Abs. 1 und 3 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reiche. Die Verwaltungsbefugnis umfasse nach § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung - InsO - das zur Insolvenzmasse gem. §§ 35 und 36 InsO gehörende Vermögen. Zwar gehörten unpfändbare Gegenstände nicht zur Insolvenzmasse, das Veranlagungswahlrecht selbst stelle jedoch keinen Vermögensgegenstand dar, sondern weise lediglich vermögensrechtlichen Bezug auf. Wenn ein Treuhänder - so der BGH lt. seinem Urteil vom 24. Mai 2007, IX ZR 8/06 - das Wahlrecht der gemeinsamen oder getrennten Veranlagung für die Schuldner ausüben könne, so gehöre es auch zur Kompetenz eines Treuhänders, die Steuerklasse, die sich auf den Lohnsteuerabzug auswirke, zutreffend zu wählen - und zwar so, dass kein Nachzahlungsanspruch entstehe. Sorge der Treuhänder, wie hier, nicht für eine richtige Wahl der Lohnsteuerklasse, so habe er durch seine Verwaltungstätigkeit im Insolvenzverfahren den Nachzahlungsanspruch mit verursacht, so dass schon aus diesem Grunde eine Masseforderung vorliege.

    Mit der vorliegenden, sich hiergegen richtenden Klage trägt der Kläger vor, soweit - wie im Streitfall - Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt würden, werde die Einkommensteuer durch den Abzug vom Arbeitslohn erhoben. Die Lohnsteuer entstehe in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn gezahlt werde. Ihre Höhe richte sich nach § 38 a EStG. Insoweit handele es sich nicht um eine besondere Steuerart, sondern lediglich um eine Vorauszahlung auf die mit Ablauf des Kalenderjahres entstehende Einkommensteuerschuld. Die Lohnsteuer werde sodann angerechnet. Die Einreihung in Lohnsteuerklassen habe auf die mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes entstehende Einkommensteuer keine Auswirkung. Die Wahl der Lohnsteuerklasse habe lediglich Auswirkungen auf die zu leistenden Vorauszahlungen. Die entsprechende Wahl der Lohnsteuerklasse bzw. das Unterlassen einer solchen Wahl habe somit keine Auswirkung auf die mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes entstehende Einkommensteuer. Ob die Einkommensteuerschuld als Insolvenzverbindlichkeit, Masseverbindlichkeit oder als Verbindlichkeit auf Grund einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners zu beurteilen sei, ermittle sich nach gesicherter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nach dem Verhältnis der jeweiligen Teileinkünfte. Entstünden im Veranlagungszeitraum auch Steuerforderungen auf Grund einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners, so habe dieser für diese Einkünfte eine eigene Einkommensteuererklärung abzugeben. Die Steuerschuld richte sich dann auch unmittelbar gegen den Schuldner, so dass diesem der Einkommensteuerbescheid bekannt zu geben sei.

    Im vorliegenden Falle resultiere die Steuerschuld nicht aus Handlungen des Treuhänders und sei auch nicht in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden, die Einkommensteuerschuld 2006 folge vielmehr daraus, dass die Schuldner mit ihrem insolvenzfreien Vermögen (Arbeitskraft) im Veranlagungszeitraum ganz überwiegend insolvenzfreie Einkünfte erzielt hätten.

    Außerdem lasse sich aus dem dem Insolvenzverwalter zustehenden Wahlrecht hinsichtlich der Veranlagungsart (getrennte oder gemeinsame Veranlagung) nicht herleiten, dass entsprechendes auch für die Wahl der Lohnsteuerklasse gelte. Die Wahl der Lohnsteuerklasse habe keinen, auch keinen mittelbaren Bezug zur tariflichen Einkommensteuer. Hierin liege auch keine Maßnahme zur Verwaltung der Insolvenzmasse. Ein wie auch immer gearteter Bezug zur Insolvenzmasse fehle, soweit der Schuldner - wie vorliegend - mit insolvenzfreiem Vermögen insolvenzfreie Einkünfte erziele. Soweit hingegen ein über den Pfändungsfreigrenzen liegender Zufluss zur Masse erzielt werde, könne insoweit eine teilweise Festsetzung der Einkommensteuer im Verhältnis des pfändbaren zum pfändungsfreien Einkommen erfolgen. Aus diesen Gründen sei der Einkommensteuerbescheid 2006 auch nicht dem Kläger gegenüber bekannt zu geben gewesen.

    Der Kläger beantragt,

    den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 21. Februar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2008 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung und bemerkt ergänzend, die Steuerforderung sei nicht auf Grund einer insolvenzfreien Tätigkeit der Schuldner entstanden. Nach den Beschlüssen des Insolvenzgerichtes vom 20. Mai 2005 sei den Schuldnern die Verfügung auch über das Vermögen verboten worden, das sie während des Insolvenzverfahrens erlangten. Demnach habe der Kläger auch insoweit weiterhin die Verwaltungsbefugnis gehabt. Die Wahl der Lohnsteuerklasse habe auch insoweit Auswirkung auf die Einkommensteuerschuld, als durch die zutreffende Wahl auf der Lohnsteuerkarte kein Nachzahlungsanspruch entstehe.

    Dem hält der Kläger entgegen, nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 3. Juli 2008, IX ZB 65/07, obliege die Steuerklassenwahl nicht dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder, sondern nach wie vor dem Schuldner. Im Übrigen sei der Schuldner - wie vorliegend geschehen - gehalten, seine Steuerklasse so zu wählen, dass sein pfändbares Einkommen nicht zum Nachteil der Gläubiger reduziert werde. Die Rechtsauffassung des Beklagten, die Steuerklasse sei so zu wählen, dass kein Nachzahlungsanspruch entstehe, finde in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keine Stütze.

    In einem von der Berichterstatterin durchgeführten Erörterungstermin vom 23. Juli 2009 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO ausdrücklich die Gegenstände nicht zur Insolvenzmasse gehören, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, sowie dass in diesem Zusammenhang die Vorschriften hinsichtlich der Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen entscheidungserheblich seien.

    Auf in diesem Termin erfolgte Aufforderung des Gerichtes legte der Kläger eine Zusammenstellung der zur Masse gezogenen Arbeitseinkommen (Bl. 61 u. 62 PA) vor.

    Er weist darauf hin, dass bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens nach § 850 e ZPO u.a. die Lohnsteuer nicht mitzurechnen sei. Daher handele es sich bei den zur Masse gezogenen pfändbaren Bezügen um bereits versteuertes Einkommen.

    Das Finanzamt vertritt dagegen nach wie vor die Rechtsauffassung, dass der angefochtene Einkommensteuerbescheid wirksam bekannt gegeben worden sei. Auch im Insolvenzverfahren richte sich die Entstehung des Steueranspruches, die Art der Einkünfte und die Berechnung deren Höhe unverändert nach steuerrechtlichen Grundsätzen. Das Insolvenzverfahren bewirke in steuerrechtlicher Hinsicht keine Trennung des Vermögens des Schuldners von dem der Insolvenzmasse. Deshalb sei eine einheitliche Veranlagung durchzuführen, in die sämtliche Einkünfte einzubeziehen seien, die der Schuldner im Veranlagungszeitraum bezogen habe. Erst die Geltendmachung der Steuerforderung richte sich nach den Regeln des Insolvenzrechtes. Verfahrenshandlungen, die die Insolvenzmasse beträfen, könnten wirksam nur gegenüber dem Insolvenzverwalter vorgenommen werden. Dieser sei Bekanntgabeadressat. Dies gelte auch dann, wenn einem Steuerbescheid nur unpfändbarer Arbeitslohn zu Grunde gelegen habe, wie die Entscheidung des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz im Urteil vom 2. Juli 2009, 4 K 2047/07, zeige.

    Der Kläger merkt hierzu an, auch aus der vom Finanzamt zitierten Entscheidung des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz lasse sich nichts anderes herleiten, als dass die im Zusammenhang mit dem insolvenzfreien unpfändbaren Erwerb stehenden Steuerforderungen nicht als Masseforderungen gegen die Insolvenzmasse, sondern vielmehr gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners geltend zu machen seien. Die Entscheidung des Finanzgerichtes betreffe den Fall eines Erstattungsanspruches, der im Zusammenhang mit unpfändbarem Einkommen stehe. Steuererstattungsansprüche gehörten zur Insolvenzmasse, soweit die Vorauszahlungen wie vorliegend vor oder während der Dauer des Insolvenzverfahrens geleistet worden seien. Aus dieser Entscheidung lasse sich jedoch nicht im Umkehrschluss entnehmen, dass auch Steuernachforderungen, die in untrennbarem Zusammenhang mit unpfändbarem Einkommen stünden, ebenfalls als Masseforderungen geltend gemacht werden könnten. Maßgeblich sei in diesem Zusammenhang allein die Frage, ob die Steuerforderung durch eine Handlung des Insolvenzverwalters oder in sonstiger Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet worden sei. Wenn die Steuernachforderung, wie hier, jedoch im Zusammenhang mit der insolvenzfreien Tätigkeit eines Schuldners stehe, sei dies nicht der Fall.

    Der Senat hat zu dem vorliegenden Klageverfahren die Insolvenzverfahrensakten 2 IK .../05 und 2 IK .../05 beigezogen.

    Gründe

    Die Klage ist nahezu in vollem Umfang begründet. Das Finanzamt hat die die Schuldner betreffende Einkommensteuer 2006 bis auf einen Betrag von rd. 82 €, der zu einer Nachzahlung von rund 17,50 € führt, zu Unrecht gegen den Treuhänder festgesetzt.

    Die Einkommensteuer, die auf die Einkünfte der Schuldner aus nichtselbständiger Arbeit entfällt, ist - bis auf den o. g. Betrag - keine Masseverbindlichkeit und kann daher nicht durch Bescheid gegenüber dem Treuhänder geltend gemacht werden.

    Auch in der Insolvenz des Steuerbürgers richtet sich die Entstehung des Steueranspruches (Art und Höhe der Einkünfte, Höhe des zu versteuernden Einkommens etc.) weiter unverändert nach Steuerrecht. Seine Geltendmachung bzw. Durchsetzung hat jedoch den Regeln der Insolvenzordnung zu folgen. Waren die Steuerforderungen - was hier nicht der Fall ist - bereits im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung begründet, sind sie zur Tabelle anzumelden und werden als Insolvenzforderungen aus der Masse befriedigt. Bei - wie vorliegend - später begründeten Steuerforderungen kann es sich entweder um Ansprüche gegen die Masse handeln (§§ 53 bis 55 InsO: Kosten des Insolvenzverfahrens und sog. sonstige Masseverbindlichkeiten), die vorweg aus der Masse zu befriedigen sind und die sich gegen den Verwalter der Masse, mithin gegen den Insolvenzverwalter oder den Treuhänder, richten oder aber um Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen des Gemeinschuldners, die am Insolvenzverfahren nicht teilnehmen und weiterhin gegen den Gemeinschuldner festzusetzen sind und gegebenenfalls im Wege der Einzelzwangsvollstreckung durchgesetzt werden müssen.

    Im Streitfall ist nach der Vorschrift des hier allein in Betracht kommenden § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Inanspruchnahme des Klägers nur in dem o.g. Umfang möglich.

    Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden (ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören). Es ist umstritten, ob Verbindlichkeiten, die der Insolvenzschuldner im Zusammenhang mit einem in die Masse fallenden Neuerwerb auslöst (insbesondere also auch Steuerschulden, die auf den Neuerwerb entfallen), eine Masseverbindlichkeit in anderer Weise begründen können. Dies wird zum Teil mit der Begründung abgelehnt, dass hierfür das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners zur Verfügung stehen müsse. Teilweise - z. B. durch den BFH - wird das Entstehen einer Masseverbindlichkeit bejaht. Der BFH hat hierzu, und zwar bereits unter Geltung der Konkursordnung, in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass dies unter der Voraussetzung, dass der Neuerwerb zur Masse gelange, der Fall sei (vgl. z. B. das Urteil vom 5. März 2008, X R 60/04, BStBl II 2008, 787, m. w. N.). Das Finanzgericht Nürnberg (vgl. das Urteil vom 11. Dezember 2008, 4 K 1394/07, abgedruckt in Juris) vertritt die Auffassung, dass durch eine Betätigung des Insolvenzschuldners zumindest dann keine Masseverbindlichkeit in anderer Weise nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet werden kann, wenn dieser die Tätigkeit ohne Wissen und Billigung durch den Insolvenzverwalter ausgeübt hat und die Erträge tatsächlich nicht zur Masse gelangt sind, weil andernfalls der Schuldner die Masse willkürlich schmälern und so letztendlich die Tätigkeit des Insolvenzverwalters untergraben könnte. Es sei auch unverständlich, weshalb die Masse für Verbindlichkeiten einzustehen haben sollte, die sich aus einer Tätigkeit ergäben, deren Erträge nicht zur Insolvenzmasse gelangten.

    Nach Dafürhalten des erkennenden Senates ist zunächst vom Wortlaut der Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO auszugehen, wonach grundsätzlich nur der Insolvenzverwalter/Treuhänder Masseverbindlichkeiten begründen kann. Da die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse nur dem Insolvenzverwalter zusteht, können grundsätzlich auch nur durch seine Handlungen Masseverbindlichkeiten eben durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse entstehen.

    Andererseits kann bei der Auslegung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Neuerwerb gemäß § 35 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse zählt und der Gemeinschuldner, der während des Insolvenzverfahrens einer nichtselbständigen Arbeit nachgeht, dies in Einklang mit seiner sich aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO ergebenden eigenen Obliegenheit tut. Indem der Insolvenzverwalter hiervon Kenntnis erhält (vgl. dazu auch die Mitwirkungspflichten des Schuldners nach § 97 InsO) und den jeweils pfändbaren Betrag des Arbeitseinkommens zur Masse zieht, wird er die Masse verwaltend tätig. Dieses Verständnis der „in anderer Weise” begründeten Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alternative InsO führt zu einem stimmigen Gesamtbild: Die Verbindlichkeiten, die mit Vermögen in Zusammenhang stehen, das zur Masse gerechnet wird, stellen - spiegelbildlich dazu - die Masse belastende Schulden dar. Vermögen und durch den Erwerb dieses Vermögens veranlasste Schulden sind danach nicht etwa zwei verschiedenen Vermögensmassen (Insolvenzmasse einerseits und andererseits insolvenzfreies Vermögen des Gemeinschuldners) zuzurechnen, sondern jeweils ein und demselben Vermögensbereich.

    Voraussetzung einer Zuordnung von Steuerschulden auf einen Neuerwerb zu den Masseverbindlichkeiten ist jedoch stets , dass der Neuerwerb des Schuldners, der besteuert werden soll, tatsächlich zur Masse gehört und der Masse sodann tatsächlich auch zufließt. Nur soweit eine Besteuerungsgrundlage (z. B. der Arbeitslohn) zur Masse zählt, kann die Masse auch in Anspruch genommen werden (vgl. hierzu mit ausführlichen Hinweisen: FG Nürnberg, Urteil vom 11. Dezember 2008, 4 K 1394/2007, abgedruckt in Juris).

    Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt, z. B. auch das neu erworbene Arbeitseinkommen (Bringewat/Waza, Insolvenzen und Steuern, 6. Aufl. 2004, Rdnr. 777). Lt. § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO gehören dazu jedoch ausdrücklich die Gegenstände nicht , die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen. In diesem Zusammenhang gelten u. a. die Vorschriften der §§ 850, 850 a, 850 c und 850 e ZPO (unpfändbare Bezüge, Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen, Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens).

    Nach den Berichten des Klägers an das Insolvenzgericht und der auf gerichtliche Nachfrage hin vorgelegten Zusammenstellung des zur Masse gezogenen Arbeitslohnes betrug der pfändbare Anteil - vom Finanzamt unwidersprochen - insgesamt, d. h. sowohl den Schuldner als auch die Schuldnerin betreffend, lediglich 759 €. Nur die darauf anteilig nach dem Verhältnis des Gesamtbetrages der Einkünfte (37.765,00 €) zu dem pfändbaren Arbeitslohn (759,00 €) entfallende Einkommensteuer durfte daher gegenüber dem Kläger festgesetzt werden. Dies führt hier zu einer auf den pfändbaren Lohnanteil entfallenden Einkommensteuer von rd. 82,00 € (sowie einem entsprechend anteiligen Steuerabzug vom Lohn in Höhe von ca. 65,00 € und daher zu einer Einkommensteuernachzahlung von rd. 17,50 €).

    In der finanzamtlichen Praxis kann eine solche Aufteilung etwa dergestalt geschehen, dass die Festsetzung der Einkommensteuer, so wie sie sich gemäß einer Schattenveranlagung darstellt, Ausgangspunkt ist und dem jeweiligen Insolvenzverwalter/Treuhänder der Inhalt dieses Bescheides, allerdings ohne Adressierung, d. h. nicht als Bescheid, sondern als Berechnungsgrundlage, mitgeteilt wird und die sich hieraus ergebende Einkommensteuer sodann entsprechend dem jeweiligen Verhältnis des Gesamtbetrages der Einkünfte zu dem pfändbaren Arbeitslohn manuell festgesetzt wird.

    Auch aus der Vorschrift des über § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO entsprechend anwendbaren § 850 e Nr. 1 Satz 1 ZPO lässt sich kein für das Finanzamt günstigeres Ergebnis herleiten. Danach haben u. a. die Beträge, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind, zur Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens außen vor zu bleiben. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass Steuerforderungen stets in vollem Umfang und unmittelbar pfändbar sind und damit stets zur Insolvenzmasse gehören. Die oben angeführte Norm bezieht sich ausschließlich auf die Beträge, die der Arbeitgeber nach dem Steuerrecht (oder Sozialrecht) einbehalten und unmittelbar abführen muss (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 55. Aufl. 1997, § 850 e Rdnr. 3). Gemäß §§ 38 a Abs. 4, 39 Abs. 3 b Satz 4 EStG richtet sich der Lohnsteuereinbehalt u. a. danach, welche Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte eingetragen ist. Diese Eintragung stellt eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen i. S. d. § 179 Abs. 1 AO dar. Im Streitfall stand den Schuldnern nach § 38 b Satz 2 Nr. 3 Buchst. a) bb) und Nr. 5 EStG die Wahl zwischen den Steuerklassen III/V und IV/IV zu. Die Arbeitgeber der Schuldner waren für Zwecke des Lohnsteuerabzuges an die Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten gebunden und deshalb im Streitjahr ihrer steuerrechtlichen Pflicht zum Lohnsteuerabzug in vollem Umfang nachgekommen. Nur der auf dieser steuerrechtlichen Pflicht der Arbeitgeber beruhende Lohnsteuerabzug kann zur Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens zum Abzug gebracht werden. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Lohnsteuerabzug im Ergebnis zutrifft, ob er zu einer Nachzahlung führt oder einen Erstattungsanspruch auslöst.

    Eine sich auch auf den unpfändbaren Teil der Arbeitslöhne beziehende Masseverbindlichkeit ist - entgegen der Auffassung des Finanzamtes - auch nicht etwa deshalb entstanden, weil es der Kläger unterlassen hätte, die Eintragung der Steuerklasse auf den Lohnsteuerkarten der Schuldner dahin abzuändern, dass sich kein Nachzahlungsbetrag ergeben hätte (Steuerklassen IV/IV).

    Selbst wenn man die Steuerklassenwahl (ähnlich dem Veranlagungswahlrecht) als Teil der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters ansehen wollte, was zumindest zweifelhaft erscheint, so kann hieraus - übrigens ebenso wie beim Veranlagungswahlrecht - keine Pflicht zur Wahl einer (nur) für den Steuergläubiger möglichst günstigen Steuerklasse abgeleitet werden. Der Insolvenzverwalter/Treuhänder ist vielmehr im Sinne der Gleichbehandlung aller Gläubiger gehalten, die Masse zu mehren bzw. zu erhalten. Dem wäre die Änderung der von den Schuldnern gewählten Steuerklassen zuwidergelaufen: Bei einer höheren Einkommensteuervorauszahlung in Gestalt eines höheren Lohnsteuereinbehaltes hätte sich - wenn überhaupt - ein geringerer pfändbarer Betrag und infolgedessen eine geringere Masse ergeben, was zum Nachteil der anderen Gläubiger gereicht hätte.

    Darüber hinaus stellt der Nachzahlungs anspruch als solcher auch vor dem Hintergrund der Steuerklassenwahl bzw. der unterlassenen Steuerklassenänderung keine Masseverbindlichkeit nach (dem hier wiederum allein in Betracht kommenden) § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO dar. Der Steueranspruch ist, weil das dem Gemeinschuldner zugeflossene Arbeitsentgelt, soweit pfändbar, gemäß § 35 Abs. 1, 2. Alternative InsO in die Masse fällt, als damit untrennbar zusammenhängende Masseverbindlichkeit zu begreifen, auch wenn er nicht aus Handlungen des Insolvenzverwalters herrührt und die Arbeitskraft selbst, aus der das Arbeitseinkommen geschöpft wird, nicht zur Insolvenzmasse gehört (s. o.; vgl. dazu auch das Urteil des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz vom 10. November 2008, 5 K 2040/08, abgedruckt in Juris). Das Finanzamt will nun aus diesem Steueranspruch einen Teil in Höhe des Nachzahlungsbetrages quasi abspalten. Es meint, dieser Teil sei durch die - aus Sicht des Finanzamtes - nachteilige Steuerklassenwahl entstanden.

    Dem ist nicht zu folgen. Der Steueranspruch wird zur Gänze und unabhängig davon, in welcher Höhe er durch die Entrichtung von Vorauszahlungen bereits erfüllt wurde, allein durch den Zufluss von Arbeitsentgelt beim Schuldner begründet. Allein dieser Zufluss erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruches hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Höhe der Vorauszahlungen - nichts anderes stellt der Lohnsteuerabzug dar - hat weder Einfluss auf die Höhe noch auf den Entstehungszeitpunkt etc. des Steueranspruches. Die Steuerklassenwahl kann daher den Steueranspruch nicht berühren, geschweige denn begründen.

    Die Wahl der Steuerklassen III/V statt IV/IV wirkte sich lediglich auf die Realisation der Forderung aus. Während sich bei IV/IV keine Nachforderung, sondern allenfalls eine Erstattung ergeben hätte, das Finanzamt damit faktisch bevorzugt befriedigt wäre, steht es nunmehr (Steuerklassen III/V) mit dem Nachzahlungsanspruch in Konkurrenz zu den übrigen Masse- bzw. Insolvenzgläubigern.

    In diesem Zusammenhang kann auch nicht zielführend eingewendet werden, dass die Durchsetzung des Steueranspruches damit vom bloßen Zufall der „richtigen” bzw. „falschen” Steuerklassenwahl abhinge. In dieser Unwägbarkeit realisiert sich vielmehr lediglich das allgemeine, jeden Gläubiger des Gemeinschuldners gleichermaßen treffende Risiko, dass der Schuldner eine Verbindlichkeit nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt (möglichst bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) entrichtet hatte.

    Schließlich verfängt auch der Hinweis des Finanzamtes auf das Urteil des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz vom 2. Juli 2009, 4 K 2047/07, nicht. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Rechtsstreit hatte einen Erstattungsanspruch aus überzahlter Lohnsteuer, gegen den das beklagte Finanzamt aufgerechnet hatte, zum Gegenstand. Ein solcher Anspruch gehört jedoch - wie das Finanzgericht in diesem Urteil ausdrücklich ausführt - von vornherein nicht zum pfändbaren Arbeitseinkommen im Sinne der §§ 850 ff. ZPO und unterfällt aus diesem Grunde auch nicht dem besonderen Pfändungsschutz. Er stellt vielmehr einen Anspruch der Masse gegen den Steuergläubiger bzw. - umgekehrt - eine Verbindlichkeit des Steuergläubigers gegenüber der Masse dar, so dass insoweit - anders als im vorliegenden Streitfall - allein der Insolvenzverwalter der richtige Ansprechpartner und damit Bescheidadressat sein konnte.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 151 Abs. 1, Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen. Zulassungsgründe i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO sind nicht ersichtlich.

    Anmerkung

    Revision eingelegt (BFH VI R 9/11)

    VorschriftenInsO § 35 Abs. 1, InsO § 36 Abs. 1 Satz 1, InsO § 55 Abs.1 Nr. 1